Terra Magica Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels
Nuntius Magicus - Der Magische Bote

Die Chronik des gefallenen Schattens (IV):
11. Woche des 2. Jahres

Nachdem Maorol meditiert hatte nahm er ein weiteres Mal den Dolch und versuchte so vorsichtig wie moeglich in seine Fingerspitze zu stechen. Und tatsaechlich gelang es ihm seinen Finger nur fuer einen Bruchteil einer Sekunde mit der Spitze der Klinge zu ritzen und diese dann wieder fortzuziehen. Dennoch verspuert er wieder hoellische Schmerzen und es wurde ihm erneut kurz schwarz vor Augen, aber er konnte sich diesmal schneller als zuvor wieder erholen. Als er auf den Dolch blickte erkannte er etwas seltsames. Dieser zeigte auf keines der beiden Tore, sondern auf die geschlossene Wand daneben. Unschluessig naeherte sich der Shirashal dieser Wand und beruehrte sie. Im selben Moment hoerte er ein lautes Knarren und die Wand schwang einer Tuer gleich auf und gab einen Gang frei.
Langsam trat Maorol in den Gang und schritt schwer atmend voran, denn mehr und mehr machte sich die Erschoepfung und der Blutverlust bemerkbar. Als er wenige Minuten lang gegangen war oeffnete sich der Gang wieder, jedoch diesmal in eine weite hohe Halle. Wie ueberall hier war auch diese Halle beinahe voellig dunkel und man konnte auf Grund ihrer Groesze weder die Decke noch die Waende erkennen. Alles was Maorol sah war ein schwaches Licht direkt vor ihm am anderen Ende des groszen Raumes. Vorsichtig ging er durch die dunkle Halle auf das Licht zu, bis er vor Schrecken zitternd erkannte, was er nicht zu erkennen geahnt haette.
Direkt vor ihm war ein einzelner kleiner Holztisch auf dem eine weit herabgebrannte Kerze stand und direkt dahinter sasz der Bibliothekar. Maorol wurde klar dass er wieder in der Eingangshalle der Bibliothek war, eben der von der aus er gestartet war.
Als spuerte der Bibliothekar die Ankunft des Shadar hob er sein Haupt und Maorol meinte ein seltsames Grinsen in dem alten Antlitz zu sehen.
"Ihr seid also tatsaechlich zurueckgekehrt junger Elf. Beinahe hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet. Wie unwahrscheinlich. Habt ihr denn die Weisheit gefunden, die Ihr suchtet?" Wieder vermeinte Maorol ein Grinsen im Gesicht des Alten zu erkennen. "Wie dem auch sei junger Elf. Ich denke Ihr seid mir etwas schuldig. Doch ihr seid ein mutiger kleiner Mann, Maorol. Auch wenn ich es nicht verstehe, so ist etwas an Euch das mir Gefallen bereitet. So will ich Euch vor eine Wahl stellen.
Ich gebe Euch hiermit die Möglichkeit die Bibliothek zu verlassen. Rechts von mir befindet sich der Ausgang. ich spuere wie schwach Ihr noch seid und dass Ihr viel geben musstet um wieder hierher zrueckzugelangen. Verlasst diesen Ort und die Sonne wird Eure Wunden heilen und was ihr gesehen habt soll fuer immer unter uns beiden bleiben... Andererseits waere da noch das Versprechen das Ihr mir schuldig seid." Langsam schob der Bibliothekar wieder sein Buch in Richtung des erstaunten Shirashal. "Lest mir vor was in dem Buch geschrieben steht. Doch diesmal bezahlt dem Buch etwas damit es Euch an seinem Wissen teilhaben laesst, oder Ihr wedet wieder die selbe, fast leere Seite sehen wie beim letzten Mal, da ihr einen Blick darauf geworfen habt."
Langsam griff der Bibliothekar neben sich unter den Tisch und zog einen silbernen Dolch hervor, den selben wie der, den Maorol bereits mehrfach benutzt hatte, und reichte ihn dem Dunkelelben.
