Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

 

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Reisebericht des Gorgonius von Selem

Vor vielen Wochen machte ich, Gorgonius von Selem, Meistermagier aus dem Süden, Vorsteher des Lilistischen Bundes, mich auf den Weg in die s.g. Schwarzen Lande um dort einige Theorien zu überprüfen. Wohl war ich mir der Gefahren dieser Reise bewusst, doch von 6 erfahrenen Mietlingen bedeckt und auf meine arkanen Kräfte vertrauend fühlte ich mich sicher genug.

Die Schiffspassage war, wie ich es erwartet hatte, recht unbequem und in Perricum war es mir als Anhänger der Schwarzen Gilde geboten mich sehr bedeckt zu halten. Dort wurde ich auch einige Tage aufgehalten, denn die Informationen, die ich für meinen weitere Reise benötigte, mussten mit äußerster Vorsicht zusammengetragen werden. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, gingen wir an Bord eines kleinen Handelsschiffes, welches in südliche Richtung weiterfahren wollte. Mir gelang es ohne Schwierigkeiten mit Hilfe meiner Begleiter das Schiff an mich zu bringen und es Richtung Beilunk zu steuern.

An einem Fluss östlich der Stadt legten wir an Land an und zu meiner Freunde gelangten wir bald an den Weg, welcher die Beilunker Berge mit den Innenland verbindet. Stolz darauf, dass mein Studium der Karten so fruchtbar gewesen war, machte ich mich auf meinen Weg nach Warunk um dort das wahre Wesen des Schwarzen Drachen zu ergründen. Als geneigter Leser wird Euch schon jetzt der Wahn in meinem Handeln auffallen. Ich jedoch war von akademischen Erfolgen geblendet gewesen und hielt mich für übermächtig.

So machten wir uns auf und kamen auch gut voran. Fast war ich ein wenig enttäuscht zu dieser Zeit, denn was ich sah, war ein Land, welches ein großes Maß an Normalität aufwies.
Händler zogen die Straßen entlang. Wirtshäuser luden zum verweilen ein und der Sonnenschein wechselte den Regen ab. Wohl entging mir nicht die allgemeine Traurigkeit der Bevölkerung und die sichtbare Düsternis, die über allen Dingen lag. Doch vielleicht liegt es an meiner Heimatstadt Selem, dass mir dieser Landstrich zu dieser Zeit noch überaus gemäßigt erschien.

Wie Ihr Euch wohl schon denken könnt, bin ich den Anblick des Todes, ja auch des Wandelnden Todes gewohnt, doch war es das erste Hämmern an den Grundfesten meiner Selbstherrlichkeit, als des Nachts eine Horde Knochenmänner über uns kam. Wenn ich mir heute vor Augen führe, wie ich sorglos den Befehl gab ein Zeltlager aufzuschlagen um die Reisezeit möglichst kurz zu halten, befällt mich ein beinah geistloses Kichern.
Fünf meiner Männer fanden den Tod und auch ich trug eine Verletzung von einer schartigen Waffe davon. Ein halbes Banner bleiche Krieger kam ohne Grund einfach so aus dem Unterholz heraus. Obwohl der eine, welcher den Angriff überlebt hatte, mich mit Drohungen und Bitten zur Umkehr bewegen wollte, blieb ich stur und aufgrund eines Höllenpeins konnte ich ihn auch zur weiteren Mitarbeit "überreden".

Mit der Zeit marterte dieses trostlose Land immer mehr meine Nerven. Ich, der zu den Erzdämonen gebetet hatte wie zu den 12en, ließ mich beeindrucken von den Leichen, welche ans Rad gebunden in unschöner Regelmäßigkeit die Wege säumten. Der Geruch von verfaultem Fleisch stieg mir in die Nase und kein Duftstoff konnte ihn mehr vertreiben. Sogar in meinen Träumen roch ich totes Fleisch und hörte Krähenschreie. Zum ersten Mal in meinem Leben machte ich mir unwissenschaftliche Gedanken darüber, was "Niederhölle" bedeutet.

Mein Letzter Söldner war mir schon lange weggelaufen. Fluchte ich damals über seine Feigheit, wundere ich mich heute, dass er mich nicht bei nächster Gelegenheit erschlug.
Ich war noch einen halben Tagesmarsch von Warunk entfernt, nicht mehr genau wissend, was ich dort wollte, als ich mich in einer halb verfallenen Kapelle zur Ruhe setzte. Ihr 12, es muss das erste mal seit Jahren gewesen sein, dass ich ein Haus der Götter betrat. Während ich dunkel grübelnd dahindämmerte, stand auf einmal ein kleines Mädchen in der Tür. In einem Anflug kindischer Gefühlsduselei wollte ich das Mädchen umarmen, wohl um mir selbst etwas Trost zu verschaffen.

Dann sah ich dem Mädchen in die Augen und auf einmal brach der Schrecken dieses Landes in vollem Umfang über mich herein. Dieses Mädchen hatte Gewalttaten gesehen, wie sie kein Mensch je verkraften könnte. Hoffnungslosigkeit, wie sie bei einem sterbenden Greis nicht mehr zu ertragen gewesen wäre, umgab sie und war bei diesem Kind um so unerträglicher.
Ich begann, wohl zum ersten Mal in meinen Leben, hemmungslos zu weinen. 
Nicht der untote Drache, nicht Dämonen aus der Niederhölle, nein die Augen eines kleinen Mädchens ließen mich die wahre Tiefe und Tragweite der Tragödie erkennen, welche Borbarads Rückkehr hervorgerufen hatte. Zwei Wochen früher hätte ich das ganze wohl noch als "bemerkenswerte Konstellation" bezeichnet.

Kurz und gut flüchtete ich wie von Dämonen gehetzt immer Richtung Beilunk. Dass man mich dort möglicherweise ohne viel Federlesen hinrichten würde, war mir zu diesem Zeitpunkt gleichgültig. 
Durch die Hilfe manches guten Menschen und wohl auch der Protektion der 12 gelang es mir schlussendlich mich mit dem Mädchen bis nach Selem durchzuschlagen... Ich habe dem Mädchen den Namen Tsaja gegeben. Mögen die 12e sie, mich und euch alle beschützen.
Wie war ich verblendet mit meinem Atheismus und meinem dümmlichen Stolz auf die Wissenschaft. Mögen die Götter uns beschützen und, ich wage kaum es auszusprechen, mir Gnade erweisen und mich vor den Niederhöllen bewahren, denn ihre Vorhöfe erschienen mir zweifellos schrecklich genug.

Hoch Leben die 12e und ihre Kinder und verdammt seien alle, die gegen sie handeln.

Verdammt sei Rhazzazor, der elende Büttel der Thargunitoth und alle seine widerlichen Diener.

Gorgonius von Selem

Erschienen in Opus no. 123 am 30.9.2001.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Reactio ad Reisebericht des Gorgonius von Selem.

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