5. Rondra, Tag des
Schwurs
Alles auf der Limbologica stellte sich auf einen neuen Tag
ein, nun, zwar ein Festtag der kräftigen RONdra,
doch nun einmal ein Tag an der Akademie wie jeder andere. Naja, solange
zumindest, bis man den Speisesaal betrat, denn dort gab es heute nichts
zum Frühstück. Großes Gezeter entstand zwischen den Adepten und der Küche,
die auf Anweisung eines Magisters heute Befehl hatte, die Küche kalt und
unbenutzt zu halten. Mit lauten Stimmen und leeren Mägen machte sich die
Masse auf in den Hof, geleitet von einem Ruf, dessen Stimme jeder in den
letzten Tagen nur allzu gut kennen gelernt hatte: Die des
Leutnant-Magister Emmerian.
Dieser hatte sich einen spärlich kleinen Holzaufbau im Hof
zusammengestellt, auf dem er, die Beine zu einem Schneider verschlossen,
saß. Mit fester Stimme wies er die Adepten und auch Lehrer oder andere an
der Akademie darauf hin, sich vor ihm auf einen Teppich oder in den Sand
zu setzen und seinem Gebet an RONdra an ihrem Tag
des Schwures beizuwohnen. Noch etwas zögernd setzten sich einige vor ihm
in den Sand, als Emmerian plötzlich wieder mit lauter Stimme, auf die Knie
gelegten Arme und verschlossenen Augen begann:
„Dir RONdra wollen wir heute
huldigen, an deinem Tag, der dir so heilig ist, wie uns unser täglich
Brot! Mit größtem Vertrauen sehen wir auf deine heutige Wahl derer, die
dir in Zukunft als deine Jünger auf Erden dienen sollen und dir zu Ehren
wollen wir heute fasten und den Tag mit Lernen und Meditieren verbringen.
RONdra, unsere Führerin durch die Zeit des
Schwarzen!
RONdra, unsere Leuin, die für uns im Himmel focht!
RONdra, unser Donner, der zu uns über den Alveran
heran grollt!
RONdra, du, die Zweite der Zwölf, unsere Göttin!“
Das kurze Gebet zu Ende gebracht stand er immer noch mit
verschlossenen Augen und nur in eine leichte Leinenhose gekleidet auf,
nahm sein Schwert, das unscheinbar neben ihm im Sand gelegen hatte, und
begann einen wilden und heißen Kampf gegen einen unsichtbaren Feind.
Zuerst mochte man meinen, es sei komisch, was der Magister da vor allen im
Sand aufführte, doch allmählich konnte ein jeder der Anwesenden, der
seinen Schlägen und Bewegungen genau folgte, den unsichtbaren Feind sehen,
wusste, wie dieser Feind schlug, sah den Kämpfer, den RONdra,
so schien es, gegen den Magister sandte, und sah, was der Leutnant sah.
Der Leutnant Magister kämpfte verbittert gegen einen Feind, der
übermächtig schien und ihn schwer zum Schwitzen brachte.
Nach wenigen Minuten sackte der Magister plötzlich in sich zusammen und
lag regungslos am Boden, sein Köper schweißgebadet und überlastet von dem
hektischen Kampf. Sofort eilte der Magister Eborëus zu ihm, der seinem
Kampf aufmerksam folgte und schlussfolgerte, dass der Magister wohl
zuwenig im Magen hatte und dass diese Schwäche ihn überkam.
Obwohl die Adepten sahen, was geschehen kann, wenn man übereifrig und ohne
etwas im Magen sich seinen Pflichten hingibt, so rührte an diesem Tag
dennoch nahezu niemand etwas zu Essen an und überhaupt war es an diesem
Tag in dem alten Gemäuer sehr still geworden...
von: Philipp Radi Erschienen in Opus no. 142 am 10.2.2002. |