Elfische Magie und
das gildenmagische
System der hexalogia elementorum
oder: "Ist das die Welt, die du mir da erklären
willst?"
von M. Travian Norfold und M.ex. Reiju Windfeder
Maga Inara Thorban sei hiermit noch einmal gedankt für
den interessanten wie einfühlsamen Artikel über das elfische
'Wipfelläufer-Sein', der uns einige neue Aspekte der elfischen Magie
zugänglich machte (Opus
#92). Im daran anschließenden Traktat von M. Windfeder (Opus
#97) sollte offensichtlich geworden sein, wie treffend ihre
Ausführungen sich mit unserem Anliegen verbinden lassen. Nichts liegt uns
deshalb ferner, als nun gegen die Collega zu polemisieren, jedoch sei uns
hier eine Anmerkung zu ihrem Artikel gestattet, die als fruchtbare
Anregung verstanden werden möge und die Bedeutung ihres Artikels in
keiner Weise schmälern soll. Doch gerade im Sinne ihres Nachsatzes
erscheint uns ihr Verweis auf eine mögliche Elementarklassifikation
bezüglich der 'Wesenszauber' eines Elfen in die falsche Richtung gedacht.
Thorban gibt in ihrem Artikel u.a. ein anschauliches Beispiel dafür, wie
ungeeignet die gildenmagischen Klassifikationen von magischen
Spezialgebieten für Elfenzauber sind - dem können wir nur voll und ganz
zustimmen. Sie schlägt daraufhin im Ansatz jedoch eine andere
Klassifikation vor: die Einordnung der Wesenszauber nach der Hexalogie der
Elemente. Dies scheint auf den ersten Blick nahezuliegen und dem elfischen
Zaubern durchaus angemessen zu sein, jedoch zeigt sich bei näherem
Hinsehen, dass auch dies wieder gildenmagischem Denken entspringt, das mit
einer angebrachten Betrachtung der elfischen Magie, wie wir sie verstehen,
nicht zu vereinbaren ist.
Die folgende Begründung wollen wir in Thesenform vortragen:
(I) Die Gildenmagie ist in ihrem Denken spekulativ-idealistisch
und ihr System von Welt somit als abstraktes Schema, unabhängig von
konkreten Gestaltungen und Gegebenheiten gedacht. Das elfische Magiewirken
ist im Gegensatz dazu immer nur auf die konkrete, sinnlich erfahrbare
Welt und ihre konkreten Formen, Gestaltungen und Gegebenheiten bezogen.
Das bedeutet und ist zurückzuführen auf einen ganz fundamentalen
Unterschied im Welt-Denken von Elfen und Gildenmagiern, der sich auf jede
Interaktion mit Welt bezieht, eingeschlossen jede magische oder
metamagische (also z.B. magietheoretische) Handlung (im weitesten Sinne,
der das Denken als Handlung einschließt).
(II) Die gildenmagische Hexalogie der Elemente ist
letztendlich ein atomistisches Weltmodell in dem Sinne, dass jede
materielle Veränderung (in) der Welt nur eine beständige Durcheinander-
und Neumischung ihrer ewig gleichen Bestandteile bedeutet.
Unserer Meinung nach können Elfen ein reines Element nicht denken, da
dies einen gedanklichen und gefühlsmäßigen Abstraktionsvorgang
erfordert, der ihnen durch ihr Welt-Denken (und Welt-Fühlen sollte man
dazusetzen) verwehrt ist. Oder um es auf einen Gedanken des geschätzten
Philosophen Magnus Wiesengrund zu beziehen: Diese "Abstraktion
[setzt] eine Distanz des Subjektes [also des Elfen] zum Objekt [also der
Umgebung] voraus", die ein Elf unserer Ansicht nach nicht besitzt:
Die Idee eines reinen Elements stände für einen Elfen in keinem
Zusammenhang mit seiner präsenten, konkreten Umwelt - seiner Erlebniswirklichkeit
-, da diese durch sein Welt-Denken bedingt ist und umgekehrt. In dieser
Wirklichkeit können Elemente also niemals in Form jener Ideen vorkommen,
als die sie für uns - nämlich in unserem idealistischen Weltbild -
bestehen.
