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Der Schwarze Limbus    

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Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen

gegeben zu Gerasim im Hesindemond 25 Hal, 
zur Veröffentlichung bearbeitet in Thorwal, 30 Hal

Das Ergebnis vielmonatiger Erforschung und umfangreicher Befragung von Ortsansässigen des Elfenvolkes über das Wesen der elfischen Magie, dargelegt nach bestem Wissen und Gewissen zum Verständnisse und zur Aufklärung der verehrten Collegae und aller Interessierten als Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen von Magus Travian Norfold, Schule der Hellsicht zu Thorwal

Elfen sind bekanntlich die einzigen kulturschaffenden Lebewesen in Aventurien, die allesamt 'magiebegabt' sind. Die Fähigkeit zum Wirken von Magie tritt bei ihnen nicht wie bei Menschen vereinzelt in mehr oder weniger starkem Maße auf, sondern gehört originär zu ihrem Wesen. Man könnte deshalb auch sagen, Elfen verfügen nicht über Magie, sie sind Magie, sie leben in Magie, Magie gehört zu ihrem Sein
Um dies näher zu erklären, scheint es sinnvoll, zunächst kurz auf die in unseren angestammten Gilden praktizierte Form des Umgangs mit den vires astralae - im folgenden kurz 'Gildenmagie' genannt - einzugehen, um anhand dieser die wichtigsten Besonderheiten der Magie der Elfen darzustellen, was so vielleicht den geschätzten Magi, an die sich diese Schrift wendet, leichter verständlich wird.

Ein wesentliches Merkmal der Gildenmagie ist, dass deren Canti im Grunde genommen unabhängig vom Magus (von dessen Persönlichkeit und seiner momentanen seelischen Verfassung beispielsweise) und der Umgebung oder Umwelt gewirkt werden: dass sie in bezug auf die reale Welt - jener Teil der Physis [vgl. M.ex. R. Windfeder], der unserer sinnlichen Anschauung zugänglich ist - inhaltsleer sind. Das Wirkungsgeschehen in der Gildenmagie spielt sich auf einer eigenen spezifischen Ebene ab. Die sogenannten canti metamagici, in denen es um ein Wirkungsgeschehen geht, das allein auf diese Ebene abzielt - nämlich als Ziel nicht die Manipulation der dinglichen Welt hat, sondern die eines anderen astralen Geflechtes, einer Matrix -, sind zwar die klarsten Beispiele dafür, man könnte aber sagen, dass sich in ihnen das Wesen der Gildenmagie am besten zeigt. Zwar unterliegt beispielsweise der Cantus TRANSVERSALIS TELEPORT der conditio, dass der Magus schon einmal am zu erreichenden Ort gewesen sein muss, doch ist dies lediglich ein formales Kriterium - sowohl die Versetzung an einen anderen Ort als auch die Umkehrung von Zaubern durch den REVERSALIS REVIDUM, den klassischen cantus metamagicus, sind an sich völlig inhaltsleer - ihre Realität in der Welt erhalten diese Zauber nur durch die Ausführung selbst in der Wirkung, die sie hervorbringen. Das heißt: diese Zauber stellen lediglich eine Form zur Verfügbarmachung der dinglichen Welt dar. Gildenmagische Zauber haben eigentlich nur auf der magischen Ebene - auf der Ebene der structura magica sphaerae tertiae - Bedeutung und Wirklichkeit, nicht aber auf der sinnlich anschaulichen Ebene. Dort zeigt sich zwar schließlich ihre Wirkung - direkt haben diese Zauber jedoch mit dieser Ebene nichts zu tun.

