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Durische Postille |
Ein kurzer Augenblick... 43. Woche des 1. Jahres Es war das Ende der 42.Woche des 1.Jahres nach dem Erwachen.
Es war kein besonderer Tag, es versprach kein besonderer Abend zu werden.
Ignaz schritt hängenden Hauptes über die blühende Blumenwiese auf der Insel im sturmumtosten Eismeer des Nordens. Die Aufgabe, die auf seinen Schultern lastete, wog schwer und es war beinahe unmöglich, sie zu bewältigen. Das Leben so vieler hing davon ab. Nicht zuletzt das Leben seiner geliebten Frau. So viele würden dafür ins Verderben geführt.
Mit einem Mal erfasste ihn eine warme Windböe vom Süden kommend und fuhr ihm durch den langen, wallenden Bart. Unmerklich hob er den Kopf, sein Blick richtete sich geradeaus und er spürte, dass es möglich war. Er konnte es schaffen...
Die furchtlose Entschlossenheit der Goblins und Orks und ihr Wille dem Chaos zu trotzen schwappten wie eine Welle über das Schlachtfeld. Und durch die Geisterwelt. Sie löste etwas in den astralen, verästelten Bahnen des Myzels aus. Es kannte keine Gefühle, hatte noch nie welche gespürt und kaum davon gehört. Bis jetzt ...
Es war vollkommen dunkel um ihn herum. Er stand tief unter der Erde, weiter vermulich, als jemals ein Elf zuvor gekommen war. Es roch nach Erde, er hatte diesen feucht-modrigen Geruch schon seit Tagen in der Nase. Und es war Leben um ihn herum, selbst hier unten. Er konnte es zwar nicht sehen, aber er hörte es allenthalben.
Er fühlte, wie ihm die tonnenschwere Last des Humus, der Wurzeln und Steine über und um ihn das Atmen schwer machten. Es war beklemmend. Er war dafür nicht gemacht. Die Angst setzte ihm hart zu und er wäre geflohen, sofort, hätte auf der Stelle kehrtgemacht.
Wenn da nicht ein kurzes Beben das Erdreich erschüttert hätte. Etwas war geschehen, und er wusste: Er konnte zu den Wurzeln finden, auf diesem Weg, er konnte das Schicksal seines Volkes finden. Es war möglich...
Die beiden Schwestern hatten sich freiwillig zu dieser Mission gemeldet. Ihr Prinz hatte danach gefragt, und es war ihnen eine Ehre gewesen. Doch von dieser Ehre war hier, im Schatten des riesigen Höhleneingangs, in dessen Nähe sie sich verborgen hielten, nichts mehr zu spüren. Der faulige Odem des Lindwurms hatte in den Tagen und Wochen auf dieser Insel ihre Sinne getrübt: Die Augen waren entzunden und gerötet, die Nase verstopft, nur hin und wieder rann grünlicher Schleim daraus hervor, und ihre Haut warf Pusteln und Beulen. Müde ließen sich die beiden zurück gegen den harten Stein sinken. Nur einmal kurz die Augen schließen, sie würden die Entführte schon nicht verpassen. Schon fielen ihnen die müden Lider zu, als mit einem Mal ein ohrenbetäubendes Peitschen aus der Höhle zu vernehmen war. Etwas hatte den Lindwurm geweckt. Etwas war vorgefallen. Sie hatten es beide deutlich gespürt.
Kurz sahen sie Bilder vor ihrem inneren Auge: Sie beide, auf einem Boot, auf dem sicheren Heimweg. Dann in der Stadt, der Prinz hieß sie persönlich willkommen, ehrte sie. Die Hochzeitsfeierlichkeiten würden bald beginnen.
Dafür würden sie ausharren, alles auf sich nehmen. Sie konnten es schaffen...
Es war, als ob für einen kurzen Augenblick alles möglich wäre. Hunderte, tausende solcher Momente, am ganzen Kontinent. Als ob das Schicksal der Welt sich neu ausrichtete. Und für diesen einen kurzen Augenblick hielt die Welt ihren Atem an.
Dramatis Personae
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