SILENTIUM
Fortsetzung
Noch bevor ich mit den Erläuterungen zur Analyse der
Silentium-Majuskeln am Eingangsportal zur Bibliothek der Academia Limbologica fortfahre,
möchte ich mich hiermit in aller Form bei meinem geschätzten Kollegen und Lehrmeister
Achmed ibn Mhukkadin entschuldigen. Wie der aufmerksame Leser sicherlich noch weiß,
erwähnte ich nämlich in meinem letzten Bericht die alchimistische Kunst der Tulamiden
mit hochlobenden Worten. Wie mich jedoch Meister Achmed ibn Mhukkadin belehrte,
unterscheiden sich diese wie viele andere Künste der Tulamiden von denen der Novadis. Nun
meinte ich natürlich in jenem angesprochenen Falle die alchimistische Kunst unseres
geschätzten Meisters Achmed ibn Mhukkadin, welcher sich ja mit Stolz zu den Novadis
zählen darf. Man möge mir also meine Unachtsamkeit in diesem Punkte noch einmal
vergeben. Doch nun zu dem eigentlichen Bericht. Die genauere magische Analyse des
Silentium-Artefaktes brachte die von uns bereits vermuteten Ergebnisse, welche ich hier
noch einmal in Kurzform veröffentlichen will:
objectum |
aeternom |
präservanz |
permanent |
phonik |
silentium silentille,
eventuell per infinitum |
impensation |
enorm (ultima occasio) |
origine |
unbekannt |
Obwohl es uns das Naheliegendste erschien, habe ich die Anwendung eines DESTRUCTIBO
ARCANITAS wohl doch bis auf weiteres ausgeschlossen. Der enorme Kraftaufwand stellte für
mich eine zu große Gefahr bei diesem Unterfangen dar.
Es ist darüberhinaus nicht ausgeschlossen, dass sich noch
weitere, ähnliche Artefakte in den Hallen der Bibliothek befinden. Bekannt ist uns ein in
Arkanium gefasstes Siegel, welches eine Wand etwa in Augenhöhe ziert. Das kreisförmige
Siegel hat einen Durchmesser von ca. zwei Spann und zeigt verschlungene Drakned-Glyphen,
was das Wirken von drachischer Magie nahelegt. Allerdings konnten nur wenige Zeichen
erkannt und entschlüsselt werden, da sie sich gegenseitig überlappen und ineinander
verschlungen sind, wodurch sie ob der komplizierten Formen der Drakned-Glyphen völlig
unkenntlich werden. So blieb uns die Wirkungsart dieses Artefaktes bisher verschlossen,
nur eines konnte mit Sicherheit gesagt werden: Wie schon ein einfacher Odem zeigt, ist das
Artefakt nicht aktiv. Da wir nichts über die Phonik wissen, haben wir von einer
induzierten, magischen Aktivierung bisher abgesehen. Wie sich dieses und vielleicht noch
andere vorhandene Artefakte aktivieren lassen, ist unbekannt, ebenso wie ihre
Wirkungsweise. Währenddessen suchen wir fieberhaft nach Möglichkeiten, das Wirken des
Silentium zu beenden. Von einer einfachen physischen Beseitigung des Schriftzuges, wie von
einem Magus und Abonnenten des Opus vorgeschlagen wurde, musste abgeraten werden, da es
sich bei dem Torbogen um ein tragendes Mauerwerk handelt. Derzeit wird die Möglichkeit
die ganze Bibliothek einfach zu übersiedeln noch vorgezogen, jedoch hoffen wir auf noch
bessere Ideen aus Leserkreisen Der Difar für die Übermittlung
wurde bereits conjuriert.
Grossmeister Erilarion Androstaal
und Meisterin Sheddja von: Philipp Schumacher & Markus Penz Erschienen in Opus no. 6 am 21.2.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu SILENTIUM.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: SILENTIUM.
