Durische Postille

In hellem Mondschein
3. Woche des 3. Jahres

Marno lauscht dem Heulen der Wölfe in der Entfernung. Glücklicherweise waren sie weit entfernt, dennoch wurden die Schafe etwas unruhig. Marno spielt auf seiner Flöte um die Schafe und sich selbst zu beruhigen. Nach kurzer Zeit unterbrach er sein Spiel, denn er hatte das Gefühl nicht allein zu sein. Es klang fast so als ob jemand leise zu seiner Melodie summte, oder aber auch ein Chor in der Ferne dazu sang. Es ist eine klare Vollmondnacht und Marno kann weit und breit niemanden entdecken, er war mit seinen Schafen allein auf dieser Heide. Marno schüttelte lachend seinen Kopf und setzt sein Flötenspiel fort. Es stimmte wohl dass der Vollmond eine seltsame Wirkung auf Menschen haben kann, da hätte Marno Wolfsgeheul doch schon fast mit Gesang verwechselt.

Im Innenhof des Tempels erreicht das Ritual seinen Höhepunkt. Aus dem Tempel dringt der Gesang hunderter Ritualhelfer, der im Laufe dieser Nacht immer lauter, klarer und melodischer wurde. Die Ithryn haben sich um den großen Obelisken versammelt und recken ihre Arme mit beschwörenden Gesten dem Mond entgegen. Nun ist der Moment gekommen, in dem sich das Mondlicht im Kristall an der Spitze des Obelisken bündelt und einen hellen Lichtkegel auf eine Pflanze im Schatten des Obelisken wirft. Ein Ithryn entrollt eine alte Schriftrolle und rezitiert eine Beschwörungsformel in einer alten, kehligen Sprache. Bereits beim ersten Wort regen und recken sich die Blätter der seltsamen Pflanze nach dem Mondlicht. Sie scheinen das Licht zu absorbieren bis sie von selbst zu leuchten beginnen. Mit einem Ruck entsteigt nun das leuchtende Gewächs dem Boden. Seine Wurzel hat annähernd die Form eines Menschen und auch Augen und ein Mund sind zu erkennen, es ist eine der sagenumwobenen Alraunen. Die Alraune öffnet ihren Mund und beantwortet die Beschwörungsformel mit schriller Stimme. Anfangs scheinen es noch Worte zu sein, doch im Laufe der nächsten Stunde wird daraus ein melodischer Gesang. Immer lauter und immer höher wird die Stimme der Alraune und langsam beginnt sie dem Lichtkegel entlang dem Kristall entgegen zu schweben. Auch die elbischen Magier verlieren den Kontakt zum Boden, ihre Ohren beginnenzu bluten, doch unbeirrt setzen sie das Ritaul fort. In einem gleißenden Licht explodiert der Kristall in kleinste Teile, die Ithryn werden wieder zu Boden geworfen und schlagartig wird es still. Tausend Jahre lang war der Obelisk nur ein behauener Stein mit verwitternden Runen, doch jetzt dringt ein fahles Licht aus seinem Inneren und projiziert klar erkennbare Schriftzeichen an die umliegenden Tempelwände.

Marno fährt erschrocken herum. Hatte er gerade einen Schrei gehört? Seine Schafe hatten ihn jedenfalls gehört, denn sie wenden sich nun zur Flucht. Und auch das Heulen der Wölfe ist einem angsterfüllten Winseln gewichen.

(Gerücht)