Terra Magica Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels
Nuntius Magicus - Der Magische Bote

Die Chronik des gefallenen Schattens (II):
9. Woche des 2. Jahres

Lange starrte der jung anmutende Shadar auf die wenigen Zeilen der vor ihm aufgeschlagenen Seiten. Ein anderes Wesen wuerde Mitleid empfinden und nur um den Bibliothekar zu troesten, etwas erfinden. Nicht so Maorol, dessen Herz keine Gnade kannte und der sein Leben schon ehe es wirklich begonnen hatte bedingungslos in die Dienste seiner Herrin stellte. Doch aus einem anderen Grund zoegerte er, dem Alten die Wahrheit zu sagen, ihm einfach ins Gesicht zu sagen, dass er seine ewig waerende Strafe fuer nichts weiter als einige laecherliche, von Ironie triefende Zeilen ertragen musste. Erwartungvoll wendete der Nekromant seine augenlose Fratze dem Elbenkrieger zu. Dieser atmete langsm ein.... und aus..... ein... und aus...
Der Gesichtsausdruck des Gepeinigten wurde fragend, doch in Jahrhunderten des Wartens hatte er einiges an Geduld angesammelt.
Endlich atmete der Shirashal zum letzten Mal ein, ehe er zu Sprechen begann: "Alter Mann, welch greulicher Tat ihr Opfer wurdet, geht ueber mein Begriffsvermoegen...", der Tonfall des Kriegers hoerte sich ehrlich an, doch in seinem Verstand gab es keine Begriffe wie 'Mitleid' und das Grauen war schon immer ein willkommener Gefaehrte des Einzelgaengers gewesen. "Ihr muesst verstehen, dass es einiges an Gefahr birgt, euch aus eurem Buche vorzutragen... was wenn wir beobachtet werden? Doch keine Angst, ich werde euch helfen. So viel Leid kann ich nicht ertragen [der unbarmherzige Krieger suhlte sich im Leid seines Gegenuebers, doch seiner Stimme war nichts anzumerken, auszer Trauer]. Doch damit ich euch helfen kann, muesst auch ihr mir behilflich sein. So gebt mir den Schluessel zur verbotenen Bibliothek und ich werde euch aus eurem Buche vorlesen. Den Wachen koennt ihr erzaehlen, ich haette euch ueberweltigt. Sorgt euch nicht um mich, denn ich bin gewillt, welches Schicksal auch immer meine Herrin fuer mich vorhergesehen hat, ohne Klage auf mich zu nehmen...".
Noch einige Zeit verharrten die leeren Augenhoehlen des alten Bibliothekars starr auf den Elfen gerichtet. Keine Regung war in dem alten Koerper zu erkennen. Doch dann fuhr er schlieszlich mit seiner Hand langsam nach vorne, griff mit seinen knoechernen Fingern das dicke Buch und zog es zurueck zu sich. Immer noch starr auf den Shadar gerichtet begannen sodann seine alten Lippen sich zu bewegen und seine heiszere Stimme war erneut zu vernehmen: "So sei es denn junger Elf. Ihr waehlt den Weg, den ich euch ersparen wollte. Wendet Euch nach rechts und geht den Gang am Ende des Raumes entlang. Er fuehrt zum Eingang in die Bibliothek. Ich hoffe Ihr werdet Euer Versprechen bei Eurer Rueckkehr einhalten. So geht denn hin und lernet. Moege Euch die Finsternis begleiten."
Dann neigte der Alte erneut sein Haupt und schien wieder vergeblich im Buche zu lesen.
Langsam wandte sich Maorol in die angegebene Richtung und machte sich auf den Weg zur Bibliothek. Der Raum in dem er sich befand war bis auf den Tisch mit dem Bibliothekar vollkommen leer, nur schwarze Taefelungen aus Ebenholz verkleideten die hohen Waende. Die Schatten der Finsternis huellten auch diese Raeume, wie alles in Terrenor in duestere Schatten, so dass man nicht bis ganz an die hohe Decke sehen konnte und immer wieder glitten Schatten ueber das Holz der Waende, als waere wahres Leben in ihnen. Doch wahrscheindlich war es nur die Kerze des Bibliothekars, die die Umgebung seltsam fluktuieren liesz.
