Dissertatio
de conventibus filiae satuariae
a
Magus ordinarius Eboreus Kalmaning, Perricum, scripta
Partum II
Wir wissen von einigen Orten, an
denen sich das Hexenvolk regelmäßig trifft. So zum Beispiel in den
Koscher Krötensümpfen, im Weidener Blautann, auf einem Berg nahe Al'Anfa
und noch einigen anderen Plätzen. Besonders bekannt ist eine Bergkuppe
beim sewerischen Ouvenmas. Jeden letzten Tag im Efferd erhellt dort ein
großes Feuer den Nachthimmel. Wie wir also sehen, sind über ganz
Aventurien entsprechende Treffpunkte zu finden, wo sich scheinbar oft
viele Dutzend zusammenfinden. Über jeden einzelnen gibt es eigene
Legenden, was sich dort zuträgt. Oft ist von dunklen Ritualen, manchmal
gar von geopferten Jünglingen die Rede. Andere Erzählungen sind
glaubhafter und berichten, dass entführte Maiden und Burschen am nächsten
morgen wohlauf wieder zurückgekehrt seien. Allerdings sind diese
anscheinend stets nicht in der Lage gewesen, von ihren Erlebnissen zu
berichten, wüssten wir doch sonst sicherlich mehr von diesen ominösen
Begebenheiten. Allerdings wird häufiger geschrieben, die Entführungsopfer
seien entweder besonders wohlgestalt oder musikalisch gewesen. Ist dies
ein Hinweis, der das Ganze als rein vergnügliche Feste, vielleicht
lasterhafte Orgien entlarvt?
Ich denke, es steckt mehr dahinter. Sehen wir uns doch einmal die den Töchtern
Satuarias eigene Struktur an: Meist einzeln lebende Frauen, manchmal auch
Mutter eines bei ihr lebenden Kindes. Es ist uns nichts bekannt von größeren,
ständigen Ansammlungen oder Einrichtungen unseren Academiae ähnlich.
Wenn wir, was mit annähernd absoluter Sicherheit der Fall ist, annehmen,
auch Hexen benötigten eine Form der Ausbildung um ihre Kräfte in
sinnvolle Bahnen zu lenken, dann wird dies wohl in der Hauptsache durch
eine recht persönliche Ausbildung von wenigen Schülerinnen bei einer
Meisterin bewerkstelligt. Eine ernstzunehmende Annahme ist, dass diese
jeweils Mutter und Tochter darstellen. Inwiefern das allgemeine Gültigkeit
besitzt, kann nur durch Befragung von Eingeweihten ersichtlich werden.
Leider stehen mir hierzu keine Möglichkeiten offen. Aber das Wissen einer
Person kann zwar groß sein, ist aber stets eingeschränkt. Manches an
Wissen mag verloren gehen, wenn eine Hexe stirbt, ohne eine Schülerin
ausgebildet zu haben. Wenn man dies zu Grunde legt, dann wird es
offensichtlich, dass das Wissen dieser Gemeinschaft mit den Generationen
immer mehr abnehmen müsste, da ja allgemein bekanntermaßen schriftliche
Niederlegung von Erkenntnissen und Wissen recht wenig verbreitet ist, und
bei dem Alter des Hexenkultes heutzutage eigentlich keinerlei Gefahr mehr
von diesem ausgehen könnte. Aus leidiger Erfahrung in meiner täglichen
Praxis kann ich aber versichern, dem ist nicht so! Immer noch stellen die
satuarischen Beherrschungen und Flüche eine immense Bedrohung für das
geistige Wohlbefinden ihrer Opfer dar, haben also keinesfalls an Wirkung
verloren. Auch bei der Häufigkeit und Vielfalt – verwiesen sei an
dieser Stelle auf eine Arbeit des verehrten Collegus Magus extraordinarius
Rukus Ambrosius (Opus no. 10-14) – ist keine Stagnation zu erkennen.
