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Euch geneigter Leser wird auf den folgenden Zeilen die unfassbare
letzte Beichte eines Wahnsinnigen erwarten. Eufiliat, der von seinen
ketzerischen Anhängern als der "Seher Eufiliat" bezeichnet wurde, war ein armer
Narr, der durch seine ketzerischen Reden üble Vorfälle im zuvor unbescholtenen
Dorf [Name nachträglich entfernt] auslöste. Auf Grund seiner üblen
Machenschaften entschied die Obrigkeit zu Recht, dass er in einem finsteren
Kerker, weitest möglich entfernt vom unbescholtenen Volke, seiner gerechten
Strafe harren sollte. Um seiner schwarzen Seele die Möglichkeit der Reinigung zu
gewähren, beschloss der ehrenwerte Klerus, einen demütigen Diener der Götter zu
ihm hinab zu schicken um seinen letzten Worten zu lauschen. Die Wahl fiel auf
mich, Frater Domenicus. Ich sollte dem armen Narren die Gnade zu Teil werden
lassen, seine üblen Verleumdungen zu widerrufen, auf dass seine Seele geläutert
werde. Doch was mich in den dunklen Verliesen von Enzburg erwartete hatte nichts
mit einem reuigen Sünder zu tun. Ob der wiederholten Unwahrheiten, die das
einzige waren, was ich aus dem Munde des Frevlers entlocken konnte, erließ
unsere weise Obrigkeit das Edikt des Vergessens über meine Aufzeichnungen. Da
ihr, werter Leser, dieses Dokument nun in Händen hält, ist euer Geist wohl stark
genug um die Lügen des Ketzers zu erkennen. Denn nur jenen, denen Zugang zu den
Kammern des verbotenen Wissens in Enzburg gestattet wird, ist ein Blick auf
diese Seiten möglich. Und so trug es sich zu:
Ich betrat das finstre Verlies, Ratten huschten in den Schatten,
als mich der Wächter empfing. Der gottesfürchtige Mann hatte freiwillig seine
Zunge geopfert, um keine unschuldigen Bürger mit den schrecklichen Dingen, die
er jeden Tag sah und hörte, zu belasten. Er öffnete mir die vielfach verriegelte
Türe zur Zelle des Eufiliat, die in tiefer Dunkelheit lag. Ich fasste eine
Öllampe und schritt langsam in das Innere der Zelle. Kaum über die Schwelle,
ward die schwere Eichentür hinter mir bereits wieder verriegelt. Da erblickte
ich den irregeführten Eufiliat. Hände und Füße in Ketten, lehnte sein
geschundener Körper an der rückwärtigen Wand. Ich ließ mich gerade auf den
mitgenommenen Schemel nieder, als er die Augen öffnete und sein bohrender Blick
mich traf. Kaum brachte ich die Worte über meine plötzlich ausgetrockneten
Lippen als ich ihn zum ersten mal fragte, ob er mir etwas zu beichten hätte. Mit
fester, tiefer Stimme begann er zu sprechen:
"Das Volk der Elfen, davon werde ich euch berichten..."
Mit kreischenden Schreien fügte er hinzu:
"JA HERRIN! ICH WERDE ES IHNEN ERZÄHLEN!"
Plötzlich wieder ruhig fuhr er fort:
"Vor einer Äon Äonen ward eine Zeit, noch lange vor dem Tage der Erleuchtung,
als das Geschlecht der Elfen eins war. Vereint unter ihrer Herrscherin Cryl
Galjala, der Fürstin des Lichts. Damals trug es sich zu, dass ein frevelhafter
Verrat geschah. Denn die jüngsten der Elfen, diejenigen welche heute von ihren
erleuchteten Schwestern und Brüdern als die Ängstlichen oder Fartunru bezeichnet
werde, hatten kein Vertrauen in die Weisheit der Cryl Galjala..."
An dieser Stelle konnte ich seinen Lügen nicht mehr lauschen und unterbrach ihn
mit der Feststellung, dass die Legenden aus alten Tagen doch berichten, wie
die damalige Königin von den hinterhältigen Verrätern, deren Nachfahren heute
als Dunkelelfen bekannt sind, feige ermordet wurde. Ein irres Grinsen verzerrte
das Gesicht des Gefangenen als er antwortete:
"Eine Wahrheit die euch diese närrischen Kinder glauben machen wollen! Sie
konnte nur Erfolg haben, weil es die Shadarishbanru noch nie interessiert hat,
was andere, niedere Kreaturen über sie denken. JA! SIE HABEN DIE LÜGEN DER
FARTUNRU BEREITS VERNOMMEN!... NEIN! ES IST NICHT WICHTIG WAS SIE GLAUBEN!"
Diese letzten Worte schrie er wieder hinaus und winzige Schaumbläschen bildeten
sich in seinen Mundwinkeln. Nun konnte ich nicht mehr anders, als den Irren zu
fragen, mit wem er da spräche. Seine Antwort verdeutlichte nur noch seine
geistige Umnachtung, denn er teilte mir mit, er würde mit jedem sprechen, der
ihm zuhörte. Dann fragte er in noch gehässigerem Tonfall:
"Stört euch das etwa, Pfaffe?"
