occulta Traditio
universa cuiuscumque existat et existet
Umfassende überlieferte Geheimlehre all dessen, was
ist und sein könnte
"Großmeister Xarfaidon Veridis lehrte: 'Die occulta Traditio
universa ist das magnum opus der Wahrheit, der gnosis pneumatikos unserer
güldenländischen Vorfahren, das, was die Alt-Tulamiden brahma-vidya nennen
und die Elben val'bha, die Urform des Wissens, es ist die gesamte Weisheit
aller Zeitalter.' Du aber darfst nicht so naiv sein zu glauben, dass
dieses Werk mehr als nur einen flüchtigen Blick hinter die verborgenen
Schleier eines Wissens bietet, welches äonenalt und ewig ist."
— aus den Aufzeichnungen des Erilarion Androstaal, des letzten
Großmeisters der Academia Limbologica
"Wie heißt es doch: Wir Winzlinge halten nur deshalb unser Haupt
über das Sumpfwasser der Unkenntnis, weil wir auf den Schultern von
versunkenen Riesen stehen. [...] Am Fundament jedoch, einer gewaltigen
Säule gleich, steht das Wissen der Herrin, und ihre Weisheit zieht sich
wie eine sich windende Schlange durch alle Zeiten und Völker hindurch."
— Hiradiel ibn Sindh ay Uru’Achin, Erzwissensbewahrer der Tulamidenlande
Diesen Worten entnehme ich, dass sowohl von Seiten gelehrter
Philosophen und studierter Magier, als auch von der göttlichen Weisheit
der Hesindekirche her die Existenz einer Urform allen Wissens, wie auch
immer man sie nun nennen mag und was auch immer sie ist oder bedeutet,
vermutet wird. Und diese Vermutung lässt sich aus historischer sowie
derographischer Sicht bestätigen, finden sich doch in sämtlichen
Zeitaltern und bei allen Völkern über den gesamten Kontinent verteilt
derartige Überlieferungen oder Andeutungen in Form von Sagen, Geschichten,
Märchen, in Büchern, auf Steintafeln und ähnlichem.
Ein - wenn auch nur geringer - Teil dieses Urwissens wurde nun seit
Tausenden von Jahren und über etliche hundert Generationen hinweg in der
occulta Traditio universa überliefert, einer Form der Tradierung (das Wort
bedeutet weit mehr als nur Überlieferung, es impliziert gleichzeitig
Schutz und Bewahrung sowie auch Weitergabe an würdige Auserwählte, und es
bezieht sich sowohl auf schriftliche wie auch auf mündliche Weitergabe)
von Lehrer zu Schüler.
"Die ursprünglichste Aufgabe, so fand ich erst viel später heraus,
war jedoch die Überlieferung und Bewahrung jenes Wissens, das im Laufe der
Jahrtausende - und wie ich nun erst zu ahnen beginne, im Laufe der
Zeitalter - von den Großmeistern der Academia Limbologica sorgfältig
aufgeschrieben und wortgetreu transkribiert wurde. Hielt ich das, was die
Fundamente unseres altehrwürdigen Gemäuers bildete, zuerst noch für ein
erstaunlich altes Relikt echsischer Bauweise, so erkannte ich nun die
weitaus älteren Hinterlassenschaften in diesem einen Werk, der
occulta Traditio universa...
Als ich das erste Mal jenen Raum betrat, der nur den Eingang zum
Kellergewölbe unserer Akademie bildet, stockte mir der Atem: Es mussten
gewiss mehr als eintausend Bücher sein, die dort fein säuberlich in den
Steinregalen standen - tausend Bücher, und doch nur ein einziges!
Jeder Großmeister vor mir musste eine Abschrift angefertigt haben, jeder
in der Sprache seiner Zeit, aber auch ein jeder in der Ausdrucksweise
seiner Zeit, in dem Verständnis seiner Zeit, nach seinem Weltbild, seiner
Weisheit, seinem Wissen."
