ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
seit Praios 29 Hal


Correctura parata:
Responsio de errore filiae et filii satuariae

Gräußlich, ganz gräußlich. Niemals hätte ich mir träumen lassen, mit meiner Artikelreihe eine derartige Reaktion hervorzurufen. Schreibt da doch dieser unsägliche Mensch in seinem Artikel, ich hätte durch meine Publicatio seinen Forschergeist geweckt. Ein Kompliment höchsten Ranges, wie man meinen sollte, doch höre ich weiter, wie sich dieser Forscherdrang bei besagtem Collegus ausgewirkt hat, so kann ich nur händeringend auf die Knie fallen und die Göttin anflehen, dass sie es mir verzeihen möge, durch meine Arbeit unbeabsichtigter Weise solch unsägliche Vorgänge in Gang gesetzt zu haben.

Ad primo: Meine Meinung über die sogenannten Kinder Satuarias ist durchaus nicht positiv. Es weckt schieres Unverständnis in mir, wie die Göttin ihre astralen Gaben an diese Subjekte verschenken kann, denen es offensichtlich in mehr als nur einem Punkt an der nötigen hesindegefälligen Professionalität mangelt, um mit diesen Kräften verantwortungsbewusst umgehen zu können. Doch wer bin ich, den Ratschluss der Göttin durchschauen zu wollen? So nehme ich es denn als gegeben hin und kann nur wiederholt darauf verweisen, dass die Art und Weise, wie die sogenannten Kinder Satuarias ihre astralen Kräfte gebrauchen, ein erhebliches Gefahrenpotential in sich birgt. Nicht die Art ihrer Magie, nicht die Wirkung ihrer Zauber, nein vielmehr die Unbedachtheit, mit der sie ihre Magie einsetzen, macht sie zu unberechenbaren und - den Göttern sei's geklagt - oftmals gar sehr mächtigen Zeitgenossen, die nicht ihren Verstand sondern ihre Laune darüber entscheiden lassen, wann sie wie ihre Kräfte einzusetzen gedenken. Ich distanziere mich ganz entschieden von dieser verwerflichen Form der Magieanwendung, doch niemals ginge ich soweit, den besagten Individuen ihre Menschlichkeit abzusprechen oder sie gar als unheilig oder götterlästerlich zu titulieren! Diesbezügliche Äußerungen, zu denen besagter Collegus sich schändlicher Weise hat hinreißen lassen, sind schlichtweg unhaltbar und grenzen an übelster Volksverhetzung! Denn um das eine einmal vollkommen klarzustellen: In allen zivilisierten, zwölfgöttlichen Landen ist der satuarische Glaube seit Rohals Zeiten ausdrücklich geduldet, und kann niemand angeklagt oder anderweitig belangt werden, nur weil ihm die Zugehörigkeit zur satuarischen Gemeinschaft nachgewiesen werden konnte! Dies, werte Collegi et Collegae, ist ein Faktum! Die Verfolgung von nicht gildenmagisch ausgebildeten Magiekundigen dürften wir seit der Zeit der Priesterkaiser lange überwunden haben! Nein, wer heutzutage ein sogenanntes Kind Satuarias unter Anklage zu stellen gedenkt, braucht einen triftigen Grund, und die bloße Satuaria-Anhängerschaft reicht hierfür definitiv keinesfalls aus!

Ad secundo: Die Manuskripte seiner Hochwürden Kunrad von Marmelund sind mir durchaus bekannt. Ich las sie einst an einem stillen Orte und beschloss nach kurzer Zeit, dass es das Beste sei, sie auch dort zu belassen.

Ad tertio: Bezüglich der destruktiven Prägung der satuarischen Fluchmagie möchte ich erneut betonen, dass ich diese ebenfalls für verwerflich halte und das gesetzliche Verbot ihrer Anwendung durchaus und mit aller Leidenschaftlichkeit unterstütze, wie ich in meiner Artikelreihe bereits zu Genüge zum Ausdruck gebracht haben dürfte.

