Horcht auf ihr Herren Vinsalts, auf das, was ich, ein treuer Vasall seiner Lordschaften, zu erzählen habe. Ich wende mich voller Demut an euch, euch zu erzählen, was mir vor einiger Zeit in den Ländern außerhalb eurer Residenz Vinsalt, die eurer Rechtsprechung und Ordnung dennoch unterliegen, widerfuhr und mir persönlich sehr am Herzen liegt. Ich bitte eure Hochwohlgeborenen diesen Brief ernst zu nehmen und mich nicht zu verspotten, denn alles, was ich hier in diesem Brief an euch niederschreibe, hat sich, genau so wie ich es hier berichte, ereignet. Ich kam aus dem Norden und zog gen Vinsalt, als sich jenes
ereignete, was ich nun berichte. Es war ein schöner Tag und die
Praiosscheibe hatte den ganzen Tag über gewacht ohne sich hinter
Wolkenfestungen zu verstecken und sank nun langsam über den Horizont hinab.
Vögel sangen und erfüllten die Luft mit einer Vielfalt von Klängen, die
jedem Komponisten alle Ehre gemacht hätten. Doch trotz all dieser
Schönheit und Feierlichkeit, die den Tag über geherrscht hatte, blieb mir
mit einem Mal das Herz fast stehen, als ich einer Meute Gobelins vor die
Füße lief, so dass diese im wahrsten Sinne des Wortes über mich stolperten.
Ich weiß nicht, was sie in diesem Teil des Landes taten, doch ich verweilte
in Erstarrung an dem Ort, wo der Schlag mich fast getroffen hatte. Zu
meinem Glück, wofür ich den Zwölfen ewig dankbar sein werde,
vernachlässigten sie es jedoch mich sofort in Boron's Hallen zu schicken,
da sie anscheinend im ersten Moment ebenso überrascht wie ich waren. Da
ich kein großer Held bin, und trotz alle dem, das andere sagen mögen, auch kein
kompletter Vollidiot, entschloss ich mich kurzerhand zur Flucht und rannte
als wäre der Namenlose selbst und sämtliche Dämonen der Niederhöllen hinter
mir her. Wie ihr euch vorstellen könnt, bangte ich voller Angst um mein
Leben. Ich nehme an, dass diese Angst mir das Leben rettete und mir
übermenschliche Kraft zur Flucht gab. Jedenfalls gelang es mir bis in die
Nacht hinein am Leben zu bleiben und schließlich mich sogar meinen
Verfolgern zu entledigen. (Ob sie nun die Jagd aufgaben oder ob ich sie
abgehängt hatte, weiß ich nicht zu sagen.) Als ich merkte, dass mir keiner
der Gobelins mehr folgte, wagte ich es aufzuatmen, doch schon fuhr mir der
nächste Schrecken in die Glieder, als ich gewahr wurde, dass ich mich -
wie es schien - hoffnungslos verlaufen hatte und - um dem ganzen noch die
Krone aufzusetzen - drang in diesem Moment das Geheul von Wölfen auf der
Jagd an mein Ohr und mein Auge konnte keine Herberge eines Menschen in der
Umgebung ausmachen, in der ich hätte Schutz suchen können. Als sich das
Wolfsgeheul ein weiteres mal erhob, diesmal schon deutlich näher und mit
einer eindeutig zu bestimmenden Richtung, selbst für einen Stadtmenschen
wie mich, nämlich meiner. Ich sank vor Erschöpfung, Angst und
Hoffnungslosigkeit zu Boden und betete ein, wie ich dachte, letztes mal zu
Boron und bat ihn um einen schmerzlosen, schnellen Tod und den Eintritt in
sein Reich. Als ich so dasaß im Schein des Mondes und die Schemen der
sechs Wölfe beobachtete, wie sie aus dem Gehölz hervorbrachen, das vor mir
lag, und um mich herum ausschwärmten, da überkam mich eine seltsame Ruhe
und ich verspürte weder Angst noch sonst etwas. Die Wölfe näherten sich mir
und bildeten einen Kreis um mich, der ich auf der Erde saß. Sie kamen
immer näher, knurrten und fletschten die Zähne. Doch plötzlich hielten sie
inne und das alle zugleich. Sie spitzten die Ohren ganz so als würden sie
auf etwas warten oder als würden sie einen Befehl erhalten, jedenfalls
setzten sie sich danach im Kreis um mich herum und begannen zu heulen.
