De uno modo vero vitae magorum et
magarum
Über den einzig wahren Lebensweg der Magier und
Magierinnen
Vieles wurde schon zu diesem Thema geschrieben und noch mehr wohl
gesagt. Da gibt es einerseits diejenigen unter den Magiern, welche meinen,
dass ein asketisches Leben in Meditation und vor allem ohne die Freuden RAHjas
einen wahren Magus ausmacht, andererseits aber auch jene, die auf
Meditation oder gar Selbstbeherrschung in jeglicher Form verzichten und so
meinen ein göttergefälliges Leben zu führen. Beiden Seiten muss hier
einmal in aller Deutlichkeit eine harte Rüge erteilt werden, denn so wie
es ein Frevel ist eine göttliche Gabe an uns Menschen (die Freuden der
Lust) zu verschmähen, so ist es ebenso eine Sünde ein göttliches
Geschenk (sowohl das der RAHja als auch das HESindes)
zu missbrauchen.
Im folgenden sei im Einklang der Gebote der allweisen Herrin und
derjenigen der Göttin der Liebe sowie aller anderen Zehn der Versuch
unternommen einen idealen Lebensweg für Magier und Magierinnen
aufzuzeigen.
Zuerst jedoch muss auch hier einleitend noch einiges zur Positionierung
aller Magier und Magierinnen in der von den Göttern geordneten Welt
gesagt werden. In der Vergangenheit wurde bereits vieles zur Demokratie
und anderen Herrschaftsformen geschrieben, und ich denke, dass ich getrost
auf die Artikel in den Opera
80 ff verweisen kann um einer Argumentation gegen diese Formen
der Herrschaft zu entgehen - der wissbegierige Leser möge eben dort
nachlesen. Was die Magier und Magierinnen betrifft, so kann man ihre
Sonderstellung in einem wie auch immer gearteten Herrschaftssystem per se
nicht leugnen; und genau deshalb ist es von solch enormer Wichtigkeit sich
als Magus bzw. Maga eine ordentliche, rechte Lebensführung anzueignen -
und ich denke durchaus, dass sich diese Lebensweise auf das Adelssystem übertragen
ließe, ja sogar übertragen werden muss!
Außer Frage steht, dass manche Menschen, sei es durch HESindes
Macht (Magi et Magae) oder die des PRAios (Adelige),
anderen von Geburt an übergeordnet sind - und das nicht etwa durch ihre
eigenen Verdienste, sondern durch die vom Götterfürsten weise gewählte,
göttliche Ordnung. Dass sich dennoch ein jeder in seinem Leben dieser
Auszeichnung durch die Götter, die er von Geburt an besitzt, als würdig
erweisen muss, ist - zumindest uns Magiern und Magierinnen - vom Anbeginn
unserer Ausbildung an den Akademien klar. Und eben hier liegt die
Verantwortung, welche ein jeder Magus und eine jede Maga zu tragen hat.
Denn wer andere (Menschen) oder auch anderes (die Magie) beherrscht, der
kann dies nur tun, so er nicht selbst durch andere (Menschen) oder anderes
(Triebe, ungezügelte Kraft, ...) beherrscht wird. Deshalb benötigt ein
Magus bzw. eine Maga stets und zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über sich
selbst, also die nötige Selbst-Beherrschung.
Die richtige Beherrschung seiner selbst - und dazu zählen sowohl die
Beherrschung der Gedanken als auch die des Körpers - kann auf vier
Bereiche aufgeteilt werden:
ad primum: die Diätetik
Die Idee, die Lust (die Lüste) muss rationiert werden, damit andere Kräfte
und Ziele der Existenz sich angemessen ausbilden können, steht immer am
Anfang der Konstitution eines um sich selbst besorgten moralischen
Subjekts. Der Ursprung der Beherrschung der magischen Kräfte liegt in der
Mäßigung im Gebrauch der Lüste - und dies bezieht sich nicht bloß und
ausschließlich auf die rahjanischen Verlangen des Körpers, sondern
ebenso auf das rechte Speisen, das gemäßigte Trinken etc. Doch die
Praktik der Diätetik kann nicht nur ein Ensemble an Vorsichtsmaßregeln,
Ge- und Verboten sein; es handelt sich darum, wie man sich selbst als eine
Person konstituiert, die um seinen Körper, seine Gedanken, seine Kräfte
- seine Lüste - die rechte, notwendige und ausreichende Sorge trägt.
