Korrespondenz aus dem
Káhet Ni Kemi
Für die geneigte Leser- und Leserinnenschaft in der
Fremde berichtet Dr. Enrico Radan Barmin.
Mysteriöse Ereignisse in der Provinz Rekáchet!
Es war gerade die heiligste Stunde der Nacht angebrochen,
also die Stunde, die eigentlich dem Herre Boron geweiht ist, namentlich
die 1. Tepy-Stunde, wie man in kem'schen Landen die Mitternachtsstunde
nennt. Die Türen des Tempels waren weit geöffnet und aus dem
Weihrauchgefäß, das Mira Tem´kat in Händen hielt, stieg Rauch gen
Alveran. Die Boron-Priesterin Mara Tem'kat und ihre jüngste Tochter,
ebenso wie die hier stationierten Ritterinnen und Ritter des Ordens der
Wächterinnen und Wächter des Kultes des Hl. Raben zur Insel Laguana,
hatten sich hier eingefunden, um, wie es die Ordensregeln besagen, zu
dieser Stunde eine Andacht zu Ehren des Höchsten abzuhalten. Gerade
wollte die Gruppe schweigend das Haus des Göttergottes betreten, als
über ihnen am Himmel ein unirdisches, gleißendes, goldfarbenes Licht
erschien, das die gesamte Nacht mehrere Minuten lang taghell erleuchtete
und die Herzen aller, die es wahrnahmen, unangenehm berührte.
Dessen unbeeindruckt stimmte die Tempelvorsteherin den
Choral des Heiligen Laguan an, in den die restlichen versammelten
Ordensbrüder und -schwestern einstimmten. Derart gestärkt betrat man die
Tempelhalle und die Priesterin hielt im Inneren des Tempel eine verkürzte
Andacht. Als das Licht wieder der Dunkelheit der Nacht gewichen war, zogen
unter lautem Donnern schwere Wolken auf, die bis zum Morgen hin das Land
Rekáchet sowie die Grenzgebiete der Nachbarprovinzen Wachtelfels, Rekmehi
und Djuimen mit Schneefall überzogen.
Bestürzung machte sich auf den Straßen des Dorfes Mohema
breit und man versammelte sich auf dem großen Platz vor dem alten Tempel.
Der Akîb Fiorenzo el'Corvo ni Rekáchet eilte durch die Menschenmasse,
die sich unter Schreien und Klagen dort eingefunden hatte, zum
Familientempel der Tem'kat und erklomm mit zwei großen Schritten die
Stufen. Dort verweilte er einen kurzen Augenblick und blickte besorgt nach
oben, bevor er mit lauter Stimme das Wort an seine Untertanen richtete:
"Der Herr Boron ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den
großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht,
wenngleich Dere unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken,
wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge
einfielen." Mit ernster Miene schaute der Akîb über die stiller
werdende Menge. "Wollen wir hier vor dem Herren stehen und wie die
Klageweiber uns die Haare raufen und weinen? Oder wollen wir hier aufrecht
vor Boron stehen, fest im Glauben und im Vertrauen auf die Liebe des
Herrn?"
Er riss sich das Rabenamulett vom Halse und zeigte es in
Richtung seiner Landsleute, während die andere Hand nach oben deutete.
"Nun, was bewegt euer Herz und Sinn wirklich? Dieses hier, das Symbol
unseres Glaubens, die Stärke unseres Landes, das er uns allen, ja, uns
allen vor Jahrtausenden durch den Heiligen Kacha anvertraut hat, oder
dieses Phänomen, das die bittere Saat des Zweifels in die Herzen der
Schwachen sät?" Ob dieser Rede herrschte erst einmal einige Momente
Stille auf dem Platz, bevor die Versammelten in Hochrufe und Lobgesänge
ausbrachen. In diesem Augenblick öffneten sich die Pforten des Tempels
und die Ordensleute marschierten heraus. Akîb und Tempelvorsteherin
wechselten einen kurzen Blick und erhoben dann im stillen Einvernehmen
gemeinschaftlich die Stimme zum Hochgesang Borons, während hinter ihnen
im Inneren des Tempels der große Tempelgong erklang:
"Großer Boron wir loben dich. Herr wir preisen
deine Stärke, vor dir neigt ganz Dere sich und bewundert deine Werke. Wie
du warst vor aller Zeit, jetzt und auch in Ewigkeit.
