ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
seit Praios 29 Hal


De Natura Daimonii

Von Chaos und Brodem – Abhandlung über die Wesenheiten der Siebenten Sphäre
verfasst von Meister Barius von Charypso
Magister der Academia Limbologica

Partum tertium
Amazeroth, Herr des Irrsinns, der Täuschung, des Wahns und des verbotenen Wissens

Wer ist Amazeroth, Was ist Amazeroth? Dies zu ergründen ist dem Beschwörer nicht möglich. Amazeroth ist alles und Er ist nichts. Über Ihn kann man nichts sagen, denn Seine Existenz ist nicht in Worte zu fassen. Was wir über Ihn wissen, ist nur, dass Er der Größte der Mentales ist, der meistbeschworene und meist unterschätzte der Erzdämonen, der wohl gefährlichste Widersacher der Götter und doch DAS Unwesen, das dem Menschen am nächsten steht.
Ihn zu beschwören ist nicht nötig, Ihn zu rufen kein Muss, um mit ihm in Kontakt zu treten. Wie alle Mentales, doch noch stärker als die andern, ist ER ein Teil jedes Menschen und in jedem von uns. Wann immer ein falscher Gedanke gefasst, eine Lüge verbreitet, eine Täuschung vollzogen, hat man einen Funken Amazeroths in den dunklen Abgründen der Seele. Bloß durch das Streben nach Macht, durch Täuschung und Betrug und durch die Anwendung verbotenen Wissens kann Amazeroth bereits Teile unserer Seele in Besitz nehmen. Eine Beschwörung ist nicht vonnöten um in Seinen Pakt zu geraten. Ohne dass wir es merken, flüstert Seine unheilige Präsenz in uns selbst uns immer neue Erkenntnisse und Ideen ein, führt uns zu Größenwahn und Selbstüberschätzung und frisst sich wie ein Geschwür, das wir erst erkennen, wenn wir kurz vor dem Tode stehen, durch unsere Gedanken, um sie alle zu pervertieren.
Die größte Leistung Amazeroths ist die, sich selbst nicht zu zeigen und wenn doch, dann als schwach und unwirklich. Indem der Beschwörer von der Nichtigkeit Amazeroths und von seiner eigenen Kraft überzeugt ist, ist der erste Grundstein in die Verdammnis bereits gelegt. Egal was der Paktierer auch tut, Amazeroth wird ihn immer täuschen: Wenn man glaubt, man wäre der Herr, ist man in Wirklichkeit der Sklave; und wer glaubt, er sei aus dem Pakt mit Amazeroth entkommen, ist in Wirklichkeit einen weiteren Kreis in die Verdammnis gerückt.
Aus Amazeroths Domäne ist uns nichts bekannt, und wenn jemand glaubt, dass doch, so ist dies wohl nur wieder eine Täuschung des Vielgesichtigen. Daher ist von jeder Beschwörung aus dieser Domäne nur abzuraten. Es gibt nichts, wie man sich bei einer solchen schützen kann, nichts, das nach meinem Wissen als Paraphernalium dienlich wäre. Amazeroth hat weder eine bevorzugte Zeit noch eine besondere Zahl. Nur unser lebendiger wissensdurstiger Geist ist Ihm Lockstoff und Behausung zugleich.
Selbst die größten Beschwörer sind an Ihm zu Grunde gegangen. Ja Borbarad selbst, sagen manche Beschwörer, sei in Wirklichkeit nicht durch die allseits gerühmten Gezeichneten, sondern nur durch einen ungeahnten Pakt mit Amazeroth dieser Welt entrückt – um Ihm auf ewig ein Spielzeug in den Niederhöllen zu sein.
Vor Amazeroth schützen kann man sich nur durch den Beistand Hesindes. Indem man mit jeder Erkenntnis, die man macht, mit jedem Gedanken, den man fasst, und vor und nach jedem Studium, ein Gebet an Hesinde spricht zur Stärkung des Geistes, kann man sich vor Gedanken des Flüsterers schützen.
Wenn einmal im Pakt jedoch, so gibt es kein Entrinnen mehr. Immer mehr wird der Paktierer von Größenwahn und dann auch von Halluzinationen und anderen Wahnvorstellungen eingenommen, bis er völlig verwirrt sein Leben selbst beendet oder in einem Kloster der Heiligen Noiona sein Dasein bis zur Einkehr in die Niederhöllen fristet.
Bedenket also, dass ihr nur Narren seid im unendlichen Kreis der Welt – und dass das Wissen, das uns nicht zu verstehen ist, auch nicht von uns verstanden werden kann.

Meister Barius

von: Daniel Junker
Erschienen in Opus no. 157 am 9.6.2002.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: De Natura Daimonii - Nagrach.



Handbuch für den reisenden Magus

oder: Von der Last des Reisens - eine Warnung an den studierten Adeptus

Wenn ich heute zur Feder greife, um Euch, geschätzter und vor allem gebildeter Leser, zu schreiben, dann tue ich dies, weil mir eine merkwürdige Geschichte widerfahren ist. Sie soll all jenen als Warnung dienen, welche soeben ihr Studium der magischen Künste erfolgreich abgeschlossen haben und sich nun mit all ihrem Wissen und Können in die weite Welt hinaus wagen wollen - hinein in ein abenteuerliches Leben auf Reisen.
Ich darf mir schmeicheln, ein Weltenbummler nach dem Vorbild eines Raidri Conchobair, des Schwertkönigs, zu sein, zumindest in meinem Herzen. Denn ich war Zeit meines Lebens auf Reisen, obwohl ich selten aus meinem tulamidischen Polstersessel heraus kam. Wenn Ihr erlaubt, will ich das kurz erläutern.
Man kann vieles tun, ohne das Haus zu verlassen. Ich jedenfalls habe beschlossen zu reisen. Mit einem Arsenal von Karten, Plänen und Reiseberichten ausgerüstet, machte ich es mir zur Aufgabe, jeden Tag einen anderen Winkel unseres schönen Aventurien zu besuchen - gerade so wie der Schwertkönig dies tat.
Oh, dieser prachtvolle Sonnenuntergang in Donnerbach, diese im Nordlicht schillernden Morgennebel auf den Nebelzinnen, diese zu goldenen Sicheln erstarrten Sandwellen in der Khom und die Zypressenhaine in Aranien... Wie wurden meine eintönigen Nächte durch die gesammelten Erinnerungen anderer Reisender verschönt!
Im Laufe dieser Abenteuerreisen habe ich eine besondere Vorliebe für Orte mit exotischem Namen entwickelt. Es macht mir nichts aus, wenn dort glühende Hitze herrscht oder Firunskälte - wahrscheinlich, weil sich zu Hause, in meinem Sessel, die Temperatur kaum ändert.

Eine besondere Schwäche habe ich, wie ich gestehen muss, für Kyaukpyu auf einer kleinen Insel vor der Küstenebene im Südmeer. Der Name ist schwierig auszusprechen, er kratzt im Hals, bleibt am Gaumen hängen, reibt sich an der Zunge und plumpst dann über die Zähne. Es müsste schön sein, dachte ich, diesen Ort einmal zu besuchen. Allerdings glaube ich nicht, dass oft Reisende dorthin kommen, und wenn, dann nur ganz selten und ganz wenige. Denn, wie Euch, geschätzte Leserin, sicherlich bekannt ist: Die Leute hassen Komplikationen. Allein der Name würde sie abschrecken. Sie würden sich nicht trauen, ihn zu nennen, aus Angst, ihn falsch auszusprechen und sich dadurch zum Gespött der Leute zu machen. Also würden sie schon aus Stolz darauf verzichten, dorthin zu gehen.
Um ganz sicher zu gehen, habe ich mit meinen Kameraden ein kleines Experiment gemacht: Ich erzählte ihnen, dass ich vorhätte zu verreisen.
"Das wohl!", riefen sie, "Wurde auch Zeit! Endlich wieder ein Abenteuer! Wohin soll's denn gehen? Nach Maraskan? Ins Nivesenland? Vielleicht sogar nach Al'Anfa?"
"Nach Kyaukpyu."
Ihre Miene wechselte augenblicklich.
"Ah...ja...äh...Kja...kpy...hmm. Ich glaube, da können wir nicht mit. Leider, du weißt, wir werden
hier gebraucht... Schönen Stab hast du da, ist der neu?"
Ich hingegen sagte mir: Wenn ich nur eine einzige Reise in meinem kurzen Leben machen sollte, wenn es einen Ort gäbe, der mich aus meinem feinen, weichen tulamidischen Sessel reißen könnte, dann wäre es Kyaukpyu.

