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ACADEMIA
LIMBOLOGICA
Die Pforte IV
Beilage zu
Opus no. 31, der 1. Phex 29 Hal.
Wer sich fragt, was rund um die Pforte unter der Bibliothek geschieht und warum der Prozess
der zwei Magi Rukus Ambrosius und Thundar Hurlemanoff noch
nicht begonnen wurde, der wird wohl Einsicht erlangen, wenn er hört, was in der
Akademie geschehen ist...
...Ein leises Tropfen... Der unheimliche Dampf wird leicht aufgewirbelt... immer mehr Tropfen regnen von oben herab.
Die Anwesenden werden weder benetzt noch
benässt... doch noch während alle zur Decke blicken, kommt einem mit einem unterdrückten Husten Sheddjas die Gewissheit: Die Luft wird knapp, kaum kann man noch atmen,
sie wird dünner, scheint zu verschwinden und etwas Zähes, doch Flüssiges, sammelt sich am Boden vor dem Portal an,
lässt den Dampf auf sich schwimmen und löscht zischend die Kerzen des Pentagramms. Doch keine Nässe. Und immer höher steigt die Flut, immer dichter regnet es von der Decke und immer weiter weichen alle Anwesenden nur mit größter Mühe angesichts des zähflüssigen Untergrundes zu den Stufen zurück, gierig nach Luft schnappend.
Unwissend um all die Vorgänge, die nur ein Stockwerk tiefer wohl geschehen mögen, schließt Achmed langsam seine Augen und denkt zurück an die schönen Zeiten in Rashdul, die Feste, die Musik und die wunderschönen Sharisad. Beinahe meint er schon das melodiöse Klingen ihrer Fußkettchen zu hören als ihn ein leises Räuspern aus den Träumen reißt. Er öffnet langsam sein rechtes Auge, um den Urheber dieser Geräusche auszumachen.
RUMS!
Im nächsten Augenblick fliegt Achmed Hals über Kopf nach hinten vom Sessel und landet unsanft auf der
aranischen Säbelpflanze, die sich in hinteren Teil des Raumes breitgemacht hat. "Bei allen Kamelen! Das haut ja selbst den stärksten Novadi um!" Achmed macht sich daran, sich langsam wieder aufzurichten, ohne an den scharfen Eckkanten der Blätter anzukommen. Vor ihm steht mit erhobenen Kopf die Argelia von Kuslik, Geweihte der Hesinde, die sich, angesichts dieser Situation ihres Kollegen, ein kleines Grinsen nicht verkneifen kann. Doch kaum ist Achmed wieder auf den Beinen, setzt sie wieder ihre gestrenge Miene auf und blickt den Magus finster an: "Was, in aller Götter Namen, tut ihr hier?!" - "Nun, ich dachte jetzt, wo ja fast alle Wichtigeres zu tun haben, ich dachte, da könnte ich doch... ähm... Wollt ihr vielleicht auch ein
bisschen Zithabar?" Argelia starrt ihren Kollegen jetzt noch strenger an und sagt dann mit fester Stimme: "Nun, wir werden sehen, was unser Großmeister dazu sagt." - "Nein!" Achmed springt
zwischen Argelia und die Tür, der sie sich gerade zuwenden wollte. "Alles nur das nicht!" Argelia hält inne und fährt sich mit ihrer Hand an die Schläfe. Sie würde diese Situation gnadenlos ausnützen, das
wusste Achmed. Aber lieber dem kranken Verstand einer Laienpredigerin ausgesetzt, als dem Zorn des Großmeisters. "Ich denke, es ist am besten, ihr besucht heute
Abend MEINEN Gottesdienst. Ich erwarte euch." Mit diesen Worten entschwindet Argelia
dem Blickfeld des verdutzten Achmed.
Verstört blickt Rukus angesichts der tropfenden Flüssigkeit zuerst zur Decke, dann zum Boden, wo er langsam den sorgsam gezeichneten Schutzkreis verlaufen sieht. Es ist schwer zu sagen, ob es der Schreck über die sich nun plötzlich überschlagenden Ereignisse ist, oder der tatsächliche Mangel an Atemluft, der Rukus sich mit der Hand zum
Herzen fahren und auffällig nach Luft japsen lässt. Wie gebannt starrt der greise Magus auf den seltsamen Rauch, der nach wie vor aus dem riesigen Portal hervorquillt. Immer höher steigt der Flüssigkeitsspiegel indes an, doch der vollkommen verstörte Magier scheint außer Stande, sich aus eigener Kraft in Sicherheit zu bringen.