Anders bei elfischer Magie. Elfische Magie kann niemals unabhängig von der Umgebung und dem wirkenden Individuum sein oder betrachtet werden. Für Elfen gibt es schlicht eine solche Trennung zwischen sichtbarer Welt und davon abgegrenzter unsichtbarer, aber sichtbar zu machender matrix magica nicht, nicht einmal eine Vorstellung einer solchen Matrix oder von einer Trennung innerhalb der Welt, von einer Einteilung oder Aufspaltung der Welt. 
Dabei ein Wort zum ODEM ARCANUM, der dem werten Magiekundigen vielleicht als erstes Gegenbeispiel einfallen mag: Der ODEM ARCANUM, wie er heute allgemein bekannt ist und gelehrt wird, ist ein gildenmagischer Cantus - und von seinem elfischen Erbe zeugt höchstens noch, dass er die structurae magicae nicht so klar zeigen kann wie der OCULUS ASTRALIS oder ANALÜS ARCANSTRUKTUR. Sie werden nicht als Matrix, als Geflecht von Fäden sichtbar, sondern nur als rötliches Leuchten. Ebenso sieht der Magus dieses in der anschaulichen Welt und nicht wie beim OCULUS unabhängig von dieser. Ansonsten hat dieser Cantus nichts mehr mit dem elfischen uida mandra sanya'ray zu tun. In dieser Form dient der Zauber dem Elfen dazu, sich mit der Magie seiner Umgebung in Einfühlung zu bringen - dies hat jedoch nichts mit dem Sehen einer structura magica zu tun, die sich in ihrer Qualität von der realen Welt abgrenzt. 
Dabei muss noch auf etwas anderes hingewiesen werden: Nach Meinung vieler Magiebewanderter sind die vielen bemerkenswerten Eigenschaften der Elfen - vor allem im Bereich der Wahrnehmung - allein auf deren gute Kenntnisse von allen möglichen Zaubersprüchen (wie ADLERAUG, SENSIBAR, ODEM ARCANUM usw.) zurückzuführen. Es stimmt zwar, dass diese 'übernatürlichen' Fähigkeiten in engem Zusammenhang mit der Magie der Elfen stehen (da sie untrennbar mit dem magischen Sein der Elfen verbunden sind), das heißt jedoch nicht, dass Elfen immerzu irgendwelche Canti zaubern. Die Form, in der Elfensprüche an gildenmagischen Akademien den Adepten gelehrt werden, mag dem unwissenden Magiekundigen diesen Eindruck vermitteln, ähneln diese Canti doch dort denen der Gildenmagie sehr. So wie der ODEM ARCANUM haben jedoch viele derart ausgeführte und bekannte Elfensprüche kaum mehr etwas mit ihren ursprünglichen elfischen Zaubern zu tun. Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass sämtliche Elfensprüche, die Menschen an den klassischen Magierakademien lernen können, allesamt gildenmagische Canti mit einem hie und da noch vage spürbaren elfischen Erbe sind, die mit dem wirklichen elfischen Zauber aber nichts mehr zu tun haben. Das wird schon allein dadurch ersichtlich, dass das 'Zaubern' bei Elfen kein abgegrenzter, abgrenzbarer Vorgang ist, wie bei der Gildenmagie, wo das Wirken eines Zaubers sowohl losgelöst von der Umgebung, in der sich der Magus befindet, als auch losgelöst vom momentanen 'weltlichen' Tun und vom spezifischen Zustand des Magus ist. Wenn ein Gildenmagier zaubert, unterbricht er all seine sonstigen Handlungen und nimmt mit einer genau bestimmten und abgegrenzten Handlung eine Manipulation an der matrix magica vor, um nach Abschluss der magischen Handlung wieder zu seinem Tun auf der realen Ebene der Welt zurückzukehren.

