Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

 

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Sehr geehrte Collegae et Collegi, liebe Studiosae et Studiosi,
Ich danke Euch allen für die freundliche Aufnahme in den Hallen der ohne Zweifel hesindegefälligen Academia Limbologica. Für meine Erstvorlesung wähle ich ein Themengebiet, das mir sehr am Herzen liegt:

Libertas ex pietate
Freiheit durch Glaube

Lasst mich mit einem Bild beginnen: Ich schwebe als Adler – der Zauber, nehme ich an, ist bekannt – über die schönen Rundungen Sumus. Ich tauche in die weiße flaumige Wolkendecke ein und komme schließlich über den Wolken heraus. Blauer Himmel und das Praiosrad leuchtet in seiner ganzen Macht und gleißenden Schönheit.
Ohne Zweifel: Freiheit ohne Grenzen! Doch wirklich ohne Grenzen?
Ist nicht die Sonne die eine, der Boden die andere Grenze? Und ist es nicht natürlich und logisch in diesen Grenzen zu bleiben und sich an sie zu halten. Würde der Adler, wenn er zu weit auf Praios’ Antlitz zufliegt nicht verbrennen oder würde er nicht abstürzen oder ertrinken, wenn er dem Boden oder dem Meer zu nahe kommt?

Doch kehren wir zurück zu meinem Flug als Adler. Ich fliege also über Dere. Die Wolkendecke wird wieder dünner bis sie ganz verschwindet. Plötzlich sehe ich eine Ansiedlung unter mir; es ist ein Fischerdorf an der Nordküste des Meeres der Sieben Winde. Ich gehe tiefer und schaue hinunter in das Treiben der Gassen und Plätze. Da sieht man blonde Hünen, die ihre Haare zu Zöpfen gebunden haben, und von denen einer die Kraft von zwei Mittelreichern hat. Viele sind am Hafen bei ihren Schiffen. Thorwaler, eines der stolzesten Völker Aventuriens, und bekanntlich sind sie besonders stolz auf ihre unbegrenzte Freiheit auf See, auf ihre Gelage, kurzum: Auf ihr ganzes Leben.
Nun stellen wir uns die Frage: Sind sie wirklich frei?

Nach genauerer Betrachtung müssen wir dies negieren!

Ad locationem primum: Auf dem großen weiten Meer? Ja, es stimmt. Das Meer ist groß und weit und wohl mehr oder weniger ohne Grenzen. Doch nicht die, die auf ihm fahren. Sie sind beschränkt auf einen sehr engen Raum – nämlich auf ihr Schiff. Auch haben sie nicht die uneingeschränkte Freiheit überall hinzufahren, denn das Wetter und die See können auch sie nicht beeinflussen.

Ad locationem secundum: Bei ihren Festen, wo alles erlaubt und nichts verboten (oder eingegrenzt) ist? Ich weiß, dass Thorwaler einiges von RAHjas Rausch leicht vertragen, doch es kommt bei jedem – sine exclusio – irgendwann der Zeitpunkt, wo dies nicht mehr der Casus ist. Und dann, spätestens dann frage ich mich: Wo liegt ihre Freiheit, wenn sie sich nicht mehr rühren können und unter den Tischen liegen?

Ich darf dazu aber sagen, dass "die Thorwaler" natürlich ein zu verallgemeinerndes Collectiva ist, da es sicher Thorwaler gibt, die sich nicht ganz dem Alkohol ausliefern – ad exemplum die hochgeschätzten Magi et Magae, die bei uns zu Besuch waren. (Opus no. 8)

Also auch dieses vermeintlich so freie Volk muss sich Regeln, Gesetzen und Gewalten unterwerfen und durch sie begrenzen lassen und überdies sind – wie ich meine – ihre Grenzen ziemlich eng!

Doch auch hier möchte ich nicht verweilen. Weiter geht die Reise über Felder, Wälder, Steppen, über kleine Dörfer, die wie verstreute Erbsen aussehen und große Städte wie belegte Fladenbrote. Mein nächstes Ziel ist eine Ansammlung von Menschen, Kulturen und Religionen, alle auf sehr engem Raum beisammen, eine große Stadt also. Ich umkreise sie und sehe das Armenviertel mit seinem Dreck, das Bürgerviertel mit seiner Einfachheit, sehe die Tempel der Götter als Edelsteine herausleuchten und sehe das Viertel der Reichen und Adligen. Mitten in diesem erhebt sich stark und mächtig eine Feste. Ein prächtiges Schloss – zum einen wehrhaft und schützend, zum anderen kunstvoll geziert und pompös herausgeputzt.
Es ist inzwischen Nacht geworden. Aus den Fenstern der Burg und ihrer Türme und Türmchen flackert Lichtschein. Ich entscheide mich für den höchsten und stärksten Turm und lasse mich auf einem Sims nahe einem hell erleuchtenden Zimmer nieder.
Ich spähe hinein und sehe einen großen Saal mit hunderten von Kerzen beleuchtet. An einem Ende des Saales sitzt auf einem Mohagonithron ein Mann in prunkvollem Gewande gekleidet. Hinter ihm seine Frau, wunderschön und treu. Ein großer Hofstaat, dessen einzige Aufgabe es ist, dem Fürsten zu dienen. Dieser Fürst herrscht über ein großes Land und hat die Macht und die Gewalt über die Menschen, Tiere und alle anderen Dinge in seinem Land.

