Ein offener Brief an Seine Spektabilität
Gorn Of Dagon
Geschätzter Collegus,
Nun ist es aber mal genug! Ich bin wahrlich ein Freund von Kurzweil und
heiterem Zeitvertreib, doch irgendwann sollte jede Posse einmal ihr Ende
haben, und in einer anerkannten Fachzeitschrift der arkanen Künste wie
dieser sind derartige Erheiterungen auf Kosten der Ernsthaftigkeit der
Wissenschaft wohl reichlich fehl am Platze!
Werter Gorn Of Dagon, die von euch in der letzten Ausgabe dieser Postille
beschriebenen Ereignisse dauern mich für euch. Dennoch kann ich den
Folgerungen, die ihr daraus ziehen zu können glaubt, nicht folgen, noch
verstehe ich den Grund, warum ihr meint, der Fachwelt über diese Ereignisse
überhaupt öffentlich berichten zu müssen. Man sollte ja eigentlich
meinen, euer erster Beitrag zu dieser Thematik, dessen aus eurer Feder
stammende Bezeichnung als fundierter Fachartikel mir einfach nicht über
Herz, noch Lippen gehen will, habe bereits ein solches Maß an freischwebend
spekulativen Thesen enthalten, dass weiter dies an unwissenschaftlicher
Selbstinszenierung wohl nicht zu überbieten sei, doch einmal mehr habt ihr
der Fachwelt das Gegenteil bewiesen. Nicht nur meintet ihr in eurem letzten
Artikel eure privat persönlichen Alpträume zum Thema nehmen zu müssen,
nein, ihr bezeichnet diese auch noch als empirische und damit impliziert
objektive Beweise für eure eigenen Theorien über die Verwerflichkeit der
satuarischen Magie und die Götterlosigkeit ihrer Betreiber.
Die Fragwürdigkeit eures Artikels wird bereits bei der Beschreibung des
seltsamen Wesens deutlich, das euren eigenen Worten nach eure Akademie
ausspioniert haben soll. Fürwahr, von einem solchen Wesen hörte ich nie.
Zumindest niemals im Zusammenhang mit den sogenannten Kindern Satuarias, auf
deren Wirken ihr selbige Erscheinung jedoch offensichtlich eindeutig meint
zurückführen zu können. Eure Fähigkeiten im Bereich der abstrakten
Assoziation scheinen mir wahrlich beachtlich zu sein, wenn es euch denn
wirklich gelingt, ein solches Wesen mit der fraglichen Personengruppe in
Verbindung zu bringen, denn ihr wäret der erste, der eine solche Zuordnung
ohne Erkenntnis der Unsinnigkeit des eigenen Handelns zu Ende führen könnte.
Zudem zweifelt ihr diese Beobachtung ja selbst schon wieder an, indem ihr
die Glaubwürdigkeit des eurer Beschreibung zugrunde liegenden
Augenzeugenberichtes in Frage stellt. Werter Collegus, dieses Wesen, was
immer es gewesen sein mag, sollte euch nach meinem Dafürhalten lange nicht
so sehr beschäftigen wie die womöglich höchst fragwürdigen
Trinkgewohnheiten derer, auf deren Beobachtungen ihr euch als Grundlage für
eure sogenannten wissenschaftlichen Fachartikel stützt!
Des weiteren führt ihr nun auf, ihr wäret regelmäßig von Alpdrücken
geplagt worden. Eure Erkenntnis, dass diese üblen Träume auf den in
Fachkreisen als 'Traumgestalt' bekannten Zauber zurückzuführen seien, will
anzuzweifeln ich mich an dieser Stelle gar nicht unterstehen, obgleich ich
zugeben muss, dass mir ein eure Aussagen verifizierender Bericht eines eurer
Person neutral gegenüberstehenden Collegus die Akzeptanz dieser Behauptung
als lautere Wahrheit doch um einiges erleichtern würde. Doch erneut ist
euch diese Erkenntnis eins mit der Folgerung, dass dieser Zauber von
Mitgliedern der satuarischen Gemeinschaft auf euch angewendet wurde, worin
ich auch in diesem Fall keine Selbstverständlichkeit zu erkennen vermag.
Nun, ich bin kein Rechtsgelehrter, aber gesetzt den Fall dies wäre so, was
ich durchaus nicht als erwiesen erachte, so ist die schlimmste Anklage, die
aus diesem Tatbestand abzuleiten ich mich im Stande sähe, eine Störung der
Nachtruhe durch magische Mittel, denn soweit ich weiß, ist besagte Thesis
weder geächtet noch verboten, entstammt sie doch, wie ihr selbst so überaus
treffend bemerktet, nicht etwa dem Bereich der Magica Controllaria, sondern
dem der Magica Communicatia. Ist es das, was die sogenannten Kinder
Satuarias nach eurem Dafürhalten zu widerwärtigen, verdorbenen und götterlosen
Kreaturen macht? Dass sie des nächtens eure Ruhe stören? Nun, fürwahr,
von so manchem grölend betrunkenen Söldnerhaufen hätte ich aus Zorn und
Gram in mancher Nacht wohl ähnliches behauptet, doch ist mein Geist noch
wach genug, um diese meine spontane Meinung überdacht zu haben, bevor ich
sie der wissenschaftlichen Fachwelt als erwiesene Wahrheit über die Natur
der Söldlinge zu präsentieren gedächte.