Nachdem ich ihn wieder beruhigen konnte fuhr er fort:
"Seit jenem Verrat, dem Beginn der Finsteren Nacht, leben die Fartunru im Zwist
mit den Shadarishbanru. Denn eines ist wahr: die Fartunru hatten seit jenem Tag
keine Herrscherin mehr und neideten den Shadarishbanru ihre mächtige Führerin.
Die die einst den Namen Cryl Galjala trug, doch von da an als Cryl Jala Ashmor
bekannt wurde. JA HERRIN! ICH HABE IHNEN DIE WAHRHEIT GESAGT!"
"Moment!", unterbrach ich, "Ihr wollt mir also weismachen, dass die Herrscherin
der Shadar noch immer die selbe Elfe ist, die einst über die Gesamtheit des
Elfenvolkes wachte? Das ist vollkommen absurd! Niemand wird so alt! Die Götter
schenkten uns den gütigen Tod, um unser Leben genießen zu können."
Ich gebe zu, der Frevler hatte mich erzürnt mit seinen Lügen. Daher ließ ich
mich aus der Fassung bringen. Noch ehe ich Zeit hatte mich zu beruhigen, sprach
Eufiliat mit sanfter Stimme weiter:
"Ihr habt Recht. Aber nur was die Fartunru betrifft. Was wisst ihr schon über
die Macht der Shadarishbanru, den Bewahrern des Wissens seit Anbeginn der Zeit!
Die Fartunru haben euch sicher auch erzählt, dass sich die verräterischen
Shadarishbanru so sehr grämten ob des Mordes an ihrer aller Herrin, dass sie
fortan in Dunkelheit und im Verborgenen leben wollten und dass ihre Herzen so
vergiftet waren von dieser Tat, dass sie nur mehr im Stande waren, Böses zu
tun?"
Nun gar nicht mehr ruhig und sanft:
"Doch dass ist alles Lug und Trug! JA ICH BERICHTE DIE WAHRHEIT! Die Wahrheit
ist, dass die ältesten und mächtigsten Elfen alle ihrer Herrin die Treue hielten
und sich zusammen mit ihr einer Aufgabe widmeten, die die Jungen nicht verstehen
konnten und wollten. Denn damals ähnelten sie noch zu sehr den schwachen
Menschen."
Hier pausierte der vor Aufregung schnaufende Eufiliat, was ich nutzte um ihn zu
fragen von welcher Aufgabe er nun eigentlich spräche. Doch dieser schrie nur:
"NEIN HERRIN! ICH WERDE ES IHNEN NICHT VERRATEN!"
"Was wollt ihr mir nicht verraten?", stieß ich ihm energisch entgegen. Nun ganz
außer sich, brüllte mich der Ketzer speichelverspritzend an:
"Wollt ihr Antworten auf eure Fragen, müsst ihr auf dem Pfad der Schmerzen
schreiten!"
"Schon gut!", versuchte ich ihn zu beruhigen. Und um das Thema zu wechseln
fragte ich: "Was hattet ihr damals in [Name entfernt] behauptet? Alle am
Veitstanz Leidenden und geistig Umnachteten, sollen in Wahrheit Diener von Cryl
Jala Ashmor sein? Könnt ihr euch noch erinnern, was damals nach eurer Rede
geschah? Unschuldige Menschen mussten sterben!"
Nun wieder grinsend antwortete er mir:
"Weil die anderen Angst hatten. Sie hatten erkannt, dass ich die Wahrheit
spreche! Ihr könnt euch nicht verstecken! Ihr könnt euch nicht schützen! Ihr
müsst dem Lauf der Welt folgen, doch ihr wollt ihn nicht verstehen! NEIN HERRIN!
ICH WERDE IHNEN NICHT MEHR VERRATEN! JA HERRIN! SCHON BALD!"
Dann war die düstere Zelle von Stille erfüllt. Eufiliat sah aus wie ein kleines
Kind, das sich über ein Geheimnis freute. Ich besann mich meiner eigentlichen
Aufgabe und sprach zu Eufiliat in der Hoffnung, er werde daraufhin seine
Ketzereien widerrufen:
"Wollt ihr mir nicht etwas beichten? Ihr wisst, dass der Strick auf euch wartet.
Habt ihr noch irgend etwas zu sagen, bevor ihr euren Schöpfern gegenüber
tretet?"
Meine Worte verhallten wirkungslos. Eufiliat starrte mich nur lächelnd an, ihr
Götter verzeiht mir diesen Gedanken, doch es war gerade so, als würde er sich
schon auf seine Hinrichtung freuen! Ich begriff, dass ich hier nichts mehr
machen konnte und rief die Wache. Fast wie betäubt erhob ich mich und verließ
die dunklen Kerker von Enzburg um nie wiederzukehren. Ich hatte nicht einmal die
Kraft, der Hinrichtung beizuwohnen. Doch wurde mir berichtet, dass Eufiliat
seinen letzten Atemzug vergeudete, um alle Anwesenden ob ihrer Dummheit
auszulachen.
Euer demütiger Diener,
Frater Domenicus
(Christian Sternagel, 2003))
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