(III) Für Elfen wird alle Veränderung in der Welt durch
den Gegensatz von Nurti (das Werden; für Liebhaber des
Alt-Güldenländischen mag die ungefähre Analogie zum Begriff génesis
interessant sein) und Zerzal (Ent-Werden, Vergehen;
alt-güldenländisch: phthôrá) repräsentiert. Dies steht im
Widerspruch zum Elementar-System der Gildenmagie, da es im Gegensatz zu
diesem echten, konkreten Wandel in der Welt beschreibt. Nurti und Zerzal
sind dabei Prinzipien im Gegensatz zu den Einheiten des
gildenmagischen Weltsystems.
Prinzipien schematisieren im Unterschied zu Einheiten die Welt nicht, da
sie keine Aussagen über Unterteilungen innerhalb der Welt machen, sondern
die Veränderungen der Welt als Ganzes beschreiben. Das gildenmagische
Weltsystem ist damit atomistisch im Gegensatz zu dem elfischen holistischen.
(IV) Aus diesem Widerspruch folgt die Erkenntnis, dass
für Elfen die Welt nicht als ein System von Einheiten denkbar ist. Die
gildenmagische Hexalogie der Elemente und die Betrachtung der Welt
abgebildet auf diese ist genauso Aufspaltung der Welt wie die
Unterscheidung zwischen Sichtbarem und astralem Geflecht und für Elfen
genauso unverständlich.
Die Welt als ein System, ein Schema aus Einheiten gedacht ist nur
innerhalb einer idealistischen Denkweise möglich, die den Elfen fremd
ist, ebenso wie die in dem Norfold-Artikel angesprochene Trennung von
dinglicher Welt und structurae astralae, da auch diese auf
idealistischem Denken beruht.
(V) Daraus folgt zwingend: Elfen kennen keine Hexalogie
der Elemente.
Die hexalogia movimenta als Einwand?
Einige besonders elementaristisch bewanderte
Bewegungsspezialisten werden nun vielleicht auf die Theorie der
elementaren Hexalogie der Bewegungszauber hinweisen, nach der jedem
Element - sogar den nach gängiger Vorstellung Elfen eher fernliegenden
Elementen Feuer und Erz - ein elfischer Bewegungsspruch zugeordnet ist,
der es dem Elfen erlaubt, sich unbeschadet über oder durch dieses Element
zu bewegen. Bei Erwähnung dieser Theorie muss allerdings dazugesagt
werden, dass es bisher keinerlei Hinweis auf die Existenz des Feuer- und
des Erzspruches gibt, und auch unsere tatsächliche wissenschaftliche
Kenntnis von den Sprüchen für Humus, Wasser und Luft ist so gering, dass
mitnichten ohne weiteres auf eine Hexalogie geschlossen werden kann!
Lediglich die Existenz des ÜBER EIS... als gebräuchlicher Zauber der
Firnelfen kann als vollends gesichert und gut erforscht gelten. Nach
Ansicht derer, die diese Theorie einer "Hexalogie der elementaren
Bewegung" anführen, scheint die Tatsache ihrer Existenz Beweis genug
für die Affinität der Elfen zu den Elementen zu sein.
Wir würden dem nicht nur entgegnen, dass es bisher keinen tatsächlichen
Beweis für die Existenz dieser Hexalogie gibt, sondern gehen sogar so
weit zu sagen, dass ihre Existenz in einem elfischen
"Magiesystem" gedacht per se sehr unwahrscheinlich ist
(nicht nur etwa noch nicht ausreichend bewiesen). In Betrachtung der hier
vorgelegten Theorie würden wir entgegnen:
Nur wenn ein Zauber, der es dem Elfen beispielsweise
erlaubt, sich durch massiven Fels zu bewegen, kein Elementarzauber
ist, ist er als elfischer Zauber denkbar.
