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Durische Postille |
Die Zusammenkunft 15. Woche des 1. Jahres Aus den "Dialogen zwischen Tephos und Edema", aufgezeichnet von Mikros, Dienstbote im Palast zu Sharika.
Elema schritt über die Stufen zum Thronraum der Herrscher von Pylien. Langsam und bedächtig setzt sie Fuß vor Fuß, scheinbar, um die Begegnung mit Tephos noch etwas hinauszuzögern. Streit lag so merklich in der Luft wie der dichte Rauch einer brennenden Steinkiefer.
Schließlich jedoch musste sie den großen Torbogen durchschreiten, der von pylischen Meisterhandwerkern kunstvoll aus Rosenmarmor herausgemeißelt worden war und hinter dem Tephos sie aus zusammengekniffenen Augen von seinem Thron herunter anstarrte. Elema verharrte. Tehpos nahm einen großen Schluck aus seinem Weinpokal, ohne den den Blick von ihr zu nehmen. Ohne auch nur zu blinzeln.
"Mein lieber Bruder. Lange haben wir uns nicht mehr gesproch..."
"Eine weise Beobachtung, Schwester! Ich aber habe eine Erklärung für diese mysteriösen Umstände: Wer in seiner Grotte hockt und die Götter belauscht, der ist taub für weltliche Anfragen. Taub!"
"Ich..."
"Wie die Anfrage zu einer Unterredung mit mir. Vor acht Wochen!"
"Aber nun bin ich ja hier und wir können über alles reden, was dir wichtig ist."
Tephos zog verächtlich die Nase hoch und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Pokal. Elema wartete. Tephos wartete und trank. Schließlich war Elema das Messen mit Blicken leid.
"Und ... gibt es Fortschritte bei der Erforschung der Umlande Pyliens?"
"Ha! Fortschritte! Unsere Kundschafter sind soweit fortgeschritten, wie sie konnten. Bis sie abgeschlachtet wurden!"
"Abgeschlachtet? Das ist ja schrecklich!"
"ja schrecklich" äffte Tephos seine Schwester nach, um dann hitzig fortzufahren "Ja, das ist es. Schrecklich!"
"Aber wie ... wie konnte... wie..."
"Wie wie wie. Lass mich dir erklären, wie! Zuerst trafen unsere Botschafter auf ein riesiges, geiferndes Untier. Kalkweiß und übelriechend! Und mit haarigen Warzen übersät! Wie deine liebe Tante Tyra."
"Ich..."
"Schweig! Unsere Botschafter versuchten dann solange mit dem Monstrum zu verhandeln, bis sie aufgefressen wurden."
"Aufgefressen? Aber das..."
"Schrecklich, ja. Anschließend schickte ich eine größere Botschaftereinheit, um nachverhandeln zu lassen. Mit Speer und Schild. Leider wurden auch sie gefressen. Ich habe keine weiteren Einheiten zum Albenfresser geschickt, bevor wir Ogerfänger ausgebildet haben."
Tephos trank einen weiteren Schluck und beäugte den nun leeren Pokal. "Der Norden ist feindlich. Also drangen unsere Botschafter in den Westen vor, auf der Suche nach jenen kultivierten Zivilisationen, von denen die Götter gekündet haben."
"Dein Tonfall ist unangemessen. Der Wille der Götter ist heilig und darf nicht in Zweifel gezogen werden."
"Im Osten trafen unsere Botschafter auf Menschen des Äternischen Imperiums. Und diese Schweinehunde..."
Voller Wut warf Tephos seinen Pokal nach einem unbescholtenen Dienstboten, der sich jedoch nicht lang mit seiner neuen Beule aufhielt und tapfer eilte, den königlichen Pokal aufzufüllen "... haben unsere Botschafter hinrichten lassen. Einfach so! Ohne Vorwarnung! Ohne Verhandlung! Unbewaffnete Botschafter! Botschafter, die in friedlicher Mission unterwegs waren! Die sich nicht wehren konnten! Die sogar Geschenke für fremde Völker mit sich führten!"
Schweigen folgte auf den Ausbruch Tephos'.
