Durische Postille

Dunkelheit
20. Woche des 1. Jahres

Wie betäubt irrte Tschubax durch den Wald. Das Licht kam, das Licht ging, wie viel Zeit vergangen war spürte er nicht. Immer wieder konnte er kaum etwas erkennen, nur um nach wenigen Momenten zu bemerken, dass seine Sicht von Tränen verschleiert war. Wie oft er gefallen war, wusste Tschubax nicht und auch die zerrissenen Kleider und den Dreck in seinem Gesicht und auf seinem Körper bemerkte er nicht. Endlos verfolgten ihn die schrecklichen Bilder, die der Baumälteste gesandt hatte. Wann immer Tschubax die Augen schloss, sah er die Speere in den Leib des heiligen Wesens fahren, die Klinge in den Bauch des Kindes. Wieder musste er würgen, doch sein Bauch war schon lange leer. In solchen Momenten dachte Tschubax kurz daran, dass er lange nichts mehr gegessen haben musste. Die Krämpfe im Bauch überlagerten für einen wohltuenden Moment die Schreckensbilder.

Irgendwann wurde der Wald lichter, Tschubax musste immer steilere Wege beschreiten, er kletterte zunehmend höher. Schließlich hielt er inne. Unter den Augen des Elfen lagen ausgebreitet die Baumkuppen der alten Wälder seiner Heimat. Es schien so friedlich. Irgendwo da unten musste der Baumwächter auf ihn warten. Tschubax wurde erneut übel bei dem Gedanken zurück zu kehren. Um keinen Preis wollte er erneut solche Bilder sehen. Doch er war noch niemals in seinem Leben so erfüllt gewesen. Niemals war ihm seine Aufgabe derart klar gewesen. Er suchte Muttererde für den alten Weisen, er brachte ihm Wasser und schlief am Fuße seiner Wurzeln. Die Macht des Baumhirten war mit ihm, erfüllte ihn. Manchmal sprach der Weise und Tschubax verstand seine Worte. Es war ihm nicht gegeben in der Fremde den Willen des Wächters zu erfüllen. Er war seine Stimme. Eine Stimme mit Bildern im Kopf und Krämpfen im Bauch.

Und dann verstand Tschubax. Eine Stimme brauchte keine Augen. Was er brauchte konnte er viel besser erspüren. Eine Stimme brauchte keine Augen! Seine Aufgabe war es Wispern im Wind zu lauschen. Von nun an wollte er nur noch sehen, was der Baumwächter ihm zu sehen gab.
Langsam holte er das rostige Messer aus seiner Scheide, früher war es gepflegter gewesen. Heute brauchte seine gesammelte Nahrung nicht zu schneiden. Das Feuer war schnell entzündet und die Klinge viel zu schnell erhitzt. Wie im Rausch hielt sich Tschubax das glühende Eisen vor die Augen. Ein letztes Mal hielt der Elf inne, nur um dann die rote Klinge auf seine Augen zu drücken.

Schließlich umfing ihn Dunkelheit.

Aethoralyel Fen’Andor


Offizielle Bekanntmachung
20. Woche des 1. Jahres

Veröffentlichtungen des "Alleinen Offiziallen Amtsblattes zu Gloriana"
- herausgegeben zu Gloriana -

