ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
seit Praios 29 Hal


Al’Anfa im Rausch der Magie

Wenn der Name Al'Anfa fällt, dann erzeugt dies ein Bild vor dem geistigen Auge, welches den umliegenden Dschungel mit den Plantagen widerspiegelt, aus den Villen der Reichen und Mächtigen sowie den Unterkünften der Ärmsten der Stadt gebildet wird. Auf den Straßen sind Sänften und Sklaven unterwegs, ein Gemisch der unterschiedlichsten Gerüche liegt in der Luft. Die Produkte aus allen Regionen des Kontinents geben den kaufkräftigen Bewohner eine Möglichkeit, dem Alltagstrott für einige Stunden zu entfliehen. Mit diesem Bedürfnis haben schon viele findige Geschäftsleute ein Vermögen gemacht. Sie tun es noch immer und werden es auch in Zukunft verstehen, ihre von Phex gegebene Chance zu nutzen.  So verwundert es niemanden, dass derzeit ein neuer Trend aufgekommen ist. Ein Händler aus dem hohen Norden - der für die Al'Anfaner schon im Lieblichen Feld beginnt - hat ein Bordell aufgekauft und für seine Zwecke ausgebaut. Er bietet seiner zahlungswilligen Kundschaft eine Orgie der besonderen Art. Der Gastgeber kann - nach entsprechender Absprache - das Ambiente frei wählen. Dieses wird dann über Illusionszauber kunstvoll in Szene gesetzt.  Einige werden jetzt mit Recht anmerken, dass Illusionszauber ja noch nichts Besonderes sind. Auf jedem Jahrmarkt kann man entsprechende Scharlatane finden, die ihre Vorführungen mit geschickt eingesetzten Illusionszaubern ausschmücken. Dem stimme ich voll zu, aber darum geht es auch nicht. Die berichtenswerte Neuerung ist die Tatsache, dass die Gäste die Illusionen in ihre Feierlichkeiten einbeziehen und erleben können.  In zahlreichen Expertenrunden wird über dieses Phänomen diskutiert. Im ersten Moment klingt es sehr nach den bekannten Schelmenzaubern, doch die ersten Nachforschungen haben ergeben, dass kein Schelm oder Kobold in den Vorgang integriert ist. Vielmehr soll für diesen Effekt ein Pulver verantwortlich sein, das die Gäste über Getränke und Speisen zu sich nehmen. Dieses Mittel soll angeblich die Aufnahmefähigkeit für gewirkte Zauber erhöhen bzw. das Resistenzverhalten gegenüber Magie stark senken. Kaum auszudenken, was dieses Pulver für Auswirkungen und Einsatzmöglichkeiten bieten würde! Aber noch ist nichts bestätigt oder belegt, aber ich werde meine Bemühungen in diese Richtung verstärken und bei weiteren Erkenntnissen meinen Bericht fortsetzen.

Hochachtungsvoll,
Meister Talador

Erschienen in Opus no. 91 am 14.1.2001.



Arkania berichtet:
Starke Magokratie in Arkania errichtet

Am 1. Praios 1024 BF wurde der Anführer des borbaradianischen Putschversuches gegen die rechtmäßige exekutoriale Regierung von der Inquisition durch PRAios' reinigendes Feuer verurteilt. Nachdem der Paktierer in die Niederhöllen gefahren war, schien es seiner hohen Exzellenz Belal Rhavin von Arkania wichtig, Vorkehrungen zu treffen, dass dämonische Verführungen nie wieder Erfolg in Arkania haben konnten.
Vorderstes Ziel des Rates, der sich um die Ausarbeitung der neuen Verfassung bemühte, musste es sein, die Macht aus den Händen des Volkes, besonders der unerzogenen und leicht zu beeinflussenden Bauern, zu nehmen. Zu diesem Zweck wurde die Bauerngilde aufgelöst, so dass die Bauernschaft keine offizielle Repräsentation mehr besitzt.
Auch schien es gefährlich, magisch unbegabte Bürger mit der Schaffung neuer Gesetze zu beauftragen, da - wie der Fall der magisch beeinflussten Anführerin der Bauerngilde zeigte - es für diese schwer ist, sich gegen dämonische Einflüsterungen zu verteidigen. Folglich wurde die gesetzgebende Gewalt in die Hände des Exekutors allein gelegt, der bei seinem Tode seinen (magisch begabten!) Nachfolger selbst bestimmt.

