Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

 

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Über die Elfische Verständigung
Ein Versuch nach der Norfoldschen Trinitätstheorie

von M.ex. Reiju Windfeder
Donnerbach, 30 Hal

Vorrede

Nach einiger Verzögerung durch meine Lehrtätigkeit am Seminar zu Donnerbach möchte ich nun die Reihe von Beiträgen zur Magie der Elfen wieder aufnehmen, welche begonnen und fortgeführt wurde in vorausgegangenen Ausgaben des Opus (##88, 90, 91) von M. Travian Norfold, M. Thundar Hurlemanoff und meiner Bescheidenheit, und die zuletzt dankenswert anschauliche Unterstützung von der werten M. Inara Thorban erhalten hat (Opus #92).
In meinem letzten Beitrag durfte ich einige explizierende Worte zur Formel des BANNBALADIN anbringen, die hoffentlich zahlreichen Collegae jenes Gedankengebäude näher bringen konnten, welches mein höchst geschätzter Collega M. Travian Norfold in seinem "Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen" so bewundernswürdig errichtet hat. Im Anschluss an diese 'trinitarische' Dikussion des BANNBALADIN möchte ich nun das weite Feld von elfischen Zauberhandlungen untersuchen, welche in der gildenmagischen Tradition den Spezialgebieten der magica clarobservantia, der magica controllaria, der magica communicatia und der magica curativa zugeordnet werden - im Versuch all diese Zauberhandlungen zunächst unter den Begriff der Elfischen Verständigung zu fassen, um schließlich jedoch selbst diese Einordnung durch konsequente Anwendung der Trinitätstheorie zugunsten eines holistischen, nicht-atomistischen Bildes elfischer Zauberei aufzuheben.

Die Elfische Verständigung

Das zentrale Bedürfnis, das unmittelbare Ziel jeder elfischen Zauberei, haben wir als Harmonie bezeichnet, Harmonie zwischen dem SELBST SEIN des Elfen und seinem WELT SEIN, und haben seinen WILLEN als das aktive Moment der Durchsetzung dieser Harmonie bezeichnet. Dabei haben wir durchaus keine Notwendigkeit gesehen in einer Unterscheidung der Definition des WELT SEINs in eine Gemeinschaft von denkenden Wesen und eine Wesensgemeinschaft wie Bäume, Tiere oder 'Wald'. Unsere Überzeugung, dass ein Elf diese Unterscheidung nicht treffen würde, wird - akzeptiert man einmal unsere Grundthese des Harmoniestrebens jeglicher elfischer Magie - gestützt durch die Art der einzelnen elfischen Zauber, wie sie sich anhand der Norfoldschen Trinitätstheorie rekonstruieren lassen (in dem Sinne, wie ich es bereits für den BANNBALADIN versucht habe). Weiterhin lassen sich exzellente conclusiones erarbeiten, die einen Blick auf die Gesamtheit der elfischen Zauber (und ich sage bewusst nicht: canti) ermöglichen, wie er unserer gildenmagischen Betrachtungsweise prinzipiell fern steht, wie er aber unserer Meinung nach dem elfischen Wesen angemessener ist:

Betrachten wir zunächst die curativen Zauber der Elfen; da haben wir den BALSAMSALABUNDE, für den sicherlich unschwer einzusehen ist, dass er kein 'Arzt-Zauber' ist, wie ihn unsere Brüder und Schwestern im mildtätigen Orden des Hl. Anconius verwenden (ich kritisiere diese Verwendung keinesfalls!) und wie er in Kriegszeiten oft genug auf dem Schlachtfeld verwendet wird. Vielmehr stellt er dem Elfen einen ursprünglichen, heilen, harmonischen Zustand wieder her. Überdies tritt der Elf mittels dieses Zaubers in intensiven Kontakt mit einem Stück Welt - dem 'Patienten' - welches unter akuter Dissonanz zu leiden hat, in welchem die Harmonie verletzt ist und wiederhergestellt werden muss! Wenn wir diese Beschreibung ernst nehmen, dann stellen wir fest, dass es kaum mehr einen Unterschied zu der weniger bekannten Formel gibt, die wir RUHE KÖRPER, RUHE GEIST nennen - auch hier geht es um eine Interaktion mit Welt, die Harmonie wiederherstellt, und es geht um nichts anderes in der elfischen Zauberei.
Genau deshalb, verehrte Collegae, möchte ich nun behaupten, dass es ebenfalls keinen prinzipiellen Wesensunterschied zwischen diesen beiden Zaubern auf der einen Seite und dem extensiv diskutierten BANNBALADIN auf der anderen Seite gibt! Das Bedingungsgefüge für alle diese Zauberhandlungen ist dasselbe: das WELT SEIN und das SELBST SEIN des Elfen harmonieren nicht, befinden sich in Dissonanz. Der BANNBALADIN erzeugt Harmonie zwischen der Welt (dem Gegenüber) und dem elfischen Selbst genau dort, wo Harmonie vonnöten und angebracht ist. Der BALSAMSALABUNDE erzeugt Harmonie zwischen der Welt (dem Gegenüber) und dem elfischen Selbst genau dort, wo die Harmonie des Gegenübers 'verletzt' ist, wo aber natürlich auch der Elf selbst unter dieser Verletztheit leidet (naheliegenderweise würde wohl kein Elf irgendjemanden einfach so heilen - Elfen sind nicht mildtätig per se).
Wer mir bis hierher folgen wollte, für den dürfte nun auch erkennbar sein, wie ich zu den bereits erwähnten die folgenden bekannten Elfenzauber nehmen und sie für wesensidentisch erklären kann: Sind denn die elfische clarobservantia und communicatia etwas anderes als ein In-Übereinstimmung-Bringen der elfischen Sinne mit sinnlicher Welt? Der ODEM ARCANUM dient dem Elfen nach Norfold (Opus #88) dazu, "sich mit der Magie seiner Umgebung in Einfühlung zu bringen - dies hat jedoch nichts mit dem Sehen einer structura magica zu tun, die sich in ihrer Qualität von der realen Welt abgrenzt." Dies ist identisch zu meiner Formulierung, dass der Zauber die Sinne des Elfen in Harmonie mit dem Sinnlichen seiner Welt bringt. Insofern darf wohl kaum ein Unterschied zum ADLERAUG gemacht werden. Und weiter: der IN DEIN TRACHTEN dient als elfischer (nicht als rommilys'scher bzw. methumischer) Zauber dem harmonischen Austausch unter Freunden - kaum anders als der BANNBALADIN. Der EIGENSCHAFTEN SEID GELESEN ist ein Mittel, sich auf das Gegenüber einstimmen zu können, desgleichen SENSIBAR und der kaum bekannte DAS SINNEN FREMDER WESEN. Brauche ich den UNITATIO nun überhaupt noch zu erwähnen?

All diese Sprüche entreiße ich hiermit ihren angestammten Plätzen in der wohlgeordneten Welt der gildenmagischen Spezialgebiete und klassifiziere sie (wohlgemerkt: vorerst!) neu und so allgemein wie möglich und einzig angemessen als der Elfischen Verständigung zugehörig! Dies tue ich aus der festen Überzeugung heraus, dass der elfischen Weltsicht nach der Norfoldschen Trinitätstheorie keine Unterscheidung inhärent ist zwischen einer Welt aus Objekten (wie wir wohl unsere unbelebte und tierische Umgebung bezeichnen würden) und einer Welt aus Subjekten (die der denkenden Wesen).

Daher ist alle elfische Zauberei, sei sie auf ein denkendes Gegenüber oder eine allgemeine Umgebung bezogen, letztlich Kommunikation, Verständigung, und zwar zwischen SELBST SEIN und WELT SEIN mittels des elfischen WILLENS zur Harmonie.