Dies lässt den Schluss zu, Quervernetzungen jenseits der mündlichen
Weitergabe von Meisterin zu Schülerin seien existent. Wie oben schon
einmal erwähnt, scheiden Schriften hierfür ja offensichtlich aus, womit
ein persönlicher oder fernempathischer Kontakt notwendig wird. Letzterer
aber dürfte zu aufwendig sein und selbst mit hohem intuitivem Verständnis
der Magie an sich nicht in vernünftigen Parametern zum Ziel führen. Also
liegt es äußerst nahe, in den großen Quartalstreffen der Hexenschaft
eine Art Versammlung zum Wissensaustausch zu vermuten, eventuell ähnlich
unseren eigenen großen, allsiebenjährlichen Conventen. Allerdings sei
hierbei wiederum anzumerken, dass ein Abend eine äußerst geringe Spanne
ist, eine Zauberthesis zur ersten erfolgreichen eigenen Anwendung zu
verinnerlichen, wenn vorher keinerlei Kenntnisse vorhanden waren. Nun müssen
also entweder Lehrerin und Wissbegierige noch einige Zeit danach zusammen
auf dem Platz des Treffens verweilen oder aber die Lernwillige zieht mit
der Wissenden mit, bis sie den Zauber zu wirken versteht. Eine weitere
denkbare Möglichkeit ist, Hexen eine aus hohem intuitivem Verständnis zu
den Kraftflüssen geborene Fähigkeit zu attestieren, neue Anwendungen der
Kraft schneller zu verinnerlichen bzw. sich nach einem gegebenen Ansatz
autodidaktisch damit weiter zu beschäftigen. Wie auch immer, dem
Wissensaustausch kann sicherlich ein wichtiger Stellenwert zugeschrieben
werden im Hinblick auf die Zusammenkünfte der Hexen.
Gehen wir einmal weiter von einem Vergleich dieser
Treffen mit den allaventurischen Conventen aus, dann müssten dort auch
organisatorische Fragen besprochen werden, Führungsgremien ernannt oder,
eventuell auch in Form eines Eides, bestätigt werden, verbindliche Beschlüsse
gefasst und das generelle Vorgehen der Gemeinschaft bestimmt werden.
Wenn wir dies annähmen, dann sprächen wir den Hexen ein
hohes Maß an innerer Ordnung zu, könnten sozusagen von Hexenreichen
sprechen, die die Hexen einer Region umfassen, welche sich um einen
Treffpunkt erstreckt. Diese Reiche – ich bleibe einmal bei dieser
Bezeichnung, obwohl es sich ebenso gut auch um ineinander vom
Einzugsgebiet her verquickte Gilden handeln könnte – stellten jedes für
sich eine große, magische Macht dar, die, wenn wirklich straff
organisiert, einige Ungereimtheiten in der bisherigen aventurischen
Geschichte aufwerfen würden. So hätte es die Hexenverfolgungen in der
Art nie geben dürfen, da sich die Verfolgung einer in einen Krieg gegen
alle ausweiten hätte müssen, denn eine pazifistisch-retrovente
Einstellung, wie sie den Elfenvölkern zu eigen ist, kann man meinem
Wissen nach den Hexen nicht zuschreiben. Wenn es aber nun zu einem gebündelten
Vorgehen der Angegriffenen käme, stelle man sich einmal die Konsequenzen
vor: Eine Gruppe von unter Umständen mehreren Hundert Zauberkundigen, die
über manches Wissen verfügen, was noch der Katalogisierung bedarf,
geeinigt unter einem Ziel, noch dazu hoch mobil durch die Möglichkeit des
Fliegens! Solcherlei hätte sicherlich seine Spuren in den Geschichtsbüchern
hinterlassen, denn wir reden hier von Dimensionen, wie sie sonst nur die
Magierkriege gehabt haben. Da es aber in allen Epochen immer wieder zu
Konfrontationen mit nur einzelnen Hexen kam, kann angenommen werden, dass
es eine übergeordnete, wirksame Struktur nicht gab und gibt. Demnach kann
man davon ausgehen, exekutive Elemente für die Zusammenkünfte der Hexen
getrost außer Acht lassen zu können. Einzig mag es unter Umständen zu
legislativen und iudikativen Beschlüssen kommen, die sich nicht näher
nachweisen ließen. Da die Gemeinschaft an sich laut Aussagen von "Druidentum und Hexenkult" auf lebensbejahende Prinzipien stützt,
aber immer wieder und in letzter Zeit gehäuft von skrupellosen Individuen
berichtet wird, die sich den Mächten der siebten Sphäre zugewandt haben,
kann angenommen werden, dass Entscheidungen ähnlich Disvocatio,
Disliberatio et cetera gefällt werden können.
Auch kam es in der Vergangenheit schon des öfteren vor, dass für
besondere magische Vorhaben eine größere Menge an approbierten Magiern
von Nöten war, sei es ob des schieren Kraftverbrauchs, sei es ob des benötigten
gesammelten Spezialwissens. Da angenommen werden darf, dass auch manche
große Zauber und Rituale – genannt seien hier die permanenten Formen
der sogenannten Hexenflüche – der Hexenschaft diese Parameter benötigen,
ist es wahrscheinlich, solcherlei ebenfalls auf den Hexenconventen
anzutreffen.
Soweit nun also der Vergleich zwischen der Gildenordnung und den
Prinzipien der Hexenschaft, was das Zusammentreffen angeht. Aber man darf
nicht vergessen, welche fundamentalen Unterschiede es gibt: Während die
Gilden eine rein auf der Wissenschaft basierende Institution zur
Optimierung von Forschung und Lehre sowie auch zur Vertretung ihrer
Mitglieder gegenüber weltlichen und geistlichen Stellen darstellen, waren
die Hexen schon immer eine eigene Religionsgemeinschaft, die sich der
besonderen Verehrung einiger minder wichtiger Halbgötter verschrieben
haben, als da seien imprimis genannt Satuaria und Levthan. Letzterer mag
übrigens ob seiner Gehörntheit neben den sogenannten "schwarzen
Hexen" der Auslöser für einiges an Aberglauben im Bezug auf dämonische
Riten im Umfeld der Hexenconvente sein. Ob es nun allerdings festgelegte
Rituale und Kulthandlungen gibt und die Treffpunkte damit den Stellenwert
von Kultstätten, vulgo halbgöttlichen Tempeln, einnehmen, ist nicht
eindeutig festzustellen. Allerdings mag eine größere Menge eindeutig zu
einer Entität affinierter Personen eine gewisse Nähe zu dieser erzeugen,
vor allem wenn dann noch ekstatische Rauschzustände hinzutreten, wie sie
in oben genanntem Werk erwähnt werden im Zusammenhang mit dem Begriff der
nicht näher definierten "dunklen Wonne".
Nun möchte ich meine Überlegungen zu diesem Thema noch einmal in der
Form eines Postulates zusammenfassen: Die Treffen der Hexen, auch Hexennächte
genannt, dienen dem quergerichtetem Wissensaustausch, der lockeren Verständigung
sowie auch Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an Gemeinsamkeit in den
verfolgten Prinzipien, der Bündelung von Kraft und Wissen zum Durchführen
größerer magischer Vorhaben, eventuell der gemeinsamen Verehrung der
genannten Halbgötter und wohl auch der Pflege von sozialen Kontakten in
Form einer Feier, wie sich aus den Erlebnissen besagter Musikanten
ableiten lässt.
Erschienen in Opus no. 33 am 12.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Dissertatio de conventibus filiae satuariae - Partum I.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Responsio de errore filiae et filii satuariae.
Tractatus betreffend die Natürliche &
Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta
Partum II
Im folgenden Artikel präsentiere ich der geneigten Leserschaft des Opus
die Arbeit eines bislang völlig unbekannten Autors, des adeptus minor
Eborëus Zachariad, welcher vor auf den Tag genau einundzwanzig Jahren
Aufnahme fand in den Hallen unserer Akademie. Voll Staunen und ehrlicher
Bewunderung, aber auch mit väterlicher Fürsorge verfolgte ich von da an
den Werdegang meines mir anvertrauten Schützlings. Von Jahr zu Jahr
stellte sich immer deutlicher die einmalige Begabung des adeptus Eborëus
heraus, welcher von HESinde mit einem alles
durchdringenden Geist und Verstand gesegnet war. Und so möchte ich -
nicht ohne Stolz - die Abschlussarbeit des adeptus minor Eborëus
Zachariad hier in meinem Namen veröffentlichen.
Zum Werk an sich muss noch gesagt werden, dass - als ich dem adeptus diese
doch recht schwierige Aufgabe stellte - ich niemals erwartet hätte diese
Brillanz sowohl in den Worten, aber noch viel mehr in den Gedankengängen
meines Schülers vorzufinden, eine Brillanz, welche ich hoffe auch von der
Leserschaft erkannt zu werden. Die Arbeit ist im weitverbreiteten
Responsium (-Stil) gehalten, welcher bedingt, dass auf ein Zitat aus dem
Originalwerk jeweils Stück für Stück geantwortet wird.
So bleibt mir nur noch dem Leser ebensoviel Spaß und Freude an der göttergefälligen
Lektüre dieses Artikels zu wünschen, wie ich sie hatte, als ich dieses
Werk zum ersten Mal in Händen hielt.
Großmeister Erilarion Androstaal
Das folgende Traktat aus dem Nachlass des G.C.E. Galotta, vormals
Hofmagus zu Gareth, stellt eine interessante und offenherzige, wenn auch götterlästerliche
Formulierung seiner verworrenen Gedanken dar, von denen sich der Autor des
vorliegenden Werkes hiermit in aller Deutlichkeit distanzieren möchte.
"Wir wissen, dass PRAios, das mächtigste
dieser Wesen, auch gleichzeitig das am meisten verehrte ist, sei es durch
den Volksglauben, sei es durch Zwang und Gewalt - ist doch PRAios
der Gott des Neuen Reiches."
Der Herr PRAios, der Fürst der Götter, mag wohl eine
gewisse Vorrangstellung innerhalb der Mauern Alverans innehaben, jedoch
wird diese Vorrangstellung oftmals fälschlicherweise mit dem Besitz größerer
Macht oder gar einer Befehlsgewalt über die anderen Götter verwechselt -
so zitiert aus einem Vortrag eines D.N. in Gareth, ich selbst würde mir
über solcherlei Fragestellungen kein Urteil anmaßen. Weiters meinte
ebendieser D.N. jedoch auch, dass der Herr PRAios ja wohl
der Hüter aller Ordnung wäre, und dass ihm dadurch auch eine gewisse vis
ordinata, eine ordnende Gewalt gegenüber seinen Brüdern und Schwestern
gegeben sei.
All dies mag einen Unkundigen meinen lassen, dass der Herr PRAios
der Mächtigste unter den Göttern sei, was jedoch hiermit zu widerlegen
versucht wurde.
"Von ebensolcher Macht seien BORon und RONdra,
die zwei mächtige Prinzipien verkörpern: die Angst vor dem Tode und die
allen Menschen innewohnende Blutgier. Beide zählen zu den anerkannten
Göttern."
Wie schon oben erwähnt, steht es uns Sterblichen nicht an über die
unterschiedliche Macht jedes und jeder einzelnen der Unsterblichen Zwölfe
zu urteilen. Die Verkörperung zweier Prinzipien, wie sie hier vom Autor
fälschlicherweise angegeben wird, widerspricht ganz offensichtlich
jeglichem Verständnis der Kriegsgöttin und des milden Herrn BORon.
Wo RONdra für den gerechten und ehrenhaften
Zweikampf steht, da will ihr Galotta die Eigenschaften des Schwarzen
Prinzen der Chimären, die ihres Sohnes KOr zuweisen. Bei BORon
dem Gütigen verfährt Galotta ähnlich, denn auch hier versucht er dem
Leser eine falsche Vorstellung über den Herrn des Schlafes zu vermitteln
- und dies auf eine raffinierte Methode: Indem er die in wohl jedem von
uns schlummernde Angst vor seinem eigenen Tod weckt, verbindet der Leser
in Gedanken ebendiese Angst mit dem Herrn BORon, auch wenn
uns seine Geweihten ein anderes Bild vermitteln.
"Weniger mächtig sind jedoch FIRun und PHEx,
der Eine, weil nur wenige Jäger und Nordleute ihn verehren, der Andere,
weil sein Kult fast überall verboten ist und nur von wenigen praktiziert
wird."
Die hier getroffenen Aussagen sind ohne weitere Argumentation falsch!
Der gestrenge Herr FIRun wird zwangsläufig von all jenen
verehrt, die auch nur einmal seines jedes Jahr wiederkehrenden weißen
Mantels ansichtig wurden, den er über Felder und Wälder, Berge und
Täler, über die gesamte Schöpfung legt. Mit dem Verbot des Phexkultes
spricht Galotta wohl auf die heimliche Existenz der Tempel des Listigen
an, was jedoch weit entfernt von einem Verbot seines Glaubens ist.
"Ganz ohne Macht scheinen mir die elfischen Göttinnen und die
orkischen Götter, sind doch die Gruppen der Gläubigen sehr klein - nie
wurde ein Mensch zum Beispiel eines Wunders des Brazoragh oder der Nurti
gewahr."
Zuvorderst sei erwähnt, dass Galotta hier wohl dem Fehlglauben
unterliegt, dass alle der orkischen Götzen männlich seien, was uns durch
das Wissen, welches wir in den Orkkriegen über die Schwarzpelze
unfreiwillig vermittelt bekamen, widerlegt wurde. Und was einem jedem Gläubigen
nur natürlich erscheint, das versucht Galotta hier als Besonderheit
hervorzuheben, nämlich das Faktum, dass es sich bei den orkischen bzw.
elfischen 'Göttern' bloß um Götzen, Dämonen oder den zum göttlichen
Prinzip erhobenen Zufall handelt. Wo kein Gott, da kein Wunder!
adeptus minor Eborëus Zachariad
Fortsetzung folgt... von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 33 am 12.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Tractatus betreffend die Natürliche & Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta - Partum I.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Tractatus betreffend die Natürliche & Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta - Partum III. |