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Durische Postille |
FFV: Grundsatzrede zur Lage des Reiches 18. Woche des 1. Jahres Ausschnitt aus dem Reichsblatt:
Fürstköniglich Faldûranische Volkszeitung
politisch - patriotisch - pflichtgetreu
(herausgegeben durch die Zentralconsiley für Preßangelegenheiten im Herbst 1111 AID im 3. Jahre der ersprießlichen Herrschaft seiner fürstköniglichen Majestät, Ettel XII. von Falkensteyn zu Falderath)
Fürstkönig hält Grundsatzrede zur Lage des Reiches:
„DIE SICHERHEIT DER REICHSGRENZEN MUSS WIEDERHERGESTELLT WERDEN“
Nach der unerwarteten Eskalation der Homber-Krise in den zurückliegenden Wochen hielt nun Fürstkönig Ettel XII. von Falkensteyn vor dem einberufenen Kronrat eine vielbeachtete Rede zur Lage des Reiches. Das brutale Vorgehen des Zwergenstammes von ‚Zharr’ Moroth’, welches zuletzt in der Ermordung eines hohen kirchlichen Diplomaten gipfelte, führte zu deutlichen Mahnworten seiner Majestät: Militärische Maßnahmen seien für Sicherung der Grenzen unabdingbar geworden.
Falderath – Lange hatten die politischen Beobachter der Kapitale auf diesen Moment warten müssen, nun vollzog er sich mit einem Paukenschlag. Der fürstkönigliche Kronrate, welcher schon vor Wochen aufgrund des schwelenden Konflikts mit den Sichelzwergen des Stammes ‚Zharr’ Moroth’ einberufen worden war, kam nun in der zurückliegenden Woche zusammen, um über die Geschicke des Reiches zu beraten. Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, wie mit dem unberechenbaren Nachbarn im Osten des Reiches umzugehen sei, der sich seit Monaten diplomatischen Unterredungen verweigert und Anlass für zahlreiche Irritationen gegeben hatte.
„Es fing alles vergleichsweise harmlos an“, fasste Kronratsoberreferentin Ettilia Holzschuh die Ereignisse im Eingangsvortrag zusammen: „Man versicherte sich gegenseitig, friedliche Absichten zu hegen und an stabilen, vertrauensvollen Beziehungen interessiert zu sein.“ Doch die Maske der Friedfertigkeit, mit denen der von einem dubiosen ‚hohen Rat’ geführte Stamm während der Initialunterredungen seine unfriedlichen Absichten bemäntelte, zerbröselte bald angesichts des immer rücksichtsloseren Vorgehens des Zwergenvolkes. Neben den bekannten Vorfällen in Homber (die FFV berichtete), brachte Referentin auch andere Beispiele für das rigorose Vorgehen der Zharr’ Morothaner: „Ich erinnere an die Grafschaft Sichelforst: In unerwarteter Heimtücke täuschten die Zwergenkrieger des besagten Stammes vor, friedliche Kundschafter ihres Volkes zu sein, um dann in einer Nacht-und Nebelaktion den rechtmäßigen Reichsvogt abzusetzen und sich der Grafschaft zu bemächtigen!“
Seine hohe Exzellenz Durhelm von Artas-Schmeyen, Reichsconsiliar für Diplomatie und Postwesen, richtete in seinem Vortrag die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf jüngste Berichte des diplomatischen Auslandskorps, nach denen der Stamm zudem versucht habe, durch Lügen und Propaganda andere Völker gegen das Reich aufzubringen. „Die Belege für diese Hetzkampagne sind eindeutig und zeugen von einer Niedertracht, die ich mir so nicht hätte vorstellen können“, kommentierte der Consiliar die Erkenntnisse seines Hauses. Auch der letzte Versuch, die Probleme in diplomatischer Weise zu lösen, müsse leider als gescheitert betrachtet werden: „Nachdem in der letzten Woche die Reichstruppen nach Homber verlegt und der ‚Zwergenrat’ zu diplomatischen Verhandlungen gezwungen war, entsandten sie doch tatsächlich einmal einen Botschafter.“ Dieser habe sich allerdings vor allem anderen durch wirre Thesen ausgezeichnet, berichtete der Consiliar: „Man muss sich das vorstellen: Entgegen Dutzender Augenzeugenberichte, die Zwerge hätten den heiligen Friedensrichter vom Pferd gerissen und totgeschlagen, kommt nun dieser Zwergendiplomat und erklärt, Legat von Donnerlütt sei ja in Wahrheit nur ‚verhaftet’ worden und lebe nun in einem Kerker der Zwerge!“ Eine solch grobe Lüge lasse wohl den Verdacht zu, die Zwerge befänden sich unter der Anleitung ihres verbrecherischen Rates schon seit längerem jenseits der Realität, schloss der Consiliar.