Die Autoren sind sich einig, dass ein Elf, der sich
tatsächlich durch massiven Felsen bewegt, nur sehr schwer
vorstellbar ist. In diesem Sinne möge die folgende Argumentation auch
nicht als reale, sondern als transcendentale Speculation verstanden
werden, also als Versuch, der auslotet, was die Bedingungen der - wie
gesagt sehr unwahrscheinlichen - Möglichkeit eines solchen Zaubers im
Sinne unserer Theorie wären.
Die Bedingung der Möglichkeit elfischen Zauberwirkens ist nach der
Norfoldschen Trinitätstheorie grundsätzlich das Streben nach Harmonie
eines bestimmten, ganz konkreten Teils von Welt, dessen eine
Komponente das Welt-Sein, also das Wesen der Umgebung, auf die der
Zaubervorgang bezogen ist, ausmacht. Die Bedingung, die die Umgebung bei
diesem Geschehen erfüllen muss, kann von uns Menschen unseres Erachtens
nur insofern bestimmt werden, als wir sagen können, dass der Elf mit
dieser Umgebung in irgendeiner Form vertraut sein muss. Wenn jedoch die
konkrete, vertraute Umgebung eines Elfen übermäßig viel Felsgestein
(wir sagen mit Absicht nicht "das Element Erz") aufweisen
würde, würde das ja nicht automatisch der Möglichkeit der Umgebung,
Teil eines durch den Elfen in Gang gesetzten Zaubergeschehens zu sein,
einen Abbruch tun. Das heißt: Solange das von uns Gildenmagiern dem
Element Erz zugeordnete Felsgestein nicht als Abstractum, sondern als
konkreter Bestandteil einer dem Elfen vertrauten Umgebung verstanden wird,
gibt es unserer Ansicht nach keinen Grund, warum der Elf dieses
Felsgestein aus seiner auf diese Umgebung gerichteten Harmoniesehnsucht
ausschließen sollte. Den gäbe es nur dann, wenn er (im Sinne
elementaristischen Denkens) dem Felsgestein eine andere Qualität zuordnen
würde als dem Rest der Umgebung, denn dann wäre es einleuchtend
anzunehmen, dass die Qualität des Elementes Erz nicht so gut mit dem
Wesen eines Elfen korrespondiert wie z.B. das Element Humus und jenes also
nicht so leicht wie dieses Teil einer elfischen Zauberhandlung sein kann.
Dass eine Bewegung des Elfen durch dieses Element dann so gut wie
ausgeschlossen scheint, ist einleuchtend.
Wie könnte nun eine solche elfische Zauberhandlung bezogen auf
Felsgestein aussehen? Nun z.B. könnte es dem Elfen das Klettern an Felsen
erleichtern (ähnlich wie das Klettern auf Bäumen durch den von M.
Thorban beschriebenen ÜBER WIPFEL...), so diese in seiner Umgebung
vorkommen (vorstellbar wäre dies allenfalls in den Salamandersteinen)
oder das leichtere Laufen über ein Geröllfeld. Zugegeben, beides sind
Umgebungsformen, die im natürlichen Lebensraum der Elfen nicht sehr oft
vorkommen - aber vielleicht ist das der Grund, warum uns ein so gearteter
Zauber nicht bekannt ist. Wie gesagt: möglich wäre seine Existenz wohl.