Wie Sheddjas des alten Magus' Probleme bemerkt, will sie sofort zu ihm eilen, hebt einen
Fuß aus dem Nass und verzieht geekelt den Mund, als sich lange
Fäden von der inzwischen wadentiefen Flüssigkeit zu ihrem leichtem Schuhwerk ziehen. Mit einem Pflopp gibt das
zähe Zeug dann auch ihren anderen Fuß frei und sie kann Rukus an der Schulter stützen. Sofort beginnt sie ihn in Richtung Treppe zu ziehen: "Bei den Niederhöllen! Was ist das? Wir müssen raus!" schreit sie, denn das stetige Tropfen
übertönt schon die meisten Geräusche. Nur sehr langsam und schwerfällig gelangt sie zu den ersten Stufen, keucht und
jappst, bis sie dann erschöpft in der Mitte der Treppe zusammenbricht, sich auf den Stufen abstützt und erst einmal heftig schnaufend wieder ihre
Kräfte sammelt. Inzwischen ist auch Rukus aus dem zähen Medium befreit, wurde durch den Sturz Sheddjas aber nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Und hinter ihnen stehen die zwei Magier
Erilarion und Thundar inzwischen fast hüfttief in honigartiger Flüssigkeit und schnappen heftig nach Luft.
Der inzwischen offensichtlich wieder zur Besinnung gekommene Rukus nützt die ihm auf diese Art zwangsverordnete Verschnaufpause, um sich nach eben jenen beiden anderen Magi umzusehen. Hustend und noch immer die linke Hand an
die Brust gepresst blickt er gehetzt und unschlüssig zuerst auf den Großmeister, dann auf das Sicherheit verheißende obere Ende der Treppe und schließlich auf seinen puniner Collegus, der der unheilvollen Pforte noch immer am nächsten steht. Das lautstarke Tropfen und Plätschern übertönt das
missmutige Gezeter des greisen Magiers, als sich dieser schließlich einen halbwegs sicheren Halt auf der Treppe sucht, sich mit der freien Hand einen
verlässlichen Haltepunkt an der Wand ertastet und mit seinem Stab dreimal kräftig auf die steinernen Stufen pocht, bevor er ihn mit einer weit ausholenden Geste auf die Pforte richtet. Noch in der Bewegung scheint der Stab in sich flexibler und auch länger zu werden, bis schließlich das Ende eines ansehnlichen Seiles direkt an Großmeister Erilarion vorbei auf Thundar zugeschossen kommt...
Als Thundar bemerkt, dass Rukus sein Seil in seine Richtung befördert, packt er es mit der linken Hand und schlingt es mehrmals um sein Handgelenk und beginnt sich in Richtung Treppe vorzuarbeiten.
Sheddja hat sich inzwischen aufgerappelte und sieht sich mit angstgeweiteten Augen im beträchtlich überfluteten Raum um... klebrige Fäden des zähen Mediums, das bald den Raum zur Hälfte auffüllt, ziehen sich durch Gewand und Haare. Im
bläulichen Zwielicht ist noch immer ein dichter Schauer von der Decke zu erkennen und man hat fast keine Möglichkeit mehr zu atmen. Als sich auch Thundar mit Rukus' Hilfe zur Stiege
hingezogen hat bleibt nur noch der Großmeister zurück. "Erilarion!" ruft Sheddja, "Wir müssen raus!" dann formt sie die Hände vor ihrem Mund zu einem Trichter und schreit "Aeolitus!" - ein leichter Windhauch erfüllt den Raum und gibt einem wieder kurz die Gelegenheit einen
normalen Atemzug zu tun. Tief holt der Grossmeister Luft, saugt den kurzen Windhauch förmlich in
sich auf, der ihm da von der Treppe entgegenkommt, und macht sich dann auf den mühevollen Weg in Richtung Treppe. Doch schon bei den ersten Schritten merkt er, dass das Vorankommen in dieser zähen Flüssigkeit und noch dazu in seiner Magiergewandung nicht gerade schnell vonstatten geht. Der Raum hat sich inzwischen weiter angefüllt und Erilarion steckt nun bis über die Hüften in diesem verflüssigtem Etwas. Er hat seine Versuche vorwärts zu kommen nun vollends aufgegeben und ruft mit befehlsgewohnter Stimme zu Sheddja hinüber: "Holt mir den Dschinnenbeschwörer... ein Geist der Lüfte ist die einzige Möglichkeit! Und bringt mir sofort den Charypter aus seinem Zimmer hierher!" Nachfolgend ruft er noch einige Beschimpfungen - wohl offensichtlich Meister Barius von Charypso betreffend - die aber im Tropfen und Plätschern untergehen.
"Aber...", beginnt Sheddja kurz, dann dreht sie sich zu den Stufen um und eilt diese empor. Die Dunkelheit der darüber
liegenden Bibliothek verschlingt sie und lässt die drei männlichen Collegi allein zurück.
