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Nuntius Magicus - Der Magische Bote |
Dämonen in der Nacht (Teil 2) 50. Woche des 3. Jahres Bleierne schwere Dunkelheit umfängt den Jungen. Ein Hämmern in den
Schläfen, ein Dröhnen in den Ohren, blau-weiße Funken vor den Augen:
das ist das Einzige, was Jhek von der Welt erlebt, als er sich aus dem
magischen Schlaf herauskämpft. Wie Meeresrauschen dringen Geräusche
völlig ohne Zusammenhang in sein Bewusstsein. Langsam erkennt er
dunkle und helle Flecken, Schemen im Schwarz. Aus einer Richtung
scheinen mehr Geräusche zu kommen als aus den anderen...
"Der Junge wacht auf, Ephraim. Was sollen wir mit ihm machen?"
"Uns bleiben nicht viele Möglichkeiten offen. Wir können nicht
wissen, was er alles mit angehört hat. Wir müssen seines Schweigens
gewiss sein. Du weißt, viele Fraktionen an dieser Sache interessiert
sind."
"Was willst Du tun? Ihn umbringen? Wir sind nicht mehr in den alten
Zeiten, früher hätte hier keiner gezögert... Ein junger Bursche,
wahrscheinlich unberührt... Das ist in einigen Dingen viel wert..."
"Richtig, heute sind diese Praktiken nicht mehr so gern gesehen,
selbst bei einer Beschwörung, wie sie Shantus nun vorhat. Uns
bleibt wie gesagt nicht viel über. Wir können nicht riskieren, daß
er plaudert, wir müssen ihn mitnehmen."
"Bist Du verrückt? Das wird ihn nicht umbringen, das wird ihn
vernichten. Mann, das ist keine gewöhnliche Magie, von der Du da
redest. Das ist gefährlicher für ihn, als wenn ich ihn auf der
Stelle erwürge!"
"Fällt Dir was besseres ein? Willst Du ihn unbeaufsichtigt in Deiner
Zelle lassen? Ihn in Deinem Labor einsperren? Da kannst Du gleich
selbst in die Küche gehen und jedem erzählen was morgen geplant
ist!"
"Damit bin ich nicht einverstanden, Ephraim."
"Fällt Dir eine bessere Lösung ein, Tugon?"
"... nein."
"Also dann."
und wieder wird es schwarz um den Jhek, der einmal ein einfacher
Küchenjunge gewesen war...
Die beiden Adepten bringen den bewusstlosen Jungen in einen Abstellraum
in den Kellern der Akademie. Das einzige Fenster blickt auf einen
Innenhof und graues Tageslicht beleuchtet ein Sammelsurium von
Vorratskisten und Fässern. Sie legen den Küchenjungen auf einen
Jutesack in einer Ecke und Tugon stellt einen Tonkrug mit Wasser
daneben. Sie stecken die Köpfe zusammen und man hört das eine oder
andere hitzige Wort zwischen den beiden, als sie den Raum
verlassen. Ein Schlüssel knirscht im Schloss und ihre Schritte
verklingen im Korridor.
Nach einiger Zeit wacht der Junge abermals aus seiner magisch
herbeigerufenen Bewusstlosigkeit auf. Er versucht, den Kopf zu heben,
fällt aber sogleich mit einem Stöhnen zurück. Ein metallener Geschmack
klebt in seinem Mund und er muss sich fast übergeben. Jhek atmet tief
durch und versucht, den Brechreiz zu kontrollieren. Sein Kopf
schmerzt; die vor dem Kellerfenster vorbeieilenden Schritte dröhnen
wie Hammerschläge in seinem Kopf. Einige Zeit später versucht er
erneut, sich aufzusetzen und hat Erfolg, obwohl ihm noch immer sehr
schwindlig ist. Er sieht den Wasserkrug neben sich und stürzt den
Großteil seines Inhalts in wenigen Schlucken hinunter. Die nächste
Stunde verbringt Jhek damit, aufzustehen und zu bemerken, daß er
eingesperrt ist.
Er taumelt zum Kellerfenster hinüber und überlegt, ob er um Hilfe
rufen soll. Als er jedoch die vielen Adepten im Innenhof vor dem
Kellerfenster bemerkt, bleibt er still.
Ein seltsamer Innenhof ist das, selbst für eine
Magierakademie. Glitzerndes Metall zieht sich in Bändern durch den
Boden und die Wände des Hofes. Silbern schimmernde Symbole und Zeichen
sind in die Bänder eingelassen. Die Steine des Hofs -- allesamt
schwarz -- glänzen an manchen Stellen, an anderen sind sie ölig,
rauchig oder sehen aus, als hätten sie Blasen geschlagen. Jhek hat
eine Tafel über magische Gesteinsarten gesehen und kann einigen sogar
Namen zuordnen: Basalt, Onyx und Obsidian. In der Mitte des Hofs
erhebt sich eine glänzende Ausbuchtung des Bodens, vielleicht
ebenfalls aus Stein. Fratzen und Gargylen sind in den Block
geschnitten und zeigen qualvoll verzerrte Gesichter.
Die Adepten sind überall. Einige polieren ein paar Steine mit
rauchenden Flüssigkeiten. Andere sind konzentriert über eines der
Metallbänder gebeugt, Augengläser auf komplizierte Symbole
gerichtet. Dort drüben steht einer, der mit seinem Stab und einem Wort
einen Basaltblock zum Schmelzen bringt und dann mit bloßen Händen den
kochenden Stein in neue Form bringt. Ein anderer erzeugt kunstvolle
Muster auf dem Boden, indem er vorsichtig weißen und schwarzen Sand
aus seinen Händen rieseln läßt. Dort wo der Sand auf den Boden trifft,
steigt kurz Dampf auf, und das Muster brennt sich in den
Stein. Überall stinkt es nach Schwefel und fast scheint sich der Boden
zu bewegen, so sehr wird er gleichzeitig von vielen Händen in neue
Formen und Funktionen gepresst.
Überall finden Diskussionen statt, manche streiten, doch alle scheinen
ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Irgendetwas Großes wird hier
vorbereitet. Nur ranghohe Adepten und Meister sind hier und das
beunruhigt den jungen Beobachter in seinem Kellerloch sehr. Er will
nicht hier sein. Alles, was so viel Aufmerksamkeit und Konzentration
und schiere Willenskraft erfordert, ist nach Jheks Erfahrung sehr
gefährlich. Noch gefährlicher scheint es ihm allerdings, auf sich
aufmerksam zu machen, und so bleibt er leise und schaut gebannt dem
Spektakel im Hof zu.
Reich der dunklen Sonne
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