Schliesslich oeffnete sich am Ende des Raumes ein breiter Gang. Die marmornen Waende des Ganges waren voellig glatt, so auch der Boden und die Decke. Beinahe totale Dunkelheit herrschte nun hier, da kein Fenster mehr zur Auszenwelt vorhanden war, das noch etwas Licht ins Innere bringen konnte. Doch der Schattenelf war die Dunkelheit zu Genuege aus den heimischen Waeldern gewohnt und konnte so seinen Weg ungehindert fortsetzen. Ewiglich schien sich dieser Gang zu ziehen und bald wusste der Elf nicht mehr wie lange er schon unterwegs war, wenn auch das Gefuehl ihn nicht loslassen wollte, als muesste er laengst angekommen sein. Und just im selben Augenblick da er diesen Gedanken fasste, erschien vor ihm ein riesiges Tor.
Weit standen die beiden schwarzen Torflügel offen und tiefe Schwaerze und eisige Kaelte stroemten von den dahinterliegenden Raeumen auf den Elben zu. Links und rechts neben dem uebermenschlich groszen steinernen Torbogen erhoben sich riesige silberne Statuen, Abbilder wohl maechtiger Magi, was an den wallenden Roben zu erraten war, die sie trugen. Beide hielten sie in der einen Hand einen langen geraden Stab, der sich in der Mitte ueber dem Torbogen mit dem jeweils anderen kreuzte und in der anderen zwei gewaltige Buecher aus schwarzem Metall.
Ihre Gesichter jedoch wandten sie sich nicht gegenseitig zu. Beide blickten sie mit ihren silbernen Antlitzen hinaus in den Gang, aus dem der Elf gekommen war, ganz so, als wuerden sie jeden der ankam fruehzeitig erblicken wollen.
Noch einige Zeit betrachtete der junge Shirashal die seltsamen, wenn auch wunderschoenen Statuen, als er sich schieszlich entschloss, seinen Weg fortzusetzen. Nun begann er sich erneut zu bewegen und durchschritt vorsichtig das riesige Tor. Beinahe als wuerde er sich etwas anderes erwarten, stellte er fest, dass nichts geschah als er das Tor durchschritten hatte.
So setzte er seinen Weg, nachdem er sich noch einmal nach hinten umgeblickt hatte endlich fort. Wieder befand der Shadar sich nun in einem steinernen Gang, jedoch im Gegensatz zu den Raeumen vor dem Tor war es hier nun wirklich so finster, dass selbst der Albe seine Hand kaum vor den Augen sah. Langsam tastete er sich den Waenden entlang weiter, bis er sich schlieszlich mehr und mehr an die Finsternis gewoehnte und zumindest schemenhaft seine Umgebung erkannte. Der Gang hatte sich inzwischen eingeengt und war kaum mehr so breit, dass zwei Menschen nebeneinander gehen konnten. Dafuer war er immer noch so hoch, dass man die Decke nicht erblickte. Wieder schien es Ewigkeiten zu dauern in denen der Gang immer geradeaus verlief. Einige male jedoch kam der Shadar an kleine Treppen die ihn einmal nach oben dann wieder nach unten fuehrten und schlieszlich, nach langer Zeit oeffnete sich der schmale Tunnel und vor dem Suchenden erschloss sich ein kleiner runder mit Natursteinen ausgekleideter Raum. Auf der anderen Seite des kleinen Raumes waren zwei weitere Torboegen, die wiederum in verschiedene Gaenge fuehrten. In der Mitte des Raumes erhob sich ein steinernes Podest. Darauf lag ein silberner Dolch und ein geoeffnetes Buch. Wieder war das Buch leer bis auf einen Satz auf den aufgeschlagenen Seiten.

Der Strom, der Euch leitet, muendet nicht,
hat keinen Quell, ist ohne Licht,
flieszt immer zu, niemals er steht,
solang ein Menschenleben geht.

Fyr Ashmor


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