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Durische Postille |
Gehört in der Stadt Falderath... 23. Woche des 2. Jahres Das altehrwürdige Gebäude der „Fürstköniglich-faldűranischen Reichsconsiley für Diplomatie und Postwesen“ erhebt sich in weißem Marmor am zentralen Fürst-Folmian-Platz unweit der Residenz des Fürstkönigs und bildet eine der schönsten und wichtigsten Institutionen des Falderather Palastviertels. Als die Gesandten Keltarauns und des Bundes der Alten Weisheit sich der eindrucksvollen weißen Vortreppe der Reichsconsiley nähern, werden sie sogleich von livrierten Dienern empfangen, während eine Abordnung der Falkengarde an der großen Doppelflügeltür, welche die Haupteingangspforte der Consiley bildet, ein pompöses Spalier bilden. Dröhnender Posaunenhall erschallt, als die Gesandten das Spalier der Palastgarde abschreiten. Die blankpolierten Kürasse der Gardisten spiegeln sich in der Sonne, mit metallischem Klingen werden zugleich Dutzende von Säbeln gezückt und den beiden Botschaftern der militärische Ehrengruße des Reiches entboten. Als sie die Ehrenformation durchschritten haben, fällt der Blick der Gesandten auf die gewaltige marmorne Freitreppe im Inneren, welche an den Aufgängen von Statuen der ringenden Friedens- und Kriegsheiligen des faldűranischen Dur-Pantheon gesäumt werden. Auf der Treppe, welche mit einem purpurroten, schweren Teppich ausgelegt ist, steht freundlich lächelnd ein kleiner, recht stämmiger Mann mit einem buschigen weißen Bart in der edlen Brokatkleidung der Falderather Reichsconsiliare – ein Zwerg!
„IM NAMEN DES REICHES UND SEINES ALLWEISEN HERRSCHERS, SEINER MAJESTÄT FÜRSTKÖNIG ETTEL DES ZWÖLFTEN VON FALKENSTEYN, HAT SEINE EMINENZ, DER REICHSCONSILIAR, BARON DURHELM VON ARTAS-SCHMEYEN, DIE GROßE EHRE, DEN HOHEN GESANDTEN DER MÔR’KISHAI KELTARAUN, SEINE EXZELLENZ TARAKOS, SOWIE...“, die hallenden Stimmen der beiden Ausrufer an der Seite der Hereinschreitenden verstummen, um kurz neuen Atem zu schöpfen, „SOWIE DIE HOHE GESANDTE DES BUNDES DER ALTEN WEISHEIT, TORESCHA WOLKEN-IM-WIND, IN DEN HALLEN DES FRIEDENS DER REICHSCONSILEY ZU BEGRÜßEN!“
Kaum dass die beiden Ausrufer geendet haben, tritt der zwergische Reichsconsiliar zuvorkommend lächelnd auf die beiden Ankömmlinge zu. „Dur mit Euch, geschätze Exzellenzen. Ich bin sehr erfreut und dankbar, dass Ihr beide bereit wart, dem Ruf des Friedens Folge zu leisten. Habet Dank hierfür.“
Er verneigt sich vor den beiden Gesandten und führt sie dann die große Treppe entlang, vorbei an holzvertäfelten Fluren und hohen, lichtdurchfluteten Fenstern. Die hochragenden Decken der Consiley und die riesigen Gemäldetafeln, welche einen Ausschnitt der langen Ahnenreihe der bisherigen Leiter der Consiley für Diplomatie und Postwesen und verdienter Consiliarsdiener zeigen, zeugen von der langen Tradition und hohe Achtung, welche die Kunst der Diplomatie im Reich genießt. Schon nach wenigen Minuten öffnet sich der Dreiergruppe um den Consiliaren eine der zahlreichen Flügeltüren und man betritt ein in zarten Blautönen gehaltenes Verhandlungszimmer, in dem einladende Ohrensessel und kleine Beistelltische für die Gäste bereitgestellt wurden. Einige Diener erkundigen sich leise flüsternd nach etwaigen Getränkewünschen der Ankömmlinge, während der Reichsconsiliar anhebt:
„Hohe Exzellenzen, willkommen zu dem ersten zentraldurischen Friedensgipfel! Es ist mir eine große Ehre, Euch in dieser Runde empfangen zu dürfen, auch wenn der Anlass für dieses Treffen ein ernster und sehr, sehr trauriger ist. Ich möchte mich zu Beginn für das entgegengebrachte Vertrauen beider Parteien bedanken. Ich werde mich nach Kräften bemühen, die gestellten Erwartungen durch eine objektive und sachorientierte Vermittlung in der jüngst aufgetretenen Kristallberg-Krise nach Möglichkeiten zu erfüllen. Auch danke ich beiden Parteien, den Bedingungen für diese Gespräche zugestimmt und ihren Willen zur Ermittlung einer friedlichen Beilegung des Interessenskonfliktes erklärt zu haben. Mögen die Verhandlungen beginnen!"
