Durische Postille

Heldentod
35. Woche des 1. Jahres

Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, dachte sich Forobosch, dessen Wanst in den Monaten auf hoher See bedenklich geschwunden war. Der Kies des Strandes knirschte unter seinen Stiefeln und mit einem Platschen landete er im Wasser. Er ward den Schwindel und das dauernde Wanken mittlerweile gewohnt, doch nicht länger den Untergrund. Fluchend rappelte er sich empor und zog seine Tarnkappe über. Es hatte ihn bereits vor der riesenhaften Schildkröte bewahrt die er einer Insel gleich vor Wochen gesehen hatte.. Dieses Eiland hier ward fremd. Als Frostzwerg war er die stille Einöde des Nordens gewohnt, doch nicht diesen schwülen Wald. Wer mag wissen, was sich hier verbirgt. Behutsam zog Forobosch die Nussschale an Land und verbarg es unter einem riesigen Farn in Ufernähe.
Im Schutze seiner Tarnkappe schritt er in den geheimnisvollen Wald, um dort zu seiner Freude ein paar wilder Hühner ansichtig zu werden, denen er mit schnellem Griff die Hälse umdrehte. Er wollte dieses schmackhafte Mahl später in den Kohlen eines Feuers braten... Wenn er denn nur trockenes Holz fände... Aber auf den Hängen der Hügel dürfte er selbiges finden, was sollte ihm denn auch geschehen, im Schutze seiner Tarnkappe ward er vor den Augen von Feinden gefeit. Möge die Walküre mit ihm sein, irgendwas verbarg sich doch hier. Die Gewissheit hatte er sowie er den urtümlichen Schrei aus dem Landesinneren hörte. Was es auch war, es war groß und mächtig. Bei der Göttlichen, welch Urgewalt?! Doch er wäre kein Eiszwerg wäre nicht seine Gier nach Schätzen erwacht.
...
Nun war also das geformte Holzding an der Insel angelandet. Der alte Lindwurm erhob sich in die Luft und stellte fest, dass er schon mal leichter geflogen ist. Die Jahrhunderte lasteten auf den Alten. Sein Schuppenkleid war graugrün gebleicht, um die Schnauze beinahe weiß.
Wie bereits seit so langer Zeit würde er die Eindringlinge finden und töten. Es schien normal für ihn zu sein. Von dem mächtigen Zauber, welcher seit langen Jahren auf ihm lag, spürte der Wyrm nichts.
...
In die Höhle voller Gold und Schätze tretend schrak Forobosch auf. Geschmeide und Gold, unsägliche Schätze waren da auf dem Hort des Drachen. Ganz offensichtlich handelte es sich um einen solchen, der Gestank der Bestie war unverkennbar. Doch darin erblickte er Schönheit, wie er sie erst einmal im Antlitze der Walküre sah.
Das Elbenmädchen lag scheinbar besinnungslos auf dem Hort. Der feiste hässliche Eiszwerg näherte sich vorsichtig. So vorsichtig, wie er es nie zuvor getan hatte, als ob er fürchtete die Schönheit zu verschrecken.
Mit einem Male hörte er erneut den urtümlichen Schrei erneut und entgegen aller zwergischen Eigenheit ließ Forobosch Geschmeide und Schätze beiseite und nahm was ihm in diesem Augenblicke als das kostbarste erschien. Das unbekannte Elbenkind, welches sein Herz berührt hatte, ward zu retten. Denn an einem solchen Orte, wollte kein Wesen - außer dem Drachen selbst - freiwillig verweilen. Die Jungfer diente wohl gar als Beute... Nein, wenn er in diesem Leben noch etwas Sinnvolles vollbringen wollte, dann dieses.
Er hob das Mädchen über seine Schulter und rannte um ihrer beider Leben. Doch schon sah er den Schatten herabfahren und konnte sich nur mit seinem Tarnmantel retten.
...
Nach scheinbar endlosen Stunden schaffte er es doch an den Strand und legte das Elbenkind in das versteckte Boot, wo er Wasser und Nahrung hatte. Als die Elbe aus ihrem Schlaf blinzelnd erwachte - da wusste er, dass all sein Dasein nur für diese Heldentat galt.
"Segle hinfort Kind, weg von diesem Ort! Weg vom Drachen! Ein Geschöpf wie du, muss frei bleiben von der Knechtschaft des Geschuppten! Doch wenn du mir gnädig gestimmt bist, dann lass meinen Namen nicht vergessen sein! Forobosch, den Fetten nennt man mich in den Gestaden des Nordmeeres, wo ich als Fischer mein Dasein fristete - und nie gedachte ich solcherlei Schönheit wie dir nahe sein zu dürfen. Noch weniger indes dachte ich je daran solch Schatz wie dich von eines Drachen Hort zu stehlen. Nimm diesen, meinen Tarnmantel und verberge dich! Auf gen Süden, dorthin soll dich die Strömung tragen! Flieh, und möge der Segen der Walküre mit dir sein!" Und als er das Boot kräftig in das Wasser schob, rannte er, bar seiner Tarnung, um sein Leben im Kampfe gegen den Drachen zu lassen. Aileen, deren Namen er indes nie erfahren hatte, würde hoffentlich seinen Worten Gehör schenken und entkommen, wenngleich er das nie erfahren würde...

Wohlwollend blickte die Walküre auf diesen dumben Recken, dessen selbstloser Tod ihm einen Platz an ihrer Tafel bescheren werde.

Eisengrimm - Klans des Nordens