Elfische Magie und
das gildenmagische oder: "Ist das die Welt, die du mir da erklären willst?" von M. Travian Norfold und M.ex. Reiju Windfeder
Maga Inara Thorban sei hiermit noch einmal gedankt für
den interessanten wie einfühlsamen Artikel über das elfische
'Wipfelläufer-Sein', der uns einige neue Aspekte der elfischen Magie
zugänglich machte (Opus
#92). Im daran anschließenden Traktat von M. Windfeder (Opus
#97) sollte offensichtlich geworden sein, wie treffend ihre
Ausführungen sich mit unserem Anliegen verbinden lassen. Nichts liegt uns
deshalb ferner, als nun gegen die Collega zu polemisieren, jedoch sei uns
hier eine Anmerkung zu ihrem Artikel gestattet, die als fruchtbare
Anregung verstanden werden möge und die Bedeutung ihres Artikels in
keiner Weise schmälern soll. Doch gerade im Sinne ihres Nachsatzes
erscheint uns ihr Verweis auf eine mögliche Elementarklassifikation
bezüglich der 'Wesenszauber' eines Elfen in die falsche Richtung gedacht. (I) Die Gildenmagie ist in ihrem Denken spekulativ-idealistisch
und ihr System von Welt somit als abstraktes Schema, unabhängig von
konkreten Gestaltungen und Gegebenheiten gedacht. Das elfische Magiewirken
ist im Gegensatz dazu immer nur auf die konkrete, sinnlich erfahrbare
Welt und ihre konkreten Formen, Gestaltungen und Gegebenheiten bezogen. (II) Die gildenmagische Hexalogie der Elemente ist
letztendlich ein atomistisches Weltmodell in dem Sinne, dass jede
materielle Veränderung (in) der Welt nur eine beständige Durcheinander-
und Neumischung ihrer ewig gleichen Bestandteile bedeutet. (III) Für Elfen wird alle Veränderung in der Welt durch
den Gegensatz von Nurti (das Werden; für Liebhaber des
Alt-Güldenländischen mag die ungefähre Analogie zum Begriff génesis
interessant sein) und Zerzal (Ent-Werden, Vergehen;
alt-güldenländisch: phthôrá) repräsentiert. Dies steht im
Widerspruch zum Elementar-System der Gildenmagie, da es im Gegensatz zu
diesem echten, konkreten Wandel in der Welt beschreibt. Nurti und Zerzal
sind dabei Prinzipien im Gegensatz zu den Einheiten des
gildenmagischen Weltsystems. (IV) Aus diesem Widerspruch folgt die Erkenntnis, dass
für Elfen die Welt nicht als ein System von Einheiten denkbar ist. Die
gildenmagische Hexalogie der Elemente und die Betrachtung der Welt
abgebildet auf diese ist genauso Aufspaltung der Welt wie die
Unterscheidung zwischen Sichtbarem und astralem Geflecht und für Elfen
genauso unverständlich. (V) Daraus folgt zwingend: Elfen kennen keine Hexalogie der Elemente. Die hexalogia movimenta als Einwand? Einige besonders elementaristisch bewanderte
Bewegungsspezialisten werden nun vielleicht auf die Theorie der
elementaren Hexalogie der Bewegungszauber hinweisen, nach der jedem
Element - sogar den nach gängiger Vorstellung Elfen eher fernliegenden
Elementen Feuer und Erz - ein elfischer Bewegungsspruch zugeordnet ist,
der es dem Elfen erlaubt, sich unbeschadet über oder durch dieses Element
zu bewegen. Bei Erwähnung dieser Theorie muss allerdings dazugesagt
werden, dass es bisher keinerlei Hinweis auf die Existenz des Feuer- und
des Erzspruches gibt, und auch unsere tatsächliche wissenschaftliche
Kenntnis von den Sprüchen für Humus, Wasser und Luft ist so gering, dass
mitnichten ohne weiteres auf eine Hexalogie geschlossen werden kann!
