ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
28. Travia im 32. Götterlauf nach Hal
CLII. Ausgabe


occulta Traditio universa cuiuscumque existat et existet
Umfassende überlieferte Geheimlehre all dessen, was ist und sein könnte

"Großmeister Xarfaidon Veridis lehrte: 'Die occulta Traditio universa ist das magnum opus der Wahrheit, der gnosis pneumatikos unserer güldenländischen Vorfahren, das, was die Alt-Tulamiden brahma-vidya nennen und die Elben val'bha, die Urform des Wissens, es ist die gesamte Weisheit aller Zeitalter.' Du aber darfst nicht so naiv sein zu glauben, dass dieses Werk mehr als nur einen flüchtigen Blick hinter die verborgenen Schleier eines Wissens bietet, welches äonenalt und ewig ist."
— aus den Aufzeichnungen des Erilarion Androstaal, des letzten Großmeisters der Academia Limbologica

"Wie heißt es doch: Wir Winzlinge halten nur deshalb unser Haupt über das Sumpfwasser der Unkenntnis, weil wir auf den Schultern von versunkenen Riesen stehen. [...] Am Fundament jedoch, einer gewaltigen Säule gleich, steht das Wissen der Herrin, und ihre Weisheit zieht sich wie eine sich windende Schlange durch alle Zeiten und Völker hindurch."
— Hiradiel ibn Sindh ay Uru’Achin, Erzwissensbewahrer der Tulamidenlande

Diesen Worten entnehme ich, dass sowohl von Seiten gelehrter Philosophen und studierter Magier, als auch von der göttlichen Weisheit der Hesindekirche her die Existenz einer Urform allen Wissens, wie auch immer man sie nun nennen mag und was auch immer sie ist oder bedeutet, vermutet wird. Und diese Vermutung lässt sich aus historischer sowie derographischer Sicht bestätigen, finden sich doch in sämtlichen Zeitaltern und bei allen Völkern über den gesamten Kontinent verteilt derartige Überlieferungen oder Andeutungen in Form von Sagen, Geschichten, Märchen, in Büchern, auf Steintafeln und ähnlichem.
Ein - wenn auch nur geringer - Teil dieses Urwissens wurde nun seit Tausenden von Jahren und über etliche hundert Generationen hinweg in der occulta Traditio universa überliefert, einer Form der Tradierung (das Wort bedeutet weit mehr als nur Überlieferung, es impliziert gleichzeitig Schutz und Bewahrung sowie auch Weitergabe an würdige Auserwählte, und es bezieht sich sowohl auf schriftliche wie auch auf mündliche Weitergabe) von Lehrer zu Schüler.

"Die ursprünglichste Aufgabe, so fand ich erst viel später heraus, war jedoch die Überlieferung und Bewahrung jenes Wissens, das im Laufe der Jahrtausende - und wie ich nun erst zu ahnen beginne, im Laufe der Zeitalter - von den Großmeistern der Academia Limbologica sorgfältig aufgeschrieben und wortgetreu transkribiert wurde. Hielt ich das, was die Fundamente unseres altehrwürdigen Gemäuers bildete, zuerst noch für ein erstaunlich altes Relikt echsischer Bauweise, so erkannte ich nun die weitaus älteren Hinterlassenschaften in diesem einen Werk, der occulta Traditio universa...
Als ich das erste Mal jenen Raum betrat, der nur den Eingang zum Kellergewölbe unserer Akademie bildet, stockte mir der Atem: Es mussten gewiss mehr als eintausend Bücher sein, die dort fein säuberlich in den Steinregalen standen - tausend Bücher, und doch nur
ein einziges! Jeder Großmeister vor mir musste eine Abschrift angefertigt haben, jeder in der Sprache seiner Zeit, aber auch ein jeder in der Ausdrucksweise seiner Zeit, in dem Verständnis seiner Zeit, nach seinem Weltbild, seiner Weisheit, seinem Wissen."
— aus den Aufzeichnungen des Erilarion Androstaal, des letzten Großmeisters der Academia Limbologica