In seiner lang herbeigesehnten Rede (das Redemanuskript wurde seiner Majestät freundlicherweise vom Herrn Consiliar für Trutz und Schutz höchstselbst bis an den Platz gebracht) würdigte schließlich seine Majestät, der Fürstkönigs, die Analysen der versamelten Consileysvertreter ausdrücklich. „Wir haben den Zwergen im Osten die Hand zur friedlichen Nachbarschaft ausgestreckt, im Glauben, sie seien ein zivilisiertes und rechtschaffendes Volke“, verlas seine Majestät und richtete das Wort an die Hohen und Großen des Reiches. „Die Zwerge ergriffen diese Hand fest, doch nur, um uns den damit verbundenen Arm in roher Gewalt abzureißen! Die heutigen Berichte haben gezeigt: sie raffen und rauben, sie lügen und betrügen, wo sie nur können! Sie brachten Tod und Leid über die Bevölkerung in Homber. Sie erschlugen Diplomaten und heilige Gesandte der Kirche. Sie spuckten auf den Frieden, als er ihnen geboten ward“ verkündete der Fürstkönig mit entschiedenem Blick.
Energisch verkündete seine Majestät schließlich das Urteil: „Ein Volk, das brandschatzt und Landraub begeht, ein Volk, dem das Leiden und Stöhnen Schwacher und Unschuldiger selbsterklärtermaßen ‚Musik’ in seinen Ohren ist, ein Volk, das Menschen als Sklaven in seinen Schächten hält, ein Volk, das immer wieder die Sicherheit unserer Ostgrenzen beeinträchtigte – ein solches Volk ist nicht Teil der zivilisierten Welt. Es ist eine Gefahr für das Reich.“
Daher habe, so Majestät weiter, die Falkenkrone beschlossen, dem Zwergenstamme von Zharr’ Moroth durch einen Gesandten der Consiley für Diplomatie und Postwesen folgendes ausrichten zu lassen:
Erstens, dass das Fürstkönigtum den Stamm nicht länger als zivilisiertes Reich, sondern als illegale Bande betrachte;
Zweitens, dass gegen die Mitglieder des sogenannten ‚hohen Rates’ als den leitenden Köpfen dieser Bande Anklage wegen Sklavenhalterei, vorsätzlicher Barbarei und Unsittlichkeit sowie der Anstiftung zu Landfriedensbruch und Mord in mehreren Fällen erhoben werde;
Drittens, dass bis zur Annahme dieser Beschlüsse durch den Kronrat der Fürstkönig von seinem hoheitlichen Recht Gebrauch gemacht und zur Sicherung des Reiches dem Stamme der Zharr’ Moroth den Krieg erklärt habe.