Der Großmarschall gibt im Einvernehmen mit dem Großprior den erfolgreichen Abschluss der Operation Viehtrieb im Estwald bekannt. Die Gefahr marodierender und verderbter Stiere sollte daher vorerst gebannt sein. Im Zuge dieser Operation stellte sich jedoch heraus, dass die Orken der Schwarzen Horde ebenso den dämonischen Einflüssen unterlagen wie die Stiere und diese in okkultistischer Weise anbeten und ein widernatürliches Bündnis mit diesen eingegangen waren. Nachdem sich gezeigt hat, dass die Orken Seite an Seite mit der niederhöllischen Brut streiten würden, war der kommandierende Oberstrittmeister vor Ort gezwungen die eigentlich rein defensive orientierte Operation Orkschur parallel ausführen zu lassen und brachte diese ebenfalls zu einem erfolgreichen Ende.
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Wie der Kanzler erst heute aus Gründen der Geheimhaltung und Moralerhaltung der Truppen im Felde bekannt geben kann, hat sich in den vergangenen Wochen ein tragischer Zwischenfall ereign-et, welchem der Großspittler sowie der Großkomtur des Pentgon sowie zwei ehrenwerte Botschafter zum Opfer gefallen sind. Zudem ließen der Bellarius von Liwelud, Tassilio de Salvia und der Komtur Jean Robert ihr Leben. Die Gefahr ist zwar gebannt, dennoch möchte der Großmeister höchst selbst sich hiermit öffentlich beim Bund der Alten Weisheit sowie dem Fürstkönigtum Faldurien für dieses tragische Missgeschick entschuldigen. Obwohl Geld kein Menschenleben aufwiegen kann halten wir es dennoch für recht und angemessen beiden Reichen eine Entschädigung zur Gründung einer Stiftung zukommen zu lassen, um nach eigenem Ermessen dem Tod der beiden Botschafter im Nachhinein zumindest etwas Gerechtigkeit zukommen zu lassen.
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Der Großmeister gibt bekannt, dass die Ämter der Großkomturs und des Großspittlers bis zur Urwahl durch die Ordensvollversammlung kommissarisch mit den erfahrenen Ordensmännern Gilbert de Provence (bisher Landkomtur) und Robert de Bree (bisher Spittler von Marienhöh) besetzt wurden. Weiterhin wurde Thomas Aquintus zum neuen Bellarius von Liwelund und Jaques Normand zum Nachfolger des verstorbenen Jean Robert ernannt.
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Der Großprior gibt bekannt, dass in der nächsten Woche ein großer Trauergottesdienst zu Ehren der gefallenen Honoratioren abgehalten wird. Zugleich soll die Andacht der Ehrung der bisher im Feld gefallenen tapferen Männer und Frauen dienen sowie an die gefallenen ehemaligen Komturen von Wallysien und Moormund, Francis Cheddar und Isidia Torrean erinnert werden, welche der feigen Klinge der Schwarzen Horde zum Opfer fielen, die seit jeher unsere Grenzen und den Frieden unserer Heimat bedrohen.
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Zudem wird bekannt gegeben, dass der Großmarschall die Silberröcke mit der Ordensverdienstme-dallie für besondere Tapferkeit im Felde auszeichnet und damit deren herausragendes Wirken ge-gen die Stierplage würdigt.

Der Großmeister
Guillaume de Molay

V.i.s.d.G.P: Der Bombast des Offiziums für Innere Angelegenheiten Rickbert Schipmolen

Xenokratisches Hochkönigreich Aules Magnus


Die Schlacht im Estwald
20. Woche des 1. Jahres

Eine gespenstische Ruhe lag über dem Ort der Schlacht, unzählige Leiber Orks wie Menschen lagen übereinander, verworren in einem unwirklichen letzten Tanz des Todes.

Dann und wann ragte aus dem Meer der Leichen, wie ein Fels in der Brandung, der riesenhafte Leib eines Stieres durchbohrt von dutzenden Lanzen.
Die ersten Krähen hatten sich bereits zum Festmahl eingefunden als die Spießknechte das Schlachtfeld abschritten um den Schwerverletzten die letzte Gnade zu gewähren.

Die Männer des Ritterordens hatten ihr Ziel erreicht, entgegen aller Warnungen hatten sie die heiligen Haine des Estwaldes geschändet und ihre Bewahrer erschlagen. Doch mussten sie einen hohe Preis dafür zahlen, viele ihrer Schwertbrüder lagen genauso tot in dem blutigen Sumpf in den sich der Ort des Gemetzels verwandelt hatte…


Hunderte Meilen entfernt saß Barash der Seelenfetzer in den rußgeschwärzten Überresten eines einst prunkvollen Audienzsaals auf einem schlichten Thron.

Vor ihm am Boden kauerte ein verängstigt wirkender Ork und stammelte

„M-Meistah….die garstigen Menschleins von….Gloriana“ ein Schauer des Ekels schüttelte ihn „s-sie hinterhältig und brandschatzend in den Estwald eingefallen…eure Kinder gekämpft haben bis zum letzten Ork, d-doch sie alle sind v-verloren, die 2. und 5. Rotte der Blutäxte vernichtet wurde Meistah, der Estwald…er…er brennt…“

Im Gesicht von Barash zeigte sich währenddessen nicht die geringste Regung, dann sprach er in ruhigem Tonfall

„Die Menschen zeigen ein weiteres Mal ihr wahres Gesicht, sie nennen sich selbst zivilisiert doch benehmen sie sich wie marodierende Bestien, sie predigen den Frieden doch folgt ihnen Feuer und Tod wo immer ihre Stiefel den Boden berühren, sie predigen Aufrichtigkeit doch nichts als Verrat, Lügen und Hinterhältigkeit entweicht ihren Mäulern, sie predigen Gnade doch gewähren sie keine, sie predigen Toleranz doch vernichten sie alles was sie nicht verstehen….die Menschen…SIE sind das Geschwür an dem die Welt zugrunde gehen wird…Be’lakor hat dies erkannt und deshalb hat er mich gesandt, SIE sind die Krankheit, ICH bin die Heilung…der Tag an dem die Menschen ihre Barbarei im Estwald bitterlich bereuen werden ist nicht mehr fern…“