Das Grauen
in der Bibliothek
Vorfall im Zusammenhang mit der Bibliothek im Archiv gefunden.
Beim Durchstöbern einiger Archive fiel mir ein Bericht
aus vergangenen Tagen auf, welchen ich hier getreulich wiedergeben möchte. Vielleicht
steht er ja in Zusammenhang mit den Ereignissen in unserer Bibliothek:
"Einen
endlos scheinenden Gang hetzt Cyrene entlang, alle astrale KRAFT
war verloren und auch die körperliche Kraft beginnt schon nachzulassen. In ihrem Nacken glaubt sie den
fauligen Atem des Unwesens, das hinter ihr herjagt, zu spüren. Da plötzlich, die Ahnung
eines Lichtschimmers weit vor ihr, hier wird wohl die Rettung zu finden sein. Cyrene
beschleunigt ihren Lauf, doch die ungewöhnliche Belastung fordert ihren Tribut - sie
knickt mit einem Fuß um und stolpert. Von Verzweiflung gezeichnet dreht sich Cyrene
herum, will den Stab zur letzten Abwehr heben, doch das Grauen hat sie schon erreicht...
...
Der späte Herbst hatte das Land fest im Griff, als die frischgebackene Adeptin Cyrene am
Tor der Academia Limbologica um Einlaß bat. Erst vor wenigen Wochen hatte die Magierin
ihr Examinatio an der Halle der Antimagie zu Kuslik erfolgreich abgelegt. Ihre erste Reise
hatte sie nach Methumis geführt, hier hoffte sie auf weitere Erkenntnisse in der
Contramagie. Dort wurde sie auf die Akademie in den Goldfelsen verwiesen.
Von Seiner Spektabilität willkommen
geheißen wurden ihr
mehrere Tage für das Studium der Akademiechronik und spezieller Traktate versprochen,
doch Cyrene wollte insgeheim mehr.
Es ging auf die Mitternacht zu, als endlich Ruhe einkehrte.
Cyrene wartete noch mehrere Minuten, doch niemand schritt mehr durch die Gänge und Säle
der Akademie. Leise öffnete die junge Magierin die Tür ihrer Kammer, lauschte erneut und
trat auf den im Dunkeln liegenden Flur hinaus. Durch die Fenster funkelten Madas Licht und
Phexens Juwelen und wunderten sich, was die einsame Gestalt hinter den dicken Mauern
suchte. Leise stieg Cyrene die breite Treppe zum Eingang der Bibliothek hinauf. Huschten
da nicht Schatten durch die Finsternis?
Vorsichtig
versuchte Cyrene einen der Türflügel der Bibliothek zu öffnen, und sie war tatsächlich
wie so oft unverschlossen. Nur selten machten sich die Magister die Mühe, sie spät
nachts noch abzuschließen, sehr zum Ärger der Bibliothekarin Roana, die spät nachts
meist schon schlief. Cyrene schlüpfte durch den Spalt und schloß die Tür hinter sich
wieder.
Blauweiß flackerte in ihrer linken Handfläche ein fahles Licht auf und warf zitternde
Schatten auf die alten Bücher und die seltsamen Artefakte in den Regalen. Neugierig sah
sich Cyrene um. Trotz des schwachen Lichtscheins war die Bibliothek als solche
unverkennbar. In den Regalen stand Buch an Buch, gebunden in hartes Leder, dickes
Pergament oder anderes, unbekanntes Material, dazwischen mehrere Figurinen und
geometrische Körper, zumeist als Buchständer dienend. Etwas jagte ihr eine Schauer über
den Rücken, erschrocken drehte sie sich um, doch da stand zwischen alten Zauberbüchern
nur eine knapp doppelt spannhohe Statuette in Gestalt eines geflügelten, aufrecht
stehenden Drachens in einem Regal auf Augenhöhe. Sie trat näher und nahm die Statuette
genauer in Augenschein. Aus irgendeinem dunkelgrauen Gestein war sie gemeißelt, lediglich
in den Augenhöhlen funkelten böse zwei dunkelroten Edelsteine.