Ob dieser klaren Entschlusskraft, welche der Fürstkönig durch sein energisches Handeln auch diesmal wieder unter Beweis stellte, ist es nur natürlich, dass der Rest der Rede seiner Majestät im frenetischen Jubel der Kronratsmitglieder unterging. Auch beim Volke, das in großer Zahl auf dem Vorplatz des Falkenpalastes versammelt war, stießen die fürstköniglichen Beschlüsse auf heftige Begeisterung: „Nun ist endlich Schluss - wir lassen uns die Rumschubserei durch diese primitiven Pimpfe nicht länger gefallen! Hurra!“ kommentierte Schneider Oswald Knolle (54) die Ereignisse – und blieb mit dieser Meinung auf dem mit über tausend jubelnden Bürgern besetzten Fürst-Folmian-Platz an diesem Tag keineswegs allein.
Des weiteren in dieser Ausgabe:
--- ‚Es kann einer nicht in Frieden leben, wenn es seinem mordbrennenden Nachbarn nicht gefällt!’ – Neue Aphorismen-Sammlung der Fürstkönige ist der Verkaufsschlager auf den Marktplätzen der Hauptstadt. Alle Weisheiten von ‚Folmian dem Weisen’ bis ‚Ettel mit dem leeren Glase’ jetzt in einem Volksband! (Die Rezension der FFV auf S. 3)
--- Zwergen-Progrome erschüttern Städte des Reiches: Schwere Ausschreitungen nach Ermordung des Legaten von Donnerlütts verunsichern vor allem kleine, dicke und bärtige Bürger (Weiter auf S. 4-5)
--- Das Wetter in der kommenden Woche: „Örtlich mal so mal so“, weiß unsere Wetter-Druidin Albina aus dem Artaswald (S. 6).
Mór´kishai Báofu Sun
FFV: SONDERAUSGABE - Sichelzwerge erschlagen Legaten von Donnerlütt 17. Woche des 1. Jahres Ausschnitt aus dem Reichsblatt:
Fürstköniglich Faldûranische Volkszeitung
politisch - patriotisch - pflichtgetreu
***SONDERAUSGABE***
(herausgegeben durch die Zentralconsiley für Preßangelegenheiten im Herbst 1111 AID im 3. Jahre der ersprießlichen Herrschaft seiner fürstköniglichen Majestät, Ettel XII. von Falkensteyn zu Falderath)
Zweiter Friedensappell mit entsetzlicher Bluttat beantwortet:
SICHELZWERGE VON ZHARR’ MOROTH ERSCHLAGEN LEGAT MAXIMILIAN VON DONNERLÜTT!!!
Falderath – Aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse der letzten Tage ist die gewohnt analytisch ordnende Berichterstattung, auf die unser Blatt sonst stets mit Stolz verweist, in dieser Sonderausgabe leider kaum möglich. Stattdessen sollen die Schilderungen der Eindrücke unseres Investigativ-Korrespondenten Hubert von Schmöck dem geneigten Leser ein Bild der Geschehnisse vermitteln, welche die Hauptstadt in den zurückliegenden Tagen in Atem hielten.
„Nachdem der Friedensrichter und Gesandter der Dur-Kirche in Homber die Krieger des Zwergenstammes Zharr’ Moroth immer wieder ermahnt hatte, das Morden in Homber einzustellen, fiel der Legat der von ihm angeprangerten Gewalt in der zurückliegenden Woche nun selbst zum Opfer. Zwergische Krieger erschlugen den als Friedensrichter bestellten Legaten bei dem Versuch, die Homber Bürger vor weiteren Übergriffen der zwergischen Invasoren zu beschützen.
Leset nun, wie die Reichskapitale auf die Meldung der entsetzlichen Bluttat reagierte!
Es versprach, ein schöner Spätsommernachmittag werden. Der wolkenlose Himmel erstrahlte in einem tiefen Blau und eine warme angenehme Brise kühlte die sonnenerhitzte Nachmittagsluft der geschäftigen Kapitale, deren eifriges Summen fast gänzlich hinter den hohen Steinmauern des Tempelberges erstarb. Im Durkhon, der uralten Tempelanlage Falderaths mit ihren zahlosen sandsteinfarbenen Säulengängen und dunkelgrüne Schatten spendenden Bäumen, herrschte wie stets gebieterische Ruhe. Nur aus dem Haupttempel der Tempelstadt drangen leise die freudigen Worte eines Priesters.
