Commentariolus extensivus ad
"Versuch einer allgemeinen Betrachtung der
Magie der Elfen" von M. Travian Norfold
von M.ex. Reiju Windfeder
præfacio
Gern gebe ich zu: ich kenne nur wenige der tiefen Geheimnisse jenes
Volkes, dessen 'Zauberwesen' mein Freund und Collega Magus Travian Norfold mit solcher
Faszination zu verstehen sucht, und spreche bislang auch nur wenige Worte ihrer Sprache
voll Wohlklang. Doch halte ich meines Freundes Ausführungen über die von der in unserem
- dem gildenmagischen - Kreise praktizierten und theoretisierten so wahrhaft
unterschiedlichen Auffassungsweise von Magie, nämlich jene der Elfen, für überaus
brillant und finde in seinen Ausführungen zahlreiche Erkenntnisse, die meinen eigenen
Gedanken neuen Nährboden geben, sie im Dienste der wandelbaren TSA und der
vielweisen HESinde übermütig sprossen zu lassen.
Lasst mich also, werte Collegæ, versuchen, die Theorien meines Freundes
anzuwenden auf einige eben jener weitverbreiteten canti, welche von den
bosparanischen Zauberern schon früh in der Begegnung mit dem Volk der Elfen aus ihrer
ursprünglichen Form assimiliert und in eine neue, andere prokreiert wurden - die These
unterstützend, dass diese Form mit jener ursprünglichen heutzutage kaum noch etwas
gemein hat. Ich will es gewissermaßen wagen, eine Form dieser gildenmagischen canti
zu rekonstruieren, wie sie der elfischen Betrachtungsweise entsprechen könnte - nach
Norfold wären also insbesondere die folgenden drei componentiæ harmoniæ unter
Inclusion ihrer Wechselwirkungen, interactiones, zu untersuchen: das SELBST SEIN,
das WELT SEIN und der WILLE.
Dabei möchte ich betonen, dass ich mich nicht im Glauben wiege, ein Elf
würde mein vocabularium als zutreffend oder auch nur hinreichend akzeptieren - es
soll auch ganz und gar nicht der Belehrung eines Elfen dienen, sondern mit HESindes
Gnaden unserem gelehrten Kreis einen spekulativen und von Respekt geprägten Hintergrund
zur Liberalisierung und Ausweitung unseres philosophischen Horizonts geben!
reconstructio: BANNBALADIN
Betrachten wir ad primo den BANNBALADIN (wie
einige Kundige wissen mögen, lautet dieser cantus in seiner elfischen
Lingualrepräsentation bian bha la da´in). Diese Formel eignet sich zur
exemplarischen Betrachtung deshalb, weil sie weithin bekannt und in usu, also
gebräuchlich, ist. Nehmen wir an - unser aller Allgemeinwissen dürfte uns dies gestatten
- dass ein Elf diese Formel nicht in der Verwendung kennt, wie sie uns an den Akademien
zumeist gelehrt wird: also nicht als Mittel der Macht unseres Geistes über den Geist
eines anderen geistbegabten Wesens. Dies wäre einem Elfen wohl ein Greuel - vielmehr
liegt ihnen (und ich greife dabei auf meine kontemporären Erfahrungen am 'Seminar der
Elfischen Verständigung' hier in Donnerbach zurück) beim Wirken des bian bha la
da´in an etwas, für das wir den etwas neu-rohalistisch anklingenden Begriff der
Harmonie zu gebrauchen uns nicht scheuen sollten!
Nähern wir uns also zunächst über dieses Wörtchen der Norfoldschen trinitas
verbi: Um Harmonie in einer Begegnung zwischen Wesen der lebendigen Welt zu erzeugen,
nein besser: 'werden zu lassen', benötigt der Elf Einstimmung, gewissermaßen eine
Synchronisation des eigenen Seins, des SELBST SEINs mit seiner Umgebung - diese
repräsentiert das WELT SEIN, welches notwendigerweise für die Einstimmung eine
gewichtige Rolle spielt: Denn wie könnte das SELBST SEIN des Elfen verschieden sein oder
auch nur unabhängig von jenem Abschnitt des Sein-Tun-Kontinuums, welcher im gegebenen
Augenblick nach Harmonie strebt? Dieses Streben wiederum - die werten Collegæ werden
sicher dem Schluss des Kreises zu folgen vermögen - ist formendes Element, wie in jeder
schaffenden und schöpfenden Entwicklung enthalten, ist WILLE. Doch aufgepasst! Wille
bedeutet einem Elfen nicht Wille zur Macht, sondern der WILLE - und da möchte ich
Collega Norfold ergänzen - ist dem Elfen SEHNSUCHT, i.e. Sehnsucht nach Harmonie, nach
Konsonanz, wie sie allen Wesen, die Satinavs Wirken und TSAs göttliches
Wunder erleben können, letztlich vielleicht gemeinsam ist!