Die Exekutive ist der des Mittelreiches nachempfunden: An oberster Stelle steht der Kanzler (welcher in Personalunion mit dem Posten des Vorsitzenden der Magiergilde verbunden ist, um zu gewährleisten, dass nur ein Magier den zweitwichtigsten Posten im Staate besetzt), der Kanzleiräte ernennt und entlässt. Im Moment sind dies der Kanzleirat für Heereswesen, der Kanzleirat für Steuern, Handel und Zollwesen sowie der Kanzleirat für Arbeit und Landwirtschaft. Diese nehmen die Umsetzung der Gesetze in den ihnen zugeordneten Bereichen vor.

Zum einen ist von Bedeutung, dass die wichtigen Posten von gläubigen Magiern besetzt sind, so dass der arkanische Staat vor borbaradianischer Unterminierung sicherer ist. Dies war die Lehre, die aus dem borbaradianischen Umsturzversuch gezogen werden musste. Zum anderen bedeutet diese Straffung der Regierung eine Erhöhung der Effizienz und Schlagkraft der Regierung, da keine ermüdenden Diskussionen mehr geführt werden müssen.
Mit Stolz möchte ich auch hinzufügen, dass damit zum erstenmal seit Rohals Zeiten eine zwölfgöttergläubige Magokratie errichtet worden ist. Rohals Erben (zu denen ich alle rechtschaffenen Magier zählen möchte) besitzen damit die Macht in einem - wenngleich noch schwachen - Staat. Und in Rohals Tradition wollen wir seine Werte in die Welt hinaustragen und in seinem Namen kämpfen wir gegen das Böse!

In diesem Sinne: PRAios mit uns! HESinde mit uns! Rohal mit uns!

Drakmore Eolan Cardin berichtet aus Arkania.

Erschienen in Opus no. 91 am 14.1.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Dramatische Ereignisse in Arkania: Ein borbaradianischer Putschversuch!.



Commentariolus extensivus ad
"Versuch einer allgemeinen Betrachtung der
Magie der Elfen" von M. Travian Norfold

von M.ex. Reiju Windfeder


præfacio

Gern gebe ich zu: ich kenne nur wenige der tiefen Geheimnisse jenes Volkes, dessen 'Zauberwesen' mein Freund und Collega Magus Travian Norfold mit solcher Faszination zu verstehen sucht, und spreche bislang auch nur wenige Worte ihrer Sprache voll Wohlklang. Doch halte ich meines Freundes Ausführungen über die von der in unserem - dem gildenmagischen - Kreise praktizierten und theoretisierten so wahrhaft unterschiedlichen Auffassungsweise von Magie, nämlich jene der Elfen, für überaus brillant und finde in seinen Ausführungen zahlreiche Erkenntnisse, die meinen eigenen Gedanken neuen Nährboden geben, sie im Dienste der wandelbaren TSA und der vielweisen HESinde übermütig sprossen zu lassen.

Lasst mich also, werte Collegæ, versuchen, die Theorien meines Freundes anzuwenden auf einige eben jener weitverbreiteten canti, welche von den bosparanischen Zauberern schon früh in der Begegnung mit dem Volk der Elfen aus ihrer ursprünglichen Form assimiliert und in eine neue, andere prokreiert wurden - die These unterstützend, dass diese Form mit jener ursprünglichen heutzutage kaum noch etwas gemein hat. Ich will es gewissermaßen wagen, eine Form dieser gildenmagischen canti zu rekonstruieren, wie sie der elfischen Betrachtungsweise entsprechen könnte - nach Norfold wären also insbesondere die folgenden drei componentiæ harmoniæ unter Inclusion ihrer Wechselwirkungen, interactiones, zu untersuchen: das SELBST SEIN, das WELT SEIN und der WILLE.

