Admiral Sanin der Ältere
getreulich zusammengetragene Kunde aus den Tagen vor Bosparans Fall,
von adeptus
Eborëus Zachariad
Einem jeden sind sie bekannt, die Aufzeichnungen aus dem Logbuch der
'Seeadler von Beilunk', stets beginnend mit den verheißenden Worten:
'Das Perlenmeer: Unendliche Weiten. Dies ist das Logbuch der 'Seeadler
von Beilunk', die vier Jahre unterwegs ist, um neue Küsten zu erforschen
und neue Kulturen zu entdecken. Viele Seemeilen von Perricum entfernt,
dringt die 'Seeadler' in Gebiete vor, die nie zuvor ein kaiserliches
Schiff gesehen hat.
Doch dieses hervorragendste aller Werke über die Seefahrt (Von den Küsten
und Häfen des Perlenmeeres, ihren Vorteilen und Widrigkeiten, 11 Hal)
hätte niemals zustande kommen können, wenn ebenjener exzellente Navigator
und Admiral der kaiserlichen Flotte, Rateral Sanin XII., nicht Erbe einer
jahrhundertealten Tradition wäre...
Wir schreiben das Jahr 880 vor Bosparans Fall, welches dem Jahre 1873 vor
der Regentschaft Kaiser Hals entspricht. Es ist die Zeit des Belen-Horas,
des vierten Nachfahren des göttlichen Horas
selbst, welcher die ersten Siedler aus dem Güldenland hier auf diesen
Kontinent führte. Es ist die Zeit der ersten Begegnungen zwischen Menschen
und Zwergen und nur ein Jahr ist es her, dass man im vieltürmigen Bosparan
zum ersten Male vom Diamantenen Sultanat hörte, dem Reich der Tulamiden,
an dessen Spitze derzeit noch Sultan Mordai ibn Dhuri steht, jener
unglückselige Regent der zweiten Dynastie, welcher sich später noch
aufgrund der vielen Niederlagen gegen das Heer des erblühenden
bosparanischen Reiches sowie des Verlustes von Nebachot, dem heutigen
Perricum, das Leben nehmen sollte.
Zu
jener Zeit also hatte der Kontinent des Aves noch wenige seiner
Geheimnisse preisgegeben an die Neuankömmlinge aus dem Güldenland. Doch
wie so oft im Laufe der Geschichte braucht es den Willen der Menschen um
Gewaltiges zu vollbringen. Belen-Horas war ein blutjunger Regent auf dem
Kaiserthrone Bosparans; und er hatte ehrgeizigste Expansionspläne für sich
und sein Reich, wie es eben die Art der Jugend ist. So kam es, dass er
nun, da sein Heer den Yaquir aufwärts bis an seine Mündung gezogen, die
Goblins vertrieben und den ersten Sieg über die Kamelreiter der Tulamiden
errungen hatte, auch auf See sich neue Lande untertan zu machen gedachte.
Und so ernannte er in ebenjenem Jahr, welches wir oben datierten, den
erfahrenen Seeoffizier Sanin (den Älteren, wie sie ihn später nennen
werden) zum Admiral seiner Seestreitkräfte. Nun hätte der Kaiser in Horas Namen auch jeden anderen mit diesem Posten betrauen
können, doch sein Erbe, das Erbe des heiligen Horas,
ließ seine Wahl auf ebendiesen Admiral Sanin fallen - eine weise und
göttergegebene
Entscheidung, wie sich bald darauf zeigen sollte.
Sanin machte sich auf für Kaiser und Vaterland gen Norden zu segeln - doch
wo tausende vor ihm und abertausende nach ihm eine ganze Flotte
ausgerüstet hätten, da bestieg er bloß einen kleinen Rudersegler, nahm
sich zwei weitere und ward schon damit ein wahrer Held. Eine weise
Entscheidung hatte er da getroffen, von göttlicher Vorahnung gestreift in
diesem Moment, denn die Hauptstreitkräfte wurden im Kampfe gegen das
Diamantene Sultanat gebraucht.
