Tractatus betreffend die Natürliche &
Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta
Partum I
Im folgenden Artikel präsentiere ich der geneigten Leserschaft des Opus
die Arbeit eines bislang völlig unbekannten Autors, des adeptus minor
Eborëus Zachariad, welcher vor auf den Tag genau einundzwanzig Jahren
Aufnahme fand in den Hallen unserer Akademie. Voll Staunen und ehrlicher
Bewunderung, aber auch mit väterlicher Fürsorge verfolgte ich von da an
den Werdegang meines mir anvertrauten Schützlings. Von Jahr zu Jahr
stellte sich immer deutlicher die einmalige Begabung des adeptus Eborëus
heraus, welcher von HESinde mit einem alles
durchdringenden Geist und Verstand gesegnet war. Und so möchte ich -
nicht ohne Stolz - die Abschlussarbeit des adeptus minor Eborëus
Zachariad hier in meinem Namen veröffentlichen.
Zum Werk an sich muss noch gesagt werden, dass - als ich dem adeptus diese
doch recht schwierige Aufgabe stellte - ich niemals erwartet hätte diese
Brillanz sowohl in den Worten, aber noch viel mehr in den Gedankengängen
meines Schülers vorzufinden, eine Brillanz, welche ich hoffe auch von der
Leserschaft erkannt zu werden. Die Arbeit ist im weitverbreiteten
Responsium (-Stil) gehalten, welcher bedingt, dass auf ein Zitat aus dem
Originalwerk jeweils Stück für Stück geantwortet wird.
So bleibt mir nur noch dem Leser ebensoviel Spaß und Freude an der göttergefälligen
Lektüre dieses Artikels zu wünschen, wie ich sie hatte, als ich dieses
Werk zum ersten Mal in Händen hielt.
Großmeister Erilarion Androstaal
Das folgende Traktat aus dem Nachlass des G.C.E. Galotta, vormals
Hofmagus zu Gareth, stellt eine interessante und offenherzige, wenn auch götterlästerliche
Formulierung seiner verworrenen Gedanken dar, von denen sich der Autor des
vorliegenden Werkes hiermit in aller Deutlichkeit distanzieren möchte.
"Höret die neue Kunde vom Wesen der Götter, von ihrer Kraft,
ihrer Bestimmung und den Beziehungen zu uns Sterblichen !"
So neu und revolutionär uns Galotta diese seine Thesen auch erscheinen
lassen mag, in Wahrheit befindet er sich doch bloß auf einem uralten Pfad
der Verderbnis, der nach neuesten Forschungsergebnissen zurückreicht bis
vor etwa 5000 Jahren, in die Zeit eines Ometheon. Was der Verruchte dem
Leser hier als Neuigkeit präsentiert, beruht auf einer im 11. Jahrhundert
vor Hal zusammengestellten Sammlung von Einzelschriften und Traktaten,
deren Autor der Elf Elon Carhelan war. Das heute in Buchform veröffentlichte
Werk trägt den Titel "Philosophia Magica" und
untersteht dem Zwölfgöttlichen Bann!
Was den Rest dieses einleitenden Satzes angeht, so erscheint er dem Leser
aufs erste wohl eher belanglos. Doch bereits hier - zu Anbeginn dieser lästerlichen
Schrift - beginnt die unterschwellige Beeinflussung des Lesers durch die
raffiniert versteckten Andeutungen des Autors. Mag es nicht schon alleine
ungeheuerlich erscheinen, die Kraft eines, geschweige denn aller zwölf Götter
erkunden zu suchen? Doch damit nicht genug, Galotta rühmt sich sogar
damit ihre Bestimmung zu kennen! Und was die Beziehungen der unsterblichen
Zwölf zu uns Menschen angeht, so mögen alleine die jeweiligen Kirchen
einen Einblick in diese Thematik haben.
"Wie uns schon lange bekannt ist, sind die Hohen Wesen Der Fünften
Sphäre, gemeinhin auch die Götter genannt, Wesen von großer Macht und
Vollkommenheit, verehrungswürdig für die einen, achtenswert für die
anderen."
Auch hier ist es von Neuem nötig, auf die genaue Formulierung zu achten!
Zuforderst noch als Götter bezeichnet, nennt Galotta sie nun "die
Hohen Wesen Der Fünften Sphäre". Damit versucht er dem Leser
schon im Vorhinein jedweden gebührenden Respekt vor den Göttern zu
nehmen, indem er sie beinahe schon - auch wenn er das nicht wortwörtlich
so niederschreibt - mit den "Hohen Wesen Der Siebten Sphäre",
den Dämonen nämlich, gleichsetzt. Doch auch die weitere Formulierung
soll den Eindruck vermitteln, dass der Autor und damit derjenige, welcher
sich der Meinung des Autors anschließt, höher steht als alle anderen
Wissenschaftler des Kontinents, denn werden diese "Hohen Wesen
Der Fünften Sphäre" nicht von allen "gemeinhin" die
Götter genannt? Wer also die Bezeichnung Götter ablegt, der steht über
der gemeinen Meinung der Unwissenden, so soll es uns zumindest erscheinen.
Dass Galotta den Göttern große Macht und Vollkommenheit zuspricht, zeugt
nicht von einem plötzlichen Sinneswandel oder gar einer
Götterfürchtigkeit! Selbst er, wohl einer der skrupellosesten Magi
unserer Zeit, kann nicht leugnen, was in so vielen Heldenepen, in den
Liedern der Barden und Skalden, in jeglicher Geschichtsschreibung
Aventuriens gar immer und immer wieder erzählt wird: die Wunder und damit
das direkte, überaus machtvolle Eingreifen der Götter in unser Leben.
"Über alle Zweifel erhaben ist Ihre Existenz, seien es nun
Die Zwölf, Der Ohne Namen, Rastullah, Herr des Sandes, Der Jaguar oder
auch Brazoragh und die Gottheiten der Orks."
Die Existenz der Zwölfe ist wahrlich über alles Zweifel erhaben, die
des Gottes ohne Namen wohl leider auch. Was die anderen Wesenheiten
betrifft, so ist auch dies wiederum ein genialer Kamelzug des Autors, denn
damit spricht er die Mitglieder der größten Glaubensgemeinschaften
Aventuriens an, was ihm auch Unterstützung bei einigen Novadis und
Urwaldmenschen einbringt. Der Wüstengott Rastullah wäre ein eigenes
Kapitel wert, doch möchte ich nur so viel sagen: Wie mir Meister Achmed
in seinen zahlreichen Einzelgesprächen klargemacht hat, muss der Gott der
Novadis tatsächlich eine gewisse Macht im Bereich der Wüste und an ihren
Randgebieten innehaben, doch würde es mir niemals einfallen, ihn auch nur
mit einem der Zwölfgötter gleichzusetzen. Über den Jaguargötzen der
Waldmenschen schweige ich lieber vollkommen, da ich primo keinerlei
Erfahrungen auf diesem Gebiet machen konnte et secundo, da sich jeder Gläubige
wohl selbst sein Bild über die barbarischen Zustände in den Wäldern des
Südens machen kann. Vollkommen unverständlich bleibt mir indes die Erwähnung
der Orkgötzen, welche ja wohl nie und nimmer als Götter anzusehen sind
und wohl auch kaum je ein Ork diesen Tractatus zu lesen fähig sein wird.
"Bezweifelt werden muss jedoch neuerdings die Macht, die diese
Wesen in unserer Sphäre, der der Sterblichen, besitzen."
Auch diese Formulierung ließe auf eine aventurienweite Zustimmung der
Anzweiflung der Macht der Götter schließen, die jedoch nicht vorhanden
ist.
"Lasset mich die Gründe anführen, die diesen Zweifel mit
Berechtigung erfüllen sollen!"
Nur zu, Herr Galotta, der Göttergefällige ist bereit ebendiesen
Argumenten mit wahrem Glauben und reinem Herzen entgegenzutreten!
adeptus minor Eborëus Zachariad
Fortsetzung folgt...
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 32 am 4.9.1999.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Tractatus betreffend die Natürliche & Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta - Partum II. |