Wenn wir nun annehmen, dass erstens unsere These, dass Elfen keine
Hexalogie der Elemente kennen, richtig ist und dass zweitens Elfenzauber
existieren, die es dem Elfen erlauben, sich durch das Geäst von Bäumen,
über die Wasserfläche eines Sees und sicher über dünnes Eis zu
bewegen, so müssten wir doch feststellen, dass diese Zauberhandlungen
zumindest eine Affinität zu den Elementen zu besitzen scheinen. Wie also
erklärt sich das? Die Antwort ist einfach:
Da die Waldelfen, die den ÜBER WIPFEL... benutzen, um sich, allgemein und
mit den Worten M. Thorbans ausgedrückt, mit ihrer Umgebung in Einklang zu
bringen, nun einmal im Wald leben, einer Umgebung also, die für das
gildenmagische Auge zum großen Teil aus dem Element Humus besteht, da
ebenso die Firnelfen in einer Region leben, die schon rein derographisch
gezwungenermaßen sehr viel Eis aufweist, da weiterhin der Lebensraum des
Auvolks von Seen, Flüssen, Marsch- und Moorlandschaften geprägt ist, ist
es verständlich, dass unser gildenmagisches, idealistisches und
systematisierendes Denken eine Zuordnung zu den Elementen vornimmt. Diese
Zuordnung ist jedoch weder wahrscheinlich (nach den oben ausgeführten
Thesen), noch notwendig, sondern beruht u.E. auf einem Kategorienfehler,
einem Missverständnis: elfische Zauber sind umgebungsspezifisch und die
Beschaffenheit der Umwelt der verschiedenen Elfenvölker legt jeweils
verschiedene Zauberhandlungen nahe - in unserem speziellen Fall eben
verschiedene Bewegungszauber, welche die Harmonie zwischen WELT SEIN und
SELBST SEIN des Elfen verstärken. Elfische Zauber sind nicht
elementspezifisch, wie wir oben gezeigt haben. Wir Gildenmagier sind es
gewohnt, in elementaren Kategorien zu denken und zufällig korrespondieren
die elfischen Lebensräume in unserer Wahrnehmung mit unserem
Elementarsystem. Der Schluss, dass Elfen elementare Zauber verwenden, ist
jedoch nicht zulässig - dass sie eine elementare Hexalogie der Bewegung
kennen, noch weniger.
Elfen als Elementaristen?
Noch ein anderes Argument möchten wir anführen, um
unsere These zu stützen, dass Elfen kein Elementarsystem kennen: Es
dürfte bekannt sein, dass Elfen keine Elementare konvozieren. In unserem
Magiesystem ist die elementare Beschwörung nicht nur die wichtigste
Motivation der Erforschung der Elemente, sondern auch der einzige Bereich,
in dem uns das Wissen um die Elemente, also in dem uns unser
Elementarsystem überhaupt etwas nützt. Hinzuzählen könnte man noch das
überaus schwierige Gebiet der elementaren Transition, doch wer will
ernsthaft behaupten, dass die Elfen - selbst wenn sie das elementare
System mit uns teilen würden - genug von magischer Strukturtheorie
verstünden (oder sich nur dafür interessierten), dass sie solche
Transitionen durchführen (bzw. überhaupt verstehen) könnten?! Daraus
ergibt sich die Frage: Welche Motivation hätten die Elfen überhaupt
haben sollen, ein Elementarsystem zu entwickeln und sich philosophisch
damit zu beschäftigen, wenn dies keinerlei weiterführende,
magiepraktische Konsequenzen hätte? Gerade bei den Elfenvölkern, für
die Magie doch niemals bloßer Forschungs- oder Selbstzweck ist, können
wir uns eine solche Motivation schlicht nicht vorstellen!
Gildenmagisch-elementaristische Verwendung elfischer
Zauber
An dieser Stelle ist es angemessen, auf einen der
Kritikpunkte einzugehen, die der geschätzte Collega A.mj. Zachariad in
der letzten Ausgabe des Opus anbrachte. Zunächst möchten wir ihm danken
für die wohlformulierten Worte, die beweisen, dass der Adeptus unsere
Ausführungen gründlich gelesen hat, und für die einfühlsame Rezeption
unserer Thesen. Was die Frage angeht, ob unsere Einteilung der elfischen
Zauberhandlungen in Spezialgebiete "zutreffend" ist (so
der ursprüngliche Wortlaut bei Windfeder), so betrachten wir die
Ausführungen des Collega Zachariad als Explikationen unserer eigenen
Intention - selbstverständlich stimmen wir mit seinen Worten überein,
dass "unsere gildenmagische Einteilung der elfischen Canti"
innerhalb der Gildenmagie korrekt ist. Unsere These in ihrer logischen
Umkehrung beinhaltet ja gerade (als Kritik an der gildenmagischen
Betrachtung elfischer Sprüche - nicht an der Gildenmagie an sich!),
dass wir überhaupt keine andere Einteilung vornehmen können, weil
wir ebenso wie die Elfen an ein immanentes System gebunden sind.