— aus den Aufzeichnungen des Erilarion Androstaal, des letzten
Großmeisters der Academia Limbologica
Dieses Werk, in all seinen Bedeutungen, dieses arte-factum im Sinne des
Geschaffenen, stellt wohl nur einen Bruchteil jener uralten fundamentalen
Lehren dar, die den Erleuchteten früherer Zeiten und gänzlich anderer Orte
bekannt waren oder sind. "Aber", um es in den Worten Großmeisters
Androstaal auszudrücken, "es enthält nicht mehr als das, was die Welt
im kommenden Zeitalter aufzunehmen vermag." Auf meine Frage nach dem
Begriff der Welt antwortete er folgendermaßen: "Welt bezeichnet hier
die Menschen als göttlich geschaffene Wesen, denen das Zwölfte der
Zeitalter mit dieser Weltzeitwende übergeben ward." Und ich fragte
weiter nach den vielen anderen Völkern und Rassen, die Aventurien
beherbergt: "Es ist völlig nutzlos sich mit der Bitte um
Interpretationen der occulta Traditio universa an andere zu wenden, die
wir für fortgeschrittenere Schüler halten, nur weil sie älteren Völkern
entspringen. Sie sind dazu nicht in der Lage. Wenn sie es versuchten,
gäben sie nichts von sich, was der Wahrheit entspräche, aber auch nichts,
was wir als unwahr bezeichnen könnten. Die occulta Traditio universa lässt
andere ein Wissen in sich selbst finden, nicht in dem Werk." Später
jedoch meinte Großmeister Erilarion noch einmal: "Interpretationen
haben sehr wohl eine gewisse Berechtigung, und du sollst sie nicht
verwerfen, solange sie als Hilfsmittel für Lernende dienen und du ihnen
keine höhere Bedeutung beimisst."
"Diese Welt", so meinte er weiter, "kann in der occulta Traditio
universa gerade so viel finden, wie sie unter Aufbietung ihrer höchsten
Verstandeskraft begreifen kann, mehr nicht. [...] Doch das bedeutet nicht,
dass es Schülern, die nicht in dieser Welt leben, nicht gelingen könnte,
mehr in diesem Werk zu finden, als dies der normalen Welt möglich ist: In
jedem arte-factum, jedem Geschaffenen (und auch dem Menschen), wie
unfertig es auch ist, verbirgt sich das Abbild seines Schöpfers. Und
genauso verbirgt sich auch in jedem Werk, und sei es noch so dunkel, ein
Abbild seines gesamten Wissens."
"Beschäftige dich", gab er mir den Rat, "mit der occulta
Traditio universa ohne das Verlangen, in ihr letztendliche Wahrheiten
finden zu wollen und ohne irgendwelche anderen Vorstellungen, außer einer
einzigen, nämlich erfahren zu wollen, wie weit sie dich zum göttlichen
Abbild deines Schöpfers in dir hinführen wird! Sieh in ihrem Studium einen
Weg, auf dem du deinen Verstand so schulen und entwickeln wirst, wie es
durch keine anderen Studien jemals möglich wäre. Du musst jeden Lehrsatz
der occulta Traditio universa verinnerlichen, selbst wenn dies Jahre
dauern sollte."
Diesen Ratschlag will ich, Eborëus Zachariad, unwürdiger Schüler meines
Meisters, nun an all jene weitergeben, welche sich in den kommenden Zeiten
damit beschäftigen werden sich selbst auf den Weg der occulta Traditio
universa zu begeben, um ihren Geist zu schulen und ihren Verstand zu
schärfen.
Die Mohaha kennen eine lehrreiche Erzählung über den Verstand und das
Lernen: Man darf nicht so unvernünftig sein, sich am Anfang seines
Schüler-Seins gleich zu viel zuzumuten. Der Verstand ist ein beseeltes
Instrument, und jedes erstellte geistige Bild bedeutet Veränderung und
Zerstörung von Geistern im Verstand. Jede normale gedankliche Betätigung
bewegt die Geister des Verstandes dazu sich auf normalen, alt-bekannten
Bahnen zu bewegen. Es gibt aber eine Art der geistigen Betätigung, die
verlangt etwas gänzlich anderes, nämlich das Betreten neuer Wege des
Verstands und eine Neuordnung der bisherigen Geister. Wenn hier unüberlegt
und zu rasch etwas erzwungen wird, dann kann dem Verstand ernsthafter
Schaden zugefügt werden.
Diese Art des Denkens, diese Vorstellung von Verstand und Geist(ern)
nennen die Mohaha Jnâna-yoga. Der wahre Schüler der occulta Traditio
universa ist ein jnâna-yogin, er bewegt seine Gedanken auf neuen Wegen.
"Auf dass ihr die Gabe besitzen möget die Zeichen der Zeit zu
erkennen, die Weisheit sie richtig zu deuten und den Mut zu handeln!"
Dies waren die letzten Worte des Großmeisters Erilarion Androstaal,
meines altehrwürdigen Lehrers. Ich weiß nun, dass sie auch mir gegolten
haben, mir, seinem letzten Schüler, dem letzten in der äonenalten Reihe,
die um das Geheimnis dieser Akademie bescheid wissen. Die Zeichen der Zeit
sind erschienen, das Zwölfte Zeitalter sicher in den Händen der Menschen -
es fehlt nur noch der Mut zu handeln:
Hiermit verfasse ich, Eborëus Zachariad, nach uralter Tradition meine
Abschrift der occulta Traditio universa, wovon ich zugleich einen Teil
veröffentliche, auf dass er den Menschen dieses Zeitalters dienen möge.
Meinen gegenwärtigen und zukünftigen Richtern, seien sie nun eingebildete
Magier, sich für weise haltende Philosophen oder jene heulenden Wölfe,
deren Beurteilung sich nach der fehlenden oder vorhandenen Popularität von
Autoren und Werk richten, habe ich nichts zu sagen. Für alle jene aber,
welche sich mit der Neugier des Neuen und Unerforschten auf dieses Werk
einlassen, leihe ich mir die Worte des horasischen Dichters Mont'Enjes:
"(Man könnte über mich sagen) ich hätte hier lediglich von andrer Leute
Blumen einen großen Strauß gebündelt und selbst nichts als den Bindfaden
beigesteuert."
adeptus maior Eborëus Zachariad
Schüler des letzten Großmeisters der Academia Limbologica, Erilarion
Androstaal,
welcher am Jahreswechsel 30/31 Hal verschollen ist
wird fortgesetzt...
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 152 am 28.4.2002.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: occulta Traditio universa - 2.
De Natura Daimonii
Von Chaos und Brodem – Abhandlung über
die Wesenheiten der Siebenten Sphäre
verfasst von Meister Barius von Charypso
Magister der Academia Limbologica
Partum secundum
Der ewig Ruhelose, der streitende Verzehrer, Lolgramoth oder auch
Thezzphai, die schlaflose Nacht, die ewig laute Stille
Lolgramoth ist wohl einer der sowohl im Volk als auch
unter Magi am wenigsten bekannten Daimonen. Doch ist es gerade diese
Unverstandenheit gegenüber seinem Wesen und die Verkennung der Macht, die
hinter dem Daimon steht, die ihn im eigentlichen Sinne mächtig macht.
Lolgramoth gehört damit zur Gruppe der MENTALES.
Mentales sind die Daimonen, die nicht durch Zerstörung und Gewalt im
eigentlichen Sinne handeln, die sich nicht in abstrusen Gestalten ihren
Beschwörern zur Schau stellen, um Furcht zu sähen, ja meist gar ohne Form
und Wesen sind. Sie werden daher nicht wie die Elementares (siehe letzter
Artikel) auch im normalen Volk verehrt oder gefürchtet – ja selbst unter
Beschwörern ist das Wissen um sie rar. Sie agieren wie erwähnt nicht in
dem direkten zerstörerischen Weg, wie zum Beispiel Chrypsa, sie wollen
nicht gefürchtet werden, nein, sie versuchen viel eher sogar sich selbst
als schwach darzustellen. Sie benutzen Schwächen und Wünsche der Menschen
und flüstern ihnen Begierden und Wege diese zu verwirklichen ins Ohr. Ja,
manche meinen Mentales versuchen gar das Vertrauen der Menschen zu
gewinnen um diese für ihren grässlichen Plan jeglichen klaren Verstand zu
korrumpieren einsetzen zu können. Und dies ist auch ihr größtes Ziel: die
Mentales versuchen durch Intrigen das Vertrauen leichtgläubiger auf ihre
Seite zu ziehen und den Verstand des selben mit immer neuen und sich
widersprechenden Daimonischen Eingaben ins Chaos zu stürzen. "Denn wenn
einst Chaos im Geiste der Menschen herrscht, wird Chaos sein gar überall."
Dies alles macht die Mentales zu viel verschlageneren Gegnern und viel
schwerer zu erkennenden Daimonen als alle anderen. Darum rate ich hier
mehr noch denn sonst die Finger von Beschwörungen solcher Natur zu lassen.
Denn das kostbarste Gut des Menschen ist sein Verstand. Und wenn ein
elementarer Daimon den Beschwörer nur all zu leicht ins Reich der Toten
schickt, so stürzt ihn der Mentale direkt ins ewige Chaos.
Doch welches ist nun die Eigenschaft, die dem Lolgramoth
zugeordnet wird? Welches das Laster, das er im Menschen für seine Zwecke
verwendet? Es ist das eine Laster, aus dem sowohl Friedlosigkeit,
Zwietracht, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Zorn und Streit entstehen: Der
Eifer. Wie so oft auch hier eine Eigenschaft, die nicht ad primum als
schlecht angesehen wird, wenn jedoch übertrieben zur Konkurrenz und somit
direkt in die Klauen Lolgramoths führt.
Die Beschwörung:
Wie bei allen Mentales sind die Diener Lolgramoths mit wenigen Ausnahmen
meist wenig materiell und nicht aggressiv. Darum ist im Gegensatz zur
Paktiererei, die bei Mentales gefährlicher ist als bei allen anderen, die
Beschwörung niederer Wesen meist recht einfach und unspektakulär. Daimonen
des Lolgramoth werden fast immer zu Bewegungs- und Transportzwecken oder
zum Sähen von Zwietracht unter den Feinden beschworen.
Die Beschwörung sollte wie folgt vonstatten gehen:
1. Die Zeit der Beschwörung sollte im Optimalen die Zeit der
größten Geschäftigkeit – eine beliebige Stunde des Tages – sein.
2. Der Ort der Wahl ist ein Ort der Friedlosigkeit, mit viel
Geschäftigkeit und vielen Menschen. Eine große Stadt wäre wohl ideal.
3. Wie alles, das mit diesem Daimon zu tun hat, soll auch die
Beschwörung schnell und ohne großes Aufsehen vonstatten gehen. Hilfreich
ist es, wenn der Beschwörer eine Nacht lang nicht geschlafen hat und zu
diesem Zwecke verschiedene konzentrationssteigernde Drogen zu sich nimmt.
Da Travia der Gegenpol des Erzdaimons ist, sei Feuer jeglicher Art zu
meiden.
Paraphernalia:
Als Paraphernalia verwende man je nach Zweck der Beschwörung ein Abbild
dessen, dem Unruhe geschenkt werden soll, Tinkturen aufputschender
Giftstoffe, die über Glut (nicht Feuer!) verraucht werden können.
Ansonsten ist viel mehr das Wesen des Beschwörers selbst als alle äußeren
Gegebenheiten für eine gelungene Beschwörung wichtig.
Der Pakt mit dem ewig Ruhelosen:
Wie bei allen Mentales ist es mit dem Pakt wie folgt: Er wird allzu leicht
geschlossen, (auch ohne das Wollen der Paktierers nur durch
Unvorsichtigkeit!) oft vom Paktierer selbst nicht erkannt (!), bringt kaum
echte (dem Paktierer nicht vorgespielte) Vorteile, ist kaum zu lösen, und
endet immer im völligen Chaos der Verstandes.
Mentales spielen Paktierern immer Freundschaft, Hilfsbereitschaft oder
Schwäche vor um diese für sich zu gewinnen. Sie sind immer in den Augen
der Beschwörer als Diener eingeschätzt, wobei sie eigentlich die Meister
sind. "Indem sie dienen, beherrschen sie die Herrscher!"
Lolgramoth wird fast immer aus Eifer und Eifersucht heraus um Hilfe
gerufen (ja er muss gar nicht beschworen werden!) und hilft stets, indem er
Zwietracht und Ruhelosigkeit unter die vom Paktierer Gehassten bringt. Im
Paktierer selbst jedoch schürt er damit auch den Hass und die Eifersucht
erneut und schließt einen Dämonenkreis, der am Ende die Zwietracht, die auf
andere gelegt werden sollte, ins Herz des Paktierers selbst bringt. Dieser
wird dann von inneren Spannungen und Ängsten so sehr geplagt, dass er nicht
mehr schlafen kann und zu keiner direkten Handlung mehr fähig ist. Er ist
entweder zu Tode über alles um sich herum betrübt und zerfleischt sich
selbst mit Selbstbeschuldigungen, kann nicht mehr essen noch an etwas
anderes denken als an seine inneren Spannungen und seine innere Angst und
Friedlosigkeit oder ist jauchzend hellwach um völlig sinnlose durch
heftige Bewegungen bestimmte aufbrausende Taten zu vollbringen. Dieses
Krankheitsbild zeigt sich dem Medicus der Seele als "manisch depressiv",
ist aber zu großen Teilen die Folge eines solchen Paktes, auch wenn vom
Paktierer selbst gar nicht erkannt. Am Ende dieses leidvollen
Krankheitsbildes steht leider allzu oft der Tod durch die eigene Hand, da
der Paktierer sich selbst als den zu bekämpfenden Feind erkennt und das
Messer gegen die eigene Brust richtet.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Lolgramoth in jeder Weise zu vermeiden
ist, da man nur all zu leicht in seine Pakte schlittert, die in kurzer
Zeit einen jeden in den völligen Wahnsinn treiben.
von: Daniel Junker Erschienen in Opus no. 152 am 28.4.2002. |