Nicht irgendeines Priesters! Nein, es war die donnernde Stimme seiner heiligen Exzellenz, Ecoranus III., des Sonnenhüters, welcher hier – vor den wichtigsten Häuptern des Reiches, den Fürsten und Freiherren der Stadt, den Consiliaren nebst ihren zahllosen Stäben und Räten, den Botschaftern und Diplomaten fremder Reiche und sogar, erhaben in der ersten Reihe thronend, seine fürstkönigliche Majestät, Ettel XII. höchstselbst! – die Predigt las. Der freudige Anlass dieser Zusammenkunft hatte schon seit Woche die Gespräche ganz Falderaths bestimmt: Prinzessin Tusnelda, die liebliche Tochter des Fürstkönigs, hatte sich unsterblich in den Grafen Traudur von Lichtenau verliebt und gedachte nun, sich mit dem strahlenden Helden Faldûriens auf ewig zu vermählen! War das eine Pracht, wie die Prinzessin dort mit ihrem schönsten aller Kleider vor der ehrwürdigen Gestalt des Dur-Priesters stand, war es eine Wonne, den aufrechten Recken Traudur zu blicken! Die Mütter weinten, die Väter blickten stolz, die unverheirateten Ritter waren grün vor Neid – kurzum: es hätte alles so schön sein können, als der höchste Diener des Göttervaters anhob, um beide mit dem heiligen Schwur auf immer aneinander zu binden.
Doch da – wie konnte er es wagen! – trat auf einmal ein junger Priester aus dem Hintergrund des Altares an den Sonnenhüter heran und begann, zitternd vor Angst und Aufregung, in das Ohr des alten Mannes zu flüstern. Dieser hielt inne. Sein Blick wurde starr, seine zum Schwur gehobene Hand erstarrte in der Luft!
Erstes Gemurmel begann sich auszubreiten, als eine der Tempeltüren aufschlug und mit laut hallenden Schritt auch noch ein Bote über die Marmorplatten des Hohetempels hastete und zu einem der Consiliare eilte. Wieder schlug eine Tür auf und wieder eilte ein, nein, zwei Boten herein, jeder zu einem der in dem Raum verstreut sitzenden hohen Leiter der fürstköniglichen Administration. Wie in einem Taubenschlag begannen plötzlich, weitere Türen der Seitenportale aufzufliegen und Dutzende von Eilboten in den Hohetempel zu stürmen. Das Tuscheln hob an, wurde zu lautem Gerede. Irritiert blickte das Brautpaar auf die aufgebrachte Menge. Den flehenden Blick seiner geliebten Tochter bemerkend, erhob sich nun auch seine fürstkönigliche Majestät und blickte gebieterisch in die Runde. Augenblicklich erstarb das Getuschel. Totenstille herrschte in der Halle, nur ein im Lauf erstarrter Eilbote kippte langsam zur Seite und fiel mit einem lauten Klatschen zu Boden.
„Wir verlangen zu erfahren, welch Ereignis als Anlass dienet, die Hochzeit Unserer geliebten Tochter, Prinzessin Tusnelda, in eine derart unwürdiges Schauspiel zu verwandeln!“, gebot seine Majestät mit strenger Miene da.