Dieses Werk, in all seinen Bedeutungen, dieses arte-factum im Sinne des Geschaffenen, stellt wohl nur einen Bruchteil jener uralten fundamentalen Lehren dar, die den Erleuchteten früherer Zeiten und gänzlich anderer Orte bekannt waren oder sind. "Aber", um es in den Worten Großmeisters Androstaal auszudrücken, "es enthält nicht mehr als das, was die Welt im kommenden Zeitalter aufzunehmen vermag." Auf meine Frage nach dem Begriff der Welt antwortete er folgendermaßen: "Welt bezeichnet hier die Menschen als göttlich geschaffene Wesen, denen das Zwölfte der Zeitalter mit dieser Weltzeitwende übergeben ward." Und ich fragte weiter nach den vielen anderen Völkern und Rassen, die Aventurien beherbergt: "Es ist völlig nutzlos sich mit der Bitte um Interpretationen der occulta Traditio universa an andere zu wenden, die wir für fortgeschrittenere Schüler halten, nur weil sie älteren Völkern entspringen. Sie sind dazu nicht in der Lage. Wenn sie es versuchten, gäben sie nichts von sich, was der Wahrheit entspräche, aber auch nichts, was wir als unwahr bezeichnen könnten. Die occulta Traditio universa lässt andere ein Wissen in sich selbst finden, nicht in dem Werk." Später jedoch meinte Großmeister Erilarion noch einmal: "Interpretationen haben sehr wohl eine gewisse Berechtigung, und du sollst sie nicht verwerfen, solange sie als Hilfsmittel für Lernende dienen und du ihnen keine höhere Bedeutung beimisst."
"Diese Welt"
, so meinte er weiter, "kann in der occulta Traditio universa gerade so viel finden, wie sie unter Aufbietung ihrer höchsten Verstandeskraft begreifen kann, mehr nicht. [...] Doch das bedeutet nicht, dass es Schülern, die nicht in dieser Welt leben, nicht gelingen könnte, mehr in diesem Werk zu finden, als dies der normalen Welt möglich ist: In jedem arte-factum, jedem Geschaffenen (und auch dem Menschen), wie unfertig es auch ist, verbirgt sich das Abbild seines Schöpfers. Und genauso verbirgt sich auch in jedem Werk, und sei es noch so dunkel, ein Abbild seines gesamten Wissens."

"Beschäftige dich", gab er mir den Rat, "mit der occulta Traditio universa ohne das Verlangen, in ihr letztendliche Wahrheiten finden zu wollen und ohne irgendwelche anderen Vorstellungen, außer einer einzigen, nämlich erfahren zu wollen, wie weit sie dich zum göttlichen Abbild deines Schöpfers in dir hinführen wird! Sieh in ihrem Studium einen Weg, auf dem du deinen Verstand so schulen und entwickeln wirst, wie es durch keine anderen Studien jemals möglich wäre. Du musst jeden Lehrsatz der occulta Traditio universa verinnerlichen, selbst wenn dies Jahre dauern sollte."

Diesen Ratschlag will ich, Eborëus Zachariad, unwürdiger Schüler meines Meisters, nun an all jene weitergeben, welche sich in den kommenden Zeiten damit beschäftigen werden sich selbst auf den Weg der occulta Traditio universa zu begeben, um ihren Geist zu schulen und ihren Verstand zu schärfen.
Die Mohaha kennen eine lehrreiche Erzählung über den Verstand und das Lernen: Man darf nicht so unvernünftig sein, sich am Anfang seines Schüler-Seins gleich zu viel zuzumuten. Der Verstand ist ein beseeltes Instrument, und jedes erstellte geistige Bild bedeutet Veränderung und Zerstörung von Geistern im Verstand. Jede normale gedankliche Betätigung bewegt die Geister des Verstandes dazu sich auf normalen, alt-bekannten Bahnen zu bewegen. Es gibt aber eine Art der geistigen Betätigung, die verlangt etwas gänzlich anderes, nämlich das Betreten neuer Wege des Verstands und eine Neuordnung der bisherigen Geister. Wenn hier unüberlegt und zu rasch etwas erzwungen wird, dann kann dem Verstand ernsthafter Schaden zugefügt werden.
Diese Art des Denkens, diese Vorstellung von Verstand und Geist(ern) nennen die Mohaha Jnâna-yoga. Der wahre Schüler der occulta Traditio universa ist ein jnâna-yogin, er bewegt seine Gedanken auf neuen Wegen.

"Auf dass ihr die Gabe besitzen möget die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Weisheit sie richtig zu deuten und den Mut zu handeln!"