Ad quarto: Die ebenfalls in diesem Artikel erwähnten, vom Autor als Charakterstudien bezeichneten Untersuchungen an der fraglichen Personengruppe lassen - wie eigentlich der Rest des Artikels auch - mehr als nur zu wünschen übrig. Wer mit der satuarischen oder auch elfischen Lebensweise und Philosophie auch nur in Ansätzen vertraut ist, wird wissen, dass in diesen Kreisen sehr häufig eine Affinität zwischen dem Charakter eines Individuums mit einer bestimmten Tierart betont wird, die unter Verwendung der Bezeichnung 'Seelentier' des häufigeren Erwähnung in durchaus angesehenen Publikationen findet. Allein, einer ganzen Glaubensgemeinschaft ein einziges 'Seelentier' zuzuordnen, halte ich für in keinster Weise wissenschaftlich oder auch nur empirisch vertretbar.

Ad quinto: Ich fühle mich nicht berufen, über die moralische Vertretbarkeit geschlechtlicher Handlungen im Rahmen der internen Festlichkeiten einer Gemeinschaft, der selbst ich nicht angehöre, zu urteilen. Ich möchte jedoch daran erinnern, dass die Verehrung des Levthan an sich durchaus als den Zwölfen gefällig angesehen werden muss, gibt es doch in so manchem Tempel der Rahja, nicht zuletzt in der Kaiserstadt Gareth selbst, einen eigenen Schrein oder Altar dieses Halbgottes und steht doch in Fasar gar ein ganzer ihm geweihter Tempel. Sicher, es mag schwer fallen, sich mit dieser Glaubensausrichtung zu identifizieren, doch kann ich prinzipiell nichts Verwerfliches daran erkennen, dem Sohn Rahjas Verehrung zuteil werden zu lassen.

Ad sexto: Die Berufung auf Satuaria als Begründerin ihrer Glaubensgemeinschaft ist unter den als Hexen bekannten Zauberkundigen in der Tat weit verbreitet, wenngleich wohl nur die wenigsten meinen, ihre Blutlinie auf die Tochter Sumus selbst zurückführen zu können. Doch mit einer ganz ähnliche Behauptung, den Mannwidder selbst betreffend, wurde ich während meiner Forschungen in der Tat mehrmals konfrontiert, existieren doch offenbar einige, von ihresgleichen beinahe schon als 'Auserwählte' betrachtete Vertreter dieser Gemeinschaft, denen in der Tat zuweilen nachgesagt wird, dass Levthan selbst ihr Vater sei, der sich denselben Quellen nach gelegentlich auf den bereits erwähnten Festen zeige, um sich mit den anwesenden sogenannten Kindern Satuarias geschlechtlich zu vereinigen. Keine dieser Aussagen konnte bisher jedoch verbindlich verifiziert werden. Die Gleichsetzung von Satuaria mit Hesinde halte ich persönlich zwar für sehr weit hergeholt, doch mag diese Betrachtungsweise durchaus ihre Vorteile haben, treibt ein solcher Glaube die betroffenen sogenannten Kinder Satuarias doch nicht selten in einen Tempel der Göttin, und das ist mehr als man von den meisten Vertretern dieser Gemeinschaft erwarten kann. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass diejenigen unter den sogenannten Kindern Satuarias, die sich diese Überzeugung zu eigen gemacht haben, durch diesen offensichtlichen Irrglauben vielleicht als einzige noch nicht ganz für die Göttin verloren sind.