Nun
besann sich die Adeptin wieder auf ihr eigentliches Anliegen und begann mit dem Studieren
des Bibliothekregisters, welches auf einem der drei Tische beim Eingang lag. Allein dieser
Foliant bot genug beschriebene Seiten für viele Stunden des Lesens. Antimagie und
Dämonologie waren die zwei Themengebiete, in denen Cyrene sich näher in der Bibliothek
umschauen wollte. Ungeduldig begann sie zu blättern, während Satinav auf seinem Schiff
durch den Strom der Zeit trieb.
Während die Minuten verrannen, wurden Cyrenes Augenlieder immer
schwerer. Nur mit Mühe konnte sie sich auf die Buchstaben des Registers konzentrieren,
irgend etwas schien ihr die Augen schließen zu wollen. Bevor Cyrenes Kopf auf das Holz
des Tisches schlug, fiel ein letzter verschwommener Blick auf die Drachenstatuette im
Regal. Flatterte sie nicht mit den Schwingen, war ihr Antlitz nicht von einem unheilvollen
Grinsen verzogen, richtete sie sich nicht auf, wie um sich von dem Regal abzustoßen?
Cyrenes Gedanken verschwanden in einem Strudel des Nichts.
Ein höhnisch finsteres Lachen ließ Cyrene hochschrecken und
noch bevor sich ihre Augen richtig an die Düsternis gewöhnt hatten, wußte sie
instinktiv, daß etwas nicht stimmte. Nachdem sie ihre Müdigkeit abgeschüttelt hatte sah
sie sich schnell um. Die Bibliothek schien ins bösartig Chaotische verwandelt, oder
befand sie sich überhaupt noch in der Bibliothek? Boden
und Wände schienen auf unmögliche Weise pulsierend zu glühen, von den Dachbalken
tropfte zischender Schleim, in den Regalen standen Bücher mit unbekannten, schrecklichen
Schriftzeichen und im Kronleuchter hing ein schillerndes Netz wie das einer Spinne, doch
auf irrsinnige Weise fremdartig - die Statuette war fort. Wieder erklang aus dem Nichts
ein schauriges Lachen und ohne sich weiter umzusehen sprang Cyrene auf den Ausgang zu, das
schreckliche Schlurfen und Schmatzen hinter ihr drang durch Mark und Bein.
Ohne Probleme ließ sich der
Türflügel öffnen und den Zwölfen dankend eilte Cyrene auf den Flur hinaus und schlug
die Tür hinter sich zu, das unbekannte Grauen in der Bibliothek zurücklassend. Das ist
nicht die Akademie, kam ihr die niederschmetternde Erkenntnis. Ein schier endlos langer
Gang lag vor ihr, im Nichts der Dunkelheit verschwindend. Dunkel leuchteten seltsame
dünne Flechten an den unbehauenen Wänden, schwere Tropfen fielen von der Decke und
platschten laut in zähflüssige Lachen auf dem Boden. Ein plötzliches Krachen und
Splittern sagte Cyrene, daß der unbekannte Verfolger die Tür der Bibliothek durchbrochen
hatte und ihr auf den Fersen war. Ohne bei der Flucht innezuhalten, drehte Cyrene ihren
Kopf, dem Verfolger in die Augen zu blicken. Mit ungläubigem Schrecken stolperte sie,
konnte sich aber wieder fangen.
Ein amorphes Etwas floß in atemberaubender Geschwindigkeit auf
sie zu. Ohne nachzudenken murmelte Cyrene magische Worte und streckte dem unbarmherzigen
Verfolger Zeige- und Mittelfinger entgegen. Die Lanze aus tödlich heißem Feuer fuhr aus
den Fingerspitzen und... verpuffte am Körper des immer gewaltigere Ausmaße annehmenden
Verfolgers. Nicht zu beschreibendes Gebrüll drang durch den Gang und schleuderte die
Magierin gegen die grobe Wand, von der Decke bröckelte Gestein und mit lautem Tosen wurde
das Etwas unter Quadern von Stein und Erde begraben, den Rückweg versperrend.
