ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
seit Praios 29 Hal


Admiral Sanin der Ältere

getreulich zusammengetragene Kunde aus den Tagen vor Bosparans Fall,
von adeptus Eborëus Zachariad

Einem jeden sind sie bekannt, die Aufzeichnungen aus dem Logbuch der 'Seeadler von Beilunk', stets beginnend mit den verheißenden Worten: 'Das Perlenmeer: Unendliche Weiten. Dies ist das Logbuch der 'Seeadler von Beilunk', die vier Jahre unterwegs ist, um neue Küsten zu erforschen und neue Kulturen zu entdecken. Viele Seemeilen von Perricum entfernt, dringt die 'Seeadler' in Gebiete vor, die nie zuvor ein kaiserliches Schiff gesehen hat.
Doch dieses hervorragendste aller Werke über die Seefahrt (Von den Küsten und Häfen des Perlenmeeres, ihren Vorteilen und Widrigkeiten, 11 Hal) hätte niemals zustande kommen können, wenn ebenjener exzellente Navigator und Admiral der kaiserlichen Flotte, Rateral Sanin XII., nicht Erbe einer jahrhundertealten Tradition wäre...
Wir schreiben das Jahr 880 vor Bosparans Fall, welches dem Jahre 1873 vor der Regentschaft Kaiser Hals entspricht. Es ist die Zeit des Belen-Horas, des vierten Nachfahren des göttlichen Horas selbst, welcher die ersten Siedler aus dem Güldenland hier auf diesen Kontinent führte. Es ist die Zeit der ersten Begegnungen zwischen Menschen und Zwergen und nur ein Jahr ist es her, dass man im vieltürmigen Bosparan zum ersten Male vom Diamantenen Sultanat hörte, dem Reich der Tulamiden, an dessen Spitze derzeit noch Sultan Mordai ibn Dhuri steht, jener unglückselige Regent der zweiten Dynastie, welcher sich später noch aufgrund der vielen Niederlagen gegen das Heer des erblühenden bosparanischen Reiches sowie des Verlustes von Nebachot, dem heutigen Perricum, das Leben nehmen sollte.
Zu jener Zeit also hatte der Kontinent des Aves noch wenige seiner Geheimnisse preisgegeben an die Neuankömmlinge aus dem Güldenland. Doch wie so oft im Laufe der Geschichte braucht es den Willen der Menschen um Gewaltiges zu vollbringen. Belen-Horas war ein blutjunger Regent auf dem Kaiserthrone Bosparans; und er hatte ehrgeizigste Expansionspläne für sich und sein Reich, wie es eben die Art der Jugend ist. So kam es, dass er nun, da sein Heer den Yaquir aufwärts bis an seine Mündung gezogen, die Goblins vertrieben und den ersten Sieg über die Kamelreiter der Tulamiden errungen hatte, auch auf See sich neue Lande untertan zu machen gedachte. Und so ernannte er in ebenjenem Jahr, welches wir oben datierten, den erfahrenen Seeoffizier Sanin (den Älteren, wie sie ihn später nennen werden) zum Admiral seiner Seestreitkräfte. Nun hätte der Kaiser in Horas Namen auch jeden anderen mit diesem Posten betrauen können, doch sein Erbe, das Erbe des heiligen Horas, ließ seine Wahl auf ebendiesen Admiral Sanin fallen - eine weise und göttergegebene
Entscheidung, wie sich bald darauf zeigen sollte.
Sanin machte sich auf für Kaiser und Vaterland gen Norden zu segeln - doch wo tausende vor ihm und abertausende nach ihm eine ganze Flotte ausgerüstet hätten, da bestieg er bloß einen kleinen Rudersegler, nahm sich zwei weitere und ward schon damit ein wahrer Held. Eine weise Entscheidung hatte er da getroffen, von göttlicher Vorahnung gestreift in diesem Moment, denn die Hauptstreitkräfte wurden im Kampfe gegen das Diamantene Sultanat gebraucht.
Es dauerte zwar noch bis zum kommenden Frühling, dann jedoch konnten endlich jene berühmten Zeilen niedergeschrieben werden, als die Schiffe Admiral Sanins an eine Stelle kamen, 'wo Land und Meer ineinander übergehen, Rasen auf den Wogen schwimmt, Tümpel die Weiden bedecken und wo man weder mit dem Schiff fahren noch zu Fuß einherschreiten kann' - eine überaus treffende Schilderung für das Delta des Großen Flusses, welcher von Sanin seinen Namen erhielt. Der Admiral gründete an ebenjener Stelle die Stadt Havena, fuhr aber selbst noch weiter den Fluss aufwärts bis zum heutigen Ferdok, wo sich wiederum die Weisheit seiner Entscheidung mit nur wenigen Schiffen die Expedition zu unternehmen herausstellte, da hier bei Ferdok das erste Mal von einem Zusammentreffen zwischen Menschen und Elfen berichtet wird - und was, wenn die Elfen auf eine menschliche Kriegsflotte getroffen wären.
In den kommenden Jahren 1868 und 1867 v.H. kommandierte der Admiral die kaiserliche Flotte bei der Eroberung der Zyklopeninseln, und das mit großem Erfolg. Doch hatte sich still und heimlich ein Traum, eine Leidenschaft hervorrufend, in die Gedanken jenes Oberbefehlshabers der Seestreitkräfte geschlichen, seit damals, seit er den Großen Fluss hinauf gefahren war, seit damals war Admiral Sanin ein anderer, ein weiserer Mensch geworden. Wider alle Annahmen zeigt uns hier die Geschichte, zeigen uns die Götter einen jungen Seeoffizier, der nach und nach in die Geheimnisse des Menschseins und darüber hinaus in göttliche Pläne eingeweiht wird. Wie eine Saat pflanzten die Götter in jenen, was von Anfang an ihr Plan gewesen mit ihm, und langsam und bedächtig erst reifte ihre Frucht, um sich dann durch die Generationen hin fortzusetzen. Erfasst von jener Leidenschaft, wie sie nur die Götter einem geben können und wie sie nur ein Mensch empfinden kann, folgte Sanin von nun an seinem Weg.
Und noch eines hatte ihm diese Erfüllung mit göttlichem Willen gegeben: eine intuitive Kenntnis über Wahrheit und Unwahrheit. Denn so erkannte er - wohl als allererster - den Frevel an den Göttern, als sich im Jahre 1866 v.H. Belen-Horas zum Gottkaiser erheben ließ. War das Bosparanische Reich bis dato stets gewachsen, hatte sein Heer einen Sieg nach dem anderen errungen, so war diese Zeit des göttlichen Beistands des heiligen Horas nun vorbei. Trolle stiegen aus den Bergen herab und machten ein 1000köpfiges Heer nieder. Immer mehr Truppen musste der Gottkaiser von den Grenzen abziehen und 16 lange Jahre dauerten die Trollkriege an. Einen Sieg gab es noch zu feiern, die entscheidende Schlacht gegen das Diamantene Sultanat, die Schlacht am Darpatbogen, wurde gewonnen, was Nebachot (das heutige Perricum) - eingenommen mit den hinlänglich bekannten Posaunen von Nebachot, welche die Stadtmauern zum Einsturz brachten - in die Hände des Bosparanischen Reiches brachte, denn göttliches Blut wallte noch immer im Körper des Kaisers, war er doch Nachfahre des heiligen Horas in dritter Generation.
