Der neue
Lehrmeister für körperliche Ertüchtigung stellt sich vor...
Nach den Feierlichkeiten am 1. Praios zur Begrüßung des
neuen Jahres haben sich die Lehrmeister und die Eleven der Academia
Limbologica in den Bankreihen des Lehrraumes eingefunden. Nachdem die
Lautstärke der Schwätzenden sich langsam gesenkt hat, richtet der neue
Magister ya Hiligan noch einmal seine Blätter, sodass sie gerade
aufeinander liegen, schlägt sie mit der Unterkante einmal auf das Pult,
hinter dem er steht, knüllt sie zusammen und wirft sie in die Ecke.
„Werte Collegae, werte Zöglinge!
Um mich vorzustellen, mein Name ist Emmerian ya Hiligan, ich bin adeptus
der altehrwürdigen Akademie zu Beilunk, die jetzt ihren Sitz in Gareth
einnehmen musste.“
Bei diesen Worten durchzuckt kurz ein grimmiger Blick seine Augen.
„Ich selbst bin im dritten Jahre nach Hals Krönung geboren und nach meiner
Examinatio widmete ich mich dem Kampf wider das Dämonenpack! Ich hatte
auch schon die Ehre, an mehreren Expeditionen in die schwarzen Lande zur
Bekämpfung der schwarzen Mächte teilnehmen dürfen. Die letzen Jahre
verbrachte ich in der Magokratie Arkania, in der ich als Berater in der
Milizausbildung fungierte und mein Amt als Magister minor erhielt. Und
jetzt, nachdem ich eure Akademie auf Geheiß eures Magisters Zachariad
besuchte, werde ich hier weiter unterrichten und mich um eure körperliche
Ertüchtigung kümmern.“ Dabei wandern seine Augen über die Körper der
Zöglinge, die sich allesamt etwas unwohl auf ihren Bänken winden.
„Wenn ich die Magister nun bitten dürfte, ich werde die Zöglinge sogleich
in meine Vorstellungen einweisen.“ Damit klemmt er sich einen Bambusstock
unter den Arm, lässt bei einer Vierteldrehung seine genagelten
Lederstiefel am Boden knallen und bedeutet den Adepten, ihm zu folgen,
während er den Raum verlässt.
Ein kurzes Getuschel wird unter den Anwesenden laut: „Ziemlich direkt...“
und „ganz schön kurz angebunden...“ hört man aus dem Geraune. Langsam
erheben sich die Adepten, noch einmal einen fragenden Blick auf die noch
anwesenden Magister werfend, die ihnen teilweise zunicken, sich teilweise
selbst erstaunt aufmachen, dem Neuen zu folgen.
„Kommt, kommt!“, hört man Leutnant Magister, wie er denn genannt werden
möchte, von draußen. Die kleine Zahl der Scholaren drängt sich in den Hof,
in dem Magister Emmerian schon Stellung genommen hat. Aus einem größeren,
weißen Leinensack zieht er etwa ein halbes Dutzend Hemden gleicher Farbe
hervor und wirft sie den Scholaren zu. „Hmm, ihr seid ja doch eine ganz
ansehnliche Schar, da werde ich wohl noch welche besorgen müssen... Also!
Vom Nachnamen A angefangen teilt ihr jetzt die Hemden aus, bis alle
vergeben sind, dann sagst mir du“, und dabei zeigt er auf einen blonden
Jungen in der ersten Reihe, „wie viele Hemden noch fehlen! Das sind eure
Trainingshemden, ihr werdet sie tragen, wenn ihr meine Stunden besucht.
Kaputte Hemden werden genäht, bei Nichtbeachtung muss mich derjenige bei
meinen all-abendlichen Laufeinheiten begleiten. Verlorene Hemden werden
vom eigenen Angesparten ersetzt, bei Nichtbeachtung wird solange mit mir
gelaufen, bis derjenige entweder den Wert des Hemdes in Kreuzer an Tagen
mitgelaufen ist oder beschließt, sich vielleicht doch noch eines zu
besorgen.“
Auf die fragenden Blicke der Scholaren hin verkündet er: „Wenn ihr nicht
einmal auf ein so billiges Hemd aufpassen könnt, wie wollt ihr dann eure
Robe standesgemäß ordentlich halten? Das ist alles Praxis fürs Leben,
Knaben und Mädchen! Also, jetzt stellt euch einmal in Reih und Glied auf,
vier Mann die Reihe, die letzte füllt von Rechts nach Links auf.“
Nachdem sich die Adepten postiert haben, wirft er einen strengen Blick in
die hinterste Reihe, aus der sich ein leises Gespräch abzeichnet. „Was
gibt es da zu diskutieren? Willst du uns nicht allen von deinem überaus
interessanten Thema erzählen? Komm heraus und sag es uns!“ Mit einer
einladenden Geste zeigt er neben sich. „Es tut mir leid Magister...“
ertönt es schwach von hinten. „Leutnant Magister, solange bis ich nicht
den Traviabund mit dir eingegangen bin! Und außerdem konnte ich deine
zarte Stimme nicht hören! Also“, und dabei deutet er auf den Schwätzer,
„du gehst jetzt vor das Gebäude und wir gehen in den höchsten Stock. Dann
werden wir dir von dort oben Fragen stellen und ich möchte klare Antworten
hören; oder glaubst du etwa, wenn du einem Dämonen gegenüberstehst, bringt
dir Flüstern was? Ha, in den schwarzen Landen flüstert man nur abends,
wenn man kein Feuer machen darf, um nicht die Aufmerksamkeit der
wandelnden Toten auf sich zu ziehen! Also los, beweg dich!“ Dann trottet
er mit der Gruppe wieder in das Gebäude, während der eine Adept sich vor
selbiges bewegt. Deutlich bemerkt man vier eher kräftig gebaute Scholaren,
die sich sichtlich über die neuen Unterrichtsmethoden des Magisters freuen
und dicht hinter ihm aufschließen, während der Rest eher Abstand hält.
„Sagt, Leutnant Magister“ beginnt einer der Vier, „warum tragt ihr ein
Schwert? Ist es nicht so, dass Metalle unsere magischen Fähigkeiten nahezu
unterbinden, ganz zu schweigen von geschmiedetem Eisen?“ Emmerian blickt
ihn kühl an und meint dann: „Nun mein Junge, HESinde
hat uns mit der Kraft der Magie beschenkt, und Heil sei ihr für dies, doch
wer sich dem Kampf wider die schwarzen Mächte widmet, der kann sich nicht
immer auf HESindes Segen verlassen; und bei RONdra,
diese Klinge hat mir schon oft genug das Leben gerettet, dass ich sie nie
wieder von mir geben werde!“ Wissbegierig drängt sich ein weiterer der
Vier hinzu und fragt: „Und werdet ihr uns lehren, wie man sie führen kann?
Ich und meine Freunde hier würden uns wirklich sehr dafür interessieren!“
„Eins sei euch gesagt“, fährt der Magister sie eher barsch an, „so eine
Klinge ist kein Spielzeug! Ihr träumt vielleicht noch von Schlagübungen
und dem einfachen Spaßkämpfen gegen eure Freunde, aber ein Dämon schreckt
nicht davor zurück mit einem einzigen Hieb eure Klinge und euren Kopf zu
spalten!“ Dann dreht er sich wieder um, und in einem leisen, ungewohnt
friedlichen Ton meint er dann: „Aber gewiss, ich werde es euch zeigen.“
von: Philipp Radi Erschienen in Opus no. 138 am 13.1.2002 als Reaktion oder Fortsetzung zu Neuer Lehrmeister an der Academia Limbologica. |