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Nuntius Magicus - Der Magische Bote |
Träume der Eisnacht 32. Woche des 1. Jahres Die endlosen Weiten der Tundra glühen sanft in den letzten Strahlen der Sonne. Im immer schwächer werdenden Abendlicht spielt ein kleines Mädchen mit einem jungen Rentier, ganz versunken in die Welt um sich und mehr Teil dieses Ganzen als sonst ein Wesen. Nebel ziehen auf, denn schläfrig wird sie nun und es sollen alle wohlbehütet im Mantel des Nebels ruhen dürfen so auch sie, so lenkt sie ihre Schritte zu den Fjorden wo das Meer glatt wie ein Spiegel ruht und die Schwärze der Nacht in der Ferne überhand zu nehmen scheint. Als sie sich erhebt, spürt sie nebst sich etwas was sie nie zuvor verspürt hatte. Etwas nähert sich was dem entspringt woher auch sie kommt, doch ein eigner Wille dem zueigen. Da erkennt sie auf der Hügelkuppe vor sich im letzten Gegenlicht die Silhouette eines Wolfes. Das gut mannshohe Tier beginnt, sich langsam auf das Mädchen zuzubewegen, und da erkennt es, daß sein Fell tiefschwarz ist, mit einem schneeweißen Streifen, der auf der Stirn beginnt und sich über den Nacken bis auf den Rücken erstreckt. Ruhig und Sanft bleibt sie, denn obgleich ein Mädchen ist sie furchtlos und selbst Drachen und Stählerne Titanen verfallen ihrem Reiz. Ruhig erwartet sie den gewaltigen Räuber, denn tief in ihrem Inneren spürt sie, daß ihr keine Gefahr droht, sie kennt dieses Wort nicht.
Je näher der Riesenhafte Wolf schreitet, umso stärker wird das Gefühl der Verbundenheit. Und stärker wird auch was sie mit dem Geiste wahrnimmt als sich der Wolf nähert.
Und dann erkennt sie, dass es mitnichten ein Wolf ist, das Wesen vor ihr, sondern vielerlei Gestalten hat, doch ihr Inneres Auge sieht Ihn als einen großen Mann mittleren Alters mit schneeweißem Haar. Er macht den Eindruck von geschmeidiger Kraft, und ihn umgibt eine Aura von unterdrückter, doch bedeutender Macht. Ruhig und bedächtig, doch von innerer Wildheit erfüllt, all das was sie am Norden so liebt. Die dunklen Augen welche sich Ihrer voll und ganz widmen, lassen ihn erscheinen wie einen väterlichen Freund, einen Bruder von weit größerem Alter wie sie es ist.
In der beiden Geiste erschallten nun die Worte der Jungen Göttin.
"Gilga ist mein Name". Gilga, mit diesem Namen schwingen tausenderlei Bedeutungen mit, doch alle sagen sie nur eines, sie ist verbunden mit dem Norden und all seinen Facetten. So öffnet sie sich dem Wilden, denn Scheu kennt sie nicht, sie ist das reine Wesen des Nordens, von ewig jungem Leben, von Reinheit und Ruhe ergriffen und so kindlich wie es sonst in keinem Gotte möglich scheint. Und wie ein Kind so ist, ist all die Macht die sie besitzt nichtig, denn um sie herrscht Ruhe und so auch zu dem Wesen welches vor ihr verharrt.
Ohne einen Laut von sich zu geben dreht der Wolf ihr die Seite zu und sieht sie an. Einer plötzlichen Eingebung folgend legt sie ihm die Hand auf die Schulter und klettert auf seinen Rücken. Hiernach beginnt der Wolf seinen Lauf. Immer schneller eilt er dahin, und das Mädchen krallt sich in seinem Nackenhaar fest, um nicht herunterzufallen. Lautlos zieht die Landschaft unter ihnen dahin, schneller selbst als ein Drache fliegen könnte. Über windgepeitschte Klippen und durch schneebedeckte Wälder, über Tundren und gletscherzerfurchte Berge, über Eis und Schnee, an Mammut- und Rentierherden vorbei geht die Jagd. Noch nie zuvor hatte sie ein solches Gefühl der Freiheit verspürt... dann bemerkt sie ein neues Gefühl... ein erhebendes Gefühle... das überwältigende Gefühl, auf der JAGD zu sein.
Und dann versteht sie. Dies alles ist eins, der Norden, seine Stürme, Pflanzen, Tiere, die Nordmannen und auch sie selbst. Geschaffen von Wind und Meer und Frost. Das junge Rentier, mit dem sie zuvor gespielt hat... es ist ein Teil von ihr, der ebenso respektiert werden muß wie alle anderen Teile... doch sie weiß nun auch, daß sie Jäger ist und es Beute, und daß auch dies ein Teil des Ganzen ist...
Im ersten Glanz des Morgengrauens stehen sie auf einer hohen Klippe und blicken hinaus über die sturmgepeitschte See. Eisschollen durchsetzen das aufgewühlte Wasser.
"Bruder?"
Und dann hört sie eine Stimme in ihrem Kopf, leise, doch mit einem kraftvollen Unterton.
'In gewisser Weise bin ich auch das. Ich habe viele Namen. Der Geist des Nordwinds, Fürst der Wölfe, der Eisige Jäger werde ich genannt, auch Herr des Nordens. Einst war ich Tures Seneschall, und nun achte ich auf seine Kinder.'
'Du suchst Antworten, und weder Drachen noch südliche Eiferer können sie dir geben. Weil sie nicht Teil von uns sind. Weil sie nicht verstehen. Der Sturm ist grausam, doch er bringt uns ans Ziel. Die See ist launisch, doch nährt sie uns auch. Die Kälte ist tödlich und uns Schutz zugleich. Der Norden ist in jedem von uns, und wir sind sein Abbild.'
Noch lange Zeit dauert das stumme Zwiegespräch, und erst als schon die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont funkeln, setzt der Wolf das Mädchen wieder an der Stelle ab, an der sie ihn getroffen hatte. Dann dreht er sich um und verschwindet so lautlos wie er gekommen war. Als sich Gilga ein letztes Mal umdreht, vermeint sie gegen die aufgehende Sonne wieder die Gestalt des Weißhaarigen zu erkennen, die Hand zum Gruß erhoben. Dann ist sie wieder allein.
Nachdenklich geht sie auf das Dorf zu. Die fremden Einflüsterungen würden ihr nun nichts mehr anhaben können.
Des Wolfes Herz hat sich ihr geöffnet und sie weiß nun auch wer er ist, denn er ist dasselbe wie sie, ein Teil des Nordens und angehörig der Gesamtheit seiner Schönheit. Keine Fragen hat sie nun mehr.
Sie weiß nun, wer sie ist und wo ihr Platz ist...er hat sie erkennen lassen, was sie tief im Inneren immer schon wusste, denn ihr Herz ward ergriffen davon.
Von der Wildheit und Reinheit des Nordens.
Hüter des Gleichgewichts
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