Durische Postille

Môr'Kishai gegen den Schildbund?
28. Woche des 2. Jahres

Fürwahr, es scheint tatsächlich so, als ob sich die Zha'la der Tho'delka in den letzten Jahrhunderten von den Zha'las der anderen Elbenvölkern entfernt hat.

Das Leben in den trockensten Regionen Duriens, der tägliche Kampf ums Überleben, der Wind der Wüste, der nur ganz selten Erleichterung, viel zu häufig jedoch Tod und Verderben bringt, scheint unseren Blick auf die Welt tatsächlich verändert zu haben.

Es ist jedes Mal eine Tragödie, jedes Mal ein Anlass zur Trauer, wenn jemand aus unserer Mitte gerissen wird, ein Jäger nicht mehr zurückkehrt, ein Späher den Weg zur heimatlichen Zha'la nicht mehr findet. Wieviele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hätte die junge Elbin in unserer Mitte weilen können, unsere Herzen durch ihren Gesang mit Freude erfüllen?

Doch sie wurde uns genommen, vom Wind der Wüste, vom ewigen Gesang der Esche, in dem wir höchstens noch ihre letzten Träume wieder zu erkennen vermögen. Sie ist eingegangen in den ewigen Gesang, den Chor der Winde der Welt.

Der Tod einzelner Mitglieder unserer Zha'la ist eine Tragödie, die sich täglich wiederholt, denn nur schwacher Trost für die Väter, Mütter, Schwestern und Brüder der Verlorenen ist die Gewissheit, daß der ewige Kreislauf aus Geben und Nehmen besteht, nichtsdestotrotz ist dies Teil des täglichen Lebens unseres Volkes.

Unser Volk widersteht seit Jahrhunderten den Unbillen der Natur. Unser Volk widersteht seit Jahrhunderten den Verlockungen des Chetons und all den anderen Herausforderungen, die unsere Heimat im Südwesten Duriens uns abverlangt. Und in den letzten Jahren haben wir erkannt, dass andere Völker hier täglich denselben Kampf zu führen haben. Aus diesem Grund, und aus keinem anderen, hat sich das Volk der Tho'delka dem Bund der Môr'Kishai angeschlossen.

Wenn nun jemand behauptet, dass die Môr'Kishai sich im Krieg mit den Völkern des Schildbundes befindet, dann kann dies nur auf Unwissen beruhen. Unwissen über das Wesen des Krieges an sich, denn wahr ist, dass der Wind der Wallfahrt sich vom Wind der Wüste unterscheidet. Beide kennen keine Gnade, doch wo der Wind der Wüste eine Ausprägung der Natur an sich ist, ist der Wind der Wallfahrt ein Sturm, der von den Beteiligten übereinander gebracht wird.

Der erstere muss also als Lauf der Dinge akzeptiert werden, der zweitere wird willentlich entfacht.

Die Môr'Kishai sind aus unserer Sicht herausgefordert genug vom Wind der Wüste, sodass es wirklich nicht in unserem Interesse ist, den Wind der Wallfahrt heraufzubeschwören. Während also durchaus Luftzüge unser Verhältnis mit unseren Nachbarn vom Schildbund, insbesondere mit unseren Brüdern vom Bund der alten Weisheit, verwirbelte, kann derzeit nicht davon gesprochen werden, dass der Sturm des Schlachtens in unserer Mitte wütet.

Wir trauern um jeden einzelnen wackeren, wenn auch unbedarften, Späher des Bundes der alten Weisheit, der in Ländern der Môr'Kishai in der Woche des Zwischenfalls in den Kristallbergen von der Brise der Beziehungen unserer Völker erfasst wurde, wie wir auch um den Tiran der Keltaraun trauern, dessen Nebelfahne, vom Wind verblasen, vergehen musste, ohne erlösenden Regen über die Wüste zu bringen.

Trotz dieser Trauer sind wir jedoch gewohnt, die Verluste unserer Geliebten als einen Teil des ewigen Kreislaufes zu akzeptieren. Andere Völker mögen diese tragischen Verluste schon als Krieg bezeichnen, wir hingegen wissen, dass zu viel auf dem Spiel steht, so dass das Schicksal Einzelner nicht unbedingt Grund genug sein sollte, den Wind der Wallfahrt zu entfachen.

Und entfacht ist er noch nicht. Die Môr'Kishai befinden sich derzeit nicht im Krieg mit den Ländern des Schildbundes, der Wind der Wallfahrt wurde zurückgehalten, damit das leise Säuseln der Stimmen des Friedens vernehmbar ist. Der Wind der Wüste der diplomatischen Beziehungen hat dem Volk der Keltaraun und dem Volk der alten Weisheit einzelne Brüder, Schwestern und Freunde genommen. Der Wind der Wallfahrt, so entfacht, würde ganze Sippen auslöschen.

Môr'Kishai Tho'delka