Durische Postille

Die Offenbarung
3. Woche des 1. Jahres

Tephos wartete ungeduldig in Begleitung seiner Eskorte am oberen Rand des Podests, von dem in den Granit gehauene Stufen hinab in die Kavernen des Orakels führten. Seine Schwester war bereits vor Stunden in den dichten Nebelschwaden verschwunden, die aus der Tiefe drangen. Durch das Orakel sprachen die Götter. Leider konnte man nie erahnen, ob die Götter eine Vision senden würden. Und wenn, wie lange man darauf warten musste. Und was sie bedeuten sollte.

Missgelaunt trat Tephos gegen einen der Opferaltäre, auf dem einer reglosen Ziege die Zunge aus dem Rachen hing. Da hob eine seiner Wachen den Arm und deutete in die Nebel, in denen die Umrisse einer Gestalt sichtbar wurden. Es dauerte einige Zeit, bis Elema den blutgetränkten Aufgang aus den Kavernen erklommen hatte.

"Nun?"
"Eine merkwürdige Vision. Nicht verschwommen und wirr wie stets zuvor, sondern gleich einem Spiegelbild bevorstehender Ereignisse in den dunklen, stillen Wassern. Es war…"
"Was sagen die Götter?"
"Die Zeit, in der der Bruder die Hand gegen den Bruder erhebt, ist vorbei."
"Kein Wunder, alle Anführer der Druiden sind tot. Die Rebellen haben keine Hoffnung mehr." Tephos' Blick wanderte zu der geopferten Ziege.
"Stattdessen wird das Volk von Pylien die Lande jenseits der Höhen von Sharika erkunden. Zu lange haben wir die Augen verschlossen vor dem, was uns umgibt."
"Vor weiten, leeren Ebenen…"
"Jenseits der Ebenen leben andere. Zwerge, Menschen und Elfen. Mit Ihnen müssen wir unser Wissen tauschen. Sie werden uns neue Wege aufzeigen und neue Erkenntnisse verschaffen, wie auch wir zu ihrer ruhmreichen Zukunft beitragen werden."
"Wir sollen uns die Belanglosigkeiten anderer Völker anhören. Das ist der Wille der Götter?"
"Und wir sollen sie prüfen. Jene, die den Göttern freveln und sich selbst über alle anderen stellen, deren Blut muss vergossen werden."
"Das Blut der Frevler vergießen. Wird erledigt…"

Pylien