„Majestät!“, trat Reichsgeneralconsiliar Blasius von Rothenwulff da zögernd hervor. „Die Sichelzwerge setzen ihren blutigen Marsch fort! Sie haben...“ er stockte und schluckte. „Sie haben nun auch den Legaten von Donnerlütt ermordet!! “
Ein lautes Raunen ging da durch die Menge. Alles sprach nun durcheinander, entsetzt, erschrocken ob der unglaublichen Tat! Mit schrillem Kreischen rannte die liebliche Prinzessin Tusnelda aus der Tempelhalle, eilig gefolgt von ihren ein Dutzend Zofen und dem weiteren Dutzend Trauzeuginnen. Ungewohnt verdattert blickte da Graf Traudur – was natürlich völlig gerechtfertigt und nichts desto weniger unnachahmlich heldenhaft war – und sein fassungsloses Gestotter ging im lauter werdenden Gedröhne der Stimmen unter. Schon eilten die ersten Consiliare, umgeben mit Trauben von Beratern und Sekretären zu ihren Kutschen, um schleunigst ihre Consileyen zu erreichen und über die Folgen der grauenhaften Bluttat zu beraten. Donnernd rollte die fürstkönigliche Kutsche durch die nun auf dem Tempelvorplatz versammelte Menge – das verfinsterte Gesicht seiner Majestät erschien unheilsvoll am Fenster, bevor mit einem Ruck der Vorhang des Kutschenfensters zugezogen ward.
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Wenige Stunden später hatte die Nachricht ganz Falderath erfasst und jagte bereits als Eildepesche in den Taschen der Eilboten und Schnellkutschen in die umliegenden Ortschaften und Grafschaften. Fassungslosigkeit machte sich allerorten breit. Wie hatten sie es wagen können? Wie konnten sie einen heiligen Mann der Durkirche – den Vertreter seiner heiligen Exzellenz, einen Gesandten des Götterfürsten, einen Mann des Friedens und der Gerechtigkeit – anrühren, erschlagen, ermorden?! Ein fernes Donnergrollen ertönte am Horizont, als hitzige Diskussionen in den Häusern und Handwerksbetrieben ausbrachen. Hatte der Legat den Invasoren von Homber – ein Drecksloch, ohne Frage, aber eben ein Drecksloch des Reiches – nicht gerechte Gespräche angeboten? Hatte er nicht zum Frieden aufgerufen? Zwei Mal? Und nun musste er dafür sterben – für die Blut- und Machtgier der wilden Zwerge aus dem Sichelgebirge? Strömender Regen setzte ein, als die Unterfachkomitees der Consileyen ihre ersten Beschlussvorlagen und Referentenentwürfe besprachen. Ein Blitz durchzuckte die dunklen Wolken, welche nun tief und schwer hängend den Himmel über der alten Reichshauptstadt verdunkelten. Der Planungsstab Heereslage Ost sei zusammen gekommen!, hieß es nun auf den Straßen. Knallender Donner erschütterte die Mauern der Stadt. Seine Majestät habe den Kronrat einberufen! Wieder ließ das Donnern des schweren Gewitters die Stadt erzittern, als immer mehr Menschen auf den Straßen und Plätzen zusammenkamen, um wutentbrannt ihrem Ärger Luft zu machen. Das kalte Licht der Blitze zuckte grell durch die Gassen, welche nun voller schreiender Menschen waren. Zornige Rufe hallten von den mächtigen Stadtmauern wieder, wütend wurden Fäuste geballt, immer öfter waren Mistgabeln und Forken in der Menge zu entdecken. Unter dem prasselnden Regen und dem Geäst eines vielfach verzweigten blaustrahlenden Blitzes strömten die wutentbrannte Massen zum Fürst-Folmian-Platz, der Adresse der wichtigsten Consileyn und Sitz der fürstköniglichen Residenz, wo bereits tausende aufgebrachter Bürger der Stadt von der eilig aufmarschierenden Gardisten der Falkengarde zurückgedrängt wurden.
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Vorsichtig schob eine schmale Hand de Vorhang beiseite und gab kurz den Blick auf das Gewühl der aufgebrachten Menschenmenge frei, die immer wieder vom Zucken der bleichen Blitzen erhellt wurde.
„Was ruft das Volk?“, fragte eine Stimme aus der Tiefe des Raumes.