Aus der positiven Annahme des Collega lassen sich ausgezeichnet logische
Folgerungen unser eigentliches Thema betreffend ziehen: Denn nimmt man die
Worte Zachariads ernst, so gibt es nunmehr keinen Grund, die
elementaristische Klassifikation der elfischen Zauberhandlungen (z.B. wie
oben aus dem Gebiet der Bewegung) zu verwerfen: in unserem System ist sie
ja zutreffend und so kann die bekannteste Formel ÜBER EIS... weiterhin
als elementarer Eis-Cantus betrachtet werden - er wird ja ohnehin nicht
als elfischer Spruch vermittelt, sondern als gildenmagischer. Ebenso ist
es dann denkbar, diesen Spruch in Verbindung mit seinen gildenmagischen
Schwestersprüchen ÜBER WIPFEL... etc. einer elementaren Transition zu
unterziehen und beispielsweise den Cantus zu rekonstruieren, den wir als
DURCH FELS UND ERZ... vermuten. Ein Elfenzauber ist das nimmer mehr und
ein Elementarzauber ist es vor allem deshalb, weil das Denken des
Gildenmagiers ihn zu einem solchen macht.
Aber das ironische ist, dass diese Überlegungen rein akademisch anmuten:
hat doch kein Gildenmagier genug Kenntnis von den ursprünglichen elfischen
Zauberhandlungen, um eine solche Transition durchführen zu können!
Insofern können wir unsere Argumentation wieder an ihren Anfangspunkt in
unseren ersten Artikeln bewegen (der ja starken Appell-Charakter hatte)
und behaupten, dass die gildenmagische Sicht der elfischen Canti - so
'korrekt' sie innerhalb unseres Systems sein mag - uns in Bezug auf
ein besseres Verständnis dieser speziellen und vielfach fremden Form von
Magie einfach nicht weiterhilft! Das ist tatsächlich von großer
Bedeutung, denn obwohl es so erscheint, als ob wir die elfischen
Sprüche einfach übernehmen, für uns abwandeln und brauchbar machen
könnten, um sie letztlich zu "beherrschen" (A.mj.
Zachariad), ohne dass dies weiter problematisch oder bedenkenswert wäre -
ist es doch die Überlegung wert, ob nicht die Tatsache, dass wir so wenig
von elfischer Magie wissen und verstehen, auf die objektiven Grenzen
unseres (vermeintlich objektiven) gildenmagischen Weltbilds, unserer
Magietheorie zurückzuführen ist... Dagegen haben wir uns gewandt,
Collega Zachariad: nicht gegen die gilden-magische Einteilung von
gildenmagischen Sprüchen, sondern gegen die weitverbreitete
gildenmagische Vorstellung, dass die gildenmagische Einteilung aller
Sprüche korrekt, verbindlich, objektiv ist.
Weg zur Harmonie oder moralisches Weltbild?
Dabei wollen wir auch gleich noch auf den zweiten Punkt zu
sprechen kommen, den der Adeptus in seinem Artikel anspricht und der
wesentlich weitreichendere Konsequenzen impliziert, über welche jeder
Magus einmal gründlich reflektieren sollte: Er stellt den von Norfold
proklamierten Hintergrund der Trinitätstheorie, nämlich das Streben des
Elfen nach Harmonie mit (nicht allgemein in) der Welt, moralisch
in Frage, indem er für jedes Harmoniestreben den höheren Sinn
postuliert, "stets darauf zu achten, dass ... das Gleichgewicht der
Sphären [gewahrt bleibt]".