- Jüngst von einem Unbekannten belauscht und aufgeschrieben zu Falderath, Reichskapitale des Fürstkönigtums Faldûrien
(Gerücht)
Der klagende Turm 22. Woche des 2. Jahres Schweren Herzens schritt Elema die Stufen des klagenden Turms im Tal der Geister nahe Sharika hinauf. Der hochaufragende Turm war vor Jahrhunderten während der Zeit der Bruderkriege erbaut worden, um aufständige Schwarzhexer aus den südlichen Provinzen sicher wegschließen zu können. Niemanden gelang jemals die Flucht aus den Gemäuern, da sie mit Zauberkunst und Flüchen versiegelt worden waren, die heute längst in Vergessenheit geraten sind. Gerüchte besagten, dass die Insassen wegen den unablässig und wie irrsinnig heulenden Winden im Tal der Geister ohnehin bald ihren Verstand verlören.
Doch nicht der Turm belastete Elemas Gemüt - trug sie doch das Amulett der Unschuldigen bei sich, das sie vor den Mächten des Turms und seiner Gefangenen schützen sollte. Vielmehr beschäftigte sie das Zusammentreffen mit einem besonderen Insassen.
Zu dem Infernal der Winde gesellten sich vereinzelt Schreie und irres Gelächter, das so abrupt abriss, wie es einsetzte. Die Laterne leuchtete nur wenige Meter der mit Schimmel überzogenen Mauern des Treppenhauses aus und doch glaubte Elema, aus den Augenwinkeln Schatten zu erkennen, die sich entgegen dem Flackern der Kerze bewegten. Richtete sie ihr Augenmerk auf eine solche Stelle, war jedoch nichts zu erkennen. Hin und wieder zuckte sie zusammen, wenn ihr Tropfen von der feuchten Decke auf den Kopf schlugen. Die Schwüle und der Modergeruch nahmen mit jedem Schritt in die Höhe zu und wurden bald unerträglich. Und doch war ihr Weg noch weit: Bei der letzten Besprechung vor dem Aufbruch aus Sharika hatte einer der schweigenden Wächter ein Pergament hervorgeholt, auf dem die Umrisse des Turms zu sehen waren. Der Wächter hatte auf die Spitze des Turms getippt und Elema hatte verstanden: Dort hatten die schweigenden Wächter Tephos eingekerkert. Dort musste sie hin, um ein letztes Gespräch zu führen.
Elema konnte bald nicht mehr einschätzen, ob sie nun schon mehrere Stunden oder gar Tage über die verfallenen Stufen der Wendeltreppe schritt, stetig vorbei an eisenbeschlagenen Eichentüren. Hinter einigen dieser Türen war ein Kratzen zu vernehmen. An eine Tür wurde von innen geklopft, als wollte ein Gast höflich Eintritt in das Treppenhaus erbitten. Wieder andere Durchgänge waren zugemauert. Elema hielt nicht an. Niemand konnte ahnen, was hinter diesen Türen seit Jahrhunderten lauerte.