Dann, urplötzlich, erschienen Wolkenberge am Firmament und bedeckten die
Sterne ebenso wie den Mond. Blitze fuhren auf die Erde nieder und ihr
Krachen vermischte sich mit dem Heulen der Wölfe. Schließlich fuhr ein
Blitz nieder, ganz in meiner Nähe, und das Bersten der explodierenden Luft
riss mich zu Boden und raubte mir die Besinnung. Als ich erwachte war es
bereits hell und der nächste Tag war angebrochen. Ich erhob mich und sah
mich um. Ich wurde gewahr, dass die Wölfe immer noch da waren und mich zu
beobachten schienen, doch konnte ich keine Feindseligkeit in ihrem
Verhalten erkennen, so dass ich schließlich zögernd einige Schritte auf den
nächsten Wolf zu trat und einem plötzlichen Gefühl folgend die Hand
ausstreckte. Der Wolf kam zu mir und führte sich auf wie ein Haushund, der
seinen Herren begrüßte, die anderen Wölfe kamen ebenfalls zu mir und
bettelten winselnd nach einer Streicheleinheit und gaben nicht eher Ruhe,
als dass ich ihrem Wunsch entsprach. Schließlich zogen sie mich zu der
Stelle, an der am Vorabend der Blitz eingeschlagen hatte. Als wir diese
Stelle erreichten, begannen die Tiere wieder zu winseln und aufgeregt zu
kläffen. Als ich mich zu Boden sinken ließ, um mir diesen genauer zu
betrachten, erkannte ich einen Streifen von etwa zwei Schritt Länge
geschmolzenen Sandes, der wie die Schwelle zu einer Tür wirkte - und
tatsächlich, als ich den Blick hob, da erkannte ich etwas wie, wie... ja
etwas wie einen Riss im Gefüge der Wirklichkeit, der zu einer anderen Welt
führte. Als ich all meinen Mut zusammenraffte und hindurch trat, betrat ich
eine mir fremde Welt, die ähnlich der unseren war, gleichzeitig jedoch
völlig fremd und anders als die Unsrige. Habt Dank für die Aufmerksamkeit, die ihr mir mit dem Lesen dieses Briefes an Zeit geopfert habt. PS: Ich bitte euch diese Sache vorerst vertraulich zu behandeln, bis ein erstes Ergebnis eurer Gelehrten vorliegt, da ich mein Gesicht verständlicherweise nicht verlieren will und nicht als Spinner abgestempelt werden will. Eine weitere Bitte an euch wäre, dass ihr doch etwas gegen die Gobelins tun mögt. Es schrieb der, welcher sich Nachtschatten nennt! Nachtrag: Ich stelle diesen Brief nun im Opus öffentlich aus, da mein Herr, der diesen Brief schrieb, von den Herren Vinsalts keine Unterstützung erhielt und sich so vor einiger Zeit aufmachte, das Rätsel selbst zu lösen. Vorab schrieb er jedoch noch einen weiteren Brief, der kein Gehör fand bei den Herren Vinsalts und den ich dem Opus im Verlauf der nächsten Zeit zur Verfügung stellen werde. Ich richte mich mit diesem Brief an den Opus und seine Leser, da mein Herr mir nicht nur ein guter und gerechter Herr, sondern auch ein guter Freund war und ich mir seit seiner Abwesenheit Sorgen mache um sein Wohlergehen. Ich hoffe ich werde Rat, Unterstützung und Verständnis in den Ohren des Opus und seiner Leserschaft finden. Erschienen in Opus no. 159 am 24.6.2002. |
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