Ein Elf, der 'zaubert', nimmt jedoch keine Unterbrechung im Kontinuum seines Seins und Tuns vor, wie genannte Einschätzung der Gildenmagier implizieren würde. Das elfische Wirken von Magie entspringt einer Konsonanz, einer Harmonie zwischen drei Komponenten, durch die für einen Elfen Welt - und zwar als Einheit - repräsentiert wird: das SELBST SEIN - das Wesen und Sein des Elfen, das WELT SEIN - das Wesen und Sein der Umgebung, in der er sich befindet, und der WILLE als GESCHEHEN (lassen), der den Impuls zum Wirken des Zaubers gibt. Diese Konsonanz (etwa: harmonisches Zusammenklingen / Zusammenwirken / Zusammenstimmen) wird von den Elfen als mandra bezeichnet, oft auch übersetzt mit "natürlicher Fluss der Magie", dem die taubra (die gildenmagische Form der Magie), das willkürliche und nach Verfügung über die magische Matrix und die dingliche Welt strebende magische Eingreifen entgegengesetzt ist. Mandra ist ein sich Hineingeben in das und ein Leben im magischen Sein seiner selbst und der Welt. 
Wichtig dabei ist, dass die dritte Komponente, der Wille, gleiches Gewicht besitzt wie die anderen beiden - und auch von gleicher Art ist - das heißt, sie ist nicht verschieden von den anderen, nicht getrennt von ihnen als ein vom Zaubernden an die Welt Herangetragenes, sondern gehört immer schon dazu. 
Im Verständnis dieser Repräsentation von Welt wird ersichtlich, warum es keine Trennung zwischen Welt und Magie gibt und warum dementsprechend elfische Zauber niemals inhaltlich losgelöst vom Wesen des Elfen und seiner Welt sein können. Denn die Welt und ihr magisches Sein bilden ein Continuum, um dessen Wesen es dem Elfen in Verbindung mit seinem eigenen Sein immer nur geht und gehen kann.

Außerdem wird ersichtlich, dass es eigentlich bei elfischer Magie keine klare Trennung zwischen dem Umgang mit den elfischen 'Zaubern' und 'Freizauberei' gibt. Freizauberei ist demnach auch nicht einfach auf eine besondere Bewanderung oder Erfahrung des Elfen im Umgang mit Magie zurückzuführen, sondern ist immer das Ergebnis einer besonderen Harmonie der drei Komponenten von Welt - deshalb, so könnte man sagen, ist in principio jeder Elf zur Freizauberei "in der Lage". Jedoch, oder: denn das besondere Zusammenstimmen ist nicht einer besonders großen Zauberkraft oder potentia zu verdanken, sondern einem besonderen Geschehen bzw. einem besonderen in-der-Welt-Sein des Elfen - was das gleiche bedeutet - und über das der Elf niemals 'verfügen' kann. 
Deshalb kann es auch geschehen, dass einem Elfen (dem gemeinhin nicht die Fähigkeit zur Freizauberei zugesprochen wird) in einer besonderen Situation eine bestimmte Zauberwirkung 'widerfährt', die nichts mit den Zaubern zu tun hat, die er normalerweise wirken kann.

Was die Ausführungen dieser Abhandlung nun für den gildenmagischen Umgang mit elfischer Magie bedeuten, sollte nicht zu übersehen sein: die Magie der Elfen ist nicht einfach eine andere Interpretation der vermeintlich objektiven vires astralae, wie wir Gildenmagier sie definieren, also eines continuum astralum, das in der Welt einen eigenen, spezifischen Platz einnimmt - was die oft vertretene Meinung unter Gildenmagiern ist -, sondern ist nur möglich in einer eigenen Wirklichkeit von Welt gedacht. (Hierbei erlaube ich mir, auf den Tractatus De Natura Magiculturae des verehrten Magus Reiju Windfeder hinzuweisen, der mir für eine weitergehende Beschäftigung mit letztgenannter Klarstellung mehr als geeignet erscheint.)


Ad revisionem: "Zauberkräfte der Natur" de Tamara (etiam "Commentariolus ad Tamarae 'Zauberkräfte der Natur'" von M. Travian Norfold, Gerasim 24 Hal, non publicatus); "Getreulicher Ehrfahrungsbericht von den abenteuerlichen Reisen mit Phileasson Foggwulf" von Ihrer Gnaden Shaya Ayshasdottir, Thorwal 17 Hal; "De cantis magicae clarobservantiae cum commentariis ad cantos clarobservantiam albium de Magister Salandrion Farnion Finkenfarn" von M. Orlan v. Ysilia, Arcanes Institut zu Punin MIX BF

Cum gratia magna: Mondglanz Eichenfeld, Leiterin der Magischen Akademie und Schule der drei Völker zu Gerasim; sowie besonders Calaya Nachthauch, Lorindion Felerian Sonnentanz und Dariala Licht-in-den-Wassern

Erschienen in Opus no. 88 am 24.12.2000.
Zu diesem Artikel erschienen folgende Reaktionen oder Fortsetzungen: Commentariolus extensivus ad "Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen", Über das elfische `Wipfelläufer-Sein´.

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