Schließlich endete die Treppe vor einer Wand. Linker Hand war eine letzte Tür im Kerzenschein auszumachen. Zwischen scheren Mauersteinen lag die Tür im Schatten. Kein Schloss und keine Klinke waren zu erkennen. Auf Augenhöhe war eine verzogene Fratze mit einem eisernen Ring im Maul angebracht – ein Türklopfer. Elema nahm das Amulett in die Linke, schloss die Augen und atmete tief ein. Dann klopfte sie seicht mit dem Ring gegen die Eichentür. Das Klopfen wurde von den schimmeligen Mauern verschluckt. Nichts geschah. Doch nach einigen Augenblicken öffnete sich die Tür einen Spalt breit.
Elema trat in die Kammer. „Tephos?“ Sie erhielt keine Antwort. Auch der schwache Schein der Laterne offenbarte nur zerkratzte steinerne Bodenfliesen und geschwärzte Wände.
„Warum bist du gekommen?“ Die Stimme klang zischend und feindselig, erinnerte kaum an die voll tönende Stimme des ehemaligen Herrschers.
Elema schritt in die Richtung der Stimme. Endlich enthüllt das tanzende Licht einen Thron aus schwarzem Stein. Auf ihm saß – an schwarze Ketten gebunden – Tephos, das wachende Auge, und sah Elema mit leeren Augenhöhlen an.
„Sie haben dich geblendet!“ Tephos schwieg.
Elema versuchte, sich zu beherrschen. „Du hast deine Strafe erhalten. Deine Taten haben unser Reich an den Abgrund geführt, weg vom Licht, hinein in die Dunkelheit. Und doch bist du von meinem Blut. Also kam ich, um dich zu fragen, ob du deine Taten bereust? Vielleicht kann dir Gnade gewährt werden, vielleicht dieses elende Schicksal an diesem verfluchten Ort beendet werden.“
Tephos verzog den Mund zu einem Grinsen, das in Anbetracht seiner gesprungenen Lippen und fehlenden Augen eher einem Zähnefletschen ähnelte. „Nein, deswegen bist du nicht gekommen.“
Lange schwieg Tephos ehe er fortfuhr: „Du bist gekommen, weil du noch immer noch immer nach Rat suchst. Rat in einer Stunde, in der die Zeichen der beginnenden Finsternis heraufziehen. In einer Stunde, in der sich fremde Armeen mit ungewisser Absicht horten. In einer Stunde, in der deine Götter schweigen. Du suchst Rat, bei dem, der sich mit der Dunkelheit eingelassen hat. Bei dem, der nicht wie ein Insekt gefangen unter einem Kelch herumirrt – panisch, ohne Ausweg, ohne Wissen über die Welt außerhalb des Kelchs.“
Elema zuckte zusammen. „Woher weißt du davon?“
„Ich war dort. Ich habe das Orakel gesehen und im Wasser der Kavernen kniend auf die Stimme der Götter gewartet.“
„Das ist ein Sakrileg! Die Karvernen des Orakels sind verboten. Niemand darf dort hinuntersteigen. Nur die, die seit ihrer Geburt als Medium auserwählt war. Ich.“
„Und doch hat mich niemand aufgehalten. Ich wollte mit eigenen Augen diesen Platz sehen und die Weissagungen erfahren, die du erfahren hast. Nicht mehr nur die ausführende Hand, die Befehle überbracht bekommt, vielleicht falsch, vielleicht fehlinterpretiert, vielleicht absichtlich verkürzt. Der Neid sollte ein Ende haben. Dein Einfluss sollte schrumpfen. Schließlich hätte ich dich nicht mehr gebraucht. Und diese Welt mit Hilfe der Dunkelalben unter meinen Füßen zertreten.“
„Oh wärest du nur in den heiligen Wassern ertrunken!“
„Aber das bin ich nicht. Doch tröste dich: Auch zu mir haben die Götter nicht durch das Orakel gesprochen.“
Wieder schwieg Tephos.