Seine Augen leuchteten im dunklen Zwielicht des Thronsaales auf, tauchten den zitternden Ork zu seinen Füßen in ein schwaches rotes Licht und eine bleierne Stimme schallte durch den Äther

„Schart euch meine Kinder, marschiert zu den Hainen Estwalds, Rache sei euer Schild, Zorn sei euer Schwert….“

Die schwarze Horde


Kohorte "Wüstensturm"
19. Woche des 1. Jahres

Irgendwo südlich der Grenzen des Äternischen Imperiums.

Großinquisitor Luciferian von Lichterberg stand vornüber gebeugt an einem eichenen Tisch, auf dem eine lederne Karte mit den bekannten Landen des Südens ausgebreitet lag. Mehrmals folgte sein Finger den eingezeichneten Routen und Wegen, während sich grübelnde Falten auf seine Stirn legten. Seit Wochen waren sie schon unterwegs und bis dato war ihnen noch nicht einmal ein einfacher Lakaie Hebeseths in die Arme gelaufen.
Etwas überrascht blickte er auf, als einer seiner ausgesandten Kundschafter das große Feldherrenzelt betrat und stramm salutierte. Auf einen Wink seiner linken Hand nahm der Kundschafter eine bequemere Haltung ein.

"Und? Was gibt es Neues?"

"Mein Inquisitor, das feindliche Heer ist nicht mehr weit, drei, vielleicht auch vier Marschwochen entfernt."

"Ausgezeichnet! So wird der verfluchte Feind alsbald unseren Stahl zu schmecken bekommen. Die Vorbereitungen zur Operation "Fata Morgana" sind auch bereits abgeschlossen?"

"Ja, mein Inquisitor. Und es gibt Kunde aus Koruntien."

Der Großinquisitor nahm eine aufrechte Haltung ein. Koruntien konnte nur eine Nachricht aus dem imperialen Palast bedeuten. Wieder gab er dem Kundschafter mit der Hand ein Zeichen, fortzufahren."

"Der Allweise Imperator ist etwas besorgt ob der Truppenstärke, welche ihr um euch gesammelt habt. Er meinte, unsere Heimatlande gäben so ein einfaches Ziel für etwaige Feinde ab. Er wünscht, dass ihr die Prätorianer umkehren lasst."

Luciferians Blick glitt für einige Augenblicke nach Norden. Der Imperator hatte Recht, die imperialen Lichtwächter waren durch diese Unternehmung stark dezimiert worden.

"Nichts dergleichen werde ich veranlassen. Unsere wahrlich lichten und weisen Nachbarn wie der Bund der Alten Weisheit, Sashnadâr oder Ambrosia stellen den Kampf wider die Finsternis ebenso über das eigene Streben nach Macht wie wir. Und die Elfenhexen von Karmanthi haben bis dato nur durch finstere Worte auf sich aufmerksam gemacht, ganz im Gegenteil zu Hebeseth. Außerdem würden andere Herrscher uns einen Gefallen tun. Griffen sie uns jetzt an, würden sie nur ihre wahre dunkle Fratze zeigen.
Und zu guter letzte sterben da unten jeden Tag gute Männer und Frauen Keltarauns. Nein, wir marschieren so weiter."

"Und unserem Allweisen Imperator?"

"Dem schickt vorerst keine Antwort. Seine Depesche wird uns einfach zu spät erreicht haben..."

Äternisches Imperium


Des Archonten neue Kleider
19. Woche des 1. Jahres

Bei einer kleinen Oase unweit von Wadi-Hallah, dem Zentrum des Archontats, spielte die sanfte Melodie einer Pungi und wurde vom leichten Wind in den Schatten einiger Palmen getragen, in welchem ein großes, purpurnes Sonnensegel aufgestellt war.
Auf einem imposanten Holzthron saß der Archont und nippte genüsslich an einem reich verzierten Becher Wein, während in der prallen Sonne einige Meter vor ihm ein Ork und ein Mensch um ihr Leben rangen.