Ad septimo: Die unaussprechlich dilettantische Vermischung von Halbwahrheiten über Hexerei und Schamanismus im letzten Teil des Artikels, auf den Bezug zu nehmen ich mich genötigt sehe, bildet jedoch den unrühmlichen Höhepunkt der Zumutungen, die der Autor der Fachwelt als wissenschaftliche Studien aufzuschwatzen sucht. All diese Ausführungen sind einfach nur Unsinn. Man weiß gar nicht, wo man ansetzen soll, um diesen verwirrenden Knoten aus Un- und Halbwahrheiten zu lösen, der einem hier auf so unverfrorene Art und Weise vorgesetzt wird. Die sogenannten Kinder Satuarias sind sehr wohl von Natur aus magiebegabt. Oder anders ausgedrückt: Jeder von Geburt an Magiebegabte wäre potentiell in der Lage, zu einem vollwertigen Mitglied der satuarischen Gemeinschaft heranzuwachsen. Eben darum ist es so wichtig, dass die Gilden alles in ihrer Macht stehende tun, um die Begabung möglichst früh und bei allen Kindern zu entdecken und zu fördern, um sie davor zu bewahren, durch Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft auf einen der Göttin weit weniger gefälligen Weg geführt zu werden! Auch ist die Betrachtung der Göttin Satuaria als Götze durchaus problematisch, denn wie bereits erwähnt ist dieser Glaube so gut wie überall offiziell geduldet. Die indirekte Gleichsetzung Satuarias mit dem Gott ohne Namen, zu welcher der Autor sich hat hinreißen lassen, ist lächerlich und zeugt von der unzureichenden Gründlichkeit, mit denen die diesem Artikel angeblich zugrunde liegenden Nachforschungen betrieben wurden.

Wenn dieser unsägliche Artikel eines erreicht hat, dann ist es, mir die Augen zu öffnen. Viel zu lange habe ich aus persönlichen Gründen die Fortsetzung meiner Beitragsreihe in dieser ehrenwerten Postille vor mir her geschoben. Viel zu groß ist das Unwissen, das selbst in gelehrten Kreisen noch über die sogenannten Kinder Satuarias existiert. Daher sehe ich mich berufen, möglichst bald mit der Veröffentlichung meiner Forschungsergebnisse fortzufahren, um meinen Teil zur Verbreitung der wahren Erkenntnisse über diese Gemeinschaft von Zauberkundigen beizutragen.

Rukus Ambrosius, Magus

von: Frank Brosow
Erschienen in Opus no. 36 am 3.10.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Responsum et correctura: Responsio de errore filiae et filii satuariae.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Ad tractatii de filiae et filii Satuariae.



Tractatus ad Collegi Magister Magnus Isandrian Magnisfexus Desgrandan et Spectabilitas Gorn Of Dagon

Sehr geehrte Leserschaft des Opus veritatis scientiæque,
sehr geehrte Collegae et Collegi,
sehr geehrter Magister Isandrian Magnisfexus Desgrandan,
sehr geehrte Spektabilität Gorn Of Dagon!

Aus der letzten Ausgabe des Opus veritatis scientiæque musste ich mit Schrecken entnehmen, dass offensichtlich ein Disput zwischen zwei – wohl angesehenen – Vertretern der Künste der guten Herrin HESinde zu entbrennen scheint. Dieses lässt mich mit Unbehagen und Unverständnis reagieren, zumal es sich bei den Verfassern wohl um Koryphäen ihres jeweiligen Fachgebietes handelt. Sollten nicht gerade solch‘ hochgestellte Persönlichkeiten den Blick auf das richten, was außerhalb ihrer Studierzimmer, ihrer Bibliotheken, ihrer Akademie geschieht? Haben diese beiden Vertreter der einzigartigen Kraft der guten Herrin HESinde nicht die Aufgabe, diese Kräfte in ihrem Sinne einzusetzen, anstatt sich – verzeiht den kriegerischen Ausdruck – in Geplänkeln gegenseitig anzugreifen? Oder kann es gar sein, HESinde vergib, dass sie den Blick für das Wesentliche verloren haben?

Was dieses ist, steht in einer Zeit, in der der Bethanier zwar durch den aufopferungsvollen Mut der legendären Sieben Gezeichneten vernichtet wurde, seine Heerscharen aber immer noch blutige Ernte in ehemals Reichsangehörigen Gebieten halten, meines Erachtens vollends außer Frage. Der Feind ist NICHT in einzelnen Personengruppen wie z.B. Druiden, Geoden, Schamanen oder Hexen zu suchen. Vielmehr ist der Feind in Tobrien, auf Maraskan, aber auch in den eisigen Landen jenseits des Bornlandes zu finden. Dort, wo Glorana die Schöne versucht, mit der Kraft und den Ausgeburten des Gegenspielers unseres guten Herren FIRun ein eisiges Regiment zu führen gedenkt.

Bevor sich nun aber seine Spektabilität in seinen getätigten Äußerungen bzgl. der Wesenszüge der Hexen bestätigt fühlt, gebe ich zu bedenken, dass es sich bei dieser Buhle zwar sehr wohl um eine Anhängerin Satuarias, mithin eine Hexe, handelt. Jedoch ist hierbei nicht zu verkennen, dass es auch unter den Vertretern der Gildenmagie Magier gibt, die um die Nachfolge des Bethaniers buhlen. Als Beispiele hierfür seien hier nur Xeraan und G.C.E. Galotta genannt. Aber auch andere nicht namentlich bekannte Collegae et Collegi haben sich der dunklen Seite verschrieben mit der Intention, ihren unheiligen Durst nach Wissen und Macht mit Hilfe der Gefolgschaft des Bethaniers – wenn nicht sogar mit seiner persönlichen Hilfe – zu stillen. Dass in diesem Zusammenhang gerade in den angrenzenden Gebieten zu den schwarzen Landen geradezu Zwölfgötter lästerliche Taten geschahen, braucht in diesem Zusammenhang wohl nicht ausdrücklich erwähnt zu werden. Diese geschahen nur zu dem Zweck, Rituale vorzubereiten, die dem Gefolge des Bethaniers den Weg in unsere Sphäre, und damit in unsere Lande, ebnen sollten. Hieraus resultierte – teilweise ist dem immer noch so –, dass ein sich offensichtlich zu seiner Profession bekennender Magus in diesen Gebieten gemieden, wenn nicht gar verfolgt wird. Und dieses auch dann, wenn dieser in dem Ort schon seit Jahren lebte und dort als Zwölfgöttergläubiger bekannt war.

Die Collegae et Collegi wurden nach Bekannt werden derartiger Vorkommnisse somit so behandelt, wie seine Spektabilität mit den Anhängern Satuarias verfahren würde: Diejenigen, die sich nicht unter einem Schleier von Lüge und Kumpanei verbargen, sich demnach nach Assoziation seiner Spektabilität wie die Anhänger Satuarias verhielten, wurden verfolgt, oder im schlimmsten Fall gar getötet!

Ich selber musste eine – wohl reisende – Collega, die mit einem Schild über ihre – angebliche – Kollaboration mit den Erben des Bethaniers um ihren gebrochenen Hals an einer Weide hing, von selbiger abschneiden, um dann ihren Leib der reinigenden Kraft des Feuers zu übereignen.

Dass Magister Magnus Isandrian Magnisfexus Desgrandan diesen Verfall von Ehre und Sitte, wie es augenfällig bei Xeraan – aber auch anderen Subjekten in den schwarzen Landen – der Fall ist, in seiner Responsio bereits angesprochen hat, ist ihm wahrlich hoch anzurechnen. Nur stellt sich mir die Frage, ob es – gerade gegenüber einer Spektabilität – der Polemik und des Zynismus bedurft hätte. Dieses zeugt nicht vom Glauben in die eigene rhetorische – und argumentative – Stärke, sondern spricht eher dafür, dass sich der Magister Magnus zwar in der – zweifelsohne anerkannten – Akademie auskennt, jedoch den offenen Disput mit Collgae et Collegi bisher gescheut hat. Sollte er dennoch – wider erwarten – den Disput gesucht haben, so bleibt mir aufgrund seines rhetorischen Verständnisses nur die conclusio, dass diese mit den Mitteln der guten Herrin HESinde ausgetragen wurden... Ob dieses aber dann noch in Relation zu den Lehren steht, die er gegenüber seiner Spektabilität anmahnt, wage ich zutiefst zu bezweifeln!