Dabei möchte ich betonen, dass ich mich nicht im Glauben wiege, ein Elf würde mein vocabularium als zutreffend oder auch nur hinreichend akzeptieren - es soll auch ganz und gar nicht der Belehrung eines Elfen dienen, sondern mit HESindes Gnaden unserem gelehrten Kreis einen spekulativen und von Respekt geprägten Hintergrund zur Liberalisierung und Ausweitung unseres philosophischen Horizonts geben!

reconstructio: BANNBALADIN

Betrachten wir ad primo den BANNBALADIN (wie einige Kundige wissen mögen, lautet dieser cantus in seiner elfischen Lingualrepräsentation bian bha la da´in). Diese Formel eignet sich zur exemplarischen Betrachtung deshalb, weil sie weithin bekannt und in usu, also gebräuchlich, ist. Nehmen wir an - unser aller Allgemeinwissen dürfte uns dies gestatten - dass ein Elf diese Formel nicht in der Verwendung kennt, wie sie uns an den Akademien zumeist gelehrt wird: also nicht als Mittel der Macht unseres Geistes über den Geist eines anderen geistbegabten Wesens. Dies wäre einem Elfen wohl ein Greuel - vielmehr liegt ihnen (und ich greife dabei auf meine kontemporären Erfahrungen am 'Seminar der Elfischen Verständigung' hier in Donnerbach zurück) beim Wirken des bian bha la da´in an etwas, für das wir den etwas neu-rohalistisch anklingenden Begriff der Harmonie zu gebrauchen uns nicht scheuen sollten!

Nähern wir uns also zunächst über dieses Wörtchen der Norfoldschen trinitas verbi: Um Harmonie in einer Begegnung zwischen Wesen der lebendigen Welt zu erzeugen, nein besser: 'werden zu lassen', benötigt der Elf Einstimmung, gewissermaßen eine Synchronisation des eigenen Seins, des SELBST SEINs mit seiner Umgebung - diese repräsentiert das WELT SEIN, welches notwendigerweise für die Einstimmung eine gewichtige Rolle spielt: Denn wie könnte das SELBST SEIN des Elfen verschieden sein oder auch nur unabhängig von jenem Abschnitt des Sein-Tun-Kontinuums, welcher im gegebenen Augenblick nach Harmonie strebt? Dieses Streben wiederum - die werten Collegæ werden sicher dem Schluss des Kreises zu folgen vermögen - ist formendes Element, wie in jeder schaffenden und schöpfenden Entwicklung enthalten, ist WILLE. Doch aufgepasst! Wille bedeutet einem Elfen nicht Wille zur Macht, sondern der WILLE - und da möchte ich Collega Norfold ergänzen - ist dem Elfen SEHNSUCHT, i.e. Sehnsucht nach Harmonie, nach Konsonanz, wie sie allen Wesen, die Satinavs Wirken und TSAs göttliches Wunder erleben können, letztlich vielleicht gemeinsam ist!

So sehnen sich also WELT und SELBST nach Identität, nach Übereinstimmung - im Falle unseres speziellen Zaubers, i.e. des BANNBALADIN, besteht die Welt zuerst aus Lebewesen, aus anderen SELBSTs, mit denen der Elf in Übereinstimmung, in Harmonie zu treten ersehnt. Dies GESCHIEHT nun jedoch nicht einfach (im Gegensatz zum gildenmagischen Zauber, der deswegen tatsächlich 'einfach geschieht', weil er keinen Harmoniebedarf hat!), sondern erfordert eine Möglichkeit der Realisierung, ein Samenkorn, aus welchem jener Baum der Freundschaft erwachsen kann, in dessen Schatten sich echte communicatio ereignen kann - dabei ist nicht schwer einzusehen, dass zuallererst das WELT SEIN Bedingung eines Gelingens dieser Realisierung ist:

Ein Elf in der Gemeinschaft seiner Sippe mag Harmonie beständig vorfinden und sie zum Beispiel durch jenes Zaubergeschehen, welches wir BANNBALADIN benennen, nur noch in Sphären heben, die kaum einer der unsrigen einmal in der heimatlichen Familientrautheit erfahren wird… Stellen wir uns jedoch nun einen Elfen vor, der im brüllenden Schneesturm (wie er übrigens hier im nordweidener Firunsgrimm nicht selten ist) Zuflucht sucht an der Türe eines einsamen Blockhauses: das eines Bauern oder Einsiedlers, eines Menschen jedenfalls. Des Elfen Sehnsucht in dieser Situation wird uns nicht sehr fremd sein: Gemeinschaft und Wärme im Tosen der elementaren Gewalt, Leben spüren und Hoffnung auf neues Wachsen und Blühen im kommenden Frühling. Das SELBST ist hier sehr allein, ist einsam und bedroht in seiner Existenz durch Kälte und Frost. Die WELT ist in jenem Augenblicke konzentriert auf das Poltern im Innern der Hütte, auf den sich weitenden Spalt der schweren Tür, auf den Moment, in dem das Aug' des Zuflucht Suchenden den Blick des Einsiedlers trifft - Harmonie GESCHEHEN LASSEN ist die einzige Weise, hier zu überleben, ist das einzig Richtige, einzig Mögliche. Und Gemeinschaft mit einem Menschen, der dem Bedürftigen die Türe nicht versperrt, der TRAvias Gebote achtet und auch mit einem fremden Wesen gar die Wärme seines Herdes teilt - das mag auch für einen Elfen eine schöne Sache sein!

Nun, Collegæ, zugegeben ein nicht wenig prosaisches Bild, doch seht Ihr nicht auch, wie ich nun - halb spöttisch, halb traurig - fragen kann: "Und aus einem solchen Geschehen haben wir den BANNBALADIN gemacht?!" "'Geschehen'?" mögt Ihr zurückfragen, "im Beispiel ist doch nichts passiert, was einer Zauberhandlung auch nur ähnelte!" Und ich wäre versucht leise zu lächeln und zu erwidern: "Da mögt Ihr recht haben, doch wenn dem so ist, dann sage ich: das ist gut. Und wenn doch astrale Kraft geflossen ist, dann ist das nicht weiter erheblich, denn niemand hat den anderen in einer Weise 'bezaubert', die ein continuum von Welt durchbrochen hätte - alles, was zählt, ist Harmonie." Doch statt so zu antworten möchte ich der geneigten Leserschaft eine weitere situatio ad exemplum schildern, die vielleicht einen anderen Blick auf das wirft, was wir getrost (doch nichtsdestotrotz in gewohnter Vorsicht der Spekulation) als systema conditionum, i.e. als Bedingungsgefüge für diesen elfischen Zauber bezeichnen können:

Ein Elf begegnet einem Menschen, welcher gerade seine Axt an einen schönen alten Baum im Walde legt. Für den Elfen wird sich dieses Geschehen sicherlich als gravierende Dissonanz im Seinsollen-Gefüge darstellen, vielleicht so: das SELBST SEIN des 'Wesens Mensch' respektiert nicht das SELBST SEIN des 'Wesens Baum', respektiert nicht dessen Recht auf In-der-WELT-SEIN, respektiert auch nicht die harmonische Schönheit des Waldes als Lebensraum für vielerlei Kreatur, die den Baum als Nistplatz oder Schattenspender schätzen mag. Nun, es stellt sich sogleich die Frage, wie hier Harmonie geschaffen werden kann, wie der WILLE, die SEHNSUCHT des Elfen nach Konsonanz jene in den Wald einbrechende Brutalität des axtschwingenden Menschen schlichten kann. Eine Antwort mag sein (und meine Collegæ hier in Donnerbach hielten sie für durchaus plausibel), dass so mancher stolze Elfenjäger durchaus keine Skrupel hätte, diesen Menschen mit Pfeil und Bogen - verzeiht den Ausdruck - zu 'erlegen' und so seine missstimmige, dissonante Präsenz im Walde kurzum zu beenden. Zweifellos eignen sich dafür auch die im Zorn gesprochenen canti, welche wir FULMINICTUS oder BLITZ DICH FIND nennen - worauf ich mit diesem Beispiel jedoch eigentlich hinaus wollte, ist meine folgende Überzeugung:

Keinesfalls würde es dem Elfen auch nur entferntest in den Sinn kommen, in einer solchen Situation den BANNBALADIN zu weben - wie es für uns Magi und Magæ ja durchaus nicht fern läge -, denn dieser ist ein Zauber der Freundschaft (oder zumindest Freundlichkeit) und benötigt, wie zuvor schon dargestellt, ein Bedingungsgefüge, in welchem solche Freundschaft echt harmonisch und nur so auch wahrhaftig sein kann! Der Holzfäller ist von vornherein kein Freund des Elfen, denn es liegt im Wesen seiner Arbeit, dem harmoniebedürfenden WELT SEIN der Waldbewohner (also auch des Elfen) zuwiderzulaufen - für den Holzfäller gibt es gleichsam gar kein WELT SEIN im Wald und so ist denn auch entsprechend das SELBST SEIN des Elfen der Moment des Zorns und sein WILLE ist der Affekt, welcher Harmonie wieder herstellt - ein Zustand ohne den unverständigen Menschen, dessen SEIN schlicht nicht in den Weltkontext gehört, in dem es sich kontemporär befindet!