Dies waren die letzten Worte des Großmeisters Erilarion Androstaal, meines altehrwürdigen Lehrers. Ich weiß nun, dass sie auch mir gegolten haben, mir, seinem letzten Schüler, dem letzten in der äonenalten Reihe, die um das Geheimnis dieser Akademie bescheid wissen. Die Zeichen der Zeit sind erschienen, das Zwölfte Zeitalter sicher in den Händen der Menschen - es fehlt nur noch der Mut zu handeln:

Hiermit verfasse ich, Eborëus Zachariad, nach uralter Tradition meine Abschrift der occulta Traditio universa, wovon ich zugleich einen Teil veröffentliche, auf dass er den Menschen dieses Zeitalters dienen möge. Meinen gegenwärtigen und zukünftigen Richtern, seien sie nun eingebildete Magier, sich für weise haltende Philosophen oder jene heulenden Wölfe, deren Beurteilung sich nach der fehlenden oder vorhandenen Popularität von Autoren und Werk richten, habe ich nichts zu sagen. Für alle jene aber, welche sich mit der Neugier des Neuen und Unerforschten auf dieses Werk einlassen, leihe ich mir die Worte des horasischen Dichters Mont'Enjes: "(Man könnte über mich sagen) ich hätte hier lediglich von andrer Leute Blumen einen großen Strauß gebündelt und selbst nichts als den Bindfaden beigesteuert."

adeptus maior Eborëus Zachariad
Schüler des letzten Großmeisters der Academia Limbologica, Erilarion Androstaal,
welcher am Jahreswechsel 30/31 Hal verschollen ist

wird fortgesetzt...

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De Natura Daimonii

Von Chaos und Brodem – Abhandlung über die Wesenheiten der Siebenten Sphäre
verfasst von Meister Barius von Charypso
Magister der Academia Limbologica

Partum secundum
Der ewig Ruhelose, der streitende Verzehrer, Lolgramoth oder auch Thezzphai, die schlaflose Nacht, die ewig laute Stille

Lolgramoth ist wohl einer der sowohl im Volk als auch unter Magi am wenigsten bekannten Daimonen. Doch ist es gerade diese Unverstandenheit gegenüber seinem Wesen und die Verkennung der Macht, die hinter dem Daimon steht, die ihn im eigentlichen Sinne mächtig macht. Lolgramoth gehört damit zur Gruppe der MENTALES. Mentales sind die Daimonen, die nicht durch Zerstörung und Gewalt im eigentlichen Sinne handeln, die sich nicht in abstrusen Gestalten ihren Beschwörern zur Schau stellen, um Furcht zu sähen, ja meist gar ohne Form und Wesen sind. Sie werden daher nicht wie die Elementares (siehe letzter Artikel) auch im normalen Volk verehrt oder gefürchtet – ja selbst unter Beschwörern ist das Wissen um sie rar. Sie agieren wie erwähnt nicht in dem direkten zerstörerischen Weg, wie zum Beispiel Chrypsa, sie wollen nicht gefürchtet werden, nein, sie versuchen viel eher sogar sich selbst als schwach darzustellen. Sie benutzen Schwächen und Wünsche der Menschen und flüstern ihnen Begierden und Wege diese zu verwirklichen ins Ohr. Ja, manche meinen Mentales versuchen gar das Vertrauen der Menschen zu gewinnen um diese für ihren grässlichen Plan jeglichen klaren Verstand zu korrumpieren einsetzen zu können. Und dies ist auch ihr größtes Ziel: die Mentales versuchen durch Intrigen das Vertrauen leichtgläubiger auf ihre Seite zu ziehen und den Verstand des selben mit immer neuen und sich widersprechenden Daimonischen Eingaben ins Chaos zu stürzen. "Denn wenn einst Chaos im Geiste der Menschen herrscht, wird Chaos sein gar überall." Dies alles macht die Mentales zu viel verschlageneren Gegnern und viel schwerer zu erkennenden Daimonen als alle anderen. Darum rate ich hier mehr noch denn sonst die Finger von Beschwörungen solcher Natur zu lassen. Denn das kostbarste Gut des Menschen ist sein Verstand. Und wenn ein elementarer Daimon den Beschwörer nur all zu leicht ins Reich der Toten schickt, so stürzt ihn der Mentale direkt ins ewige Chaos.

Doch welches ist nun die Eigenschaft, die dem Lolgramoth zugeordnet wird? Welches das Laster, das er im Menschen für seine Zwecke verwendet? Es ist das eine Laster, aus dem sowohl Friedlosigkeit, Zwietracht, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Zorn und Streit entstehen: Der Eifer. Wie so oft auch hier eine Eigenschaft, die nicht ad primum als schlecht angesehen wird, wenn jedoch übertrieben zur Konkurrenz und somit direkt in die Klauen Lolgramoths führt.