Das Lästige am Reisen - sofern es nicht nur im Polstersessel und auf der Landkarte stattfindet - sind die Mitreisenden. Nicht dass Ihr nun denkt, dass ich ein Menschenfeind wäre, aber die allzu große Nähe anderer ist mir unangenehm. Außerdem kann ich, behaglich in meinem Sessel sitzend, in Gipflak oder Nerenenah verweilen, so lange ich möchte. Meine Gefährten würden womöglich zum Aufbruch drängen, weil irgendwelche Schätze locken, oder harmlosere Orte mit verheißungsvolleren Namen wie Gareth, Festum oder Riva vorziehen. Und das in solchen kameradschaftlichen Abenteurer- und Reisegruppen übliche hierarchische System würde von mir verlangen, dass ich mich dem Wunsch der anderen beuge.
Um in aller Ruhe Kyaukpyu zu besichtigen, wäre es wohl am besten, ich verreiste allein.
Ich hatte so lange Zeit in meinem Polstersessel zugebracht, dass ich einen gewissen Hang zum Unbequemen verspürte. Also beschloss ich auf den übersteigerten Luxus einer komfortablen Reise an Bord eines dreimastigen Seglers zu verzichten und mit der nüchternen Effizienz eines gewöhnlichen Frachters vorlieb zu nehmen.

Als meine Entscheidung gefallen und mein Reisebündel verschnürt war, machte ich mich auf den Weg zum Hafen. Dort fragte ich, die gewiss sinnvolle Einrichtung der Hafenmeisterei völlig außer Acht lassend, die Kapitäne der auf Reede liegenden Schiffe: "Fahrt Ihr nach Kyaukpyu?" "Was, wohin?", fragten sie zurück. "Nach Kyaukpyu", wiederholte ich. "Bösen Husten habt Ihr Euch da eingefangen. Solltet mal zu einem Medicus gehen", meinten die meisten.
Dann kam ich zum letzten Schiff, einem uralten Frachter mit bleichem, verkrusteten Kiel, dessen brandiger Rumpf aus zahllosen Rostlöchern blutete. Der Name 'Skipskjelen' schien mir ein gutes Vorzeichen - jedes zweite Schiff heißt ja ohnehin 'Efferdsbraut'. Beherzt erklomm ich den Steg, der unter der ungewohnten Belastung heftig schwankte, und machte mich auf die Suche nach dem Kapitän, den ich in seinem Quartier aufstöberte.
Mit seiner ankerbestickten marineblauen Jacke und seinem schwarzen Bart, der ein vom Schwell der Jahre durchfurchtes Gesicht überwucherte, sah er genauso aus, wie man sich einen alten Seebären vorstellt. Die Pfeife im Mundwinkel, schlürfte er ein Gläschen bernsteinfarbenen Jahrgangsrum, der in seinen meerblauen Augen iltokische Funken schlug.
"Ich will nach Kyaukpyu, Kapitän", sagte ich ohne Umschweife. Er hob den Kopf und sah mich neugierig an. Ein schmales Lächeln teilte den Algenvorhang auf seinen Wangen. "Nach Kyaukpyu? Malerisches Örtchen, nur'n bisschen ruhig, würd' ich sagen. Willkommen an Bord, Jan Maat."