Ist er frei? Kann er tun und lassen, was er will?
Nein, auch er muss sich Grenzen unterwerfen. Und nicht nur den Landesgrenzen, nein auch Grenzen, die man auf den ersten Blick nicht sehen kann – inneren Grenzen! Er ist wohl reich und kann sich alles leisten, doch hat er auch eine große Bürde zu tragen, die ihm keiner abnehmen kann und die ihn mehr einschränkt, als den einfachen Bauern die Gesetze und der Stand. Er hat Verantwortung für sein ganzes Land und damit auch für seine Untertanen. Er muss gerecht sein und ohne Fehl und Tadel (oder sollte wenigstens den Schein wahren). Und auch der Hofstaat, der ihm ja eigentlich dienen soll, zwingt dem Fürsten die Regeln eines so komplexen, von den Menschen selbst eingeführten Systems auf. So ist die Hauptaufgabe – nämlich das Land zu regieren – um vieles beschwert und auch wieder eingegrenzt durch Etikette und sogenannte "Hofpflichten".
Außerdem darf man auch nicht vergessen, dass jeder Fürst wiederum einem anderen Herren dient und wenn nicht – denken wir nur an die Kaiserin – dann wenigstens den Göttern und das ist wohl die kleinste Grenze.

Denn die Götter geben uns die Grenzen wohl um freier zu werden...

Doch ich erhebe mich noch einmal von meinem Nachtlager und fliege fort, lasse die Stadt, die Burg und die Leute darin hinter mir. Ich fliege in ein Gebirge, das so majestätisch und uralt scheint, dass Ehrfurcht über diese Schönheit und über dessen Alter in mich strömt. Plötzlich sehe ich aber in dieser mächtigen und unbezwingbaren Natur ein Gebäude – wohl auch schon älter als alle Lebenden in ihm. Ich gleite lautlos näher und sehe Menschen in Roben ihren Studia nachgehen. Ich komme näher und sehe EUCH. Ja, uns sehe ich in EURER Academia Limbologica, wie ihr nach WISSEN und ERKENNTNIS strebt. Und ich denke bei mir: Dies sind Menschen, die dem "frei sein" sehr nahe sind. Denn auch wenn ihr es nicht in eurem Bewusstsein merkt, ihr arbeitet fortwährend an eurer Freiheit.

Ihr werdet fragen: "Warum, wir müssen studieren, Zauberformeln nach genauen Regeln und Riten erlernen, müssen uns an die Bräuche der Akademie halten und an die altehrwürdigen Normen, denen ein Magus sowie eine Maga gerecht werden muss. Wir sind von Grenzen umgeben!"

So sage ich euch: "Alle streben nach äußerlicher Freiheit, aber nicht nach der Freiheit des Geistes und nur darin kann die wahre Freiheit liegen. Die Zwänge und Grenzen, denen ihr ausgesetzt seid, sind äußerliche Zwänge und Regelungen. Doch ihr seid frei oder werdet noch frei werden durch euer WISSEN und euren VERSTAND."

Eine weitere Frage eurerseits könnte nun lauten: "Wie kann man diese Gabe des freien Geistes erlangen?"

Ich sage euch: "Es gibt nur einen Weg: Das Einhalten von Gesetzen und Regeln, die euch auferlegt werden, dient euch, indem ihr euch auf das WESENTLICHE konzentrieren könnt."

Und ihr werdet weiters wissen wollen: "Was ist das Wesentliche?"

"Das Wesentliche ist das Streben nach Wissen und Erkenntnis. Durch unsere Herrin HESinde ist uns Menschen der Verstand gegeben. Sie schenkt uns das Werkzeug um frei zu werden. Und nur durch den GLAUBEN, durch die Wahrung der HEILIGEN GESETZE und durch die DEMUT und TREUE zu IHR, der HERRIN der WEISHEIT, können wir freier werden als das WASSER im Meer, der WIND in der luftigen Höhe, das EIS auf den Spitzen der Berge, das FEUER in der Glut des Vulkans, der FELS im Herzen des Gebirges und die ERDE auf dem Antlitz Deres.
Nun so sollt ihr sehen, welch Geschenk euch die Göttin gemacht!
Und meditiert darüber. Meine Gedanken sind nicht das einzig Wahre, sie sollen ein Anstoss sein darüber zu sinnen und zu verstehen. Ein Anstoß, um der Freiheit immer näher zu kommen."

Ich danke euch im Namen der Göttin HESinde für eure Aufmerksamkeit und gebe euch hiermit IHREN Segen mit, dass sie Schutz und Schirm über dieses Haus lege, so sie Euch niemals vergesse und ihr sie nicht.

Argelia, Geweihte der Göttin

von: Christoph Huber
Erschienen in Opus no. 18 am 16.5.1999.

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