Eine Sorge, die das Alltagsleben durchläuft, eine Sorge, die aus den größeren
und kleineren Tätigkeiten des Lebens eine Angelegenheit der Diätetik
macht; eine Sorge, die zwischen dem Menschen und den Elementen, die ihn
umgeben, eine umständliche (d.h. die Umstände berücksichtigende)
Strategie definiert und die schließlich darauf abzielt, den Magus bzw.
die Maga selbst mit einem verständigen Verhalten zu rüsten.
Hierzu gehören Aspekte wie exercitus (körperliche Übungen,
etwa der Tanz der Mada, und geistige Übungen, etwa die Meditation), cena
(Speisen, die Ernährung), bibulum (Getränke, das Trinken), dormitum
(der Schlaf) oder rahjaica (die sexuellen Beziehungen).
ad secundum: die Ökonomik
Hierunter fallen alle Herrschaftsformen, die ein Magus bzw. eine Maga
in ihrem (alltäglichen sowie wissenschaftlichen) Leben auszuüben hat und
welche sich alleine durch den richtigen Lebenswandel rechtfertigen lassen.
Im weiteren habe ich diese verschiedenen Formen der Herrschaft in vier
Bereiche unterteilt, wobei jedwede Form der Herrschaft stets auf einer
prinzipiellen Ungleichheit per se basieren muss: (1) Die Ungleichheit, die
den Herrn/die Herrin vom Diener/der Dienerin trennt. Diese Form der
Ungleichheit und damit Herrschaft beruht stets auf einem freiwillig
eingegangenen Abhängigkeitsverhältnis, so wie es beispielsweise zwischen
einer Maga und ihrem Sekretarius bestehen kann. Sie zeichnet sich üblicherweise
dadurch aus, dass einem der beiden ein angemessener Lohn oder zumindest
eine Entschädigung für den verrichteten Dienst zusteht. (Sofern auf
Seite des Bediensteten eine Schuldlast besteht, so kann natürlich davon
abgesehen werden.) (2) Die Ungleichheit, die den Vater/die Mutter von den
Kindern trennt. Diese Form der Ungleichheit liegt zumeist in der Natur der
Sache, denn die Eltern sind nach dem Willen TRAvias stets
dazu angehalten, ja sogar dazu verpflichtet sich um ihre Kinder zu kümmern
und sind ebenso für deren Verhalten verantwortlich. Für einen Magister
bzw. eine Magistra an einer Akademie stellt sich hier zweifelsohne die
Frage, welche Art von Herrschaft denn gegenüber einem adeptus oder einer
adepta auszuüben ist. Zwar trifft hier eine Bedingung von Punkt (1) zu, nämlich
dass in den meisten Fällen Lehrgeld an die Akademie bezahlt wird, dennoch
bin ich der Meinung, dass das eigentliche Verhältnis adeptus - Magus in
Bezug auf die Vermittlung von Wissen klar und deutlich bei Punkt (2)
eingeordnet werden muss. Der lehrende Magus hat also stets das Recht - und
ebenso wie die Eltern die Pflicht - den Scholar zu überwachen, zu strafen
etc., aber ebenso für seine Taten einzustehen. (3) Die Ungleichheit, die
den Regierenden vom Regierten trennt. Diese praiosgegebene Form der
Herrschaft ist diejenige, die am ehesten von Geburt an gegeben ist, deren
Befähigung dazu aber dennoch vom jeweils Regierenden durch Worte und
Taten unter Beweis gestellt werden muss. Sie wird im allermeisten Fall
kaum einen Magus oder eine Maga betreffen. (4) Die Ungleichheit, die den
Magiebegabten vom Unkundigen trennt. Diese ebenfalls von Geburt an
vorhandene Ungleichheit verlangt von den Betroffenen eine außerordentliche
Form von Herrschaft - über andere wie über sich selbst. Wer mit der Gabe
geboren wird, von dem wird erwartet, dass er eine langwierige Ausbildung
hinter sich bringt, in der er die Kunst der Selbstbeherrschung, die Kunst
der Beherrschung und Lenkung sowie Formung magischer Kräfte erlernt. Von
ihm wird erwartet, dass er eine Prüfung ablegt, welche bestätigt, dass
er dies alles beherrscht - und selbst dann wird der Magiebegabte oftmals
gefürchtet, verspottet oder gehasst. Obwohl die Herrschaftsformen (3) und
(4) ihrem Wesen nach gar nicht einmal so verschieden sind, wird doch von
den unter die Kategorie (4) fallenden einiges mehr erwartet sich ihrer
Herrschaft als würdig zu erweisen.
