Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

 

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Der Weingeist
Erster Teil der Geschichte

Erlwulf war mehr als verwirrt. So etwas hatte er ja noch nie erlebt. Wild blätterte er in einem alten dicken Buch, Seite für Seite wälzte er, las mal hier einen Abschnitt, mal dort, aber die richtige Erkenntnis wollte ihm noch nicht kommen. Er hatte doch bei seinen letzten alchimistischen Experimenten keinen Fehler gemacht, dessen war er sich absolut sicher. Aber, was zum Boron war das nun, was ihm da widerfahren war? Entnervt legte er das Buch weg, suchte im Regal ein anderes, das er natürlich wieder nicht fand. Ob dieser Ulmion nicht neulich? Aber nein, er hatte dem kleinen Kerl schon einmal nachdrücklich gesagt, dass er es nicht gerne sah, wenn dieser in seinen Unterlagen, Büchern, Schriftrollen und Aufzeichnungen wühlte. Sicherlich, er hatte nichts dagegen, dass Ulmion ihm manchmal seltsame Fragen stellte und auch mal in einem seiner Pflanzenkundebücher blätterte, aber bitte nur in Erlwulfs Beisein, das war sicherer.
Da! Genau, hier lag es ja. Er hatte es scheinbar neulich unter die Rezeptsammlung für Dschungelfruchttorten gelegt. Erleichtert zog er ein dünnes, quadratisches Büchlein hervor, das recht abgegriffen aussah. Dieses nützliche Werk hatte er vor einem Götterlauf in Brabak von der dortigen Universität erworben. Schnell suchte er nun in diesem umfangreichen Wissenswerk, gab aber schon bald brummelnd auf. Es half alles nichts, er musste Francesca, Khirva, und natürlich Chany Bescheid geben, nicht dass noch ein Unglück im Turm geschah.

Kurze Zeit darauf war allerhand Leben im Turm zu erkennen. Nachdem der Magus die drei wichtigsten Personen wohl kontaktiert hatte, befand er sich zunächst allein im Vorraum des Turmkellers, abwartend, ob sich diese Geräusche im Weinkeller wiederholen würden. Gleichzeitig eilte nun Francesca mehr als besorgt die Treppen hinunter, sich noch eben mit ihrem guten Schwert bewaffnend, das im Arbeitszimmer lag.

Khirva blickte dem davonhastenden Erlwulf kopfschüttelnd nach, stand dann aber rasch auf. "Kommst du, Liebste? Nicht dass er mit seinem Residenzbrand noch den Turm in die Luft sprengt. Dein Hofmagus, Chany, dein Hofmagus!" fügte sie mit gespielter Strenge hinzu und flüchtete dann rasch durch die Tür, bevor ihre Geliebte eines der zahlreichen Kissen als Wurfgeschosse missbrauchen konnte. Doch die seufzte nur, barg ihr Gesicht in den Händen und schüttelte verzweifelt den Kopf. Erneut seufzte sie, erhob sich und stand auf. 
Ihr Blick fiel auf einen Besen, der an die Wand gelehnt stand, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen. energisch nahm sie das Gerät, ließ die glatte Stange ein paarmal in die Handfläche klatschen. "Wehe Dir, Erlwulf....", murmelte sie. Ein teuflisches Lächeln im Gesicht folgte sie der kleinen Boroni...

Während Khirva über den Hof zum Turm eilte, huschte plötzlich ein wenig göttergefälliger Gedanke durch ihren Geist. 'Vielleicht hat der gute Erlwulf versehentlich Ránebet Dhana im Keller eingesperrt? Das könnte in der Tat gefährlich werden. Aber vielleicht mag sie ja Residenzbrannt.' Schmunzelnd betrat die kleine Geweihte den Turm und stieg vorsichtig die Treppe hinab, gleich darauf eilten ihr Chanya und auch Francesca hinterher. Hier im Keller erwartete sie schon Erlwulf, der recht nervös wirkte. Stumm deutete er zur Tür des Weinkellers. "Hört euch das mal bitte an." Aus dem Raum hinter der hölzernen Türe war nun ein Rumoren, Klopfen, und auch Kichern zu hören.

Erlwulf blickte die drei an. "Ich kann da nix dafür, wirklich! Vorhin habe ich das zum ersten Mal bemerkt, glaubt mir doch!" Da er gewissen Unglauben und Unverständnis in ihren Gesichtern erkennen konnte, suchte er sein Heil im Redeschwall, bevor noch schlimmeres geschehen würde. "Also, ich war im Labor und hatte gerade eine Heilsalbe fertig, Franzi, du weißt schon, von den Kräutern, die du neulich so viel gefunden hast, ja und da war da so ein Klopfen. Zunächst hab ich ja erst an Ulmion gedacht, doch der ist ja im Moment gar nicht hier, der ist doch wieder auf Reisen. Na, ich dachte mir nix dabei, hab noch die getrockneten Teekräuter zerbröselt, da war es schon wieder, dieses Gepolter. Was ist, gehen wir jetzt mal vorsichtig rein?" Erlwulf deutete zur Tür des Weinkellers, hinter der es wieder ruhig war.
"Aber gerne, Erlwulf", meinte Chany. "Das kommt sicherlich alles nur von deiner blöden Zauberei. Du wirst halt versehentlich einen Poltergeist beschworen haben. Aber gut, Du bist der Zauberer. Öffne die Tür und geh hinein. Wir werden Dir helfen, wenn es nötig ist." Mit diesen Worten stelle sie den Besen sorgsam an die Wand und zog ihren Säbel.
Khirva konnte sich in dem Moment auch eine Bemerkung nicht verkneifen. "Poltergeist? Nun, zum Glück habt Ihr die Priesterin Eures Vertrauens dabei. Da bleibt kein Geist ruhelos." Khirva unterdrückte ein Kichern. "Tut mir leid. Sag mal Chany, was war in dem Tee?" Die kleine Priesterin bemühte sich tapfer Haltung zu bewahren, atmete einige Male tief durch und griff zu ihrem Dolch. "So. Ich bin bereit."

"Klasse Erlwulf", grummelte nun Francesca vor sich hin. "Als ich Dir vorschlug, wir könnten uns das Labor teilen, hatte ich nicht damit gerechnet, dass Du weitere Gäste einlädst." Mit dem Schwert in der Hand positionierte sie sich dann neben der Türe und nickte Erlwulf auffordernd zu. 
Erlwulf atmete noch einmal tief durch, zog seinen Dolch und öffnete die Türe, die nicht verschlossen war.
Im Weinkeller war es natürlich dunkel, was die Sache nun nicht gerade erleichterte. Still war es, kein Geräusch war zu hören... Leise vor sich hin murmelnd und mit einer wedelnden Handbewegung sorgte der Magus sogleich für Licht. Ein geglückter FLIM FLAM erhellte den Raum ein wenig. "So, sehen wir uns mal vorsichtig um, ich glaube, was auch immer es ist, hier ist es noch." 
So schweiften nun die Blicke der mutigen Damen und auch des Herrn durch den Raum. Erlwulf war es wieder, der diese kurze Stille unterbrach. "Ja, also die Weinvorräte sind scheinbar nicht angetastet worden, seht mal, da sind ja noch ein paar Flaschen von dem guten Adratiello Goldkelch, und daneben ein paar dieses Praioströpfchens. Franzi hat schon einen erlesenen Geschmack." Auch die anderen wenigen Flaschen und Krüge schienen unberührt. Mit einem Schmunzeln meinte er noch: "Den Engasalwein, hast du den eigentlich auch noch?" Doch... Da war es wieder, für alle deutlich hörbar, und nun auch ersichtlich!
Ein leises Gluckern, danach ein dumpfes Poltern, das Geräusch einer schwappenden Flüssigkeit, ein Gurgeln, Glucksen, und das alles kam aus der Richtung eines der zwei größeren Fässer, die da hinten in der Raumecke an der Wand standen.
Entschlossen drängte Chanya sich vor. "He, Du da! Wer immer da ist, zeige Dich, sonst werde ich ungemütlich! Das ist kein Scherz, auch wenn der Zauberer Dich versehentlich herbeigeholt hat. Er wird sich entschuldigen, aber dann verschwindest Du!" Entschlossen schritt sie mit erhobener Waffe auf die Fässer zu...

Khirva blickte Erlwulf zweifelnd an: "Also schön, du hast da offensichtlich einen Weingeist beschworen, aber warum gibst du es nicht einfach zu? Nun, schauen wir uns diese Sache einmal näher an." Mit diesen Worten trat sie entschlossen auf das glucksende Fass zu. "Hat jemand eine Zange dabei, um diese Nägel zu lösen?"

Francesca stand nun auch bereit, jeden hier hausenden Eindringling dingfest zu machen, und überlegte sich ebenso eine passende Möglichkeit, Magie zu wirken.

Nun, es sollte alles ganz anders kommen...

Erlwulf stand nun ebenso vor dem glucksenden, leicht wackelnden Fass, aus dem nun ein mächtiger Rülpser zu hören war, und wurde boronsbleich im Gesicht. "Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Der gute Residenzbrannt, da sind doch über fünfzig Schank drinnen!" Wild entschlossen drückte er Khirva zur Seite, machte sich an dem oberen Korkverschluss zu schaffen. "Du elender Geist! Warte, du wirst was erleben, dich schicke ich Boron weiß wohin..." Erlwulf schäumte vor Wut, was man bei ihm noch nie so erlebt hatte. "Da arbeitet man stunden- und tagelang an dem guten Brannt, und nun nistet sich sowas da ein. Mit mir nicht, das sage ich dir, mit mir nicht..."
Mit einem dumpfen Laut hatte er nun den großen Korken entfernt, nicht mehr darauf achtend, was seine Freunde hinter ihm taten oder sagten. Erlwulf sprang geschwind vom Fass, deutete mit einer geübten Geste darauf...
Blitzschnell schoss eine blaue Wolke aus dem nun offenen Fass, stürzte sich auf den Magus, der gerade einen Spruch zum Besten gab, und hüllte ihn vollständig ein. "Mischtding, eelendees..." Das war alles, was er noch sagte. 
Nach nur einem Augenblick sank Erlwulf zu Boden, und die nun kleiner gewordene blaue Wolke hickste und schlingerte unkontrollierbar durch den Weinkeller, klatsche mehrmals gegen die Wände, an denen sie jedesmal einen feuchten Abdruck hinterließ, und wurde dadurch nochmals um einiges kleiner und durchscheinender. Nach einigen missglückten Flugversuchen gelangte das nun eher an ein kleines Wölkchen erinnernde Gebilde zum Ausgang des Kellers. Den anderen drei tapferen Streiterinnen gelang es gerade noch, dieser Erscheinung mehrmals bei dem Hin-und-her-Getorkele dabei auszuweichen.

Kurz danach...

Dieses blassblaue kleine Etwas hatte definitiv den Turm verlassen und war im nahen Dschungel verschwunden, ohne weitere Bürger des Städtchens zu behelligen. Erlwulf? Ja, der lag nun mit einem heftigen Rausch in seinem Bett und stank nur so nach dem Residenzbrannt.

Fortsetzung folgt...

Erschienen in Opus no. 62 am 9.4.2000.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Der Weingeist - 2. Teil.

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