Lediglich die Existenz des ÜBER EIS... als gebräuchlicher Zauber der
Firnelfen kann als vollends gesichert und gut erforscht gelten. Nach
Ansicht derer, die diese Theorie einer "Hexalogie der elementaren
Bewegung" anführen, scheint die Tatsache ihrer Existenz Beweis genug
für die Affinität der Elfen zu den Elementen zu sein. Nur wenn ein Zauber, der es dem Elfen beispielsweise erlaubt, sich durch massiven Fels zu bewegen, kein Elementarzauber ist, ist er als elfischer Zauber denkbar. Die Autoren sind sich einig, dass ein Elf, der sich
tatsächlich durch massiven Felsen bewegt, nur sehr schwer
vorstellbar ist. In diesem Sinne möge die folgende Argumentation auch
nicht als reale, sondern als transcendentale Speculation verstanden
werden, also als Versuch, der auslotet, was die Bedingungen der - wie
gesagt sehr unwahrscheinlichen - Möglichkeit eines solchen Zaubers im
Sinne unserer Theorie wären. Elfen als Elementaristen? Noch ein anderes Argument möchten wir anführen, um unsere These zu stützen, dass Elfen kein Elementarsystem kennen: Es dürfte bekannt sein, dass Elfen keine Elementare konvozieren. In unserem Magiesystem ist die elementare Beschwörung nicht nur die wichtigste Motivation der Erforschung der Elemente, sondern auch der einzige Bereich, in dem uns das Wissen um die Elemente, also in dem uns unser Elementarsystem überhaupt etwas nützt. Hinzuzählen könnte man noch das überaus schwierige Gebiet der elementaren Transition, doch wer will ernsthaft behaupten, dass die Elfen - selbst wenn sie das elementare System mit uns teilen würden - genug von magischer Strukturtheorie verstünden (oder sich nur dafür interessierten), dass sie solche Transitionen durchführen (bzw. überhaupt verstehen) könnten?! Daraus ergibt sich die Frage: Welche Motivation hätten die Elfen überhaupt haben sollen, ein Elementarsystem zu entwickeln und sich philosophisch damit zu beschäftigen, wenn dies keinerlei weiterführende, magiepraktische Konsequenzen hätte? Gerade bei den Elfenvölkern, für die Magie doch niemals bloßer Forschungs- oder Selbstzweck ist, können wir uns eine solche Motivation schlicht nicht vorstellen! Gildenmagisch-elementaristische Verwendung elfischer Zauber An dieser Stelle ist es angemessen, auf einen der
Kritikpunkte einzugehen, die der geschätzte Collega A.mj. Zachariad in
der letzten Ausgabe des Opus anbrachte. Zunächst möchten wir ihm danken
für die wohlformulierten Worte, die beweisen, dass der Adeptus unsere
Ausführungen gründlich gelesen hat, und für die einfühlsame Rezeption
unserer Thesen. Was die Frage angeht, ob unsere Einteilung der elfischen
Zauberhandlungen in Spezialgebiete "zutreffend" ist (so
der ursprüngliche Wortlaut bei Windfeder), so betrachten wir die
Ausführungen des Collega Zachariad als Explikationen unserer eigenen
Intention - selbstverständlich stimmen wir mit seinen Worten überein,
dass "unsere gildenmagische Einteilung der elfischen Canti"
innerhalb der Gildenmagie korrekt ist. Unsere These in ihrer logischen
Umkehrung beinhaltet ja gerade (als Kritik an der gildenmagischen
Betrachtung elfischer Sprüche - nicht an der Gildenmagie an sich!),
dass wir überhaupt keine andere Einteilung vornehmen können, weil
wir ebenso wie die Elfen an ein immanentes System gebunden sind. Weg zur Harmonie oder moralisches Weltbild? Dabei wollen wir auch gleich noch auf den zweiten Punkt zu
sprechen kommen, den der Adeptus in seinem Artikel anspricht und der
wesentlich weitreichendere Konsequenzen impliziert, über welche jeder
Magus einmal gründlich reflektieren sollte: Er stellt den von Norfold
proklamierten Hintergrund der Trinitätstheorie, nämlich das Streben des
Elfen nach Harmonie mit (nicht allgemein in) der Welt, moralisch
in Frage, indem er für jedes Harmoniestreben den höheren Sinn
postuliert, "stets darauf zu achten, dass ... das Gleichgewicht der
Sphären [gewahrt bleibt]". "Achtet der Elf denn auf den Harmoniezustand der WELT? Sieht er ein anderes Harmoniestreben, ein anderes Streben nach Gleichgewicht, als das eigene? Kann er überhaupt wahrnehmen, ob sich die WELT um ihn herum im Gleichgewicht befindet?" Grundsätzlich: Wir widersprechen dem überhaupt nicht und
würden diese Fragen zunächst mit "Nein" beantworten. Im
Gegenteil: unserer Ansicht nach ist die Art des Strebens nach Harmonie,