ad tertium: die Erotik
Zum Bereich Erotik gehört all das, was mit sexuellen Lüsten und Gelüsten
in- und außerhalb des Traviabundes zu tun hat. An dieser Stelle muss
einmal der oftmals genannte Widerspruch zwischen den Geboten TRAvias
und denen RAHjas aufgelöst werden, denn im Göttlichen
selbst kann es keinen Widerspruch geben. Der traviagefällige Ehebund
dient einer sinnvollen und nützlichen Sache, nämlich der Zuweisung einer
Frau zu einem Mann (und umgekehrt). Dies hat einfache und einleuchtende Gründe,
denn dadurch wird ein wildes Zusammenleben wie bei den ungläubigen
Novadis vermieden. Da nämlich Mann und Frau einander gleichgestellt sind,
widerspricht es auch dieser Gleichstellung, wenn ein Mann mehrere Frauen
besitzt oder ernährt, so wie dies bei den Novadis üblich ist - ganz
abgesehen davon, dass er dies aller Wahrscheinlichkeit nicht bewältigen könnte,
denn mehrere Frauen bedeuten auch mehrere Kinder und diese brauchen schließlich
auch mehr Dukaten. Ebenso brächte natürlich das Zusammenleben einer Frau
mit mehreren Männern seine Probleme mit sich, denn woher könnte man dann
die Vaterschaft bei den Kindern feststellen? Der Traviabund hat also
durchaus seine Berechtigung und seinen Sinn. Neben diesem jedoch gibt es
die Gaben RAHjas, die Lüste und Gelüste, welche ein jeder
und eine jede, egal zu welchem Geschlecht hin, verspürt. Und um diese zu
befriedigen begibt mann und frau sich in den Rahjatempel, und dies auch
bzw. neben und nicht im Widerspruch zum Traviabund.
Berechtigterweise kann man nun aber fragen, weshalb der Traviabund
mitunter die Treue der zwei Eheleute fordert und diese in vielen Fällen
auch eingehalten wird; oder gar noch schlimmer, weshalb es Menschen gibt,
welche freiwillig auf diese Geschenke RAHjas verzichten.
Dazu ist zu bemerken, dass ein Verzicht auf die Gaben RAHjas
unter dem Vorwand einer moralisch begründeten Reinheit des Körpers oder
der Seele tatsächlich nichts anderes als einen Frevel wider die Göttin
der Liebe darstellt, ja darstellen muss. Es gibt jedoch eine Art der
sexuellen Mäßigung, welche keinen Frevel darstellt und welche durchaus nützlich
sein kann. Denn die sexuelle Mäßigung an sich ist eine Ausübung der
Freiheit, die in der Selbstbeherrschung Gestalt annimmt; und sie
manifestiert sich in der Weise, in der der Mensch sich in der Beherrschung
seiner Gelüste hält und zurückhält - in der Art und Weise, in der sich
der Mensch zu sich selbst verhält, indem er sich zu anderen verhält.
