Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

 

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Al'Achami – Der Willensstarke

Geschätzte Collegae!

Wer von Euch erinnert sich denn nicht mehr an jene Zeit der Ausbildung an der Akademie, als unsere Magistrae und Mentoren uns zum ersten Mal von den anderen Schulen des Kontinents erzählten? Von deren Geschichte (selbstverständlich keine so ruhmvoll wie die der eigenen Academia), von deren Ausrichtung und Spezialisierung (ob von verwerflichen Dämonenanbetern oder kriecherischen Praioslobhudlern) oder gar von deren großen Meistern und Spektabilitäten, ja mancherorts sogar von leibhaftigen Erzmagiern, welche dort an den anderen Schulen lehren sollen.
Aus dieser Zeit stammt auch noch die erste meiner inzwischen zahlreichen unbeantworteten Fragen, das erste Geheimnis, welches mich in seinen Bann nahm und welchem ich nachzugehen mir damals, als junger Eleve, fest vornahm. Der weise Großmeister Androstaal, damals schon uralt, erzählte uns von den Stätten der vielfachen Magie, jenen Metropolen Aventuriens nämlich, in denen zwei oder mehrere Akademien residieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er das schöne und große Kuslik, das weitaus kleinere, wilde Lowangen, aber vor allem auch die sagenumwobene Stadt Fasar.
Die erste Magierakademie Fasars ist zweifelsohne die "Alte und Erhabene Al-Achami-Akademie der Bruderschaft der Wissenden vom Djer Tulam". Diese altehrwürdige Institution gehört zu den ältesten auf dem aventurischen Kontinent und sogar aus der Zeit des Diamantenen Sultanats wird uns berichtet "von eyner Schul in der Statt Jal-Fassar am Rückgrath der Welt, wo man ausbildet die Magier, Macht zu haben über Mensch, Thier und Pflannz, also auch über Daimonen und Manifestationen". (Nebenbei bietet diese alte Passage aus den Siedlerzeiten der ersten güldenländischen Reisenden einen interessanten Ansatzpunkt für jene, welche sich näher mit der Materie des Artikels des Magisters Rukus Ambrosius beschäftigen wollen.)
Doch noch faszinierender und geheimnisvoller als diese alte Akademie ist ihr jetziger Leiter und Vorstand, der Erzmagus Spektabilität Thomeg Atherion! Wer diesem großartigen Mann schon einmal selbst begegnet ist, der weiß zu berichten, wie schier unmöglich es scheint sein genaues Alter zu schätzen; und wer sich schon einmal näher mit der Vergangenheit jenes Magiers beschäftigt hat, dem mag aufgefallen sein, dass nichts mehr als Sagen und Gerüchte darüber im Umlauf sind.
Im Laufe meiner vielen Reisen gelangte ich bislang an viele Orte und mir kamen die unterschiedlichsten Märchen zu Ohr, sicherlich an der Zahl ein gutes Dutzend, welche allesamt diesen sagenumwobenen Mann betreffen. Und so will ich Euch nun, geschätzte Collegae, eine dieser Legenden erzählen, welche ich nicht deshalb auswählte, weil sie mir am wahrscheinlichsten erschien, sondern alleine darum, weil es sich lohnen würde dem nachzugehen, von dem hier berichtet wird:

