Von den zauberkräftigen Dingen der
Zwerge
Nach reiflicher Überlegung präsentieren wir Euch, geneigte
Leserin, geneigter Leser, den Beitrag eines Zwergen aus dem Brillantvolke,
welcher nun schon seit geraumer Zeit in den Händen der Redaktion weilt.
Wir hatten Bedenken, da der Artikel nicht aus der Hand eines
Zauberkundigen stammt und der Verfasser ganz offensichtlich auch kein in
arkanen Belangen gebildeter Zwerg ist. Doch schließlich entschieden wir
uns dennoch dafür, den Artikel hier zu veröffentlichen, weil er erstens
zum Themenbereich dieser Opus-Ausgabe passt und weil er zweitens doch auch
zur Vielfalt an Meinungen hier in dieser Postille beiträgt. (Die
Kommentare zum Artikel dienen der Erläuterung und stammen von mir
selbst.)
Viel Vergnügen mit dem folgenden Artikel
Meister Eborëus Zachariad
Bei Angrosch, nun endlich hat sich ein Kundiger gefunden, der meine
Rogolan-Runen ins Garethi übersetzen kann! Ein großes Glück für die
Leser dieser Magie-Schrift, denn wie konnten sie die Zeit bislang nur
überstehen, ohne dass einer aus dem altehrwürdigen Volk der Zwerge
seinen Beitrag geschrieben hatte?
[Die geneigte Leserschaft sei darauf hingewiesen, dass der Artikel
alleine deshalb so lange unübersetzt blieb, weil sich niemand fand, der
die doch recht undeutlich gekritzelten Runen des Zwergen entziffern
konnte.]
Auch wir Zwerge haben und hatten zahlreiche magische Dinge in unserem
Besitz - nicht nur diese spitzohrigen Elfen, die sich feige in ihren
Wäldern verstecken! Von einigen dieser magischen Dinge will ich euch
armen kurzlebigen Kinderchen, die ihr euch ja kaum an eure Urgroßväter
erinnern könnt, nun berichten.
Und so will ich wohl beginnen, wie es sich gehört, mit der Nennung meines
Namens sowie der Namen meiner nächsten Sippschaft und Vorfahren. Ich
heiße Turungol, Sohn des Tronderasch, Sohn des Trembosch, welcher ein
Bruder des bekannten zwergischen Helden Gerambalosch, Sohn des...
[Man möge uns verzeihen, dass wir die folgende Familienchronik an
dieser Stelle nicht wiedergeben wollen noch können.]
...Doch beim Barte meines Urgroßväterchens, eben jener entfernte
Verwandte von mir erzählte mir von einem gar sonderbaren und ganz
offensichtlich magischen Ding, welches unsere altehrwürdigen Urahnen noch
während der Drachenkriege kannten und teilweise auch besaßen. Die Rede
ist hier vom sogenannten Zauberspiegel, einem besonderen
Hilfsmittel des siebenmal verfluchten Echsengezüchts. Mein berühmter
Urahn Grubax, Sohn des Genderasch, war es nämlich, welcher einen dieser
Zauberspiegel aus dem Hort eines Drachen stehlen und in die Hallen unserer
Zwergenbinge bringen konnte. Der Spiegel war reichlich mit Edelsteinen
verziert und das Innere wurde von einem goldenen Rand umfasst. Der Griff
war feinste Handwerkskunst, wie sie ein Brillantzwerg nicht besser
herstellen hätte können. Einige Verstoßene [vermutlich sind hier die
Geoden gemeint] unseres Volkes wurden herbeigerufen und sie
berichteten meinem Urahn, was es mit diesem Spiegel auf sich hat:
So erklärten sie uns, dass alles Schlangengezücht, welches den Echsen
auf Schritt und Tritt folgt, seinen eigenen Anblick im Zauberspiegel nicht
ertragen und ihn fliehen muss. Und so zog mein Urahn aus und er trieb
viele dieser scheußlichen Wesenheiten wieder dorthin zurück, von wo sie
gekommen waren. Doch der Zauberspiegel wirkte nicht nur zum Guten, nein,
es gibt auch Schauerliches über ihn zu berichten. So musste er bei
Todesfällen ein jedes Mal, noch bevor der Tod eintrat, verhüllt werden,
um nicht die Seele des Toten in sich gefangen zu nehmen. Das beste jedoch
an dem Zauberspiegel war, dass uns die Verstoßenen berichteten, er solle
in der letzten Stunde eines jeden Jahres Zukünftiges zeigen und somit
einen Blick auf das gewähren, was noch bevorsteht. Ich denke auch ihr
kurzlebigen Menschen könnt euch jetzt vorstellen, weshalb mein
Urgroßväterchen stets der reichste aller Zwerge war.