Stunden schien Cyrene schon durch die gewundenen Gänge zu hetzen, selten mußte sie sich
an einer Gabelung entscheiden, doch spielte der Weg vielleicht gar keine Rolle? Kein
einziges Mal war sie in eine Sackgasse geraten.
Mehrmals schien sie in Fallen zu laufen, der Boden öffnete sich und spie giftgrünes
Feuer, die Decke stürzte krachend herunter und begrub sie fast, aus Seitennischen
stolperten irrsinnige Wesenheiten und noch immer und überall leuchtete das seltsame
Gespinst an den Wänden. Und immer wieder musste sie sich gegen den Verfolger von hinten
oder Angreifer von vorne zur Wehr setzen, verschmorte verfaulte Menschenähnliche mit
Lanzen von magischem Feuer oder hieb Schattengestalten den Stab zwischen die Augen oder
was immer das Leuchten in der Dunkelheit darstellen mochte.
Doch
Cyrenes Kräfte ließen spürbar nach.
Als Cyrene kurz verschnaufte, konnte sie einen Blick auf ihren
Verfolger erhaschen. Eine dunkelgrau geschuppte Gestalt mit funkelnden Augen in dunklem
Rot. Wohl mehrere Schritt groß, mit breiten Schwingen und einem langen Schwanz der die
Balance hielt. Die Konturen des Wesens schienen verschwommen zu sein. Wieder traf die
Erkenntnis die Magierin wie ein Schlag. Dies war ohne Zweifel die Statuette aus der
Bibliothek, zu unheiligem Leben erweckt. Mit dem Stab versuchte Cyrene die Angriffe
abzuwehren, doch die Klauen wurden vom magischen Holz nicht zurückgehalten. Mühsam hob
die Adeptin die Hand, doch die KRAFT war versiegt. Verzweifelt bohrte Cyrene den Stab in
die Grimasse des Grauens, doch sie stieß auf keinen Widerstand.
Mit
Triumph in den Augen hob das Wesen die Klauen zum letzten Schlag, doch sie durchschlugen
nur die Luft - mit letzter Kraft hatte sich Cyrene herumgeworfen und raste den Gang
entlang. Enttäuschtes Gebrüll hallte ihr um die Ohren, und dann nahm das Grauen die
Verfolgung wieder auf.
...
Ihren Tod vor Augen blickt Cyrene in die Augen des Drachen, der sich
über sie beugt und das riesige
Maul zu einem Grinsen verzieht. Wie in freudiger Erwartung schimmert das verwirrend
gesponnene Netz heller. So nah scheint der Lichtschimmer am Ende des Ganges zu sein, doch
Cyrenes letzter Schrei verhallt ungehört, als die Klauen zum tödlichen Schlag
herabsausen. Gnädige Dunkelheit umgibt Cyrene und sie spürt nichts mehr.
...
Keiner der Meister kann sich einen Reim auf die Vorfälle der Nacht machen, nachdem Roana
im Morgengrauen die im Irrsinn brabbelnde Cyrene auf dem Boden der Bibliothek fand. Wohl
ist die frei gewordene astrale Energie innerhalb der Bibliothek deutlich spürbar und ein
seltsamer Geruch hängt in der Luft, doch die einzige Zeugin der Vorkommnisse ist nicht
mehr in der Lage, auch nur ein vernünftiges Wort von sich zu geben oder klar zu denken.
Und
im Regal der Bibliothek sitzt noch immer die Gestalt mit den funkelnden Augen. Doch
irgendwie scheint das Grinsen der Statuette heute greifbarer zu sein..."
Grossmeister
Erilarion Androstaa von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 6 am 21.2.1999. |