Achmed ist gerade dabei, die Unordnung, die er in Erilarions Zimmer angerichtet hat, halbwegs wieder aufzuräumen, als ihn plötzlich ein kurzer, aber heftiger Schmerz durch den ganzen Körper fährt. Schon lange hatte er so etwas nicht mehr gespürt, doch er wusste, hier war etwas unaussprechlich Böses, etwas Dämonisches am Werk. Und seine Freunde waren in
größter Gefahr. Sofort lässt er von seiner Arbeit ab und steckt seinen Kopf aus der Tür. Und wirklich, da hört er eine Stimme nach ihm rufen, keuchend, gepresst, aber klar verständlich. Es ist Sheddja, die da nach ihm ruft und sie klingt nervös, nahezu aufgeregt, obwohl sich Achmed nicht sicher ist, ob Sheddja dieses Gefühl
überhaupt kennt, geschweige denn verspüren kann. Achmed packt seine weite Magierrobe mit beiden Händen, hetzt zur Stiege und mit eiligen Schritten diese hinab. Schnell wendet er sich im Säulengang der Bibliothek zu, als ihm schon die Druidin eiligen Schrittes und fest nach Luft schnappend entgegenkommt...
"Der Großmeister..." Sheddja jappst nach Luft "...beim Portal - ein mächtiger Cantus wie es scheint..., eine zähe Flüssigkeit und die Luft wird knapp. Ein Luftdschinn kann ihn retten!" Sheddja holt noch einmal tief Atem und die übliche Ruhe legt sich
über ihre Züge. "Der Großmeister meinte auch, Meister Barius solle kommen... doch der Dschinn ist wichtiger. Ich hoffe es ist Zeit dazu - Die Magi Rukus und Thundar sind noch unten... sie können noch helfen..." Sheddja scheint zu erwarten, dass der novadische Magier sofort mit der Beschwörung beginnt, starrt nachdenklich ins Nichts und murmelt "...ich... Barius...", wendet sich ab und schreitet zu zwei Studiosi, die am Geländer des Säulengangs sitzen, mit aufgeschlagenen Folianten auf den Knien, und das Geschehen erstaunt beobachtet hatten. Sheddja spricht kurz zu ihnen und sie springen sofort mit bangen Gesichtern auf, legen die Bücher zur Seite und eilen in Richtung des Beschwörungsturms bzw. der Gemächer. Mit einigen mahnenden Worten, die niemand hört, hebt die Meisterin die Bücher vom Boden auf, klopft den Staub von den Einbänden und sieht zurück zu Achmed... erwartungsvoll.
Noch immer steigt die zähe Flüssigkeit höher und schiebt sich bereits die Treppe hinauf. Lange werden Rukus und Thundar dort oben wohl kaum mehr verweilen können. Wo nur dieser Dschinnenbeschwörer bleibt? Gerade noch könnt ihr den Kopf des Großmeisters aus der
Flüssigkeit ragen sehen, das Seil hat er immer noch fest in beiden Händen, da schwappt
plötzlich eine Welle über Großmeister Erilarion hinweg, für kurze Zeit ist rein gar nichts mehr von dem Akademieleiter zu sehen. Die Sekunden vergehen...
Das Seil! Er muss es losgelassen haben, denn es hängt jetzt schlaff in die Flüssigkeit hinein. Als Rukus daran zieht, kann er keinen Widerstand spüren. Der Großmeister bleibt verschwunden - und auch
die zwei verbliebenen Magier sollten so schnell wie möglich hier raus!
Meister Achmed zieht eine Augenbraue hoch, verschränkt die Arme und sieht der Meisterin dabei zu, wie sie die Bücher aufhebt: "Wohl etwas unkonzentriert, liebste Meisterin. Ein Dschinn? Da sind Vorbereitungen vonnöten, ein langes Beschwörungsritual. Ist der Großmeister ernsthaft in Gefahr? Hat mich mein Gefühl nicht getäuscht?" - Sheddja dreht sich verwundert um, legt die Bücher wieder in den Staub und nickt
kräftig "Bei Los und Sumu, ja! Wir müssen etwas tun! Ein Elementargeist! Ja, das meinte er." - "Bikull suruhr" antwortet Meister Achmed auf Tulamidya, streckt die Arme gen Himmel und spreizt die Finger fast unnatürlich weit. Sodann beginnt er auf tulamidisch den auch der Druidin wohlbekannten Spruch zu rezitieren, ruft die
großen Winde der Meere und die Stürme über der Khom an...
Erschienen in Opus no. 31 am 29.8.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Pforte III.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Pforte V.
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