"Hört, hört…" mögt Ihr grummeln, jubeln oder denken, werte Collegae, aber ich bin noch nicht fertig. Einen entscheidenden Schritt müssen wir noch tun, um das Netz der Argumentation so dicht zu knüpfen, dass niemand mehr einen mehr oder minder bekannten Elfenzauber nennen kann (oder will), der nicht in das System passt - dann jedoch wird auch das allerletzte Stück Wegs leicht fallen. Die wichtige Frage ist natürlich, wie man denn jene Zauberhandlungen in unser System einordnet, die nicht offensichtlich etwas mit Kommunikation zu tun haben, weil sie sich nicht auf Welt, sondern auf den Elfen selbst beziehen, z.B. ADLER, WOLF..., die elfischen sog. 'kleinen Mutanda' und die Formeln der magica movimenta. Die Klärung dieser Frage ist an sich kein schwieriges Unterfangen, denn liest man die vorangegangenen Ausführungen genau, so lässt sich der Begriff der harmonischen Kommunikation auf all diese Zauber übertragen: Der ADLER, WOLF... ist das In-Übereinstimmung-Bringen des elfischen Selbst mit dem seines Seelentieres, was eindeutig eine Form der elfischen Verständigung ist, wie wir sie bisher definiert haben. Die Mutanda sind klar dem elfischen Zauberwesen zuzuschreiben, d.h. sie können (in Anschluss an die erhellenden Ausführungen von Collega Thorban) gar nicht als einzelne Zauber aufgefasst werden, sondern gehören zur Sphäre der grundsätzlichen Übereinstimmung (=Konsonanz = Harmonie) zwischen elfischem SELBST SEIN und WELT SEIN, sind daher nach Definition zur Elfischen Verständigung zu rechnen. Ebenso sind die elfischen Bewegungen (vgl. insbesondere wieder Thorban) ganz eindeutig eine Form der Kommunikation des Elfen mit seiner Umgebung - fast direkt vergleichbar mit dem BANNBALADIN...!

Vehementer Widerspruch wäre nun natürlich gerechtfertigt, wenn ich einfach die Formeln der elfischen combattiva ignorieren würde - bewahre! Ich will sie nicht nur säuberlich einpassen, sondern will mit ihrer Hilfe gar zum letzten entscheidenden Punkt übergehen, doch langsam: Wir haben also die allgemein bekannten Zauber BLITZ DICH FIND und FULMINICTUS, sowie den wenig verbreiteten SCHARFES AUGE, SICHRE HAND (von dem ich erst kürzlich im Gespräch mit Collega Thorban erfuhr). Es wäre aus menschlicher Sicht sicherlich zynisch, diese Zauber als 'Verständigung' zu bezeichnen, obwohl sie ja, wie von mir in der Rekonstruktion des BANNBALADIN angedeutet, durchaus dazu dienen, Harmonie in der Lebenswelt des Elfen herzustellen! Lasst mich kurz abschweifen und den Zauber VON FROST UND HUNGER UNBERÜHRT betrachten, der den meisten meiner Leser unbekannt sein dürfte, der aber hier in Donnerbach einen hohen Rang hat. Dieser Zauber versetzt den Elfen in eine Art Winterschlaf, in welchem er unter den fürchterlichsten Witterungsbedingungen lange Zeit ohne Nahrung und mit nur wenig Wärme ausharren kann, bis sich die Jahreszeiten ändern und er wieder Beeren oder Jagdwild zu finden vermag. Ist dies nicht also ein Weg des Elfen, die größtmögliche Harmonie zwischen seinem Selbst und einer lebensfeindlichen Welt herzustellen? Kommt dies nicht einer Form von Verständigung gleich? Den drei Elfenvölkern ist es gemein, dass sie nicht gerade in den freundlichsten Lebensräumen siedeln, sicherlich ist es in diesen Welten nicht immer einfach, in Harmonie zu leben - davon zeugen Zauber wie der VON FROST... genauso, wie die combattiven Sprüche der Elfen. Denn waren unsere Vorfahren, die ersten Siedler, nicht Eindringlinge u.a. in die Lebensräume der Elfen? Wundert es etwa, dass die Elfenvölker die Konsonanz ihrer Welt (die doch so offensichtlich nicht unsere Welt ist) auch zu verteidigen wissen? Wir sehen also wieder: die Kampfzauber der Elfen dienen zur Bewahrung und Wiederherstellung von Harmonie unter drastisch lebensfeindlichen Bedingungen - wir sollten nicht zögern, sie in unser Denksystem aufzunehmen und für einen Moment also auch als 'Verständigung' zu bezeichnen.