So sehnen sich also WELT und SELBST nach Identität, nach Übereinstimmung
- im Falle unseres speziellen Zaubers, i.e. des BANNBALADIN, besteht
die Welt zuerst aus Lebewesen, aus anderen SELBSTs, mit denen der Elf in Übereinstimmung,
in Harmonie zu treten ersehnt. Dies GESCHIEHT nun jedoch nicht einfach (im Gegensatz zum
gildenmagischen Zauber, der deswegen tatsächlich 'einfach geschieht', weil er keinen
Harmoniebedarf hat!), sondern erfordert eine Möglichkeit der Realisierung, ein Samenkorn,
aus welchem jener Baum der Freundschaft erwachsen kann, in dessen Schatten sich echte communicatio
ereignen kann - dabei ist nicht schwer einzusehen, dass zuallererst das WELT SEIN
Bedingung eines Gelingens dieser Realisierung ist:
Ein Elf in der Gemeinschaft seiner Sippe mag Harmonie beständig vorfinden
und sie zum Beispiel durch jenes Zaubergeschehen, welches wir BANNBALADIN
benennen, nur noch in Sphären heben, die kaum einer der unsrigen einmal in der
heimatlichen Familientrautheit erfahren wird
Stellen wir uns jedoch nun einen Elfen
vor, der im brüllenden Schneesturm (wie er übrigens hier im nordweidener Firunsgrimm
nicht selten ist) Zuflucht sucht an der Türe eines einsamen Blockhauses: das eines Bauern
oder Einsiedlers, eines Menschen jedenfalls. Des Elfen Sehnsucht in dieser Situation wird
uns nicht sehr fremd sein: Gemeinschaft und Wärme im Tosen der elementaren Gewalt, Leben
spüren und Hoffnung auf neues Wachsen und Blühen im kommenden Frühling. Das SELBST ist
hier sehr allein, ist einsam und bedroht in seiner Existenz durch Kälte und Frost. Die
WELT ist in jenem Augenblicke konzentriert auf das Poltern im Innern der Hütte, auf den
sich weitenden Spalt der schweren Tür, auf den Moment, in dem das Aug' des Zuflucht
Suchenden den Blick des Einsiedlers trifft - Harmonie GESCHEHEN LASSEN ist die einzige
Weise, hier zu überleben, ist das einzig Richtige, einzig Mögliche. Und Gemeinschaft mit
einem Menschen, der dem Bedürftigen die Türe nicht versperrt, der TRAvias
Gebote achtet und auch mit einem fremden Wesen gar die Wärme seines Herdes teilt - das
mag auch für einen Elfen eine schöne Sache sein!
Nun, Collegæ, zugegeben ein nicht wenig prosaisches Bild, doch seht Ihr
nicht auch, wie ich nun - halb spöttisch, halb traurig - fragen kann: "Und aus einem
solchen Geschehen haben wir den BANNBALADIN gemacht?!"
