Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels


 

Was ist Fantasy-Rollenspiel?
und: Was bringt es mir?

[ Ein ausführlicher Text über die Legitimation des Fantasy-Rollenspiels von Philipp Schumacher ist am Ende der Seite verfügbar... ]

Diese Frage wurde unter anderem bereits einem bekannten deutschen Fantasy-Rollenspiel-Redakteur gestellt. Zwischen ihm und der Journalistin, die ihn gefragt hatte, entspann sich daraufhin am Telefon sinngemäß folgender Dialog:

Redakteur: Haben sie schon mal Robin Hood gesehen?
Journalistin: Ja.
Redakteur: Dann stellen sie sich vor, sie wollen ihn interviewen, wissen aber nicht, wo er zu finden ist. Sie gehen durch den Sherwood Forrest und hören plötzlich ein Knacken im Gebüsch.
Journalistin: Dann gehe ich doch mal nachsehen, was da ist.
Redakteur: Sie finden niedergedrücktes Gras und an einem Ast ein Stück grünen Stoffs.
Journalistin: Dann will ich natürlich herauskriegen, wem das gehört. Sieht man irgendwo Fußspuren?
Redakteur: Jetzt haben sie gerade das erste Rollenspiel ihres Lebens gespielt.

Wohl jeder hat es schon einmal erlebt, dass die Hauptperson eines Buches oder Films an einer Stelle etwas getan hat, was man als falsch oder unstimmig ansah, so dass man am Liebsten selbst eingegriffen hätte, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. In einem Rollenspiel kann man genau das. Jeder Spieler stellt eine Rolle, eine Hauptperson mit bestimmten charakteristischen Eigenschaften und Fähigkeiten dar, und bestimmt selbst, was sie tut und wie sie reagiert. Diese Darstellung erfolgt nur durch Sprache, Mimik und Gestik, da das Spiel vollkommen auf Vorstellungskraft (und gelegentlich auf Hilfsmitteln wie Skizzen, Zeichnungen oder kleinen Spielfiguren) beruht. Als Regisseur, Kameramann und Darsteller sämtlicher Nebenrollen in einer Person fungiert der Spielleiter. Er kennt als einziger schon vorher das komplette Szenario, das er sich nämlich ausgedacht hat, und weiß, was im Groben passieren wird. Er beschreibt die Örtlichkeiten und Situationen, auf welche die Spieler zu reagieren haben möglichst genau und gut vorstellbar, damit sich jeder Spieler die ihn umgebende Situation plastisch vorstellen kann. So gibt er die Handlung des zu bestehenden Abenteuers vor.

Im Wesentlichen setzt sich ein Rollenspiel-System aus den zwei Komponenten „Spielwelt“ und „Regeln“ zusammen. Regeln sind nötig, denn es wäre langweilig, wenn den Charakteren der Spieler einfach alles gelingen würde, was sie sich vornehmen. Daher hat z.B. jeder Charakter bestimmte, in Zahlen ausgedrückte Eigenschaften, wie zum Beispiel Mut oder Körperkraft, auf die mit einem Würfel Proben abgelegt werden, die über Erfolg oder Misserfolg einer beabsichtigten Handlung, die diese Eigenschaft ansprechen, entscheiden. Die Regeln sollten eindeutig, ausreichend ausführlich, aber auch nicht zu komplex sein, um einen flüssigen Spielverlauf zu ermöglichen.
Die Spielwelt ist von (Rollenspiel)System zu System unterschiedlich, und zwar sowohl was die Genauigkeit der Ausarbeitung (das Spektrum reicht von einer groben Landkarte des Kontinents, Planeten oder Sonnensystems, auf dem gespielt wird, bis zu etlichen Heften mit Beschreibungen einzelner Gebiete, Städte oder Raumbasen) als auch den Inhalt (hier reicht das Spektrum vom Mittelalter über unsere Zeit bis zu fiktiven Zukunftswelten) anbelangt. Die vier wichtigsten Punkte sind jedoch bei fast allen Rollenspielsystemen beschrieben, nämlich das Land (also die geographischen Verhältnisse), die Bewohner (welche Bevölkerungsgruppen mit welchen Besonderheiten gibt es, z.B. Zwerge, Elfen etc.), die Geschichte (wobei man unter diesem Aspekt meistens auch die verschiedenen Mythen von der Weltentstehung findet) sowie oft auch die Magie (besondere Fähigkeiten, die von einfachen Tricks bis zu unerklärbaren magischen Phänomenen reichen).