Im weiteren Verlauf eures Artikels beschreibt ihr nun die verschiedensten
Trauminhalte, an die ihr euch offensichtlich noch sehr detailgetreu zu
erinnern meint. Auch hier folgt die Behauptung auf dem Fuße, diese Inhalte seien auf das
Wirken der sogenannten Kinder Satuarias zurückzuführen. In diesem Punkt
erlaube ich mir jedoch, fachliche Zweifel anzumelden. Meine fähigen Collegi
mögen mich korrigieren, wenn ich in meiner Einschätzung fehl gehe, doch
nach meinem Kenntnisstand ist es mit dem von euch benannten Zauber lediglich
möglich, dem Träumenden in seinen Träumen als man selbst oder aber als
eine bestimmte andere Person zu erscheinen, nicht aber auf Schauplatz,
Handlung, Erscheinungsbild oder Aktionen anderer Figuren innerhalb der
Traumwelt Einfluss zu nehmen. Alles außer dem Zaubernden selbst, entstammt
weiterhin dem Geist des Träumenden, in dessen Geist sich zu orientieren im
Übrigen zuweilen keine leichte Aufgabe sein mag. Es wäre dem Zaubernden
also wohl nicht möglich, einen Gegenstand wie einen Stein gleichsam mit in
euren Traum zu bringen, so er ihn erst im weiteren Traumverlauf aus eurem
eigen Körper zu Tage fördern müsste. Diese und andere Einzelheiten im
Mindesten, und wie ich nur vermuten kann wohl auch einige oder alle der
handelnden Personen, die ihr so eindeutig meint der satuarischen
Gemeinschaft zuordnen zu können, entstammen eurem eigenen Geist, werter
Collegus, und haben nichts mit fremdmagischen Eingriffen in euer Bewusstsein
zu tun. Was euch des nächtens nun dazu treibt, solch überaus interessanten
aber vom noionitischen Standpunkt aus wohl stark an der Grenze zum
Bedenklichen liegenden Selbstgeißelungs-Phantasien nachzugehen, soll nicht
Thema dieses meines Kommentars sein, wäre aber wohl recht treffend mit dem
etwas unwissenschaftlichen Ausdruck 'schlechtes Gewissen' zu umreißen. Doch
will mir wirklich nicht recht einleuchten, warum ihr meint, euch selbst
durch die Veröffentlichung dieser eurer unterbewussten Phantasien dermaßen
zum Gespött machen zu müssen.
Die Hauptaussage eures Artikels besagt jedoch, dass man euch durch die
von euch aufgeführten Maßnahmen offenkundig zum Schweigen habe bringen
wollen und dass hinter dieser Absicht einmal mehr die satuarische
Gemeinschaft nicht nur zu vermuten sei. In diesem Punkt kann ich euch nur
ersuchen, euch auf meine langjährige Erfahrung zu verlassen, wenn ich euch
versichere, dass dieses Unterfangen, so es denn wahrhaft von Seiten der
sogenannten Kinder Satuarias geplant gewesen wäre, mit Sicherheit einen größeren
Erfolg erzielt haben dürfte, als es augenscheinlich der Fall war. Die von
euch beschuldigte Personengruppe verfügt wahrlich über weitaus schlagkräftigere
und wirkungsvollere Methoden als den bloßen Einsatz der Thesis
'Traumgestalt', um einen verhassten Redner gegen ihr eigen Wohl und Recht
zum Schweigen zu bringen, so sie dies wünscht. Die satuarische Fluchmagie
ist nur eines, wenn auch sicherlich das verwerflichste dieser Mittel.
Auf den Punkt gebracht, werter Collegus: Ich glaube nicht, dass die
satuarische Gemeinschaft darauf aus ist, euch Schaden zuzufügen, um euch
davon abzuhalten, eure irrationalen Thesen weiter zu verbreiten. Ich
bezweifle, dass sie dies durch einen oder mehrere Eingriffe in eure Träume
bereits getan hat oder tun wollte. Ich weiß, dass selbst wenn dem so wäre,
ihr weder Grund für eine schwerwiegende Anklage noch für die weitere Belästigung
der wissenschaftlichen Fachwelt mit euren privat persönlichen
Traumerlebnissen hättet und sämtliche eurer nächtlichen Erlebnisse weit
davon entfernt sind, eure Thesen betreffend die Götterlosigkeit der
sogenannten Kinder Satuarias zu belegen oder auch nur zu stützen.
Die eigentliche Tragik an eurem Fall liegt jedoch darin, dass ihr
offensichtlich in dem Glauben handelt, der Gildenmagie mit eurem Vorgehen in
dieser Sache einen Gefallen zu tun, den sogenannten Kindern Satuarias jedoch
schaden zu können. Zumindest ersteres möchte ich jedoch stark bestreiten,
denn das unwissenschaftliche, hasserfüllte Bild, welches ihr durch die
geradezu karikierende Darstellung eurer eigenen Person von einem studierten
Magister eurer Gilde zeichnet, gereicht der Gildenmagie sicherlich nicht zum
Vorteil und auch gewisslich nicht zur Freude. Darum kann ich an dieser
Stelle wirklich nicht mehr tun, als euch bitten, eurer 'Berufung', die ihr
offensichtlich ernsten Glaubens meint gefunden zu haben, zukünftig unter Ausschluss
der Öffentlichkeit zu frönen und eure grundlose und von mir persönlich
als fanatisch und verachtenswert empfundene Jagd auf die sogenannten Kinder
Satuarias wennschon nicht gänzlich einzustellen, so doch zumindest im
Stillen zu führen, um einen weiteren Gesichtsverlust der Gildenmagie im
Allgemeinen, eurer Akademie im Besonderen und eurer Person im Speziellen zu
vermeiden.
Rukus Ambrosius, Magus von: Frank Brosow Erschienen in Opus no. 39 am 24.10.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu So erkennet die Wahrheit. |