"Es gibt, so berichten schon die Ältesten der Kinder Tulams, einen Palast irgendwo in einer anderen Welt, nahe der unseren und doch nicht für uns Menschen zu erreichen, der so prächtig und strahlend zugleich ist, dass jede Stadt, die seiner ansichtig wird, zerbröckeln würde durch seinen Glanz und seine blendende Schönheit. In diesem Palast nun, so heißt es weiter, lebten die Djinni, jene rätselhaften Meister der Elemente, die dir - so sagt man - jeden beliebigen Wunsch erfüllen können, wenn du nur reinen Herzens oder willensstark genug bist. Es soll dort zugehen, wie am Hofe des Kalifen, der Sultane und der Erhabenen zugleich, und darob braucht es auch unendlich viele Diener, die allesamt darauf achten, dass der Palast auch stets in dem Glanz erstrahlt, der den Dschinnen so gut gefällt.
Weshalb die Luft-Bräute dies nicht selbst erledigen, fragst du?
Nun, du musst wissen, dass ein Dschinn, so mächtig er auch sein mag, nur stets dazu in der Lage ist Wünsche zu erfüllen, und zwar solche Wünsche nämlich, die ihm sein Meister und Beschwörer aufgetragen hat. Aus diesem Grund ist es ihnen nicht möglich, mit einem einfachen Windhauch den Staub von den Regalen zu fegen oder sich mit einer kurzen Wasserfontäne ein Bad einzulassen. Deshalb ist es bei den Dschinnen uralte Tradition, sich aus unserer Welt diejenigen als Diener zu holen, welche sie am meisten erfreuen: die Kinder.
Die kleinen Jungen und Mädchen, welche von den Dschinnen entführt werden, bringen sie in ihren Palast, wo sie mit ihnen gemeinsam leben und feiern und ihnen mit Freuden dienen und nie mehr altern.
Doch vor geraumer Zeit war zusammen mit einem der Kinder ein Dschinn namens Abramelin in den Palast gelangt. Er hatte ein dämonisches Herz und war durch und durch böse zu nennen. Seine Heimstatt aber war ein kleiner, kristallener Stein, an und in den er vor fünf Jahrhunderten gebunden worden war. Doch war dieses Gefängnis nicht ausreichend für ihn, denn nach den vielen Jahrhunderten hatte er endlich einen Weg gefunden, sich endgültig aus dem Stein zu befreien: Wer ihn aus dem Stein beschwor und sich drei Wünsche erfüllen ließ, der löste ihn damit vom seinem verhassten Gefäß und Abramelin würde erneut Schrecken und Furcht verbreiten!
Zur selben Zeit, als der Kristall des Abramelin in den Schatzkammern des Palastes der Djinni lag, kam auch ein kleiner, tulamidischer Junge zu den Djinni, der derart von der Kraft gesegnet war, dass die Dschinne sich überlegten ihn höchstselbst auszubilden. Eine große Versammlung wurde einberufen: Ein lautes Gesause war da von den Luftbräuten zu hören, von denen manche dafür und andere wiederum dagegen entschieden, ganz ihrem Naturell entsprechend. Das wuchtige Hämmern von Gestein ging durch den Raum, als die Herren des Felsens vorbrachten, dass dies in der langen und uralten Geschichte der Dschinne noch niemals zuvor der Fall gewesen sei. Aus dem Knistern des Feuers waren glühende Worte zu hören, die sich mit leidenschaftlicher Stimme für eine Ausbildung des jungen Menschenkindes aussprachen. Ruhig und friedlich plätscherten die Wasserwesen durch die Halle und hörten sich alle Argumente in Ruhe an. Die klirrend kalten Eisdschinnen gaben ein frostiges NEIN von sich und die lebhaften Geister des Humus wollten dem jungen Leben eine Chance geben. Etliche Tage lang berieten sie und die große Ratshalle des Palastes geriet in ein Durcheinander der Elemente.
Doch während all dies vor sich ging, schlich sich der kleine Junge, dem dies alles zu Kopf gestiegen war und der lieber wieder zurück in seine Welt wollte, durch die Schatzkammern des Palastes, auf der Suche nach einem Ausgang. Da waren Rubine allenthalben und Hunderte anderer Edelsteine; da lagen Ketten aus Gold und Ringe aus Silber, Berge von Münzen, ob alt oder neu, und Amulette, deren Metall er noch nie zuvor gesehen hatte. Doch unter all den unglaublichen Schätzen des Palastes wählte er den kleinen, unscheinbaren Stein des Abramelin. Kaum aber hatte er diesen berührt, spürte er die enorme Kraft in sich wallen und lodern und er formte wie von selbst den Ruf nach dem Dschinn. Sobald sich jedoch Abramelin manifestiert hatte, da spürten die Dschinnen im Ratssaal seine Anwesenheit und sie strömten aus ihn zu suchen und zu vernichten. Schon kamen die ersten erzenen Hände aus den Wänden, Wasserfontänen schossen unter der Türschwelle hervor, Windstöße fegten durch den Raum, und sie alle griffen nach dem Jungen, der den Stein immer noch in der Hand hielt. Der aber drehte sich mit gefasstem Blick zu Abramelin und verlangte mit fester Stimme:
Bring mich hinfort von hier, zurück in meine Welt!"

Weiter nichts als eine Legende, ein Märchen, sagt Ihr, geschätzte Collegae?
Auch ich dachte noch bis vor wenigen Tagen so, doch dann fand ich in einer von Meister Atherion handschriftlich kommentierten Ausgabe eines magischen Standardwerkes folgende Zeilen: "Doch gibt es einen unter den Daimonen, welcher dir seine wahre Identität nicht offenbart, denn er ist nicht, was er scheint! Sein äußeres gleicht einem Dschinn, auch wenn du nicht zu erkennen vermagst, welchem Element er zugeordnet ist. Sein Inneres aber ist daimonisch und übel, und sein Wirken bringt nichts als Verderben. Seine Falschheit erkennst du daran, dass er dir verspricht drei Wünsche zu erfüllen, wie man es aus den Märchen kennt. Jeden Wunsch interpretiert er dir so, dass andere darunter leiden, und oftmals erkennst du dies nicht! Wünsche dir nicht Reichtum noch Macht von ihm, denn er nimmt beides auf grausamste Art und Weise von deinen Nächsten!"

Adeptus maior Eborëus Zachariad

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 112 am 17.6.2001.

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