Doch sind wir nun soweit, prinzipieller auf das bisher Gesagte zurückzublicken und festzustellen, dass der Begriff der Elfischen Verständigung nur ein Hilfsmittel war und sein konnte auf dem Weg zu unserem letzten - und nun sehr kleinen - Schritt: jeden elfischen Zauber und damit alle elfische Magie als harmonisierende Interaktion mit Welt zu bezeichnen - ich wiederhole also:

Alle elfische Zauberei, sei sie auf ein denkendes Gegenüber oder eine allgemeine Umgebung bezogen, ist letztlich harmonisierende Interaktion, und zwar zwischen SELBST SEIN und WELT SEIN mittels des elfischen WILLENS zur Harmonie.

Das holistische Wesen der Elfischen Magie

Die Folgerungen hieraus sind nicht kompliziert, aber bedeutsam gerade wieder einmal für die gildenmagische Betrachtung elfischer Magie, denn:

Gerade unsere gildenmagische Einordnung elfischer Zaubersprüche in die angestammten Spezialgebiete ist weder zutreffend noch hinreichend noch überhaupt nützlich, sie hat uns im Gegenteil die längste Zeit verwehrt, das holistische Wesen der Elfischen Zauberei zu erfassen. Denn wenn man nun meine Ausführungen mit denen von Collega Thorban zum einzigartigen Zauberwesen eines jeden Elfen direkt auf einen Nenner bringt, kann man jeden elfischen 'Spruch' ausschließlich als Teil einer jeweiligen elfischen Persönlichkeit identifizieren, nicht mit einem Spezialgebiet, aus dem jeder Elf zufällig eine handvoll Sprüche 'beherrscht'. Konsequent ist dann jede 'Anwendung' des Spruches ein immer neuer Einzelvorgang, der nicht von seinem momentanen, raumzeit-punktuellen Kontext, i.e. seiner Position im elfischen WELT SEIN, SELBST SEIN und WILLE, getrennt werden kann, der aber immer zugunsten der Harmonie dieser Dreiheit wirkt.

Ich hoffe, den verehrten Collegae weitere interessante Anregungen für den Umgang mit elfischer Magie gegeben zu haben und rufe abermals zur öffentlichen Diskussion auf, die leider bisher noch spärlich war.
In einer der nächsten Ausgaben des Opus will unser nunmehr erprobtes Autoren-Gespann M. Norfold und M.ex. Windfeder jedenfalls ihre Artikelreihe zur Magie der Elfen abschließen mit einer Ausführung zum (vermeintlich) elementaren Wesen einiger spezieller elfischer Zauber (als Reaktion auf eine Bemerkung der Collega Thorban), sowie unseren abschließenden Grund-Thesen, die einen schönen Kreis aus dem begonnenen Werk formen werden.

Mit Gruß und Segen, auch im Namen meines Collega M. Travian Norfold verbleibt,
M.ex. Reiju Windfeder

Möge die Junge Göttin den wachsenden Baum eures Geistes zahlreiche Frucht tragen lassen!
Möge die Vielwissende Herrin euch mit der Weisheit segnen, nur die reifen Früchte zu ernten!

von: Tyll Zybura
Erschienen in Opus no. 97 am 25.2.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Commentariolus extensivus ad "Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen".
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Norfold'sche Trinitätstheorie - Weg zur Harmonie oder triviales Weltbild?.

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