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Durische Postille |
Das Begräbnis 16. Woche des 1. Jahres Die große Nekropole der Efexos am Rande von Sharika war als Ort des Schweigens bekannt. An diesem Tage jedoch konnte der schlaflose pylische Bürger bei genauem Hinhören die Schreie von Klageweibern im Heulen des Windes ausmachen, die von der Nekroploe herüberdrangen.
Für das Begräbnis der im Westen gefallenen Pioniere und Botschafter hatte man gemäß den pylischen Traditionen die erste Stunde des Tages gewählt - um die Körper der Gefallenen vor den Blicken der Göter zu verbergen. In der Dunkelheit des jungen Tages hatten die Priester auf dem großen Platz des Tafos mehrere Feuer entzündet.
Dort zwischen den Mausoleen der großen pylischen Familien und den einfachen Grabstelen der Unbekannten hatte sich eine große Prozession versammelt: Tephos und Elema, die beiden Augen Pyliens, die Oberhäupte der Priester, die Generäle der psithyroischen Legion, die Stadtgarde von Sharika nebst dem Stadthalter Apodokimos und Abgesandte der großen Häuser. Den Ehrenplatz neben den Augen Pyliens hatte man den Botschaftern von Karmanthi und dem Bund der alten Weisheit zugewiesen.
Regungslos und schweigend starrte die Versammlung in den tiefen Schacht, in den man die sterblichen Überresten der Toten auf einer Bahre an langen Ketten hintergelassen hatte. Den Toten hatte man - sofern ihre Köpfe geborgen werden konnten - einen Goldtaler in den Mund gelegt. Jene Goldtaler waren ein Geschenk von König Kalphagor persönlich.
Wie jeder Pylier weiß, muss jedes Wesen eines Tages sterben. Und findet man sich am Rande eines nebligen Waldes in einer einfachen Tunika und fühlt weder Kälte, noch Schmerz, noch Freude, noch irgendetwas anderes, ist man sehr wahrscheinlich tot.
In diesem Fall kann man sich glücklich schätzen, wenn die Hinterbliebenen dafür gesorgt haben, dass man einen Goldtaler mit auf die letzte Reise nehmen kann: Nach einiger Zeit des Wartens wird man langsames Hufgetrappel vernehmen und im Nebel werden die Umrisse einer Kutsche erscheinen. Auf dem Bock wird schweigend eine dunkle Gestalt hocken. Gibt man ihr den Taler, so wird sie die Türe zur Kutsche öffnen und einen in das Reich der Toten fahren. Ohne Taler wird die Gestalt das bleiche Pferd antreiben und die verlorene Seele zurücklassen. Der Tote muss in diesem Fall seinen Weg durch den Nebelwald selbst finden - was bekanntermaßen niemandem außer dem großen pylischen Helden Poniri Alepos jemals gelang.
Tephos entzündete eine Fackel an einem der Totenfeuer und warf sie in den Schacht hinein. Am Grunde des Schachts loderten Flammen auf und der Geruch von verbranntem Fleisch drang aus der Tiefe. Die Klageweiber verstummten.
Nachdem das Feuer verloschen war, erhob Tephos die Stimme: "Diese Pylier haben ihrem Land große Dienste erwiesen und würden noch unter uns weilen, hätte man ihr Blut nicht auf solch schändliche Weise vergossen. Sie warten nun am Nebelwald. Wir aber sollen ihrer Taten gedenken und daraus für die Zukunft lernen. Mögen die Alben aller Völker zusammenstehen, um zu verhindern, dass das Schwert gegen Alben erhoben werden kann.".
Anschließend wurde der Schacht mit einer Marmorplatte versiegelt, die Feuer gelöscht und in der Nekropole der Efexos kehrte wieder Schweigen ein.
Pylien
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