Alles was dich loben kann, dein Volk der Kemi und Alveraniare, stimmen
deinen Lobpreis an, Junge und Alte durch Zeiten, durch Jahre, wie Du warst
vor aller Zeit, so bist Du in Ewigkeit."
Als die letzten Worte des Liedes in der Nacht verklungen
waren, erhob die Matriachin der Familie Tem'kat ihre Stimme, die mehr
einem Flüstern glich und trotzdem jeden der hier versammelten Gläubigen
erreichte: "Schwestern und Brüder im Glauben an den Heiligen Raben,
wir leben in schweren Zeiten. Die Tage der letzten Schlacht stehen bevor.
Das Wort des Herrn ist unser Schwert, das wir gürten müssen, und unser
Glaube steht als undurchdringlicher Schild vor uns. Derart gerüstet kann
nichts und niemand gegen uns bestehen. Wer sollte gegen uns sein, wenn
Boron, der Allmächtige Herr auf höchstem Throne Alverans, mit uns ist?
Viel zu lange wurde die wahre Stärke unseres Volkes und des Heiligen
Landes in vielen Teilen des Kahets unterdrückt und behindert. Viel zu oft
wurde das Wort des Herrn, dieses Wort, das uns ins Leben berufen hat und
uns dereinst an die Seite des Herrn bringen wird, dieses Wort, das
Gerechtigkeit und Stärke verhieß, dieses Wort, das von den Lippen des
Höchsten selbst kommt, selbst hier im Kahet ni Kemi, SEINEM
Land, von Ketzern und Irrgläubigen, die sich hier ob unseres eigenen
Zögerns und Zagens wie ein Geschwür verbreitet haben, behindert,
verschwiegen und belächelt. Wir müssen handeln, nicht länger können
wir verschweigen, was hier vorgeht. Das Auge des Herren blickt auf uns
herab. Was wird es sehen? Wird es einen Haufen von Lügnern und Zweiflern
sehen? Oder wird es voller Wohlwollen auf sein Volk blicken, das Volk, das
er über alle anderen Völker erhoben hat, indem er ihm die Erlösung des
wahren und gerechten Glaubens brachte. Das Volk, das er lange vor unseren
Tagen schon berufen hat, sein Land zu bewachen und zu bestellen. Ein Volk,
das fest im Glauben und stolz auf seine Traditionen und seine Geschichte
ist. Was wird sein Auge sehen?... Bis zum Morgen werden die Tempeltore
weit geöffnet bleiben und der Tempelgong wird weiter geschlagen werden,
um einen jeden von euch zu mahnen. Ein jeder von euch soll vor dem
Standbild des Heiligen Raben in seinen Heiligen Hallen die Knie beugen und
um Gnade bitte. Denn wisset, die, welche voller Sünde vor den Herren
treten und aufrichtig bereuen, werden die süße Gnade seiner Vergebung
erfahren - die Frevler aber werden vergehen."
Die letzten Worte klangen noch in die Stille der Nacht,
als Mara Tem'kat und Fiorenzo el'Corvo gemeinsam den Tempel betraten. In
dieser Nacht kam das Dorf nicht zur Ruhe. Allen Ortens hörte man Gesänge
zum Herren und das Peitschenknallen von Geißlergruppen. In den Mauern des
Tempels wurden stündlich Messen gelesen und zwischen den Borondiensten
nahm man durch die gesamte Nacht hinweg die Beichte ab und erwies dem
Standbild des Götterfürsten die Ehre. Die Stadtwachen und Ordenstruppen
hingegen hatten die ganze Nacht hinweg schwer damit zu tun, die ohnehin
schon fanatische Bevölkerung Mohemas, die durch die Worte der Priesterin
noch mehr aufgeheizt war, unter Kontrolle zu halten, so dass es bis zum
Morgen, als die dicke Wolkendecke aufriss und genauso schnell verschwand,
wie sie gekommen war, leider auch einige Verletzte zu beklagen gab.