Diese Haltung ist es - weit mehr als die Akte, die man (nicht) vollzieht,
oder die Begierden, die man (nicht) verbirgt - die den einzigen Anlass zu
sexueller Enthaltsamkeit geben kann. Indem man jedoch aus anderen Gründen
die Gaben RAHjas verschmäht und sich nicht mit seiner
Sexualität beschäftigt, leugnet man seine Natur als Mensch. Nur wenn mann
und frau nie vergisst, was man in Wahrheit ist (und sich daher auch mit
dem Teil seiner selbst beschäftigt, der das Sexuelle betrifft), wird man
seiner Lebensführung die Form geben können, die den Ruf wahrt und die
Erinnerung verdient.
ad quartum: die Philosophie
Die Beherrschung seiner selbst, in allen drei Punkten, die oben angeführt
sind (Diätetik, Ökonomik und Erotik), bedarf um bestehen zu können
schlussendlich stets der Wahrheit. Einer Wahrheit vor bzw. zu den anderen,
aber auch einer Wahrheit zu sich selbst. Die Philosophie ist der ideale
Weg (vor allem für Magi et Magae) eine Liebe zur Wahrheit zu entwickeln
und diese zu schulen und damit sich ständig selbst zu hinterfragen. Diese
Philosophie (=Liebe zur Wahrheit) muss das Regiment im Seelenhaushalt
eines jeden Magus und einer jeden Maga führen, damit die Begierden an
ihren Platz verwiesen, die rechte Wahl des Handelns getroffen werden kann
und der Magus bzw. die Maga imstande ist, sich selber zu erkennen, um die
Magie zu praktizieren und die Kräfte zu meistern. Folglich muss in
letzter Konsequenz die ständige Arbeit, die ein Magus und eine Maga auf
ihrem Lebensweg zu leisten haben werden, darin bestehen, dieses ihr Verhältnis
zur Wahrheit unablässig aufzudecken und festzuhalten.
Zusammengefasst stellt sich also die Art und Weise einer rechten
Lebensführung für Magi et Magae folgendermaßen dar:
Das grundsätzliche Element der Beherrschung (die Substanz) besteht in der
astralen Kraft, das heißt in einer Kraft, die von den Göttern gewollt
und geschenkt ist, die jedoch ob ihres Ursprungs (der Frevel Madas) und
Wesens jederzeit ausufern und aufständisch werden kann.
Das Prinzip der Regulierung (Beherrschung) dieser Kraft, die
Unterwerfungsweise, ist und kann nicht durch eine universelle Gesetzgebung
mit Ver- und Geboten geregelt werden, welche erlaubte nicht erlaubten
Akten gegenüberstellt; sondern viel mehr durch eine Kunst der Lebensführung,
die alle vier Bereiche betrifft (Diätetik, Ökonomik, Erotik und
Philosophie), durch eine Kunst der Selbstbeherrschung, die die Modalitäten
des Gebrauchs in Rücksicht auf verschiedene Variablen für jeden
einzelnen selbst logisch vorgibt.
Die Arbeit, die jeder selbst an sich vorzunehmen hat, die nötige aber
nicht übertriebene Askese, besitzt die Form eines Kampfes, der zu führen
ist, eines Sieges, der zu erringen ist, indem man nach dem Modell eines
natürlichen Machtverhältnisses (siehe Ökonomik: Herrschaftsformen) die
Herrschaft über sich selbst errichtet.
Die Seinsweise, der man sich schließlich durch diese Selbstbeherrschung nähert,
ist eine aktive Freiheit (und damit eine aktive Beherrschung der magischen
Kräfte), die auf einem strukturellen, instrumentellen und von Liebe geprägten
Verhältnisse zur Wahrheit beruht.
Eborëus Zachariad, adeptus minor
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 96 am 18.2.2001. |