Doch die Götter schickten ihre Strafe hinab gegen ihn und so zogen Orks und Oger mordend durch das Land, der erste Zug der Oger überrannte Gareth und hielt dort grausames Festmahl. Belen-Horas starb und mit ihm seine Dynastie, direkte Nachfahren des Horas. Sein einziger Sohn zählte damals erst acht Götterläufe und so wurde ein Regentenrat eingesetzt. Nun endlich hatten alle erkannt, welch Frevel an den Göttern begangen und der Regentenrat leitete die Ära der Friedenskaiser ein.
Doch all dies sollte sich erst Jahre später abspielen. Nach der Gotterhebung des Kaisers legte Admiral Sanin das ihm anvertraute Kommando zurück und rüstete eine Expedition gen Süden, nicht um andere Völker zu besiegen, sondern um das zu vollbringen, was den Göttern wahrhaft gefällig ist. Schon als die ersten Berichte über Nebachot, die Prächtige, das vieltürmige Bosparan erreichten, war ihr Ruf der einer reichen Stadt - und manche munkelten gar sie würde selbst Bosparan an Reichtum noch übertreffen. Auch Sanin vernahm diese Berichte und als ehemals enger Vertrauter des nunmehr sich Gottkaiser Nennenden wusste er, dass diese Stadt binnen kürzester Zeit in die Hände des Bosparanischen Reiches fallen würde. Doch nicht der Reichtum oder der Ruhm lockten ihn, eine gänzlich andere Idee überkam ihn. Nachdem er die unzähligen Berichte über diese Stadt gelesen und sie auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft hatte, fand er das bestätigt, woran er von Anfang an geglaubt hatte: Nebachot war eine Küstenstadt, hatte also einen Hafen. Und noch eines fand er heraus: Nebachot lag nicht bloß an irgendeinem Meer, nein, was da berichtet wurde, besagte eindeutig, dass Nebachot an einem großen Ozean lag, ähnlich dem Meer der Sieben Winde.
Was uns aus heutiger Sicht als geradezu lächerliche Erkenntnis erscheinen mag, sorgte zu jener Zeit gewiss für viel Aufsehen, denn man verfügte damals noch über keinerlei Aventurien umfassendes Kartenwerk, ja beinahe die ganze Ostküste war so gut wie unerforscht. So beschloss Sanin also eine Expedition zu rüsten, mit welcher es ihm gelingen sollte dieses Nebachot auf dem Seewege zu erreichen. Zwei Möglichkeiten blieben ihm dafür, der Weg nach Norden und der nach Süden - und er wählte weise, auch wenn er es nie erfahren sollte.
Seine Flottille bestand aus drei Schiffen - gleich wie bei seiner ersten Reise den Großen Fluss hinauf. Er übernahm das Kommando über zwei von ihnen, eines jedoch überließ er seinem erst 20 jährigen Sohn, der zu dieser Zeit den Rang eines Seejunkers innehatte. Ein gewagtes Unterfangen, doch Sanin der Ältere konnte sowohl die Mannschaft als auch seinen Sohn von seinen eigenen Kenntnissen überzeugen und zu diesem Schritt überreden.
Und wiederum zeigt sich uns die Weiterführung des göttlichen Willens in jener Tat überdeutlich - und vielleicht beschlich den sonst so zuversichtlichen Admiral Sanin ja eine leise Vorahnung in jener Zeit, er werde den zweiten großen Ozean nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Die Reise gen Süden kostete vielen Menschen das Leben und es soll nicht verheimlicht werden, dass man ein Schiff auf der Höhe des heutigen Chorhop aufgeben musste, nachdem ein gewaltiger Sturm schon beinahe die gesamte Expedition zum Scheitern gebracht hätte. Nichts desto trotz erreichte man dank der hervorragenden Kenntnisse Admiral Sanins des Älteren und sicherlich auch angetrieben durch den Eifer und Ungestüm Sanin des Jüngeren schließlich das Mysob-Delta, wo man eine kleine Siedlung gründen wollte. Hier also hatten die ersten Menschen das Südmeer erblickt, doch der Anblick war kein erhabener, kein würdevoll der Situation angemessener. Seuche und Krankheit plagten die Schiffsmannschaften, Heimkehr war das einzige, das den Teilnehmern der Expedition in den Sinn kam. Auch erwies sich der Mysob nicht als rettender Zufluchtsort zum Auskurieren der Krankheiten, denn dort, wo etwa hundert Jahre später das heutige Brabak gegründet werden sollte, erstreckte sich damals noch das schreckliche Echsenreich von H'Rabaal.
Gescheitert war der gewagte Versuch, dahingerafft die braven Matrosen von der Krankheit. Und wer diese überlebte, musste mit ansehen, wie gut und gerne die halbe Mannschaft von den Echsenwesen entführt und in grausamen Ritualen dahingeschlachtet wurde - als Opfer für jene Schrecken einflößenden Götzen, welche die Echsen anbeteten.
Jeglicher Mut und alle Hoffnung waren aus Admiral Sanin gewichen und so befahl er die sofortige Rückreise. Mit nur mehr einem Schiff und dem Tode näher denn dem Leben kam ein Haufen geschwächter Männer und Frauen einige Monde später wieder in Bosparan an. Natürlich konnte dieser herbe Rückschlag einen Admiral Sanin nicht von seinen Entdeckungsfahrten abbringen, aber die einmal gereifte Idee einer Südumsegelung des Kontinents hatte er aufgegeben. Im Jahre 1866 v.H. erkundete er die Tommel bis zum heutigen Winhall und den Ingval. Als dann jedoch die Trollkriege ausbrachen wurde er zurückbeordert und diente einige Jahre lang auf dem Yaquir. Erst im Jahre 1863 v.H. startete Sanin seine nächste Expedition gen Norden und nur vier Jahre später erreichte und entdeckte er in der Bodir-Mündung die Siedlung Torwjald. Von den Thorwalern konnte er wohl schließlich auch erfahren, dass er mit einer Nordumsegelung des Kontinents keinen Erfolg haben würde und so blieb er wohl bis an sein Lebensende bei den Nordleuten, denn seine Heimat hatte er ob des Frevels des Gottkaisers längst aufgegeben.

über Sanin den Jüngeren und Sanin III wird in der nächsten Ausgabe berichtet...

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 162 am 14.7.2002.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Sanin der Jüngere und Admiral Sanin III..



Reaktion zum Artikel „Die Psychologie des Chimärs II“
Reaktion zu Opus no. 161 - den Artikel einsehen...

Praios zum Gruße Großmeister Eborëus Zachariad,

Mit Bestürzung habe ich die Schilderungen des verirten Gorgonius von Selem in Eurer Postille gelesen. Nicht nur das der Herr Gorgonius von Selem sich weit von der Gnade der Götter entfernt hat, so scheint es, mir mit allem Respekt, ebenfalls bei dem zuständigen Redakteur der Fall zu sein, der diesen Beitrag in Eure Postille geschleust hat. Denn ich bin mir sicher, dass dieses nicht mit Eurem Wissen geschehen wäre. Eine Praios gefällige Aufklärung von Eurer Seite hinsichtlich des Vorfalls wird sicher alle Gemüter wieder beruhigen. Jedenfalls würde dieses meinen engen Freund Donatores Lumini Lahos der Helle beruhigen. Der schon drauf und dran war einen Falken mit einer Nachricht an die Heilige Inquisition zu senden, um sie über diesen Vorfall zu unterrichten. Doch wird dieses sicherlich überflüssig sein, da ich mir im Klaren bin, das ein Mann von Eurer Macht und Stärke selbst in der Lage ist mit Gotteslästern zuwider des Herrn Praios fertig zu werden.

Hochachtungsvoll
Sil ta Tener

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 162 am 14.7.2002 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Psychologie des Chimärs II.


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