Es
dauerte zwar noch bis zum kommenden Frühling, dann jedoch konnten endlich
jene berühmten Zeilen niedergeschrieben werden, als die Schiffe Admiral
Sanins an eine Stelle kamen, 'wo Land und Meer ineinander übergehen,
Rasen auf den Wogen schwimmt, Tümpel die Weiden bedecken und wo man weder
mit dem Schiff fahren noch zu Fuß einherschreiten kann' - eine überaus
treffende Schilderung für das Delta des Großen Flusses, welcher von Sanin
seinen Namen erhielt. Der Admiral gründete an ebenjener Stelle die Stadt
Havena, fuhr aber selbst noch weiter den Fluss aufwärts bis zum heutigen
Ferdok, wo sich wiederum die Weisheit seiner Entscheidung mit nur wenigen
Schiffen die Expedition zu unternehmen herausstellte, da hier bei Ferdok
das erste Mal von einem Zusammentreffen zwischen Menschen und Elfen
berichtet wird - und was, wenn die Elfen auf eine menschliche Kriegsflotte
getroffen wären.
In
den kommenden Jahren 1868 und 1867 v.H. kommandierte der Admiral die
kaiserliche Flotte bei der Eroberung der Zyklopeninseln, und das mit
großem Erfolg. Doch hatte sich still und heimlich ein Traum, eine
Leidenschaft hervorrufend, in die Gedanken jenes Oberbefehlshabers der
Seestreitkräfte geschlichen, seit damals, seit er den Großen Fluss hinauf
gefahren war, seit damals war Admiral Sanin ein anderer, ein weiserer
Mensch geworden. Wider alle Annahmen zeigt uns hier die Geschichte, zeigen
uns die Götter einen jungen Seeoffizier, der nach und nach in die
Geheimnisse des Menschseins und darüber hinaus in göttliche Pläne
eingeweiht wird. Wie eine Saat pflanzten die Götter in jenen, was von
Anfang an ihr Plan gewesen mit ihm, und langsam und bedächtig erst reifte
ihre Frucht, um sich dann durch die Generationen hin fortzusetzen. Erfasst
von jener Leidenschaft, wie sie nur die Götter einem geben können und wie
sie nur ein Mensch empfinden kann, folgte Sanin von nun an seinem Weg.
Und noch eines hatte ihm diese Erfüllung mit göttlichem Willen gegeben:
eine intuitive Kenntnis über Wahrheit und Unwahrheit. Denn so erkannte er
- wohl als allererster - den Frevel an den Göttern, als sich im Jahre 1866
v.H. Belen-Horas zum Gottkaiser erheben ließ. War das Bosparanische Reich
bis dato stets gewachsen, hatte sein Heer einen Sieg nach dem anderen
errungen, so war diese Zeit des göttlichen Beistands des heiligen Horas
nun vorbei. Trolle stiegen aus den Bergen herab und machten ein 1000köpfiges Heer nieder. Immer mehr Truppen musste der Gottkaiser von den
Grenzen abziehen und 16 lange Jahre dauerten die Trollkriege an. Einen
Sieg gab es noch zu feiern, die entscheidende Schlacht gegen das
Diamantene Sultanat, die Schlacht am Darpatbogen, wurde gewonnen, was
Nebachot (das heutige Perricum) - eingenommen mit den hinlänglich
bekannten Posaunen von Nebachot, welche die Stadtmauern zum Einsturz
brachten - in die Hände des Bosparanischen Reiches brachte, denn
göttliches Blut wallte noch immer im Körper des Kaisers, war er doch
Nachfahre des heiligen Horas
in dritter Generation.
Doch die Götter schickten ihre Strafe hinab gegen ihn und so zogen Orks
und Oger mordend durch das Land, der erste Zug der Oger überrannte Gareth
und hielt dort grausames Festmahl. Belen-Horas starb und mit ihm seine
Dynastie, direkte Nachfahren des Horas.