Nach der Norfoldschen Trinitätstheorie, so Zachariad, scheint der Elf
diese Intention und sogar den Willen, dies zu tun, nicht zu besitzen. Er
fragt:
"Achtet der Elf denn auf den Harmoniezustand der
WELT? Sieht er ein anderes Harmoniestreben, ein anderes Streben nach
Gleichgewicht, als das eigene? Kann er überhaupt wahrnehmen, ob sich die
WELT um ihn herum im Gleichgewicht befindet?"
Grundsätzlich: Wir widersprechen dem überhaupt nicht und
würden diese Fragen zunächst mit "Nein" beantworten. Im
Gegenteil: unserer Ansicht nach ist die Art des Strebens nach Harmonie,
die Adeptus Zachariad für die Elfen als Konsequenz unserer Thesen
beschreibt sogar die einzige Art, wie jenes überhaupt denkbar ist. Lasst
uns ein wenig ausholen:
Erstens einmal: Dass die Academia Limbologica sich der Wahrung des
sphärischen Gleichgewichts verschrieben hat ist sicherlich lobens- und
bewundernswert. Dass die Adepten Eurer Akademie ein ausgeprägtes
Bewusstsein für sphärische Zusammenhänge, eine hohe Sensibilität für
Unreinheiten des Sphärenklangs sowie ein großes Verantwortungsgefühl
für seine Bereinigung besitzen, ist gerade in diesen schwierigen Zeiten
ohne Zweifel keinesfalls zu unterschätzen. Aber, Collega, wie viele Magi
und Magae dort draußen in der Welt erklären die Wahrung des
Gleichgewichts der Sphären denn tatsächlich zum Sinn und Zweck ihres
Magiewirkens? Mit Verlaub: zumeist haben da Dinge wie wissenschaftliches
Interesse, Macht, die Notwendigkeiten eines Dienstes etc. einen weit
höheren Stellenwert und auf den Lehrplänen der allermeisten Akademien
kommt 'Streben nach der Harmonie der Welt' durchaus nicht vor. Und nun
kritisiert ihr die Elfen dafür, dass ihr spezielles Streben
nach Harmonie nur auf jene zwischen ihnen und ihrer Umgebung
'beschränkt' ist? U.E. ein klarer Fall von Kategorienfehler.
Zweitens stellt sich unmittelbar die Frage, was Adeptus
Zachariad überhaupt mit Welt meint. Wenn es um die Wahrung des
Gleichgewichts der Sphären geht, dann ist das klar: Die WELT, an
deren Harmoniezustand dem Elfen nicht sehr viel gelegen zu sein scheint,
ist die gildenmagische Welt! Zachariad geht hier von einem
gildenmagischen Weltmodell und einer gildenmagischen Realität aus, an der
er die Motive, das Sein und das Streben der Elfen messen will.
Kehren wir in Entgegnung darauf abermals zu den Anfängen unserer
Artikel-Serie zurück: Wie M. Windfeder schon in De Natura Magiculturæ
ausführlich darlegt, können die verschiedenen originären Betrachtungen
von Welt und die der jeweiligen Betrachtung zugehörige magische
Interaktion mit ihr nicht einfach von einer Warte aus miteinander
verglichen werden:
"Die unterschiedlichen Weisen unterschiedlicher
Wesen, Welt zu begegnen, liegen im Wesen der Wesen und des Wesens an sich,
da Vielfalt eine Eigenschaft allen Wesens, aller Sämtlichkeit, aller
physis ist. Magie entzieht sich somit jeder eindeutigen Beschreibung,
welche allgemeine, objektive Gültigkeit beanspruchen will. ... Jedes
System der Beschreibung, Klassifizierung, Funktionalisierung von
angewandter oder theoretisch betrachteter Magie - i.e. jedes einzelne
aller möglichen systemata magica - ist in seinem kulturellen
Bezugsrahmen gültig, funktionsfähig, kohärent - wahr - solange die das
System praktizierende Gemeinschaft dieser Meinung ist. Jedoch: Keine
einzelne systema magica kann von einer anderen Gemeinschaft als
ungültig, nicht funktionsfähig, inkohärent - unwahr: sine veritate
- deklariert oder auch nur betrachtet werden!"