Bevölkerung von Wachtelfels beunruhigt
Mit Beunruhigung und Sorge betrachtete man in Wachtelfels
das mysteriöse Glühen am mitternächtlichen Himmel über Rekáchet. Auch
die Kunde von den geheimnisvollen Wetterphänomen führte wahrlich nicht
zu einer Besserung der Situation. Akîb Câl'lest Ze'emkha ni Wachtelfels,
Tempelvorsteherin Alea Tem´kat und Komturin Shesib Mehyem'ká ni
Brabaccio berieten sich in Thergas noch in der gleichen Nacht, wie man am
besten vorgehen sollte und hielten dann eine gemeinsame Messe zu Ehren des
Höchsten. Die Komturin entsandte am nächsten Morgen je zwei Ordensritter
nach Neu-Sziram und nach Lofran.
In Lofran selbst wurde am nächsten Morgen von seiner Gnaden Rianos
Nim'ruan eine Messe zu Ehren der lieblichen Boronstochter Rahja und ihres
Göttervaters gehalten, während in Neu-Sziram Bruder Gorfin das Wort des
Herren verkündete. Nun versucht man allerorten den sich schnell
verbreitenden Gerüchten und Spekulationen Herr zu werden, was mit Hilfe
der Ordensbrüder und -schwestern auch zu gelingen scheint.
von: Armin Abele et al. Erschienen in Opus no. 155 am 26.5.2002.
Wenn Zaubern nicht
mehr hilft...
Eine Abhandlung über das Gebet und seine
Wirkung als Einführung der Wochengebete
35. Teil
MArbo und HESinde
zum Gruße!
MArbo, die Tochter BORons, ist
sanft und mild. Sie ist der Trost im Angesicht des Todes, aber auch der
Trost der Hinterbliebenen. Zu ihr wird gebetet für das Seelenheil eines
lieben Menschen. So ein Gebet ist auch für Reisende und Fahrende ein
nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel. So wie es ohne Zweifel zunächst
wichtig ist den Leichnam eines Toten zu bestatten und ein Grabgebet zu
sprechen, so ist es dann auch wichtig sich der Seele des Verstorbenen
anzunehmen, damit diese nicht in die falschen Hände gerät – und dies
bei Freund und Feind!
Folgendes Gebet ist ein Beispiel dafür:
Milde MARbo, Fürbitterin der
Seele
Sieh auf uns, die wir zu Dir beten!
Besonders aber schau auf die Seele dieses Menschen,
Sei ihr Schutz und Geleit in das Reich Deines Vaters
und führe sie vor Rethon, dass sie nach ihren Taten beurteilt wird!
Sanftheit ist Deine Krone, Milde Dein Szepter,
Gewähre (Name des Verstorbenen) Deine Gnade!
Gebetsanleitung:
Dieses Gebet ist nicht nur ein Trost für Freunde und Verwandte des Toten,
sondern auch direkte Hilfe für die Seele des Verstorbenen! Deswegen kann
und soll dieses Gebet am Todestag und den darauf folgenden Wochen auch
immer wieder gesprochen werden!
Argelia von Kuslik, Geweihte der Göttin
von: Christoph Huber Erschienen in Opus no. 155 am 26.5.2002 als Reaktion oder Fortsetzung zu Wenn Zaubern nicht mehr hilft... (34. Teil).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Wenn Zaubern nicht mehr hilft... (36. und abschließender Teil).
Die Götter hinter dem Horizont
Oh Hesinde sei gesegnet, gesegnet sei die gute Frau
zwölfmal.
Hört, was ich der Göttin Wunderbares zu verdanken habe.
Sie inspirierte mich aufs Neue.
Ich, Gorgonius von Selem, hatte mich, mancher Leser möge sich erinnern,
auf mein Altenteil zurückgezogen um das Leben eines Privatmannes und
Vaters zu führen. Wohl war dies auch für einige Wochen und Monate recht
befriedigend. Doch die endlosen Tage des Müßiggangs, das Flanieren und
das Speisen als einzige Tagesinhalte war sehr schnell ermüdend. So
versuchte ich mich damit abzulenken, dass ich den Kindern protziger Eltern
die Künste des Rechnens und Schreibens näher bringen wollte. Doch auch
das befriedigte mich nicht im Mindesten.
Als ich schon dachte, ich wäre in eine Sackgasse meines Lebens gelaufen,
stieß ich in einem Laden auf ein altes Dokument. Es erzählte von einem
Seefahrer, welcher das Güldenland bereist haben wollte. Vieles von seinem
Gefasel will ich als Unsinn abtun, jedoch stach mir eines ins Auge.