„Mit Verlaub, sie fordern den Kopf der blasphemischen Mörder, Majestät!“
„Den Kopf der Zwerge zu Homber?“
„Ganz recht, Majestät!“
„Beruft die hohen Consiliare ein – alle!“
„Alle? Du liebe Güte..., Majestät!“
„Sofort!“
„Ja-Jawohl, Majestät!“
„Die Menge hat Recht. Diesmal sind diese Zwerge zu weit gegangen.“
Mór´kishai Báofu Sun
Umgestaltung 17. Woche des 1. Jahres Chandrien:
Die Spore zerbirst. Ihr seltsames Fleisch, zum Teil verholzt und verborkt fliegt rauchend in alle Richtungen.
Bereits im Flug scheinen sich die Flammen von einem natürlichen rot in ein seltsames krankes grün zu verfärben. Als die Brocke aufschlagen, scheinen sie bereits geschmolzen zu sein. Wabernde Klumpen liegen verteilt in der Gegend herum, während ringsum die Spukgestalten jagt auf die Lebenden machen.
Zunächst scheint der Schleim zu dem sich das Gewebe geformt hat nur still dazuliegen. Hätte zwischen dem Sterben jemand die Muse gehabt, die Batzen genauer zu besehen hätte er bemerkt, dass sie begannen aufeinander zuzufließen. Immer mehr und mehr flossen von allen Seiten heran und verschmolzen wieder miteinander. Nach kurzer Zeit war der Klumpen bereits Mannshoch. Und obwohl nur mehr vereinzelt Schleim herangekrochen kam, schien das etwas noch immer zu wachsen. Ein wabern ging durch den Klumpen. Mit einem male begann er längliche Fäden und Tentakel auszubilden. Arme und Beine, welche wieder in sich zusammen fielen, nur um an anderer Stelle erneut zu erscheinen. Klauen, Tentakel. eine ständige Deformation durchlief den Klumpen. Plötzlich öffnete sich in der Mitte eine Art Maul, mehrere Zungen scheinen gierig daraus hervor zu lecken.
Gut drei Schritt ist das Wesen jetzt hoch. Nun scheint es nicht mehr zu wachsen und auch die Mutationen scheinen sich nicht mehr so spontan auszubilden und wieder zu vergehen. Eine seltsame Kreatur mit mannigfaltigen Gliedmaßen und Sinnesorganen steht nun mitten im Gespensternebel und mit einem üblen laut, welcher eine Mischung aus brüllen, schmatzen und rülpsen zu sein scheint, beginnt dieses Wesen voranzuwanken...
Die Drachen
Irgendwo in Chandrien 17. Woche des 1. Jahres Nebelschwaden umhüllen die Gestalten die auf die auswärtigen Kunfschafter, Späher und Botenläufer zudriften ohne das übliche Schwanken des Oberkörpers aufzuweisen, das mit dem aufrechten Gang einhergeht. Links und rechts von der Spore bleiben die Menschlinge entweder entsetzt stehen, nehmen panisch Reisaus, oder sind bereits dabei ihre Innereien davon abzuhalten sich über den felsigen Boden zu verteilen. Nur die Spore, kein Anzeichen eines Gefühls, richtet ihre ausdruckslosen Augen auf die wandelnden Seelen. Ein fremdartiger Intellekt tastet die eiskalten Wanderer zuerst vorsichtig ab, nur um dann seine mentalen Tentakel in die forderste der Gestalten zu rammen. Der Körper der Spore beginnt zu verholzen, ja regelrecht eine Rinde auszubilden, ihre Füße, nun Wurzeln, graben sich tief zwischen die Felsspalten in das Erdreich und der mentale Ansturm dehnt sich wie eine Druckwelle um sie aus. Die Bilder und Gefühle die sich in die Orkseelen bohren formulieren eine gedankliche Botschaft an sie und ihren Meister: Doch für die Umstehenden ist die geistige Unterhaltung nicht hörbar. Doch scheint sie einige Momente anzuhalten. In jenen, wird der Saft aus der Rinde der Spore gepresst und sie vertrocknet zusehens. Da öffnet sich ihr Mund uns sie stößt röchelnd hervor: "WA-XE-UND-GE-DAI-E! ..."