"Vielleicht handelte es sich um ein Missverständnis?"
"Nein! Ihre Köpfe wurden nach Sharika geschickt. Mit der Botschaft, dass Albenhexenvolk nichts auf dem heiligen Boden des Äternischen Imperiums zu suchen hat."
"Vielleicht sind sie geblendet vom Hass, der von schlechten Erfahrungen uralter Begegnungen mit anderen Alben herrührt? Jene Alben, von denen die Aufzeichnungen unserer Vorfahren berichten? Vielleicht ist es für diese Menschen ungewohnt, mit Alben zu reden, so dass sie unsicher sind und voreilig handeln?"
"Ha! Ungewohnt! Wie soll man mit jemandem reden, der sämtliche Botschafter umbringen lässt? Sollen wir unsere besten nachbarschaftlichen Grüße auf pylische Ziegen pinseln und diese über die Grenze treiben? In der Hoffnung, dass die Menschen jene Rasse als weniger unheilig ansehen und zu ihrem Anführer vorlassen?"
Tephos entriss dem geschundenen Dienstboten den gefüllten Pokal und nahm einen weiteren tiefen Schluck.
"Aber das ist noch nicht alles. Im Nordwesten wollten pylische Siedler ein paar Häuser errichten. Dann wurden sie von Truppen eines anderen Menschenvolkes - Ambrosia - angegriffen. Und im Osten trafen unsere Männer auf Dunkelalben."
Elema wurde blass. Fassungslos rang sie nach Worten.
"Du... Dunkelalben? Oh ihr Götter! Das sind wahrlich schlechte Nachrichten! Die Aufzeichnungen der Vorfahren berichten von dunkelalbischen Teufeln, die düsteren Ritualen frönen und das Blut von kleinen Kindern trinken!"
"Ja ja. Es stellte sich heraus, dass diese Dunkelalben von Karmanthi ganz anständige Burschen sind."
"Anständige..."
"Sie empfingen unseren Botschafter recht freundlich und geleiteten ihn zu ihrer Hauptstadt. Seitdem pflegen wir beste diplomatische Beziehungen."
Es dauerte eine Weile bis Elema die Nachrichten vollständig erfasst hatte. Sichtlich zitternd rezitierte sie "Der Wille der Götter ist heilig. Und darf nicht angezweifelt werden. Die Berichte unserer Vorfahren müssen fortgeschrieben und mit aktuellen Erkenntnissen ergänzt werden."
Zum ersten mal in diesem Gespräch grinste Tephos. "Liebe Schwester, das ist noch nicht alles. Wir trafen weitere Albenvölker. Den Bund der Alten Weisheit. Nihonkuni. Fangorien. Alle diese Völker zeigten diplomatisches Geschick sowie große Weisheit. Bündnisse wurden bereits geschlossen."
"Es freut mich, dass wir nach den anfänglichen Katastrophen nun den rechten Weg gefunden haben."
"Die Menschen von Ambrosia haben schließlich sogar einen Botschafter entsandt, der den Angriff auf unsere Siedler erklärte und um Verzeihung bat. Ambrosia hat überdies sogar Reparationszahlungen angeboten, auf das unsere toten Siedler ein würdevolles Begräbnis erhalten können. Dann haben wir noch Kontakt zu den Menschen von Sashnadâr aufgenommen. Die Verhandlung geriet jedoch ins Stocken, als unser Botschafter von einem Drachen gefressen wurde…" Tephos murmelte etwas, das sich anhörte wie "Mistviecher" und nahm noch einen Schluck Wein.
"Lieber Bruder, mir scheint, dass ich in meiner Abwesenheit viele wichtige Ereignisse verpasst habe. Ich sollte meine Aufmerksamkeit künftig mehr auf die weltlichen Belange Pyliens richten."
"Eine wahrlich weise Erkenntnis, Elema."
"Ich werde dir von nun an bei weiteren Entscheidungen zur Seite stehen. Denn die Götter haben noch einmal zu mir gesprochen und ihre Worte bestimmen das Schicksal Pyliens."
"Die Götter." schnaubte Tephos und leerte seinen Pokal mit einem kräftigen Zug.
Pylien
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