Im Güldenland verehren sie eine andere Götterwelt als
hier. Manche ähneln den unseren wie ein Gott des Gesetztes, welcher wohl
unser Praios ist. Andere, wie ein ebenfalls mächtiger Wolkengott,
erscheinen mir völlig fremdartig. Insgesamt verehren die Menschen 8
Götter, wir jedoch deren 12. Wie ich jedoch schon viel früher in
Erfahrung bringen konnte, verehrten die Urväter, welche unseren Kontinent
besiedelten, nur 6 Götter und nahmen die anderen 6 per Gesetz dazu,
eingefügt aus anderen Kulturen. Die Zwerge, Nordleute, und auch viele
andere achten nur einige der 12 oder geben ihnen, wie die Bewohner der
Giftinsel, andere Bedeutungen. Nun hätte ich einfach schlussfolgern
können, das es eben eine Unmenge von Göttern gibt und die 12, welche das
Erzvolk sich aussuchte, nur willkürlich waren.
Doch nein, so einfach konnte es nicht sein, dafür war der
Zwölfgötterglauben einfach zu wahrhaftig, zu erfolgreich, zu richtig.
Ihr findet das unwissenschaftlich, werter Leser? Ich sehe das anders: die
Eroberer eines Kontinents, die Schöpfer der großartigsten aller Kulturen,
können sich einfach nicht so irren. Doch warum 12, warum ist ausgerechnet
diese Zahl so wahr?
Die Antwort ist erschreckend, und wieder ist es der große Blender,
welcher immer nahe der Hesinde lauert. Doch die Wahrheit ist zu wichtig um
sie zu verschweigen.
Wahrheit ist, dass die Gelehrten in Vinsalt und Punin 12 Erzdämonen
kennen, welche mit ihren Domänen einen spiegelbildlichen Widerpart zu den
Göttern bilden.
Wahrheit ist, dass diese Erzdämonen keine Glaubensfragen sind, sondern
wissenschaftliche Realität. Nichts Neues so weit, denken sie.
Doch die Antwort liegt im Güldenland. Auch hier kennt man eben 12
Erzdämonen mit fast gleichen Aufgabenbereichen. Ohne 12 Götter zu
kennen! Wie kann das sein, fragte ich mich, ich forschte, grübelte, immer
in der Furcht wieder den Pfad der Ketzerei zu bestreiten.
Aber wenn man den Leitfäden der Logik folgt, kann es nur ein Ergebnis
geben. Die Zwölfgötter kommen uns deshalb so wahr und richtig vor, weil
sie den ewigen Übeln der Dämonen spiegelbildlich entgegenstehen.
Gesegnet sei Aventurien, welches erkannte von welcher Natur die
Dämonenwelt ist. Denn uns gelang es ihnen die richtigen Konzepte
entgegenzustellen.
Ewig ist Xarfais Blutrausch, doch wir erkannten dies und stellten ihr das
einzig Wirkungsvolle entgegen. Rondras Ehre nämlich. Versteht mich recht,
keine Schmähung der Zwölfe soll dies sein, sondern eine Huldigung der
höheren Weisheit, welche hinter unseren Glaubensvorstellungen steckt.
Wohl will ich zugeben, dass dies nur eine Theorie ist und
mir weitere Texte fehlen.
Doch gepriesen sei Hesinde, die Gegnerin des Großen Blenders, für die
große Weisheit, welche sie mir zukommen ließ. Noch ist es mir nicht
gelungen die unabhängigen Dämonen und die Diener des Namenlosen in diese
These einzuarbeiten. Von Beschwörungen schrecke ich zurück, ebenso vor
großen Expeditionen, das erlauben mir meine Pflichten als Vater nicht.
Doch hoffe ich auf einen fruchtbaren Dialog.
An dieser Stelle grüße an meinen geschätzten Kollegen
Serafin de Rosario, möge dir die Geduld bei deiner Forschung im Bereich
der Mutanda Temus nie ausgehen.
Mit freundlichem Gruß an meine hochgeschätzten Kollegen,
Gorgonius von Selem
von: Christoph Huber Erschienen in Opus no. 155 am 26.5.2002. |