Bevor sie noch einen weiteren Ton von sich geben kann geht sie in Flammen auf und birst in tausend Stücke.
Vorx-Myzel
Das Begräbnis 16. Woche des 1. Jahres Die große Nekropole der Efexos am Rande von Sharika war als Ort des Schweigens bekannt. An diesem Tage jedoch konnte der schlaflose pylische Bürger bei genauem Hinhören die Schreie von Klageweibern im Heulen des Windes ausmachen, die von der Nekroploe herüberdrangen.
Für das Begräbnis der im Westen gefallenen Pioniere und Botschafter hatte man gemäß den pylischen Traditionen die erste Stunde des Tages gewählt - um die Körper der Gefallenen vor den Blicken der Göter zu verbergen. In der Dunkelheit des jungen Tages hatten die Priester auf dem großen Platz des Tafos mehrere Feuer entzündet.
Dort zwischen den Mausoleen der großen pylischen Familien und den einfachen Grabstelen der Unbekannten hatte sich eine große Prozession versammelt: Tephos und Elema, die beiden Augen Pyliens, die Oberhäupte der Priester, die Generäle der psithyroischen Legion, die Stadtgarde von Sharika nebst dem Stadthalter Apodokimos und Abgesandte der großen Häuser. Den Ehrenplatz neben den Augen Pyliens hatte man den Botschaftern von Karmanthi und dem Bund der alten Weisheit zugewiesen.
Regungslos und schweigend starrte die Versammlung in den tiefen Schacht, in den man die sterblichen Überresten der Toten auf einer Bahre an langen Ketten hintergelassen hatte. Den Toten hatte man - sofern ihre Köpfe geborgen werden konnten - einen Goldtaler in den Mund gelegt. Jene Goldtaler waren ein Geschenk von König Kalphagor persönlich.
Wie jeder Pylier weiß, muss jedes Wesen eines Tages sterben. Und findet man sich am Rande eines nebligen Waldes in einer einfachen Tunika und fühlt weder Kälte, noch Schmerz, noch Freude, noch irgendetwas anderes, ist man sehr wahrscheinlich tot.
In diesem Fall kann man sich glücklich schätzen, wenn die Hinterbliebenen dafür gesorgt haben, dass man einen Goldtaler mit auf die letzte Reise nehmen kann: Nach einiger Zeit des Wartens wird man langsames Hufgetrappel vernehmen und im Nebel werden die Umrisse einer Kutsche erscheinen. Auf dem Bock wird schweigend eine dunkle Gestalt hocken. Gibt man ihr den Taler, so wird sie die Türe zur Kutsche öffnen und einen in das Reich der Toten fahren. Ohne Taler wird die Gestalt das bleiche Pferd antreiben und die verlorene Seele zurücklassen. Der Tote muss in diesem Fall seinen Weg durch den Nebelwald selbst finden - was bekanntermaßen niemandem außer dem großen pylischen Helden Poniri Alepos jemals gelang.
Tephos entzündete eine Fackel an einem der Totenfeuer und warf sie in den Schacht hinein. Am Grunde des Schachts loderten Flammen auf und der Geruch von verbranntem Fleisch drang aus der Tiefe. Die Klageweiber verstummten.
Nachdem das Feuer verloschen war, erhob Tephos die Stimme: "Diese Pylier haben ihrem Land große Dienste erwiesen und würden noch unter uns weilen, hätte man ihr Blut nicht auf solch schändliche Weise vergossen. Sie warten nun am Nebelwald. Wir aber sollen ihrer Taten gedenken und daraus für die Zukunft lernen. Mögen die Alben aller Völker zusammenstehen, um zu verhindern, dass das Schwert gegen Alben erhoben werden kann.".
Anschließend wurde der Schacht mit einer Marmorplatte versiegelt, die Feuer gelöscht und in der Nekropole der Efexos kehrte wieder Schweigen ein.
Pylien
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