Eines der besten Beispiele für eine solche fiktive Spielwelt, wie sie im Fantasy-Rollenspiel vorkommt, ist das Lesen eines Buches. Dort können wir unserer Phantasie und Kreativität freien Lauf lassen und uns die beschriebenen Helden selbst ausmalen. Wir konstruieren uns die beschriebene Handlung mit eigenen Bildern. Das stets genannte negative Gegenstück zum Buch ist das Fernsehen, denn dort lassen uns die Rahmenbedingungen (Bild und Ton sind vorgegeben) nicht so viel Freiraum für die eigene Kreativität wie beim Lesen. Deshalb ist auch der Unterschied für viele gut nachvollziehbar, den man spürt, wenn das gelesene Buch verfilmt wird, denn meist entsprechen die im Film dargestellten Helden und Situationen nicht den unsrigen, die wir uns beim Lesen vorstellten.

Eines jedoch bleibt sowohl beim Lesen als auch beim Fernsehen immer vorgegeben: die exakte Handlung. So wie sehr viele Menschen das Lesen über das Fernsehen stellen, weil es einem mehr Phantasie, mehr Vorstellungen, mehr eigene Kreativität lässt, so kann man auch das Rollenspielen in diesem Sinn betrachten und dieser Liste hinzufügen. Demnach käme zuerst das Fernsehen, das einem eine geringe Möglichkeit eigener Kreativität lässt, dann das Lesen, welches einem vor allem die eigene optische Vorstellung ermöglicht, und schließlich das Rollenspielen, bei welchem man sogar noch die Möglichkeit zum freien Handeln erhält.
So gesehen stellt also das Rollenspielen eine relativ uneingeschränkte Möglichkeit des Entwerfens und Konzipierens eigener Ideen dar, anhand derer man sehr gut die prinzipiellen Schwierigkeiten in der Anwendung eigener Kreativität aufzeigen, erklären, verstehen und nachvollziehen kann.

Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt des Rollenspiels ist die Frage nach dem Gewinner, die sich bei fast allen Spielen immer wie von selbst zu stellen scheint. Das Rollenspielen kennt an und für sich keinen absoluten Gewinner, also niemanden, der „vor den anderen“ gewinnt bzw. „hinter den anderen“ verliert. Man spielt nicht gegeneinander, sondern miteinander. In der Absicht der Spieler liegt nicht das Erreichen eines großen Ziels, sondern der Spielspaß auf dem Weg dorthin. Damit fördert Rollenspielen die Teamfähigkeit der Spieler und kommt ohne jeglichen Wettkampfcharakter aus.

Selbstverständlich setzt sich jeder Spieler kurzfristige Aufgaben für seinen Helden, die durchaus ein Ziel haben können, doch nachdem das Rollenspiel nie innerhalb einer Sitzung abgeschlossen werden kann (denn ein Charakter wird solange gespielt, bis der Spieler die Lust daran verliert bzw. der Charakter stirbt), bleiben viele Ziele ohnehin unerfüllt bzw. müssen verworfen werden. Oder aber - was oftmals der Fall ist - der Spieler sucht sich neue Wege, neue Spielweisen und ein anderes Verhalten um an das gesetzte Ziel zu gelangen. Auch dies ist eine der großartigen Möglichkeiten, die das Rollenspielen bietet: Lebensentwürfe, Einstellungen, Lösungswege können auf ihre Tauglichkeit hin geprüft und nach Belieben ausgelebt werden - und auch immer wieder verworfen werden.

Philipp Schumacher


Über die Legitimation des Fantasy-Rollenspiels von Philipp Schumacher
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