"'Geschehen'?" mögt Ihr zurückfragen, "im Beispiel ist doch nichts
passiert, was einer Zauberhandlung auch nur ähnelte!" Und ich wäre versucht leise
zu lächeln und zu erwidern: "Da mögt Ihr recht haben, doch wenn dem so ist, dann
sage ich: das ist gut. Und wenn doch astrale Kraft geflossen ist, dann ist das nicht
weiter erheblich, denn niemand hat den anderen in einer Weise 'bezaubert', die ein continuum
von Welt durchbrochen hätte - alles, was zählt, ist Harmonie." Doch statt so zu
antworten möchte ich der geneigten Leserschaft eine weitere situatio ad exemplum
schildern, die vielleicht einen anderen Blick auf das wirft, was wir getrost (doch
nichtsdestotrotz in gewohnter Vorsicht der Spekulation) als systema conditionum,
i.e. als Bedingungsgefüge für diesen elfischen Zauber bezeichnen können:
Ein Elf begegnet einem Menschen, welcher gerade seine Axt an einen
schönen alten Baum im Walde legt. Für den Elfen wird sich dieses Geschehen sicherlich
als gravierende Dissonanz im Seinsollen-Gefüge darstellen, vielleicht so: das SELBST SEIN
des 'Wesens Mensch' respektiert nicht das SELBST SEIN des 'Wesens Baum', respektiert nicht
dessen Recht auf In-der-WELT-SEIN, respektiert auch nicht die harmonische Schönheit des
Waldes als Lebensraum für vielerlei Kreatur, die den Baum als Nistplatz oder
Schattenspender schätzen mag. Nun, es stellt sich sogleich die Frage, wie hier Harmonie
geschaffen werden kann, wie der WILLE, die SEHNSUCHT des Elfen nach Konsonanz jene in den
Wald einbrechende Brutalität des axtschwingenden Menschen schlichten kann. Eine Antwort
mag sein (und meine Collegæ hier in Donnerbach hielten sie für durchaus plausibel), dass
so mancher stolze Elfenjäger durchaus keine Skrupel hätte, diesen Menschen mit Pfeil und
Bogen - verzeiht den Ausdruck - zu 'erlegen' und so seine missstimmige, dissonante
Präsenz im Walde kurzum zu beenden. Zweifellos eignen sich dafür auch die im Zorn
gesprochenen canti, welche wir FULMINICTUS oder BLITZ DICH FIND nennen - worauf
ich mit diesem Beispiel jedoch eigentlich hinaus wollte, ist meine folgende Überzeugung:
Keinesfalls würde es dem Elfen auch nur entferntest in den Sinn
kommen, in einer solchen Situation den BANNBALADIN zu weben - wie es
für uns Magi und Magæ ja durchaus nicht fern läge -, denn dieser ist ein Zauber der Freundschaft
(oder zumindest Freundlichkeit) und benötigt, wie zuvor schon dargestellt, ein
Bedingungsgefüge, in welchem solche Freundschaft echt harmonisch und nur so auch wahrhaftig
sein kann! Der Holzfäller ist von vornherein kein Freund des Elfen, denn es liegt
im Wesen seiner Arbeit, dem harmoniebedürfenden WELT SEIN der Waldbewohner (also auch des
Elfen) zuwiderzulaufen - für den Holzfäller gibt es gleichsam gar kein WELT SEIN im
Wald und so ist denn auch entsprechend das SELBST SEIN des Elfen der Moment des Zorns
und sein WILLE ist der Affekt, welcher Harmonie wieder herstellt - ein Zustand ohne
den unverständigen Menschen, dessen SEIN schlicht nicht in den Weltkontext gehört, in
dem es sich kontemporär befindet!
Eine persönliche Anmerkung sei mir gestattet: Ich selbst verehre neben
der Weisen Herrin HESinde ihre Schwester, die Junge Göttin TSA, zutiefst und ich bemühe mich allzeit ihre Lehren zu achten und zu
leben. Natürlich möchte ich es deshalb in principio nicht gutheißen, wenn der
Elf in meinem Beispiel dem 'Wesen Mensch' eben das antut, was jenes sonst dem 'Wesen Baum'
angetan hätte. Doch sagt mir mein Glaube auch, dass es nicht an mir ist, einen Elfen zu richten,
dessen Handeln Teil einer wunderbaren Vielfalt ist, für die die Junge Göttin einsteht
und in welcher ihre ordnende Hand wirksam ist.
Verzeiht die kleine Abschweifung. Ich hoffe sehr, die geschätzten
Collegæ mit meiner Ausführung nicht ermüdet zu haben - es wäre schön, wenn sich
Kritiker sowie Befürworter der Betrachtungsweise elfischer Magie, die hier entworfen wird
und die wir vorläufig die Norfoldsche Trinitätstheorie nennen wollen, nicht
zieren würden einige Zeilen mit ihrer begehrten Meinung niederzulegen und der Redaktion
des Opus oder den Autoren selbst zukommen zu
lassen!
Mit Gruß und Segen auch im Namen meines Collega M. Travian Norfold
verbleibt
M.ex. Reiju Windfeder
Möge die Junge Göttin den wachsenden Baum eures
Geistes zahlreiche Frucht tragen lassen!
Möge die Vielwissende Herrin euch mit der Weisheit
segnen, nur die reifen Früchte zu ernten!
von: Tyll Zybura Erschienen in Opus no. 91 am 14.1.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Versuch einer allgemeinen Betrachtung der Magie der Elfen.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Über die Elfische Verständigung. |