Sein einziger Sohn zählte damals erst acht Götterläufe und so wurde ein
Regentenrat eingesetzt. Nun endlich hatten alle erkannt, welch Frevel an
den Göttern begangen und der Regentenrat leitete die Ära der
Friedenskaiser ein.
Doch all dies sollte sich erst Jahre später abspielen. Nach der
Gotterhebung des Kaisers legte Admiral Sanin das ihm anvertraute Kommando
zurück und rüstete eine Expedition gen Süden, nicht um andere Völker zu
besiegen, sondern um das zu vollbringen, was den Göttern wahrhaft gefällig
ist. Schon als die ersten Berichte über Nebachot, die Prächtige, das
vieltürmige Bosparan erreichten, war ihr Ruf der einer reichen Stadt - und
manche munkelten gar sie würde selbst Bosparan an Reichtum noch
übertreffen. Auch Sanin vernahm diese Berichte und als ehemals enger
Vertrauter des nunmehr sich Gottkaiser Nennenden wusste er, dass diese
Stadt binnen kürzester Zeit in die Hände des Bosparanischen Reiches fallen
würde. Doch nicht der Reichtum oder der Ruhm lockten ihn, eine gänzlich
andere Idee überkam ihn. Nachdem er die unzähligen Berichte über diese
Stadt gelesen und sie auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft hatte, fand
er das bestätigt, woran er von Anfang an geglaubt hatte: Nebachot war eine
Küstenstadt, hatte also einen Hafen. Und noch eines fand er heraus:
Nebachot lag nicht bloß an irgendeinem Meer, nein, was da berichtet wurde,
besagte eindeutig, dass Nebachot an einem großen Ozean lag, ähnlich dem
Meer der Sieben Winde.
Was uns aus heutiger Sicht als geradezu lächerliche Erkenntnis erscheinen
mag, sorgte zu jener Zeit gewiss für viel Aufsehen, denn man verfügte
damals noch über keinerlei Aventurien umfassendes Kartenwerk, ja beinahe
die ganze Ostküste war so gut wie unerforscht. So beschloss Sanin also
eine Expedition zu rüsten, mit welcher es ihm gelingen sollte dieses
Nebachot auf dem Seewege zu erreichen. Zwei Möglichkeiten blieben ihm
dafür, der Weg nach Norden und der nach Süden - und er wählte weise, auch
wenn er es nie erfahren sollte.
Seine Flottille bestand aus drei Schiffen - gleich wie bei seiner ersten
Reise den Großen Fluss hinauf. Er übernahm das Kommando über zwei von
ihnen, eines jedoch überließ er seinem erst 20 jährigen Sohn, der zu
dieser Zeit den Rang eines Seejunkers innehatte. Ein gewagtes Unterfangen,
doch Sanin der Ältere konnte sowohl die Mannschaft als auch seinen Sohn
von seinen eigenen Kenntnissen überzeugen und zu diesem Schritt überreden.
Und wiederum zeigt sich uns die Weiterführung des göttlichen Willens in
jener Tat überdeutlich - und vielleicht beschlich den sonst so
zuversichtlichen Admiral Sanin ja eine leise Vorahnung in jener Zeit, er
werde den zweiten großen Ozean nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Die Reise gen Süden kostete vielen Menschen das Leben und es soll nicht
verheimlicht werden, dass man ein Schiff auf der Höhe des heutigen Chorhop
aufgeben musste, nachdem ein gewaltiger Sturm schon beinahe die gesamte
Expedition zum Scheitern gebracht hätte. Nichts desto trotz erreichte man
dank der hervorragenden Kenntnisse Admiral Sanins des Älteren und
sicherlich auch angetrieben durch den Eifer und Ungestüm Sanin des
Jüngeren schließlich das Mysob-Delta, wo man eine kleine Siedlung gründen
wollte. Hier also hatten die ersten Menschen das Südmeer erblickt, doch
der Anblick war kein erhabener, kein würdevoll der Situation angemessener.