"Nun entscheidet Euch Elf. Loest Euer Versprechen ein und gebt dem Buch von Eurem Blut um mir die ersehnten Seiten vorzulesen oder verlasst die Bibliothek und kommt nie wieder hierher zurück."
Lange Zeit verharrte der Krieger... voellig Regungslos und tief in Gedanken versunken...
Langsam nahm Maorol schlieszlich den Dolch in seine Haende und blickte ein letztes Mal auf die scharfe Klinge, ganz im Wissen, dass dies die letzte Tat sein koennte die er jemals vollbrachte.
Dann nahm er all seinen Mut und schnitt sich mit dem Dolch in die Handflaeche. Langsam tropfte sein Blut herab auf die geoeffneten leeren Seiten des groszen Buches. Ewig schien der erste Tropfen zu fallen. Doch dann mit einem Donnerschlag, der die Welt um Maorol erzittern liesz, schlug er am Papier des Buches auf. Langsam zerfloss es auf den pergamentenen Seiten und im selben Augenblick erschienen tiefrote Lettern in alter Schrift. Immer mehr wurde sichtbar, bis sich schlieszlich die gesamten Seiten mit diffusen Schriftzeichen gefuellt hatten.
Mehr und mehr Blut liesz Maorol auf die Seiten herniederfallen, bis sein Mund schlieszlich wie von selbst begann, in einer fremden Sprache zu rezitieren.
Maorol sah wie sein Gegenueber zu lachen begann, als es die Worte hoert, die aus Maorols Mund entsprangen und die Augen des Bibliothekars begannen ploetzlich in strahlendem Gruen zu leuchten. Immer euphorischer erklang die Stimme des Shadar und je mehr er von sich gab, desto klarer wurden ihm selbst die Worte, die aus seinem Mund erstrahlten. Mehr und mehr begann er sie zu verstehen und vor seinen Augen fingen die Schriftzeichen an sich erneut zu veraendern, sie konfluierten, bildeten geometrische Konstrukte, komplexeste Vielsterne, immer neue Lettern und neue Sprachen. Da erkannte Maorol, dass all das Wissen der Welt in diesem Buch geschrieben stand und in Sekunden erkannte er die tiefsten Geheimnisse der Wissenschaft, der Magie, ja des Lebens. Immer tiefer drang er mit seinem Geiste in das Geschriebene vor und immer komplexer wurden die Zeichen und Figuren, die sich staendig wandelnd vor seinen Augen erschienen.
Dann jedoch, gerade als Maorol glaubte das letzte Verstaendnis der Welt erkannt zu haben, die Schoepfung gar zu erleuchten, umfing ihn ein seltsamer Schwindel und seine Gliedmaszen, sein Torso und sein Kopf begannen in unertraeglicher Weise zu schmerzen. Die Lettern und Figuren zerflossen vor den Augen Maorols, so wie der ganze Raum in all seinen Strukturen mehr und mehr an Existenz zu verlieren schien.
Immer verschwommener wurden die Schriften vor des Alben Augen, als er meinte etwas neues darin erkennen zu koennen. Ein Bild. Das Abbild einer Frau. Sie kam ihm bekannt vor, vertraut...Cryl Jala. Wundersam war das ebenmaeszige Gesicht der Koenigin anzusehen wie es von den Seiten des Buches bis in den Geist Maorols strahlte. Liebliche Cryl Jala... doch nein... erneut veraenderte sich das Bild und Cryl Jala machte einer anderen Wesenheit platz. Da begann das Wesen seine Lippen zu bewegen und aus der Unendlichkeit strahlten seine Worte zu Maorols Geist und umhuellten ihn. Niemals zuvor hatte er die Sprache vernommen die es sprach und dennoch verstand er jedes Wort.

"TEMPUS MORIENDI - nun ist es Zeit zu sterben."

Dann liesz Maorol sich fallen und voellige Dunkelheit umhuellte seine Sinne. Doch er kannte weder Furcht noch Trauer, denn er wusste, dass er die Wahrheit der Welt erblickt hatte. Sein Geist floss dahin...

Fyr Ashmor


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