Am nächsten Tag legten wir ab. Glaubt mir, es war eine wundervolle Reise. Ich verbrüderte mich gleich mit dem Kapitän, der hinter seinem bärbeißigen Gehabe ein Herz aus Gold verbarg. Ich hätte von früh bis spät zuhören können, wenn er von den Abenteuern erzählte, die ihn vom Nivesenland bis zu den Altoum-Inseln geführt hatten. Aufmerksam überprüften wir jeden Tag das Vorankommen unseres Schiffes, er auf seinen mit unerkenntlichen Zeichen bedeckten Thorwaler-Karten, wie er mir stolz mitteilte, ich auf meinen Landkarten, wo ein barbarisch klingender Name dem anderen folgte: Badr Hunayn, Ra's ash-Sharbithat, Srivardhan usw.
Bei Sonnenuntergang ging ich in die Kapitänskajüte, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Da saßen wir dann, umwölkt von den bläulichen Kringeln, die duftend seiner Meerschaumpfeife entstiegen - denn dass es eine Meerschaumpfeife war, versteht sich ja von selbst. Der Kapitän kippte sich schwungvoll ein Glas Meskinnes hinunter und goss sich noch ein zweites ein, bevor er von neuem zu den phantastischen, mit tausend kräftigen Flüchen gespickten Schilderungen seiner Irrfahrten über die Meere und Ozeane anhub, die in mir ein lebhaftes Echo fanden.
Dann, nach einem großartigen Sonnenuntergang im Südmeer, kam das, wovor mich bereits Tausende von Reiseberichten sowie sämtliche mit bekannten Kapitäne und Schiffseigner gewarnt hatten: "Jede Schiffsreise", so sagten sie, "absolut jede Schiffsreise, bei der man entweder eine Gruppe oder aber auch nur einen Abenteurer mit an Bord nimmt, endet in einem Sturm. Dies scheint ein ungeschriebenes Gesetz dieser Welt zu sein." Und tatsächlich: Die entfesselten Elemente fielen über den alten Kahn her und rissen ihn von Luv nach Lee, dass sein Gerippe die ganze Nacht ächzte und stöhnte. Ich hatte Ölzeug über meine Gewandung gezogen und versuchte, ohne auf die Gefahren zu achten, mich zum Steuerrad durchzukämpfen, wo der Kapitän unverzagt die Stellung hielt, um die Skipskjelen vor dem Untergang zu retten. Heulende Böen und klapperndes Holz gaben ein ohrenbetäubendes Konzert, während ich mich mit aller Kraft dem Sturm entgegenstemmte. Das oben angesprochene Weltengesetz wollte es, dass das Schiff in dem Moment, als ich auf der wasserglänzenden Brücke ausrutschte, Schlagseite bekam, so dass eine auf Deck hereinbrechende Woge mich von Bord spülte.

Ich bin ein miserabler Schwimmer und ich verdanke mein Leben nur dem glücklichen Umstand, dass, kurz bevor ich ertrunken wäre, ein Stück Treibholz vorbeigeschwommen kam. Verzweifelt klammerte ich mich daran und ließ es nicht mehr los, während ich in wilder Berg- und Talfahrt von Wellenkamm zu Wellenkamm schlingerte. Als sich die See besänftigt und der Himmel wieder geklärt hatte, stellte ich fest, dass ich auf einer kleinen Insel gestrandet war. Meine ganze Ausstattung bestand aus einem Paar durchnässter Schuhe sowie meinem wasserfesten Reisebündel, in welchem sich einige Blätter und ein Kohlestift befanden. In diesem Moment musste ich mir eingestehen, dass Reisen, für die man seinen Polstersessel verlässt, gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Und sogleich griff ich zum Stift und begann meine Erlebnisse aufzuzeichnen, um so dieses furchtbare Schicksal, welches mich ereilte, von anderen abzuwenden. So entstanden, geschätzter Leser, geschätzte Leserin, diese Zeilen hier, die Ihr gerade lest.
Voll Überzeugung und dem besten Wissen darum, auch in praktischer Hinsicht, kann ich nun also sagen, dass das Reisen, zumal das abenteuerliche Reisen, jedem studierten Magus aufs dringlichste abzuraten ist. Besser wäre es da schon, wenn sich jeder Adeptus nach dem Beenden der Scolarenzeit einen bequemen Polstersessel, meinetwegen auch einen gewöhnlichen Sessel aus Holz, aneignet, und diesen sein ganzes Leben lang nie wieder verlässt.

Bericht eines unbekannten Magus
gefunden in einem Holzfass an einem Strand irgendwo am Südmeer

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 157 am 9.6.2002.


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