Seuche und Krankheit plagten die Schiffsmannschaften, Heimkehr war das
einzige, das den Teilnehmern der Expedition in den Sinn kam. Auch erwies
sich der Mysob nicht als rettender Zufluchtsort zum Auskurieren der
Krankheiten, denn dort, wo etwa hundert Jahre später das heutige Brabak
gegründet werden sollte, erstreckte sich damals noch das schreckliche
Echsenreich von H'Rabaal.
Gescheitert war der gewagte Versuch, dahingerafft die braven Matrosen von
der Krankheit. Und wer diese überlebte, musste mit ansehen, wie gut und
gerne die halbe Mannschaft von den Echsenwesen entführt und in grausamen
Ritualen dahingeschlachtet wurde - als Opfer für jene Schrecken
einflößenden Götzen, welche die Echsen anbeteten.
Jeglicher Mut und alle Hoffnung waren aus Admiral Sanin gewichen und so
befahl er die sofortige Rückreise. Mit nur mehr einem Schiff und dem Tode
näher denn dem Leben kam ein Haufen geschwächter Männer und Frauen einige
Monde später wieder in Bosparan an. Natürlich konnte dieser herbe
Rückschlag einen Admiral Sanin nicht von seinen Entdeckungsfahrten
abbringen, aber die einmal gereifte Idee einer Südumsegelung des
Kontinents hatte er aufgegeben. Im Jahre 1866 v.H. erkundete er die Tommel
bis zum heutigen Winhall und den Ingval. Als dann jedoch die Trollkriege
ausbrachen wurde er zurückbeordert und diente einige Jahre lang auf dem
Yaquir. Erst im Jahre 1863 v.H. startete Sanin seine nächste Expedition
gen Norden und nur vier Jahre später erreichte und entdeckte er in der
Bodir-Mündung die Siedlung Torwjald. Von den Thorwalern konnte er wohl
schließlich auch erfahren, dass er mit einer Nordumsegelung des Kontinents
keinen Erfolg haben würde und so blieb er wohl bis an sein Lebensende bei
den Nordleuten, denn seine Heimat hatte er ob des Frevels des Gottkaisers
längst aufgegeben.
über Sanin den Jüngeren und Sanin III wird in der nächsten Ausgabe
berichtet...
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 162 am 14.7.2002.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Sanin der Jüngere und Admiral Sanin III..
Reaktion zum Artikel „Die Psychologie des Chimärs II“
Reaktion zu Opus no. 161 -
den Artikel einsehen...
Praios zum Gruße Großmeister Eborëus Zachariad,
Mit Bestürzung habe ich die Schilderungen des verirten Gorgonius von
Selem in Eurer Postille gelesen. Nicht nur das der Herr Gorgonius von
Selem sich weit von der Gnade der Götter entfernt hat, so scheint es, mir
mit allem Respekt, ebenfalls bei dem zuständigen Redakteur der Fall zu
sein, der diesen Beitrag in Eure Postille geschleust hat. Denn ich bin mir
sicher, dass dieses nicht mit Eurem Wissen geschehen wäre. Eine Praios
gefällige Aufklärung von Eurer Seite hinsichtlich des Vorfalls wird sicher
alle Gemüter wieder beruhigen. Jedenfalls würde dieses meinen engen Freund
Donatores Lumini Lahos der Helle beruhigen. Der schon drauf und dran war
einen Falken mit einer Nachricht an die Heilige Inquisition zu senden, um
sie über diesen Vorfall zu unterrichten. Doch wird dieses sicherlich
überflüssig sein, da ich mir im Klaren bin, das ein Mann von Eurer Macht
und Stärke selbst in der Lage ist mit Gotteslästern zuwider des Herrn
Praios fertig zu werden.
Hochachtungsvoll
Sil ta Tener
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 162 am 14.7.2002 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Psychologie des Chimärs II. |