die Adeptus Zachariad für die Elfen als Konsequenz unserer Thesen
beschreibt sogar die einzige Art, wie jenes überhaupt denkbar ist. Lasst
uns ein wenig ausholen: Zweitens stellt sich unmittelbar die Frage, was Adeptus
Zachariad überhaupt mit Welt meint. Wenn es um die Wahrung des
Gleichgewichts der Sphären geht, dann ist das klar: Die WELT, an
deren Harmoniezustand dem Elfen nicht sehr viel gelegen zu sein scheint,
ist die gildenmagische Welt! Zachariad geht hier von einem
gildenmagischen Weltmodell und einer gildenmagischen Realität aus, an der
er die Motive, das Sein und das Streben der Elfen messen will. "Die unterschiedlichen Weisen unterschiedlicher Wesen, Welt zu begegnen, liegen im Wesen der Wesen und des Wesens an sich, da Vielfalt eine Eigenschaft allen Wesens, aller Sämtlichkeit, aller physis ist. Magie entzieht sich somit jeder eindeutigen Beschreibung, welche allgemeine, objektive Gültigkeit beanspruchen will. ... Jedes System der Beschreibung, Klassifizierung, Funktionalisierung von angewandter oder theoretisch betrachteter Magie - i.e. jedes einzelne aller möglichen systemata magica - ist in seinem kulturellen Bezugsrahmen gültig, funktionsfähig, kohärent - wahr - solange die das System praktizierende Gemeinschaft dieser Meinung ist. Jedoch: Keine einzelne systema magica kann von einer anderen Gemeinschaft als ungültig, nicht funktionsfähig, inkohärent - unwahr: sine veritate - deklariert oder auch nur betrachtet werden!" Das heißt schlichtweg, Collega, dass man von einem Elfen kaum verlangen kann, nach der Wahrung des Gleichgewichts der Sphären zu streben, wenn es in seinem Bild der Welt, in seiner Realität überhaupt keine Sphären gibt. Wieder ein Kategorienfehler eurerseits? Drittens hat ein Elf folgerichtigerweise gar nicht den Anspruch, für die Wahrung eines sphärischen Gleichgewichts zuständig und verantwortlich zu sein. Mehr noch: er würde - sollte er der Sphärentheorie folgen - diesen Euren Anspruch an Euch selbst und ihn wahrscheinlich als Anmaßung empfinden: als Anmaßung geradezu kosmologischer Art, denn das wenige, was wir von der Geschichte der Elfenvölker wissen, lässt wohl vermuten, dass es ihre eigene Anmaßung war, die zuletzt zum Fall geführt hat. Wohlgemerkt: Auch der Wille zum Guten kann anmaßend sein, lasst uns provokativ fragen: ist Euer Selbstverständnis als Hüter des sphärischen Gleichgewichts etwas fundamental anderes als das Selbstverständnis der Bannstrahler als Richter im Namen PRAios' berufen zu sein?! Könnte es sein, dass Ihr Euch übernehmt? Wir intendieren nicht, hier einen Streit weder mit Euch noch evtl. mit Hochwürden Greif zu beginnen, sondern seid beide versichert, dass wir Euer Wirken zu schätzen wissen! Aber ein Elf würde Euer Selbstverständnis fast mit Sicherheit als anmaßend empfinden - also auch hier ist Eure kategoriale Übertragung des sphärenwahrenden Imperativs eher unangebracht. Das soll beileibe nicht heißen, dass Elfen überhaupt keinen Sinn für eine wie auch immer geartete Wahrung eines Gleichgewichts in der Welt haben - gelten Elfen nicht schon von ihrem Wesen her als äußerst sensibel, was Dissonanzen im Weltengefüge (ob sphärisch oder nicht) betrifft? Unsere Theorien widersprechen dem überhaupt nicht - sie besagen sehr wohl, dass Elfen einen feinen Sinn für die Harmonie der Welt besitzen, nur bedeutet dies für sie etwas grundsätzlich anderes als für uns. Wenn es aber richtig ist, dass wir die unterliegende Frage in den Ausführungen Adeptus Zachariads als moralisch geartet identifizieren, so hat sie durchaus ihre Berechtigung, wenn auch vielleicht keine Antwort. Die Frage lautete nun wohl in überspitzter Form: "Ist dieses elfische Magiewirken im Kern als gut zu bewerten, oder als dem Gleichgewicht der Sphären abträglich - mithin als schlecht?" Wir möchten unsere, durchaus parteiische Antwort im Schlusswort des folgenden Artikels andeuten, welcher auch der vorläufige Abschluss unserer Reihe zu elfischer Zauberkunst sein soll. M. Travian Norfold
und M.ex. Reiju Windfeder, Ad revisionem: M.Ex. Magnus Wiesengrund: Dialectica de nomine et subiecto. Teil 1: Subiectum subiciens et obiectum nominatum. von: Tyll Zybura & Katharina Pietsch |
Der Schwarze Limbus (c) 1998-2006 Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels |