ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
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Reactio ad „Der Greif - Götterbote oder unheilige Chimäre?“

Werter Kollege Oxundanto Zeel,

Mit Interesse habe ich Euren Artikel über das Wesen der Greifen studiert und kann Euch versichern, Eure Thesen mögen zwar tatsächlich auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, gewinnen jedoch mit zunehmender Lektüre an Plausibilität. In einigen Dingen kann ich Euch behilflich sein, wenn es Euch auch vielleicht wie Schulmeisterei scheinen mag.
Die äußere Form der Greife, die Ihr als Indiz für deren dämonischen Ursprung anführt, kann ich als solches nicht gelten lassen. Schließlich würde auch niemand die Achaz, die man mit etwas Phantasie auch als Mischwesen aus Menschen und Eidechsen ansehen könnte, aufgrund ihres Aussehens für Chimären halten. Ebenso verhält es sich mit den zyklopäischen Minotauren und diversen Feenwesen, namentlich den so genannten Biestingern, Satyren und Zentauren. Auch die Kobolde, die oft ebenfalls ein partiell tierisches Äußeres aufweisen, würden sicher nicht gerne mit der Vermutung konfrontiert, Geschöpfe der Asfaloth zu sein, wo sie sich doch – eigenen Aussagen zufolge – stattdessen zum Gefolge der Göttin Tsa zählen. Lasst uns also das oft sehr differierende Aussehen der Greife einer natürlichen Vielfalt und nicht dem unheiligen Chaos zuschreiben.
Über die Intelligenz der Geflügelten möchte ich keine allzu tiefgehenden Aussagen treffen – vermutlich gibt es hier ähnliche Unterschiede wie bei allen Wesen, die man im Allgemeinen für intelligent hält. So mögt Ihr Recht haben, wenn Ihr dies in den Augen lesen zu können glaubt, denn einem trübhirnigen Thorwal-Piraten steht die Dummheit auch im Blick geschrieben. Aber der Denkanstoß Eures Artikels ging ja auch mehr in Richtung der Intentionen der Greife.
Nun, meiner Erfahrung nach sind sie zumindest undankbar. Vor etwa drei Jahren nämlich jagte ich mit einigen Gefährten einem Artefakt unbekannter Herkunft nach, das es ermöglichen sollte, Greife aus der Ferne herbeizurufen und gegen deren Willen zu kontrollieren. Leider wurde dieser so genannte Greifenstab von einem Konkurrenten gefunden, bevor wir seiner habhaft werden konnten, und dieser Magus stellte die erwähnte Wirkung nur allzu bald unter Beweis. In dem darauf folgenden Gefecht gelang es uns, das Artefakt zu zerstören, und – das ist der eigentliche Punkt – die Greife, deren Sprachbegabung erwiesen war, verschwanden, obwohl wir sie unter großen Mühen von einer sicherlich demütigenden Kontrolle befreit hatten, ohne ein Wort des Dankes. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich bei der Säuberung eines Blakharaz-Unheiligtums, als ich einem gefesselten Greif die Ketten seines Verlieses sprengte.
Womit ich sofort zur nächsten von Euch angesprochenen Frage komme: Hat der Greif Organe? Mit absoluter Genauigkeit kann ich dies zwar nicht sagen, doch sollte jemals der Leichnam eines solchen Wesens an mich herangetragen werden, biete ich gerne an, diesen zu sezieren und Euch über meine Erkenntnisse zu informieren. Was ich Euch allerdings versichern kann, ist, dass der Greif einen Verdauungstrakt besitzt, der dem anderer sterblicher Wesen zumindest ähnelt. In eben jenem gerade erwähnten Verlies wurde ich höchstpersönlich Zeuge, wie das Tier seinen – offenbar vorhandenen – Darm entleerte. Ihr könnt gerne etwas von dem getrockneten Kot haben. Er ist, wie ich festgestellt habe, in der Alchimie ein hervorragendes Substitut für Greifenfedern.
Ich begrüße Eure den Artikel abschließende Aufforderung an alle Magi und Magae, nicht mit dem Stellen von Fragen aufzuhören, wo man in Konflikt mit den Lehren der Zwölfgötter zu treten glaubt. Schließlich sind es doch eben jene, die uns den Drang zu forschen gegeben haben. Doch als Mitglied der Bruderschaft der Wissenden scheint mir Euer letzter Satz etwas befremdlich, klingt er doch nicht nach den Worten eines gebildeten Magiers, sondern eher wie das Geschrei eines Werbers für die mittelreichische Armee. Stellt die Gildenzugehörigkeit nicht über die Intentionen eines Magiers, denn gerade die letzten Jahre haben uns doch eines Besseren belehrt.

APPENDIX (Reactio ad Reactio):

Werter Herr Fredarcano,

Eure Reaktion auf den Artikel meines geschätzten Kollegen hat mich wahrhaftig amüsiert. Zwar weiß ich nicht, über welche Art von Bildung Ihr verfügt, doch finde ich Euer abergläubisches Geschreibsel höchst erbaulich. Für die angebliche Greifensichtung im Jahre 17 benennt Ihr doch tatsächlich einen Waldmenschen als Zeugen, wo diese doch buchstäblich hinter jedem Baum ein gefährliches magisches Wesen vermuten. Habt Ihr denn überprüft, ob er nicht an einer hübschen Regenwaldblüte geschnuppert oder irgendein exotisches Insekt zum Frühstück vertilgt hat? Ich bin beileibe kein Freund der Praioskirche – daher konnte ich auch herzlich über Eure Bemerkung über „übereifrige Praioten und andere Ketzer“ lachen – doch bevor ein Greif eine Krone der Pestilenz trägt, geht die Moghuli von Oron den Rahjabund mit der Geliebten der Göttin ein. Vermutlich sind dieser Moha und seine Begleiter einer rauschkrautgeschwängerten Phantasie aufgesessen, die noch dazu von übertrieben interpretierten Sinneswahrnehmungen und giftigen Sumpfgasen weiter verzerrt wurde. Man weiß ja, wie der ungebildete Pöbel seine Geschichten immer wieder ergänzt und ausschmückt, bis letztendlich nur noch ein Gespinst aus Aberglauben mit einem Sandkorn Wahrheit übrig bleibt.
Dass Ihr solcherlei auch noch mit dem Verschwinden des mittelreichischen Kaisers in Verbindung bringt, ist wirklich drollig. Hat denn die Region Brabak unter dem darauf folgenden Bürgerkrieg und dem Orkfeldzug tatsächlich so gelitten? Besteht Eurer Meinung nach auch ein Zusammenhang, wenn Thomeg Atherion in Fasar eine Tasse Tee verschüttet und Festum am selben Tage von einer Springflut heimgesucht wird?
Tragt bitte das nächste Mal solche Schauergeschichten nicht an eine wissenschaftliche Gazette wie den Opus heran, sondern wendet Euch an die Brabaker Bilderpostille oder Dirion Zornbrecht-Lomarion.

Yoron al Mungo ibn Al’Achami sal Thomeg Atherion, zweite stellvertretende Spektabilität des Allumfassenden Arcanen Instituts für Forschung und Entwicklung

Erschienen in Opus no. 173 am 20.10.2002 als Reaktion oder Fortsetzung zu Der Greif - Götterbote oder unheilige Chimäre?.


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