Die nackten, schwitzenden Leiber waren in ein enges Knäuel verwickelt, Blut rann von den Körpern und tropfte schnell versiegend in den heißen Sand.
Der Ork, von Natur aus mit Klauen und Reißzähnen bestückt, schien klar im Vorteil, der Mensch jedoch wehrte sich eisern und entwich den dumpfen Schlägen immer wieder aufs Neue.
Der Archont lächelte vergnügt, nichts schien ihm so viel Freude zu bereiten wie der Anblick eines Todeskampfes.
An seiner Seite weilte der Großwesir, der nur wenig für solcherlei privates Spektakel übrig hatte, und saß über einigen Schriftrollen und Pergamenten sowie einer kleinen Landkarte, über die mehrere Figuren als Truppensymbolik verteil waren.

Mit eiligem Schritt kam ein Mann in weiten, violetten Gewändern näher gelaufen und warf sich in gemäßem Abstand vor dem Archonten in den Sand. Zwei der hünenhaften Leibwachen schritten Näher und versperrten ihm trotzdem dem Weg zu dem Archonten.

"Allweiser Archont, ich bringe Kunde aus dem Norden" begann der Mann seine Rede, doch ein Fingerzeig des Archonten befahl ihm zu Schweigen.

Grunzende Laute drangen von den beiden Kämpfenden, während der Ork den Schädel des Menschen zwischen Oberarm und Unterarm einklemmte und seine Muskeln anspannte. Nur noch ein Röcheln war dessen Kehle zu entnehmen. Verzweifelt grub er seine kurzen Nägel in den zweiten Arm des Orks und tastete sich immer weiter vor, bis er einen Finger in die Hand bekam. Mit einem vermeintlich letzten Kraftakt und einem dumpfen Knacken brach er zwei der Finger nach hinten, was der Ork mit einem lauten Brüllen quittierte und den Menschen freigab. Seine Fäuste geballt lies der Mann eine schnelle Folge an Schlägen in das Gesicht des Orks fahren, Blut spritze aus dessen Maul über sein Gesicht.

"Herr, es ist wichtig dass ihr mich sprechen lasst, die Elfen sind nun auch..."

Wieder bedeutet der Archont dem Mann zu Schweigen, bevor er an seine Seite griff und ein kleines Messer an seinem Gürtel lockerte. Mit einem geschwinden Handbewegung sauste die Klinge durch die Luft und landete nur wenige fingerbreit neben den Kämpfenden.
Beide blickten stumm zu dem Messer, bevor sie von einander abließen und auf Knien robbend zu dem vermutlich entscheidenden Stück Metall eilten. Der Mensch jedoch war schneller, griff zu und versenkte die Klinge mitsamt seiner Faust im Bauch des Orks. Ein ungläubiger Blick entgleiste der Monstrosität, bevor sich seine Augen verdrehten und er über dem Mann zusammenbrach. Noch bevor jedoch eine der Wachen einschreiten konnte, wirbelte der Mensch die Klinge in der Hand herum und warf sie gezielt auf den Archonten.
Die Sonne brach sich in der scharfen Schneide und glitzerte einen Augenblick, bevor sich das Messer tief in das Holz des Sessels vergrub.
Der Speer einer Wache setzte dem Menschenleben ein Ende, bevor dieser sein Scheitern verstehen konnte.
Amüsiert und unbeeindruckt drehte sich der Archont dem Neuankömmling zu, während die Wachen begannen, die beiden Leichname zu entfernen.

"Es erfüllt mich immer wieder mit Begeisterung, dass meine Anwesenheit solchen Hass erzeugt, dass ein Mensch selbst ihm Todestaumel meinen Tod noch über den seinen stellt... Sprich nun, was du zu sagen hast."

"Herr, die Elfen der Tho'delka Nes haben die Östliche Sturmwüste mit einem Bataillon ihrer Krieger überrannt, unsere Feinde sind zahlreich, sie..."

Erneut unterbrach der Archont die Rede des Mannes und blickte kurz zu seinem Großwesir. Dieser kramte in den Schriftrollen und holte eine kleine Depesche hervor, welche er dem Mann am Boden reichte.
Eilig flogen dessen Augen über die Zeilen und blickten dann verständnislos zu dem Großwesir. Dieser nickte lediglich und nahm ihm die Depesche wieder ab.

"Oh allmächtiger Archont, wenn diese Zeilen Wahrheit beinhalten, dann..."

"Es gibt immer ein schwarzes Schaf unter den Aufsässigen, Läufer, man muss es nur finden. Dieser 'Krieg' wird bald vorbei sein und nur die Schlauen werden dabei an der Seite meiner Herrlichkeit einen Sieg davontragen können. Geh nun, und berichte es deinem Verwalter."

Archontat Hebeseth