Eine persönliche Anmerkung sei mir gestattet: Ich selbst verehre neben der Weisen Herrin HESinde ihre Schwester, die Junge Göttin TSA, zutiefst und ich bemühe mich allzeit ihre Lehren zu achten und zu leben. Natürlich möchte ich es deshalb in principio nicht gutheißen, wenn der Elf in meinem Beispiel dem 'Wesen Mensch' eben das antut, was jenes sonst dem 'Wesen Baum' angetan hätte. Doch sagt mir mein Glaube auch, dass es nicht an mir ist, einen Elfen zu richten, dessen Handeln Teil einer wunderbaren Vielfalt ist, für die die Junge Göttin einsteht und in welcher ihre ordnende Hand wirksam ist.

Verzeiht die kleine Abschweifung. Ich hoffe sehr, die geschätzten Collegæ mit meiner Ausführung nicht ermüdet zu haben - es wäre schön, wenn sich Kritiker sowie Befürworter der Betrachtungsweise elfischer Magie, die hier entworfen wird und die wir vorläufig die Norfoldsche Trinitätstheorie nennen wollen, nicht zieren würden einige Zeilen mit ihrer begehrten Meinung niederzulegen und der Redaktion des Opus oder den Autoren selbst zukommen zu lassen!

Mit Gruß und Segen auch im Namen meines Collega M. Travian Norfold verbleibt
M.ex. Reiju Windfeder

Möge die Junge Göttin den wachsenden Baum eures
     Geistes zahlreiche Frucht tragen lassen!
Möge die Vielwissende Herrin euch mit der Weisheit
     segnen, nur die reifen Früchte zu ernten!

von: Tyll Zybura
Erschienen in Opus no. 91 am 14.1.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Über die Elfische Verständigung.



Die "Sprache der Gilde" als das beste Mittel für eine allgemein nachvollziehbare und kulturübergreifende Verständigung über Magie?

Kommentar zu M. Thundar Hurlemanoffs Ad DE NATURA MAGICULTURAE
von M. Travian Norfold

Zunächst einmal sei Euch, Collega Hurlemanoff, gedankt für die lobenden Worte, die Ihr zu Beginn Eures Kommentars findet, und nur nebenbei möchte ich korrigieren, dass nicht ich der Verfasser von DE NATURA MAGICULTURAE (Opus # 88) bin, sondern mein Freund und Collega M.ex. Reiju Windfeder. Nichtsdestotrotz möchte ich auf Euren Beitrag reagieren - und zwar, weil er einige grundsätzliche Missverständnisse zu enthalten scheint, deren Beseitigung Collega Windfeder und mir derart stark am Herzen liegt, dass wir eine längere Erwiderung für opportun hielten. Bitte verzeiht den gelegentlich etwas scharfen Tonfall, er richtet sich gewiss nicht gegen Eure geschätzte Person, sondern gegen eine Auffassung von Welt und Magiekultur, die in unser aller gildenmagisch geschultem Denken immanent scheint, der wir jedoch (und dies zuallererst in uns selbst) explizit entgegenzutreten versuchen.

