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In den Zeitaltern der Dunkelheit, noch lange vor dem Tag des
Erwachens, als der Kampf der beiden Giganten soeben zu Ende ging, da entstieg
das Volk der Zwerge dem Blute Syts und Aeons, und sie waren die ersten jener
Wesen, die heute die Welt bevölkern. Niemand weiß mehr, wie diese ersten Zwerge
damals ausgesehen haben, aber es steht zu vermuten, dass sie den heutigen
Zwergen nicht unbedingt glichen.
Gleich nachdem die Zwerge aus dem Blut der beiden Giganten entsprungen waren
(manche behaupten sogar es sei zur selben Zeit gewesen), da entsprang auch noch
eine andere Brut der Hitze des kochenden Blutes: die Drachen. Schon von jenen
frühen Tagen an herrschte Krieg zwischen den Zwergen und den Drachen, denn wo
die einen sich mühevoll ihren Weg über das damals durch den Kampf der Giganten
noch unfruchtbare Land suchen mussten, durch das immer noch Ströme von Blut
flossen, da konnten die anderen mühelos darüber hinwegfliegen.
Die Zwerge wanderten und wanderten, und sie durchquerten die ganze Welt, so
heißt es, stets auf der Suche nach einem Unterschlupf, der ihnen Schutz vor den
Drachen bot, die sie immerzu verfolgten und sich einen Spass daraus machten, die
Zwerge zu jagen und mit ihrem flammenden Odem zu versengen.
Es war gewiss kein leichtes Leben, das unsere Ur-Ahnen damals führten, denn sie
waren stets auf der Flucht, doch schließlich sollte es sich herausstellen, dass
die Drachen sich selbst ihren Untergang bereiteten, als sie die Zwerge aus
reinem Übermut durch das ganze Land jagten. Denn durch die ständige Angst vor
einem erneuten Drachenangriff aus der Luft, durch das andauernde Ducken und
Verstecken, bekamen die Zwerge untersetzte, kleine Körper, die es den Drachen
schwerer machten, die Zwerge zu entdecken. Und durch ihre langen Reisen durch
die ganze Welt, die damals noch leer und wüst war, bekamen sie kräftige Arme und
Beine. Und da sie während ihrer Reisen des Nachts der bitteren Kälte und unter
Tags dem Drachenfeuer ausgesetzt waren, wurden ihre Körper widerstandsfähiger
gegen die Kälte und die Hitze.
Weil sie aber durch die ganze Welt gereist waren, und nirgendwo an der
Oberfläche einen Ort finden konnten, der ihnen Schutz vor den Drachen bot, da
wuchsen ihnen allen Bärte ob ihres Grams und ihres Zornes auf die Drachen, und
sie gingen unter die Erde, da sie keinen anderen Ausweg mehr wussten. Dort
harrten sie viele Jahrzehnte lang aus, und die lange Zeit in den Tiefen der
Berge brachte ihnen einen stolzen und unhabhängigen Geist und einen Willen, der
durch nichts gebrochen werden konnte.
Erst als alle anderen Rassen aus dem Blute der Giganten entstiegen
waren, kamen die Zwerge wieder ans Tageslicht – so, wie wir sie heute kennen –
und da meinten alle anderen Völker, sie seien die letzten derer gewesen, die aus
dem Kampf hervorgegangen waren. Die Zwerge aber waren zu Bergleuten, Maurern,
Metallschmieden und hervorragende Steinmetzen geworden. Sie waren stark,
langbärtig und zäh, aber mit einer Körpergröße zwischen vier und fünf Fuß
ziemlich klein.
Einzig ihre hohe Lebensspanne von etwa zweihundertfünfzig Jahren verwunderte die
anderen Völker sehr, und sie alleine gibt heute noch Aufschluss darüber, dass
die Zwerge eigentlich die erste aller Rassen war.
(Philipp Schumacher, 2003)
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