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Nuntius Magicus - Der Magische Bote |
Der Kampf auf der Brücke 15. Woche des 4. Jahres Mit einem roten Schimmer durchbricht die Sonne die Wolkendecke an diesem schönen Vormittag in Rashum. Eine seltsame Schar aus den unterschiedlichsten Völkern Terras hat vor der Brücke gen Süden, welche nach Ardar führt, ihr Lager aufgeschlagen.
Manche von ihnen haben bereits selbst versucht, die gut bewachte Brücke zu überqueren, andere sind erst durch den lautstarken Streit zweier ungleicher Wesen hierher gelockt worden, der seit den frühen Morgenstunden tobt:
Wilfanan, der Erste Ritter des Kaisers, sitzt hoch auf seinem edlen Ross. Sein Schuppenpanzer spiegelt das Licht der Sonne und wirft zahlreiche Strahlen in alle Richtungen. Er hat den Platz mitten auf der Brücke eingenommen, wo er mit gesenkter Lanze jeden am Überqueren zu hindern gedenkt, der sich dem Befehl des Kaisers widersetzt.
Ihm gegenüber steht Trollpatsch, einer jener mächtigen Kriegstrolle, die den Zwergen in so mancher Schlacht bereits zur Seite standen. Seine Haut scheint aus Stein und seine Augen glühen rot, als er langsam auf den Ritter zuschreitet - vollkommen unbewaffnet.
Angespannte Stille legt sich über den Platz vor der Brücke, lediglich das nervöse Tänzeln und Schnauben des Schlachtsrosses Wilfanans ist gelegentlich zu hören. Worte haben die beiden Kontrahenten nun genug gewechselt, beide bindet sie ein heiliger Eid an ihre Pflicht: Der eine, weil er seinem Kaiser Treue geschworen und einen unmissverständlichen Befehl erhalten hat, der andere, weil er dem Kaiser nach Ardar folgen muss, da ihm die Ahnengeister diese Aufgabe zugewiesen haben und von seinem Erfolg oder von seinem Scheitern das Schicksal des Kaiserschwertes abhängt. Im Grund genommen dienen sie beide der gleichen Sache.
Nur mühevoll hält Wilfanan sein Ross unter Kontrolle, das, je näher der Troll herankommt, immer unruhiger wird und den Kopf hin und her wirft. Trollpatsch beschleunigt seinen Schritt und wird nun immer schneller. Als er den Anfang der Brücke erreicht, erzittert diese unter der Last seiner stampfenden Schritte. Wilfanan senkt seine Lanze und richtet sie direkt auf den Kopf des Trolls - noch immer hofft er, dass dieser rechtzeitig stehen bleiben würde.
Doch Trollpatsch wird immer schneller. Die ganze Brückenkonstruktion ächzt unter der Last und die umstehenden Beobachter können sehen, wie die ersten keinen Steinsbrocken auf der Unterseite hinabfallen.
Dann ist der Troll heran, und ohne seine Geschwindigkeit auch nur für einen Moment zu verlangsamen, fegt er mit seinem linken Arm die Lanze des Ritters beiseite. Wilfanan hält mit aller Kraft dagegen, und die Lanzenspitze schrammt über die linke Schulter des mächtigen Trolls und reißt dort eine kleine Wunde - viel zu klein eigentlich, denkt Wilfanan. Offensichtlich scheint die Steinhaut des Trolls diesen gut zu schützen. Weitere Gedanken zu dieser Sache kann der Ritter nicht mehr fassen, denn der freie, rechte Arm des Trolls schnellt vor, direkt auf den Ritter zu und fasst diesen am Hals. Mit ungeahnter Kraft hebt Trollpatsch Wilfanan von seinem Ross. Die Lanze fällt dem Ritter aus der Hand, während das Pferd nun wiehernd das Weite sucht.
Trollpatsch zieht - wie er es immer tut, wenn er einen leichteren Gegner wie einen Menschen zappelnd in der Luft hält - ruckartig seinen Kopf zurück. Dieser Mensch ist zwar außergewöhnlich schwer, denkt er sich, doch das kann den Troll nicht beeindrucken. Unvermittelt und mit voller Wucht lässt er seinen Kopf auf den des Ritters niedersausen. Zu spät kommt ihm der Gedanke, dass die Schwere seines Gegners wohl von der Metallrüstung herrührt, zu der selbstverständlich auch ein Vollvisierhelm gehört. Krachend prallt Trollpatschs Kopf vom Metall des Helms ab und Blut rinnt ihm von der Stirn herab und verschleiert seinen Blick. Taumelnd schwankt er ein paar Schritte zurück und lässt den Ritter zu Boden fallen.
Wilfanan zögert keinen AUgenblick. Geschickt reißt er sein Schwert aus der Scheide und ein wahrer Hagel von gut plazierten Schlägen prasselt auf den immer noch benommenen Troll ein. Auch wenn das Schwert nur schwerlich durch die massive Steinhaut des Trolls dringt, so fügt es ihm doch etliche kleinere Wunden zu...
[...]
Die milde Abendsonne versinkt hinter den Bergen in der Ferne, und die Wärme des Tages weicht der Kühle der Nacht. Die Gestalten aus vieler Herren Länder am Platz vor der Brücke haben sich in ihre Zelte und zu ihren Lagerstätten zurückgezogen. Hin und wieder ist ein metallisches Klirren von der Brücke zu hören, dann ein Schmerzensschrei und ein Keuchen. Doch die meiste Zeit ist es relativ still. Gerade blickt ein Neugieriger aus seinem Zelt heraus und in Richtung der Brücke. Aus dem Inneren des Zeltes ist eine rauhe Stimme zu hören: "Heda, Torben, haben die beiden denn immer noch nicht genug?" Der Angesprochene kneift die Augen ob der aufkommenden Dunkelheit zusammen und späht auf die Brücke, dann meint er: "Ich denke nicht, dass sie genug haben, aber ich kann zumindest keinen Kampfeslärm mehr hören." "Ist ja nicht möglich", ist der Kommentar, der aus dem Zelt zu hören ist, gefolgt von zahlreichen Lachern. "Ich glaube sogar", meint der außerhalb des Zeltes stehende Torben, "dass die beiden tot sind."
[...]
Noch in der selben Nacht werden die beiden Kontrahenten von einigen Fürsorglichen von der Brücke geschleppt. Beide atmen noch, doch sie sind nicht mehr fähig, auch nur noch ein einziges Wort von sich zu geben, geschweige denn sich zu bewegen. Doch als sie Seite an Seite, jeder auf eine Bahre gelegt, in Richtung der Zelte getragen werden, sieht man tiefsten Respekt füreinander und vielleicht sogar so etwas wie Freundschaft in ihren Augen aufglimmen.
Domron Okosch
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