Bevor nun jedoch ein Aufschrei der Absolventen der Akademie – oder des Magister Magnus persönlich – durch dieses Fachblatt flutet, so möchte ich hinzufügen, dass es nicht mein Anliegen war, einen solchen Sturm zu entfachen. Denn unsere Kräfte müssen dorthin gelenkt werden, wo der Feind sitzt, und nicht auf die eigenen Reihen! Zu oft geschah dieses in der Vergangenheit, und zu groß war der Schaden, den die einzelnen Gilden davontrugen. Die Kräfte in die richtige Richtung zu lenken war mein Anliegen, den Geist und das Auge für die wesentlichen – die gefährlichen – Geschehnisse zu öffnen mein Begehren!

Abschließend möchte ich noch hinzufügen, dass sich dieser Aufruf nicht nur an die verehrten Collegae et Collegi im Allgemeinen und im Besonderen richtet, sondern an alle, die in den Künsten unserer allseits geschätzten und geachteten guten Frau HESinde mächtig sind. Denn um den Feind, der sich im Norden formiert, um von dort das Land mit seiner unheiligen Macht zu unterjochen, zu bezwingen, darf es keine Schwäche in den eigenen Reihen geben. Soll das Vorbild, was die Sieben Gezeichneten durch ihr heldenhaftes Auftreten gaben, unverstanden in den Sphären verhallen? War es nicht das Anliegen der guten Frau HESinde – und auch ihrer Brüder und Schwestern –, uns durch die Einheit der Gezeichneten zu zeigen, wie der Bethanier – und damit auch seine Erben – zu bezwingen ist? Wenn nun aber zwei hervorstechende Persönlichkeiten die Zeit finden sollten, ihre – verbalen – Kräfte statt gegen den Feind gegeneinander zu lenken, so zeigt es mir, dass sie – ungeachtet ihrer Stellung und ihrer Titel – es nicht verstanden haben, was die Götter uns für ein Zeichen gesandt haben, zumal die Opfer, die für den Sieg gegen den Bethanier erbracht werden mussten, auch von den Anhängern Satuarias, namentlich von Luzelin vom Blauen Wald, zu erbringen waren!

Borgana ibn Walut Almawed,
Magus des Konventes der verfinsterten Sonnenscheibe, Spärenkundliches Institut und Halle der Geister zu Brabak et
Magus der Kaiserlich Garethischen Lehranstalt der Magie wider Geister und trans-sphärische Wesenheiten zu Perricum

von: Frank Brosow
Erschienen in Opus no. 36 am 3.10.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Responsum et correctura: Responsio de errore filiae et filii satuariae.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: So erkennet die Wahrheit.



ACADEMIA LIMBOLOGICA
Die Pforte VI
Beilage zu Opus no. 36, der 6. Peraine 29 Hal.

Noch sind die Rätsel um die Pforte unter der Bibliothek der Academia Limbologica nicht gelüftet. Die Ereignisse der letzten Zeit warfen ganz im Gegenteil neue auf und noch immer ahnt niemand, was wirklich vor sich geht...