Zum besseren Verständnis des Folgenden auch für den Rest der Opus-Leserschaft will ich noch einmal - hoffentlich nicht in unzulässiger Verkürzung - an den Inhalt Eures Beitrages erinnern. Ihr bezeichnet die Magietheorie in einem durchaus gelungenen Bild als 'Sprache', zudem nehmt Ihr an, Sinn und Zweck dieser Sprache sei es, die möglichst präzise Beschreibung der stattfindenden Magie zu ermöglichen. Thesenhaft zusammengefasst scheint Ihr weiterhin zu sagen:

1. Bestimmte Sprachen sind geeigneter als andere, einen Sachverhalt zu beschreiben und zu erläutern und zudem einen hesindegefälligen Disput zu ermöglichen, da sie ein präziseres Werkzeug zur Beschreibung bieten.
2. Ein Bericht über einen magischen Vorgang, der in der "Sprache der Gilde" verfasst ist, ist allgemein nachvollziehbar und verständlich für jeden, egal aus welcher Kultur und Magietradition er stammt, wenn er diese Sprache erlernt hat.
3. Die Magietheorie ist damit der bisher gelungenste Versuch, ein möglichst wirkungsvolles, wissenschaftlich eindeutiges Werkzeug zur Verständigung über Magie zu schaffen.

zu 1. "Es gibt Sprachen, die [...] geeigneter scheinen, einen Sachverhalt zu beschreiben und zu erläutern, während andere gänzlich ungeeignet sind, um einen hesindegefälligen Disput zu ermöglichen, da sie kein präzises Werkzeug bieten." Schon diese Aussage geht allzu selbstverständlich und geradezu gedankenlos von nicht wenigen impliziten Annahmen und Grundlegungen aus, die in Frage zu stellen gerade unsere Absicht war. 
Alle Sprachen der verschiedenen uns bekannten Völker sind nur bis zu einem gewissen Grad ineinander übersetzbar, und es gibt in jeder Sprache Wörter oder Bedeutungs-Bereiche, die für einen Fremden auch in der besten Übersetzung nur sehr unvollständig zu verstehen sind. Ein 'komplett(er)es' Verständnis erfordert gewiss bestimmte Kenntnisse der Kultur, mit der die Sprache untrennbar verbunden ist, die der Fremde jedoch nicht besitzen kann - wäre er doch dann nicht mehr fremd. Gerade das Isdira ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie jeder schnell einsehen wird, der sich einmal mit dieser Sprache auseinandersetzt.
Da eine Sprache und die Kultur, aus der sie stammt, immer miteinander verbunden sind, stellt sich die Frage, warum die "Sprache der Gilde" ein objektiv besseres Werkzeug zur Beschreibung eines Sachverhaltes sein soll als beispielsweise die (wohlgemerkt: ebenfalls sicherlich 'magietheoretische') "Sprache der Moha-Schamanen". Ganz sicher ist die gildenmagische Magietheorie ein besseres Werkzeug, um einen gildenmagischen Zaubervorgang zu beschreiben, da sich hier Kultur und Sprache entsprechen. Ich würde mich aber entschieden dagegen wenden, dass die gildenmagische Magietheorie auch besser als die "Sprache der Moha-Schamanen" in der Lage sein soll, den Zaubervorgang eines Moha-Schamanen zu beschreiben. Diese Annahme geht eben auf jenes Denken zurück, gegen das M.ex. Windfeder und ich uns wenden, da es - obwohl Ihr im Abschluss Eures Artikels dieser Meinung nominell widersprecht - davon ausgeht, dass die Sprache der Gildenmagie bzw. davon ausgehend insgesamt das Denken unseres Volkes und unserer Kultur besser in der Lage ist, Aussagen über die Welt zu treffen als andere Kulturen.