Zu den bekanntesten der magischen Zwergendinge gehören sicherlich
unsere zauberkräftigen Runen, über die bereits Altväterchen
Brodosch, Sohn des Ballasch, einmal gesagt hat: "Von der Macht der
Schrift hat nie ein Volk größer gedacht und sie höher gestellt als die
Zwerge." Unsere Runenschrift also solche gleicht ja schon wahrer
Magie, denn die Übertragbarkeit von Mitteilungen an räumlich oder
zeitlich entfernte Verwandte ist doch schon Wunder genug.
Doch kennen wir ebenfalls die Geheimnisse um die verschiedensten
Zauberkräfte von Runen, sofern sie nur in richtiger Gestalt und Anordnung
gemalt werden. So gibt es beispielsweise die 'Sieg-' oder die
'Schutz-Runen', welche auf Waffen und Schilde gemalt werden, um die
Kampfeskraft zu erhöhen oder den Kämpfer zu schützen. Dies mag euch
Menschen seltsam erscheinen, stellt ein gerüsteter Zwerg doch für euch
ohnehin ein unüberwindliches Hindernis dar, doch früher - im Kampf gegen
die Drachen - waren solche Runen von großem Nutzen.
Eine andere Runenart sind die 'Ast-Runen', die zum Heilen Verwendung
finden, sowie die 'Elementar-' oder 'Binde-Runen'. Ja, und auch
'Bier-Runen' zum Brauen und Lagern des zwergischen Gebräus gibt es. Mit
aller Vehemenz muss ich jedoch an dieser Stelle die Spekulationen über
die Existenz solch schwachsinniger Zeichen wie etwa einer 'Brandungs-Rune'
oder gar einer 'Mut-Rune' zurückweisen - derlei Dinge benötigen wir
Zwerge genauso wenig wie spitze Ohren oder stumpfe Äxte.
Aber wir Zwerge können nicht nur in den magischen Dingen mit diesen
spitzohrigen Feiglingen mithalten, nein, wir sind auch die besten
Pflanzenkenner Aventuriens. Während der Zeit der Drachenkriege mussten
sich unsere Urahnen oftmals jahrhundertelang in den unterirdischen Stollen
und Bingen verstecken, während draußen am Himmel das Drachenfeuer
brannte. In dieser langen Zeit erlernten einige Zwerge die hohe Kunst der
Pilzzüchterei, denn nur Pilze wachsen ohne Licht. Selbstverständlich
haben wir keinerlei duftende oder schön anzusehende 'Blumenpilze'
gezüchtet, aber wer hätte es denn schon jahrhundertelang in einer nach
Blumen duftenden Zwergenbinge ausgehalten! Dafür hatten unsere Vorfahren
Leuchtpilze, Speisepilze, Holzpilze, Lederpilze und natürlich Bierpilze.
Eine besondere Pilzzucht aber gelang einer meiner Urahnen, der Zwergin
Grimba, Tochter der Artula. Mithilfe eines aufwendigen und bis heute in
unserer Sippe geheim gehaltenen Rezepts konnte sie einen wurzelartigen
Pilz züchten, der bald überall als Springwurz oder auch Spreng-Wurtzel
bekannt war. Die Wirkung dieser Pflanze übertrifft die jedes elfischen
Krautes bei weitem, vermag sie es doch, jedwedes Schloss zu knacken. Nicht
dass dies bei der Schlosserkunst der Zwerge nötig wäre, aber dennoch,
für manche Situationen doch ungemein hilfreich, eine solche Pflanze bei
sich zu haben.
Natürlich gäbe es noch von zahlreichen anderen magischen Dingen aus
dem Zwergenvolke zu berichten, doch mir tut von dem vielen Schreiben schon
die Hand weh, und so belass ich es nun und danke Angrosch, dass er uns mit
solcherlei Wundern beschenkt hat!
Turungol, Sohn des Tronderasch
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 176 am 3.2.2003.
Venit, Nirraven, Venit
Bericht des Magister Extraordinarius Darian von Kreuzenwacht über
die Vernichtung eines gar mächtiger Beschwörung dienenden schwarzen
Basaltblocks.
Der Firnelf war hinter dem Gebüsch in der Nähe des alten
Schlachtfeldes in Deckung gegangen, von wo aus er das Treiben am Rande des
Gebeinfeldes beobachten sollte. "Wirf nur einen Blick darauf und
komm dann so schnell wie möglich zurück", hatten sie gesagt. Es
wurde still um ihn herum. Sein Gefährte an seiner Seite stieß
erschrocken die Luft aus. Als er herumfuhr, sah der Firnelf die zwei in
lange wallende Gewänder gekleideten Gestalten, die hinter ihnen
erschienen waren, in der einen Hand eine Peitsche, in der anderen einen
schrecklichen Säbel schwingend.
Er wich dem herunterfahrenden Schwert aus und brachte sich mit einem
schnellen Sprung nach hinten vorerst in Sicherheit. Entsetzt musste er mit
ansehen, wie der Pfeil, den er auf den Kopf des Geschöpfs abgefeuert
hatte, die Kapuze durchschlug und weit hinter den beiden im Wald
verschwand. Die Peitsche des Dämonen wickelte sich um sein linkes Bein,
das sofort von schmerzhaften Krämpfen durchzuckt wurde. Der Säbel in der
anderen Hand begann sich zu strecken, und eine zweite Peitsche schoss auf
ihn zu. Trotz des schmerzhaften Peitschenhiebes, der ihn auf die Brust
traf, konzentrierte der Elfenkämpfer sein Mandra und jagte dem Dämon ein
Geschoss aus astraler Kraft in den Leib. Die Kutte wurde von der Wucht des
Schlages nach hinten gerissen und begann sich in Rauch aufzulösen, noch
bevor sie den Boden berührte. An der Stelle, an der der Dämon vernichtet
worden war, begann alles Gras zu verdorren. Erschöpft machten sich die
beiden angeschlagenen Späher auf den Weg zurück zum Lager.
Die Helden überzeugten den Baron von der Dringlichkeit der Aktion, des
Magiers Sternenkunde hatte ihn gewarnt und dem Golgariten wurde von seinem
Herren eine Vision geschickt. Der Baron schickte ein Dutzend Soldaten aus,
die als Ablenkungsmanöver das Lager mit den Wachen der Beschwörer
angriffen, während eine kleine Gruppe sich um die Beschwörung kümmerte.
Der Magier hatte sich vorsichtshalber mit einem "Armatrutz" und
einem "Gardianum" geschützt, als Bewegung in die zwei mal
sieben Gestalten kam, die rings um den schwarzen Basaltblock standen.
Dieser war im Boden versenkt und an seiner Oberfläche war ein Heptagramm
hineingemeißelt worden. Eine der Gestalten hob seine Hände. "Venit,
Nirraven, Venit", klang durch die Nacht. Der Elf lies seinen
"Pfeil der Luft" fahren, der unter der Kutte der Gestalt dort
einschlug, wo wohl sein Gesicht sein müsste. Sieben Gestalten hoben ihre
Dolche und durchtrennten die Kehlen der anderen Hälfte, deren Blut das
Heptagramm langsam ausfüllte. Ein zweiter Pfeil des Elfen fällte den
Beschwörer. Vier der noch Lebenden zogen Waffen unter ihren Kutten hervor
und kamen auf die Gruppe zu. Einer kümmerte sich um den Gefallenen, ein
anderer folgte den vieren langsamer. Darauf hatte der Magier gewartet, und
er entließ den "Ignisphaero" auf die herannahenden Kämpfer.
Zwei der Gestalten gingen in dem gleißenden Feuerball unter, ein weiterer
wurde von der Wucht der Explosion von den Füßen gerissen, nur einer
entkam dem flammenden Inferno mehr schlecht als recht durch einen
beherzten Sprung zur Seite. Doch Augenblicke später war der Golgarit
über ihm...
Erschöpft sank der Magier auf ein Knie herunter und musste mit Schrecken
ansehen, wie sich zwei zuckende Lichtkugeln aus den Augen der weiter
hinten stehenden Gestalt lösten und auf ihn zueilten. Sekunden später
explodierte der "Kulminatio" und löschte den astralen
Schutzschild aus, den der Magier um sich aufgebaut hatte.
Nachdem der Golgarit den verbliebenen Kämpfer niedergestreckt hatte,
wandte der gegnerische Kampfmagier ihm seine Aufmerksamkeit zu. Aus seinem
Stab schlug ein Blitzschlag in die Kettenrüstung des Ordenskriegers ein
und warf diesen von den Füßen. Allerdings schien dies den Magier einen
Großteil seiner Kraft gekostet zu haben, und er begann den Rückzug
anzutreten.
Gerade wollte der Elf den finsteren Kampfmagier fällen, als er Bewegung
hinter dem Basaltblock ausmachte. Der Beschwörer, den er zuvor
niedergestreckt hatte, war wieder auf den Beinen. Doch jetzt war es
deutlich, dass dieser seine Seele einem Dämon geweiht hatte, denn alle
Haut war von seinem Gesicht abgeblättert und hinter den leeren
Augenhöhlen brannte ein dämonisches Feuer. Der Schuss des Elfen ging
fehl, Augenblicke später brachen aus dem Boden um die Helden herum
Tentakel, skelettierte Arme und zähneknirschende Mäuler heraus. Während
die Helden versuchten sich aus dem "Pandämonium" zu befreien,
veränderte sich etwas bei dem Stein... Eine Fontäne aus grauem Rauch
schoss aus der Mitte hervor, und kleinere Fetzen von Nebel lösten sich an
der Spitze und drifteten in Richtung des Schlachtfeldes, wo die
unbestatteten Gebeine der Verteidiger von Graufurten ruhten. Aus dem
fahlen Lichtschein, der die Fontäne umspielte begann sich ein gewaltiges
Flügelpaar zu lösen. Der Paktierer brüllte etwas in der Sprache der
Magier und den verbliebenen Angreifern war es, als würden ihre Herzen in
der Brust von einer kalten Hand ergriffen und zusammengepresst. Doch nur
ein Flackern in der Fontäne antwortete den Befehlen des Paktierers, einer
der Flügel streifte ihn mit einer ausholenden Bewegung und schleuderte
den Körper ins Gebeinfeld. Ein Zittern lief durch den Basaltblock, und
die Fontäne begann zu versiegen. Mit ihr verschwanden auch die beiden
mächtigen Flügel. Als ein Riss sich durch den Felsblock zu fressen
begann, keimte Hoffnung auf, dass alles vorüber wäre. Keiner war
unverletzt, der Magier und der Elf bis aufs Äußerste erschöpft.
Doch aus dem Gebeinfeld kam eine Kreatur auf sie zu, wie sie nur
Thargunitoth selbst in den Sinn gekommen sein kann. Die Gebeine des
Paktierers waren mit den Skeletten mehrer toter Kämpfer verschmolzen,
sogar die Brustkörbe zweier Pferde konnte man in dem mehr als trollgroßen
Geschöpf erkennen. Wutentbrannt über einen solchen Frevel am Herren
Boron griff der Golgarit die Kreatur an, den geweihten Rabenschnabel gegen
das untote Gebein schwingend und die Worte einer Liturgie zum Ruhme Borons
und Rondras auf den Lippen. Das Monster, das einst der Paktierer gewesen
war, musste die gewaltigen Schläge des Ordenskriegers wehrlos hinnehmen,
doch kurz bevor der wankende Koloss dem Griff Sumus nachgab, erhob er den
gewaltigen Schenkel, der ihm als Waffe diente, und ließ diesen auf den
Krieger herunterfahren. Nach dem schweren Treffer mit der Bewusstlosigkeit
ringend nahm der Golgarit alle Kraft zusammen und ließ seinen
Rabenschnabel auf das Rückgrat der Kreatur herunterfahren. Mit einem
ächzenden Laut begruben die Knochen des gefällten Ungetüms den
graugewandeten Ordenskrieger unter sich...
Mit letzter Kraft war es dem Magier noch gelungen, dem fast leblosen
Körper seines Gefährten wenigstens ein wenig Kraft zurückzugeben und
seine Seele für dieses Mal von
Golgaris Rücken zu zerren.
Glücklich ist ein Land, das solche Helden sein eigen nennt...
Magister Extraordinarius Darian von Kreuzenwacht,
Präfekt des heiligen Drachenordens zur Wahrung allen Wissens unserer
göttlichen Herrin HESinde
von: Marc Cotter Erschienen in Opus no. 176 am 3.2.2003. |