Thundar Hurlemanoff blickt wiederum zu Meisterin Sheddja und Rukus: "Auf dem Weg zu Barius werde ich das Rätsel um den Dschinn des Feuers aufklären, wenn es euch recht ist."
Nachdem er ein zustimmendes Nicken der beiden erhalten hat, fährt Thundar fort: "Der Dschinn stammt von mir. Vor einiger Zeit hatten einige meiner Freunde und ich eine Queste in der Gor zu bestehen, bei der mir schmerzlich bewusst wurde, wie lange es in der Praxis dauert einen Dschinn zu beschwören. Dass dieser Zauber nicht so schnell gesprochen ist wie ein Fulminictus oder ähnliches war mir vorher zwar durchaus bewusst, doch wie lange es dauert, wenn keine Zeit bleibt, habe ich damals erst richtig bemerkt. Auf Grund dieser Erfahrung gab ich einen Ring in Auftrag - die Artefaktmagie war noch nie mein Spezialgebiet -, der es mir ermöglichen sollte eine Dschinni in ihm zu binden.
Genau diese gebundene Dschinni habe ich gerufen, als mein Pentagramma versagte und der Großmeister verloren schien. Nachdem diese Elementarwesen den Wunsch getreulich nach dem Wortlaut auszuführen pflegen - was bisweilen durchaus schelmische Ausmaße annehmen kann - und ich ihn bat den Großmeister Erilarion bis zum letzten zu beschützen... Nun, ich denke der Rest dürfte euch selbst klar sein."
Interessiert lauscht Sheddja diesem Bericht über den Dschinnenring, während die Gruppe über den Arkadengang zu den Treppen beim Portal des Grossen Hörsaals marschiert. Dort angekommen wendet sich Sheddja nach links, hebt ihr Kleid leicht an und steigt die Stufen empor. Oben angekommen will sie etwas entgegnen, wird aber von einer plötzlicher Selbstverwünschung Thundars gestoppt, die sie leicht lächelnd abwartet: "OH NEIN! ICH BIN DOCH WIRKLICH...". Ein Schwall von Selbstbezichtigungen, begleitet von einem Schlag mit der flachen Hand auf die eigene Stirn folgt. "Ich habe meinen Rucksack vor dieser verfluchten Pforte vergessen!" erklärt der Magus den ihn entgeistert anstarrenden Begleitern. "Lasst mich repetieren was sich darin befand: der Trank, die restlichen Kerzen und die Kreide und einige unwichtigere Utensilien wie Schreibzeug, Schnur, ... Oh nein, mein Tagebuch! Gut, dass ich erst vor einem Mond ein neues begonnen habe!" Den Rest des Weges setzt ein leise vor sich hin fluchender Magus fort - die Flüche sind jedoch nicht zu verstehen, und das ist auch besser so, denn wer bisweilen mit Thorwalern reist...
"Grämt euch nicht, werter Magus," entgegnet Sheddja, "wir finden sicher einen Ersatz für Eure Beschwörungsutensilien... und niemand ist da ein geeigneterer Ansprechpartner als Meister Barius." Daraufhin lacht Sheddja kurz und trocken auf, um sich sofort wieder umzuwenden und die kleine Galerie über dem mit Büchern gefüllten Hörsaal zu betreten. Die Tür zum sogenannten Abschwörungszimmer, welches vor dem eigentlichen Beschwörungsturm liegt, öffnet sie mit einem kräftigen Ruck. Sie eilt in die dunkle Kammer, deren einziges Fenster mit Brettern verbarrikadiert ist - nur einige wenige Strahlen des Praioslichts dringen durch Spalten herein und lassen die Linien eines am Boden gezeichneten Pentagramms in goldenem Licht erstrahlen. Sheddja geht fast auf den Zehenspitzen um das Pentagramm herum, die Worte "Auf dass Praios strahlender Finger das Dämonengezücht auf ewig banne" auf den Lippen. Vor Sheddja erhebt sich nun eine große Eisentüre, das einstige Schlüsselloch mit Metallplatten versiegelt. Doch als Sheddja die mächtige Eisenklinke drückt, gibt der alte Mechanismus nur ein Krächzen von sich - die Tür aber bleibt verschlossen. Mit ungläubigem Blick wendet sich Sheddja um... "Verschlossen? Es sollte noch einen Weg durch das Labor geben... folgt mir." Und schon zwängt sich die Meisterin am Pentagramm und den zwei umstehenden Magiern vorbei, eilt die Treppe hinab in den Arkadengang und betritt den überfüllten Vorlesungssaal, an dessen linkem Ende sich eine schmale Türe befindet. "Dies ist die Tür zum Labor des Meister Barius, von wo man über eine Treppe nach oben ebenfalls den Beschwörungsraum erreichen müsste..." Auffällig vorsichtig drückt sie die Klinke nieder und als diese mit einem Quietschen öffnet, schluckt Sheddja um hustend wieder auszuatmen, als ihr ein stechender Geruch entgegenschlägt...