Das heißt schlichtweg, Collega, dass man von einem Elfen
kaum verlangen kann, nach der Wahrung des Gleichgewichts der Sphären zu
streben, wenn es in seinem Bild der Welt, in seiner Realität überhaupt
keine Sphären gibt. Wieder ein Kategorienfehler eurerseits?
Drittens hat ein Elf folgerichtigerweise gar nicht den
Anspruch, für die Wahrung eines sphärischen Gleichgewichts zuständig
und verantwortlich zu sein. Mehr noch: er würde - sollte er der
Sphärentheorie folgen - diesen Euren Anspruch an Euch selbst und ihn
wahrscheinlich als Anmaßung empfinden: als Anmaßung geradezu
kosmologischer Art, denn das wenige, was wir von der Geschichte der
Elfenvölker wissen, lässt wohl vermuten, dass es ihre eigene Anmaßung
war, die zuletzt zum Fall geführt hat. Wohlgemerkt: Auch der Wille zum
Guten kann anmaßend sein, lasst uns provokativ fragen: ist Euer
Selbstverständnis als Hüter des sphärischen Gleichgewichts etwas
fundamental anderes als das Selbstverständnis der Bannstrahler als
Richter im Namen PRAios' berufen zu sein?! Könnte
es sein, dass Ihr Euch übernehmt? Wir intendieren nicht, hier einen
Streit weder mit Euch noch evtl. mit Hochwürden Greif zu beginnen,
sondern seid beide versichert, dass wir Euer Wirken zu schätzen wissen!
Aber ein Elf würde Euer Selbstverständnis fast mit Sicherheit als
anmaßend empfinden - also auch hier ist Eure kategoriale Übertragung des
sphärenwahrenden Imperativs eher unangebracht.
Das soll beileibe nicht heißen, dass Elfen überhaupt
keinen Sinn für eine wie auch immer geartete Wahrung eines Gleichgewichts
in der Welt haben - gelten Elfen nicht schon von ihrem Wesen her als
äußerst sensibel, was Dissonanzen im Weltengefüge (ob sphärisch oder
nicht) betrifft? Unsere Theorien widersprechen dem überhaupt nicht - sie
besagen sehr wohl, dass Elfen einen feinen Sinn für die Harmonie der Welt
besitzen, nur bedeutet dies für sie etwas grundsätzlich anderes als für
uns.
Wenn es aber richtig ist, dass wir die unterliegende Frage
in den Ausführungen Adeptus Zachariads als moralisch geartet
identifizieren, so hat sie durchaus ihre Berechtigung, wenn auch
vielleicht keine Antwort. Die Frage lautete nun wohl in überspitzter
Form: "Ist dieses elfische Magiewirken im Kern als gut zu
bewerten, oder als dem Gleichgewicht der Sphären abträglich - mithin als
schlecht?" Wir möchten unsere, durchaus parteiische Antwort
im Schlusswort des folgenden Artikels andeuten, welcher auch der
vorläufige Abschluss unserer Reihe zu elfischer Zauberkunst sein soll.
M. Travian Norfold
und M.ex. Reiju Windfeder,
Donnerbach, 31 Hal
Ad revisionem: M.Ex. Magnus Wiesengrund:
Dialectica de nomine et subiecto. Teil 1: Subiectum subiciens et
obiectum nominatum.
von: Tyll Zybura & Katharina Pietsch Erschienen in Opus no. 99 am 12.3.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Norfold'sche Trinitätstheorie - Weg zur Harmonie oder triviales Weltbild?.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Magie der Menschen (und Gilden): Eine Magie der Welt, oder doch nur die Magie eines jeden einzelnen?.
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