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Werter Magister Talian al Gulach!
Wie ihr sogleich zu Beginn eures Artikels bemerkt, müsst ihr mir im
Bezug auf meine These der Lingualdiskrepanzen widersprechen. Ihr praediciert
weiter, dass es ergo nicht stimme, dass die geistige Fähigkeit eines
Menschen an seiner Sprache auszumachen sei. Hierzu möchte ich euch
freundlich aber dennoch bestimmt darauf hinweisen, dass dies nicht ad solum
der Inhalt meiner These der Lingualdiskrepanzen gewesen ist, welche ich im
vergangenen Artikel zu postulieren versuchte. Ich stellte nämlich einen
komplexen Zusammenhang zwischen dem Denken (den Fähigkeiten des Denkens,
Verstehens etc.) auf der einen und der Sprache (den Fähigkeiten des
Spracherwerbs, der Benutzung von Sprache etc.) auf der anderen Seite her.
Dass dieser Zusammenhang besteht, werdet ihr ja wohl nicht bezweifeln wollen
- schon aus euren eigenen Erfahrungen heraus werdet ihr dies wissen. Und wo
ein Konnex zwischen zwei Subjekten besteht, da beeinflussen sich diese
beiden auch. Soweit also dazu.
Natürlich gibt es genügend Beispiele aus der Praxis, in denen sich meine
Behauptung (die geistige Fähigkeit eines Menschen sei an seiner Sprache
auszumachen) widerlegen ließe. Als ein exemplum diene hier die List
der Täuschung, mit deren Hilfe sich schon manch Gelehrter im wahrsten Sinne
des Wortes für dumm verkauft hat. Doch sprach bzw. schrieb ich diese Worte
als Mann der Wissenschaften, was includieret, dass ich jeweils von konkreten
Fällen der Beobachtung sine fluctuationibus realitatis sprach, also von Fällen
ohne Verzerrung der gegebenen Realität. Und in der für jeden unmittelbar
beobachtbaren Realität zeigt sich auch die Richtigkeit meiner postulierten
These. Denkt ihr denn ernsthaft, dass sich die Schulung des Denkens, wie sie
z.B. in den Praiosschulen vorangetrieben wird oder auch in den Tempeln und
Horten der Weisheit unserer Göttin, nicht auf die sprachliche Kompetenz des
Geschulten auswirkt? Habt ihr denn noch niemals den Werdegang einer jungen
adepta der Magie selbst miterfolgt, dass ihr diese alltägliche Erfahrung
nicht bestätigen könnt? Und habt ihr auf euren langen Reisen nicht auch
schon Barone, Gräfinnen, ja sogar Herzoge und höhere Würdenträger in PRAios
Namen erlebt, welche trotz ihrer Stellung die Fertigkeit des gepflegten
Ausdrucks und des Parlierens nicht beherrschten? (Zur Correctio anbei: Ich
wollte auch nie behaupten, dass sprachliche Kompetenz mit Wissenserwerb
einhergeht! Nein, das Denken, meine ich, ist der ausschlaggebende Faktor!)
Wie wohl ihr im weiteren Verlaufe eures Artikels bemerkt, dass sich die
Dimensionen des Sprechens und der Kommunikation im Wortschatz voneinander
unterscheiden, so verwehrt ihr euch doch der Erkenntnis, dass auch die
Komplexität unterschiedlich ist. Der Wortschatz ist nämlich schnell einmal
erlernt (und nebenbei auch eines der ersten Dinge, die an unserer Akademie
gelehrt werden), mit diesem Wörtern dann jedoch richtig umzugehen, das
bedarf doch einer gewissen Leistung im gedanklichen Bereich. Ihr schreibt die Komplexität sei im Wesentlichen die Möglichkeit
Strukturen widerzugeben und darzustellen. Wenn wir es einstweilen bei dieser
Definition belassen, so würde ich euch doch gerne einmal einladen mir in
eine beliebige Bauernkate zu folgen um dort nach der Komplexität in der
Sprache dieser einfachen Leute zu suchen. Ihr würdet sehen, dass man sich
dort beispielsweise die Wirkung eines Cantus der Magica Controllaria, nehmen
wir den BANNBALADIN, entweder mittels des Ansatzes einer Struktur ohne
Gedanken (Kausalstruktur: "Die ist aber sehr verliebt!" oder
jedwede andere Begründung) oder ohne Struktur und ohne Gedanken ("Das
versteh ich jetzt nicht!") oder aber beinahe ohne Struktur, dafür mit
richtigem Gedankengang ("Die ist sicher irgendwie komisch bezaubert
worden!") erklärt.
Die letzten Zeilen aus eurer Feder haben mich nun vollkommen verwirrt, denn
sie beherbergen einige Widersprüche:
Ihr beginnt mit einem vielsagendem Satz: "Bevor der Mensch durch das
Geschenk HESindes, den Verstand, diverse Erfindungen zur
Weiterentwicklung unserer Zivilisation hervorbrachte, gab es nur einfachen
Ackerbau." Wie ein gelehrter Mann wie ihr nur auf diese Idee kommen
kann, ist mir bei all der Weisheit HESindes ein großes Rätsel!
Die Göttin schenkte den Menschen Weisheit, einen Verstand, und mit ihm
Gedanken. Vorher gab es nichts, worüber es sich lohnen würde zu schreiben
- so ihr euch nicht in Belange der Geweihtenschaft der allweisen Herrin
einmischen mögt!
Und im nächsten Satz schreibt ihr dann: "Jedoch bin ich der Meinung,
dass trotzdem die selben geistigen Fähigkeiten vorhanden gewesen sein müssen,
da es sonst niemals zu den Errungenschaften gekommen sein kann, die unsere
heutige Zivilisation möglich gemacht haben." Natürlich ist dies so
und ich widerspreche dem auch in keinster Weise. Ich darf euch kurz aus
einem Buch der Geweihten Argelia von Kuslik zitieren, welche den Schrein an
unserer Akademie betreut: "Wie alle Dinge in der Welt kann auch der
Geist nicht vernichtet, sondern nur verwandelt werden. HESinde
ist eine große Künstlerin, und ihr Tun ist der Wandel..." Wie wir
daraus klar und deutlich erkennen, hat jeder Mensch die prinzipielle
Veranlagung zum Denken, da jeder Mensch mit HESindes Gabe
gesegnet ist. Doch wie uns die Kirche der Herrin schon lehrt, kommt es auf
den Wandel, den kunstvollen Wandel des Geistes an! Und genau darin liegt der
in der Sprache und vice versa bemerkbare Konnex zum Geist, zum Denken.
Ich hoffe euch noch einmal klar gemacht zu haben, in welcher Absicht ich
diesen meinen Artikel geschrieben habe. Möge HESinde euren
Geist erleuchten!
Großmeister Erilarion Androstaal
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 78 am 14.10.2000 als Reaktion oder Fortsetzung zu Reaktion auf den Artikel: Lingualdiskrepanzen.
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