Sofort als er den Geruch wahrnimmt entfährt Thundar ein: "Aeolitus Windgebraus!" In die verdutzten, von - durch den plötzlichen Windstoss - zerzausten Haaren umrahmten Gesichter seiner Begleiter blickend meint er dann etwas kleinlaut, dass die ganze Geschichte langsam aber sicher wohl etwas an seinen Nerven zehre und er deshalb wohl überreagiert habe. Er lässt Sheddja und Rukus - als vermutlich Ortskundige - den Vortritt.
Vorsichtig tritt Sheddja als erste mit vorgehaltener Hand in den dunklen Raum, der sich vor euch öffnet. Nur zwei Fackeln sind links und rechts von der Tür angebracht und erleuchten den Raum mit ihrem spärlichen, gelblich roten Licht. Das einzige Fenster zum Labor ist fest verschlossen und lässt nicht einen Strahl von Praios warmem Licht in das kalte Turmzimmer. Neben euch befindet sich ein hölzerner Schrank, überzogen von Spinnweben und gefüllt mit verschiedensten Büchern. In der Mitte des Raumes erheben sich zwei dunkle Tische über dem steinernen Boden. Auf dem einen liegt ein dickes Buch umgeben von einigen niedergebrannten Kerzen. Am anderen liegt etwas in der Dunkelheit des Raumes nicht völlig Erkennbares - verdeckt von einem Tuch. Direkt neben dem Tisch steht eine große Waage hinter der drei eiserne Stangen aus dem Boden ragen, auf denen die Teile eines Skeletts befestigt sind, ein Schädel aufgespießt auf die erste, ein skelettierter Oberkörper auf der zweiten und ein knöchernes Becken samt Beinen auf der dritten. Am anderen Ende des runden Zimmers erhebt sich ein großer offener Schrank, in dem verschiedenste Geräte, Messer, Sägen und Scheren hängen.
Langsam schreitet Sheddja weiter ins Innere des Zimmers, als sie merkt, dass ihre Füße mit jedem Schritt mehr und mehr am Boden festzukleben scheinen. Als Rukus Sheddjas Blick in Richtung des Bodens bemerkt, hebt er seinen Stab in die Höhe und plötzlich mit einem lauten Zischen sprühen helle Funken aus dessen Ende, die sich zu einer hellen Flamme formen. Mit einer eleganten Bewegung nähert Rukus sodann das Licht dem Boden nahe Sheddjas Beinen, um diesen mit der gelben Flamme zu erhellen. Doch kaum weicht die Dunkelheit vom steinernen Untergrund schreckt Rukus vor Ekel zurück, wobei der Stab zu Boden fällt und die Flamme erlischt. "Blut..." stottert der alte Mann, seine Hand auf das Herz gepresst "...der ganze Boden des Raumes - er ist bedeckt mit altem, geronnenem Blut!"
Unbeirrt durch den Aufschrei des Magus setzt Sheddja ihren Weg zum Tisch in der Mitte des Raumes fort, kommt davor zu stehen und reißt das Tuch, das darüber liegt, hinfort. Doch ein Blick auf das enthüllte Objekt genügt... "BORON STEH MIR BEI!" ruft sie laut, bevor ihre Hand das Tuch fallen lässt und sogleich den nach Luft haschenden Kopf zu stützen sucht... "Finster ist der Anblick des Todes für den, der ihn nicht kennt, nicht wahr? Was dachtet Ihr, würdet Ihr hier finden?... Meister Barius wird verärgert sein über eure Schnüffelei..." Als ihr euch alle erschrocken umdreht, seht ihr die Silhouette eines nicht allzu großen Mannes in der Tür zum Labor. Er tritt näher und ihr erkennt Colonileus, den Assistenten des dunklen Meisters mit ungepflegtem Bart und langen strähnigen schwarzen Haaren. An seinem Körper trägt er eine graue Robe und darüber einen blutverschmierten ledernen Schurz...

von: Frank Brosow
Erschienen in Opus no. 36 am 3.10.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Pforte V.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Pforte VII.


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