zu 2. "Wenn aber ein Beobachter in der 'Sprache der Gilde' einen Bericht verfasst, so ist dieser allgemein nachvollziehbar und verständlich. Und das nicht nur für ein Mitglied der Gilde, sondern für jeden, der sich die Mühe macht, diese Sprache zu erlernen. Sei es nun Hexe oder Elf." Diese Aussage möchte ich aufs Stärkste bezweifeln und die Selbstverständlichkeit, mit der Ihr sie trefft, aufs Schärfste kritisieren. Gerade gegen diese Selbstverständlichkeit richtet sich der Artikel des Collega M.ex. Windfeder im allgemeinen und der meinige über die Magie der Elfen (Opus # 88) im besonderen! Wenn ich noch einmal zitieren darf: "Elfische Magie kann niemals unabhängig von der Umgebung und des wirkenden Individuums sein oder betrachtet werden. Für Elfen gibt es schlicht eine solche Trennung zwischen sichtbarer Welt und davon abgegrenzter unsichtbarer, aber sichtbar zu machender matrix magica nicht, nicht einmal eine Vorstellung einer solchen Matrix oder von einer Trennung innerhalb der Welt, von einer Einteilung oder Aufspaltung der Welt." Wenn aber, wie Ihr sagtet, ein Elf ebenso gut wie ein Gildenmagier in der Lage sein sollte, die Sprache der Gilden - und damit auch das Denken (das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen, da mir diese Tatsache immer wieder übersehen zu werden scheint) der Gildenmagier zu erlernen, müsste er ja zuallererst einmal eine solche Einteilung der Welt begreifen lernen! Da diese nicht nur seiner vertrauten "Theorie von Magie", sondern auch dem gesamten Denken seiner Kultur fremd ist, kann man das Problem des Erlernens dieser Sprache nicht einfach mit "wenn er sich die Mühe macht" abtun. Ich kann also nur einmal mehr wiederholen: "Die Magie der Elfen" - und das trifft auf die Magie aller anderen fremden Kulturen zu - "ist nicht einfach eine andere Interpretation der vermeintlich objektiven vires astralae wie wir Gildenmagier sie definieren, also eines continuum astralum, das in der Welt einen eigenen, spezifischen Platz einnimmt [...], sondern ist nur möglich in einer eigenen Wirklichkeit von Welt gedacht." Und das bedeutet auch:

zu 3. Die Magietheorie ist nicht das bisher bestmögliche, 'wirkungsvollste' Werkzeug zur Verständigung über Magie, sondern höchstens das "wissenschaftlich eindeutigste" ausschließlich in Bezug auf unsere eigene Kultur und Denkweise! Ihr verwendet in Eurer Conclusio dieses Attribut "wissenschaftlich" offenbar nicht als Einschränkung, sondern eben doch als Äquivalent zu dem Attribut objektiv (in der Bedeutung von wahr), mit dem Ihr die Gildenmagie implizit zu charakterisieren scheint.
Auch der Einschätzung, die Magietheorie sei das bislang wirkungsvollste Werkzeug, muss ich vehement widersprechen. Sicher erscheint mir, dass alle Kriterien, die man positiv für diese Einschätzung nennen könnte, dem Denken unserer Kultur schon inhärent wären - und damit (unserer festen Überzeugung nach) per se nicht als kulturübergreifende Kriterien dienen können.
Noch einmal unsere Grundthese: Wir als Gildenmagier können nur Aussagen über die Gildenmagie machen, keinesfalls aber über andere Magiekulturen, zumindest nicht in einer 'wirkungsvolleren' Art und Weise als die zu jener Kultur gehörige Sprache das könnte!

Gerade was die Magie der Elfen angeht, bin ich immer wieder auf solcherlei Anmaßungen gestoßen. In meinem kürzlich veröffentlichten Artikel habe ich versucht, diesen zu entgegnen und ein Denksystem aufzustellen, welches es uns als Gildenmagiern ermöglichen könnte, elfische Magie verstehend zu betrachten, ohne ihr mit 'unserem Werkzeug' Gewalt anzutun. Dabei kann diese Beschäftigung mit der Magie der Elfen durchaus als Beispiel dienen, an dem sich die Thesen von M.ex. Windfeder konkretisieren lassen, in erster Linie geht es mir jedoch nach wie vor um dieses faszinierende Thema, das in den Kreisen der Gildenmagier m.E. immer noch häufig mit zu großer Selbstverständlichkeit abgehandelt wird. Collega Windfeder und ich möchten im folgenden den Schwerpunkt unserer (seit kurzem gemeinsamen) spekulativen Forschung auf die Vertiefung eben jenes Themas - der Magie der Elfen - legen. Dazu ist (nach den Grundlegungen unserer letzten Artikel) auch der in diesem Opus veröffentlichte Beitrag meines Collega ein Beginn, auf welchen in den folgenden Wochen Explikationen in verschiedenen spezielleren Bereichen folgen werden, welche vor allem dazu dienen sollen, Materie für eine kontroverse Diskussion zu bieten.

Magus Travian Norfold,
Schule der Hellsicht zu Thorwal, z.Z. in Donnerbach

von: Tyll Zybura
Erschienen in Opus no. 91 am 14.1.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Ad DE NATURA MAGICULTURÆ.


Der Schwarze Limbus Nachricht an die Autoren (c) 1998-2006 Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels