Durische Postille

Der letzte Söldner
16. Woche des 1. Jahres

Einer hatte überlebt.
Er hieß Borgard, war Ende Dreißig und fragte sich gerade, wie er in diese nicht allzu vorteilhafte Lage gekommen war.

Sie hatten im strömenden Regen und mit Hilfe einiger zwangsrekrutierter Bauern aus Nebelmoor bis spät in den Abend an der Holzpalisade weitergearbeitet. Sie war immer noch nicht ganz fertig gestellt, als er mit einem Mal das Hornsignal der Legion, Rufe und Gebrüll sowie Waffengeklirr hörte. Wenn er sich recht erinnerte, war es genau umgekehrt gewesen: Zuerst kam das Waffengeklirr, dann - gleich darauf - das Gebrüll und schließlich das Hornsignal.

Ein Hinterhalt, eine Falle. Überall wimmelte es plötzlich von schwarzen Zwergenkriegern, diesen unglaublich zähen Kämpfern aus Zharr'Moroth. Sie mussten durch eine noch nicht geschlossene Lücke des Holzwalls in der Dunkelheit ins Söldnerlager gelangt sein, und nun war hier der Teufel los.

Irgendwann, nach einigen kurzen Gefechten, fand sich Borgard, den man nur schwerlich als den Held dieser Geschichte bezeichnen kann, der jedoch in Ermangelung anderer Überlebender als Hauptperson herhalten muss, dieser Borgard fand sich also schließlich alleine im Dunkel der Nacht wieder, vor ihm eine weitere Lücke in der Palisade, hiner ihm das Gemetzel, das kaum noch als Kampf zu bezeichnen war.

In diesem Moment geschah folgendes:
Derart alleine gelassen und nicht inmitten seiner Kameraden verließ klamm heimlich etwas Borgards Herz, das sich normalerweise dort stets zu Beginn einer Schlacht festsetzt und oftmals auch dann nicht mehr geht, wenn die Schlacht schon vorüber ist. Es war der Kampfesrausch, jene feurige Erregung, die einem unverhofft Mut schenkt, jeglichen Schmerz verdrängen und die schrecklichen Bilder von Eingeweiden und abgetrennten Gliedmaßen vergessen lässt.
Und da der Platz in Borgards Herz nun einmal eben frei geworden war, verhielt es sich damit nicht anders, als wenn einer eine Provinz aufgibt.

Die gierigen Aasgeier warten bereits darauf, seinen Platz einzunehmen. Der gierigste dieser Aasgeier war einer, von dem in den Geschichten über den Kampf, Schlachten und Kriege selten, und wenn dann nicht gerade ausführlich erzählt wird: Die Angst.

So war Borgard, der Söldner, nun also in die Scheune des dicken Bauern gelangt und versteckte sich oben im Heu. Er hatte Wasser und auch ein wenig zu Essen gefunden, aber er machte sich nicht allzu große Hoffnungen, zu überleben. Sobald die siegreichen Zwerge Zharr'Moroths ins Örtchen Nebelmoor kamen, würden sie ihn finden.

Doch am ersten Tag geschah nichts. Und auch am zweiten und dem darauf folgenden Tag nicht. Keiner kam, um ihn abzuholen und in die Minen der Zwerge zu bringen - ein Schicksal, auf das sich Borgard in Gedanken bereits ausführlich und grundlegend vorbereitet hatte. Dies, und die Tatsache, dass der menschliche Geist ganz schlecht mit Veränderungen umzugehen vermag, erklärt vielleicht auch, warum Borgard ganze drei Tage lange im Heu saß und nichts unternahm.
Erst am vierten Tag, genauer gesagt war es abends und es dunkelte bereits, schlich er sich nach draußen und blickte zum ehemaligen Söldnerlager hinüber. Die Zwerge waren offensichtlich dort geblieben und versteckten sich hinter der Palisade, anstatt die Herrschaft über die Region wieder an sich zu nehmen. Vielleicht veranstalteten sie auch ein Fest, um ihren Sieg zu zu feiern. Und wenn dem so war, dann wusste man ja, dass Zwerge über alle Maßen gerne feierten und dabei jede Menge aßen und - was noch viel wichtiger für Borgard war - noch mehr Bier tranken.

Also reifte in ihm der Entschluss, all die mühsam erstellten Gedanken über sein Dasein als Sklave in den Zwergenminen zu verwerfen - und das fiel ihm wahrlich nicht leicht, denn er hatte sich alles liebevoll und bis ins kleinste Detail ausgemalt - und stattdessen ein letztes Mal einen neuen Gast in sein Herz zu laden: Die Tollkühnheit.

Bewaffnet mit sämtlichen Ölvorräten, die er im ganzen Dorf finden konnte, Feuerstein und Zunder sowie im Schutze der dunklen Nacht schlich er sich zum Holzwall und traf leise seine Vorbereitungen. Dann, als alles bereit war, entzündete er die Fackel, die er selbstverständlich auch mitgenommen hatte und die nur vorhin vergessen wurde erwähnt zu werden, und entfachte den Flammenring.

Und da die Tollkühnheit auch dann noch nicht aus seinem Herzen weichen wollte, als die ersten Zwergenkrieger aus dem Lager gelaufen kamen und drohten ihn zu entdecken, ließ er sich einfach an Ort und Stelle nieder und betrachtete fröhlich sein Werk. Diese letzte Freude vor seinem nicht allzu fröhlichen Ableben will ihm die geneigte Leserschaft gewiss noch gönnen.

Duranische Legion