Die Beschwörung:
Wie bei allen Mentales sind die Diener Lolgramoths mit wenigen Ausnahmen meist wenig materiell und nicht aggressiv. Darum ist im Gegensatz zur Paktiererei, die bei Mentales gefährlicher ist als bei allen anderen, die Beschwörung niederer Wesen meist recht einfach und unspektakulär. Daimonen des Lolgramoth werden fast immer zu Bewegungs- und Transportzwecken oder zum Sähen von Zwietracht unter den Feinden beschworen.
Die Beschwörung sollte wie folgt vonstatten gehen:
1. Die Zeit der Beschwörung sollte im Optimalen die Zeit der größten Geschäftigkeit – eine beliebige Stunde des Tages – sein.
2. Der Ort der Wahl ist ein Ort der Friedlosigkeit, mit viel Geschäftigkeit und vielen Menschen. Eine große Stadt wäre wohl ideal.
3. Wie alles, das mit diesem Daimon zu tun hat, soll auch die Beschwörung schnell und ohne großes Aufsehen vonstatten gehen. Hilfreich ist es, wenn der Beschwörer eine Nacht lang nicht geschlafen hat und zu diesem Zwecke verschiedene konzentrationssteigernde Drogen zu sich nimmt. Da Travia der Gegenpol des Erzdaimons ist, sei Feuer jeglicher Art zu meiden.

Paraphernalia:
Als Paraphernalia verwende man je nach Zweck der Beschwörung ein Abbild dessen, dem Unruhe geschenkt werden soll, Tinkturen aufputschender Giftstoffe, die über Glut (nicht Feuer!) verraucht werden können. Ansonsten ist viel mehr das Wesen des Beschwörers selbst als alle äußeren Gegebenheiten für eine gelungene Beschwörung wichtig.

Der Pakt mit dem ewig Ruhelosen:
Wie bei allen Mentales ist es mit dem Pakt wie folgt: Er wird allzu leicht geschlossen, (auch ohne das Wollen der Paktierers nur durch Unvorsichtigkeit!) oft vom Paktierer selbst nicht erkannt (!), bringt kaum echte (dem Paktierer nicht vorgespielte) Vorteile, ist kaum zu lösen, und endet immer im völligen Chaos der Verstandes.
Mentales spielen Paktierern immer Freundschaft, Hilfsbereitschaft oder Schwäche vor um diese für sich zu gewinnen. Sie sind immer in den Augen der Beschwörer als Diener eingeschätzt, wobei sie eigentlich die Meister sind. "Indem sie dienen, beherrschen sie die Herrscher!"
Lolgramoth wird fast immer aus Eifer und Eifersucht heraus um Hilfe gerufen (ja er muss gar nicht beschworen werden!) und hilft stets, indem er Zwietracht und Ruhelosigkeit unter die vom Paktierer Gehassten bringt. Im Paktierer selbst jedoch schürt er damit auch den Hass und die Eifersucht erneut und schließt einen Dämonenkreis, der am Ende die Zwietracht, die auf andere gelegt werden sollte, ins Herz des Paktierers selbst bringt. Dieser wird dann von inneren Spannungen und Ängsten so sehr geplagt, dass er nicht mehr schlafen kann und zu keiner direkten Handlung mehr fähig ist. Er ist entweder zu Tode über alles um sich herum betrübt und zerfleischt sich selbst mit Selbstbeschuldigungen, kann nicht mehr essen noch an etwas anderes denken als an seine inneren Spannungen und seine innere Angst und Friedlosigkeit oder ist jauchzend hellwach um völlig sinnlose durch heftige Bewegungen bestimmte aufbrausende Taten zu vollbringen. Dieses Krankheitsbild zeigt sich dem Medicus der Seele als "manisch depressiv", ist aber zu großen Teilen die Folge eines solchen Paktes, auch wenn vom Paktierer selbst gar nicht erkannt. Am Ende dieses leidvollen Krankheitsbildes steht leider allzu oft der Tod durch die eigene Hand, da der Paktierer sich selbst als den zu bekämpfenden Feind erkennt und das Messer gegen die eigene Brust richtet.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Lolgramoth in jeder Weise zu vermeiden ist, da man nur all zu leicht in seine Pakte schlittert, die in kurzer Zeit einen jeden in den völligen Wahnsinn treiben.

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In dieser Ausgabe

Impressum

Publiziert von der Academia Limbologica
Der Opus im Schwarzen Limbus
* Markus Penz
28.4.2002

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