„Nicht die Götter. Etwas anderes hat zu mir gesprochen. Das Orakel vibrierte, als die Stimme zum ersten mal wie ein Flüstern ertönte. Dann wurde das Raunen lauter und immer lauter. Ich bäumte mich auf unter den Wogen, die mit aller Macht gegen mein Bewusstsein brandeten. Ich fürchtete, mein Geist würde zerreißen, einfach vergehen unter der Macht dieser Wort, die ich vernahm. Das Orakel selbst bekam Risse. Doch schließlich wurde ich ruhig und alles erschien mir klar und deutlich vor Augen. Die Stimme war vergangen und mit ihr die Macht des Orakels. Geblieben ist die Statue eines Gesichts in einem unterirdischen See. Nichts sonst.“
Elema hatte zu zittern begonnen.
„Doch nicht die Abwesenheit der Götter solltest du fürchten. Das Licht schwindet, die Schatten wachsen. Das Böse ist erwacht, und unaufhaltsam wird es wie eine Flutwelle alles zermalmen. Und alle, die ihm nicht folgen. Alle, die Leib und Leben nicht geben, um ihm zu dienen. Sein Sieg wurde von langer Hand geplant, der Plan ist in der Ausführung. Die Pest im Süden, das Grauen in den Wäldern, das Cheton“ Tephos spie die Worte nun förmlich aus „all dies sind die Vorboten einer Macht, die sich kein Sterblicher vorstellen kann. Und bei ihrem Anblick wird alles vergehen - all jene werden vergehen, die dem Licht hinterher kriechen. Wie du, liebe Elema. Du und deinesgleichen, ihr werdet zu Asche verbrennen.“
Elema schritt rückwärts aus dem Raum, nur weg von der Kreatur, die sich gegen seine Ketten warf und immer lauter schrie.
„Und ich werde meine Rache bekommen für deinen Verrat. Warte nur ab!“
Elema rannte nun die Stufen des Turms hinunter. Weg von dem, was einst ihr Bruder war. Weg von der letzten Weissagung des Orakels.
(Gerücht)
Entfesselt nicht den Berg! 21. Woche des 2. Jahres Offener Brief an den Bund der alten Weisheit
An das hohe Paar Rubinia Sternensang und Vorel vom Sonnenhain.
Mit großen Zorn schreibe ich euch diese Zeilen. Wie könnt ihr es wagen im Begriff zu sein eine Stadt der Môr`Kishaii zu erobern. Diese Tat die zweifelsohne eine Kriegserklärung gegen das gesamte Reich darstellt, wird eine Echo losbrechen das ihr nicht im entferntesten einschätzen könnt.
Wir, das Großreich der Môr`Kishaii werden es nicht hinnehmen dass auch nur eine einzige Provinz von Usurpatoren angegriffen wird. Unser oberstes Ziel ist die Vernichtung des Cheton! So ihr mit diesem Entschluss uns zu schwächen voranschreitet, werten wir diesen Akt als Stärkung der Dunkelheit. Damit einhergehend wird jeder Krieger, jeder Bürger eures Reiches dem Cheton gleich gesetzt und mit voller Härte gerichtet.
Brecht die Belagerung umgehend ab oder wir zermalmen euer Reich wie wir es schon mit etlichen anderen Cheton Kultisten getan haben. Kehrt um und wir werden diesen Vorfall vergessen.
Solltet ihr in eurem Tun festhalten, so versteht dieses Schreiben als eine Kriegserklärung jedem einzelnem Wesen in euren Reihen.
Môr`Kishaii besthar bar fukisham, Gijak Pies!
Ob Brock Shatruful Morg Osh
Herr von Brâzokahr, Kriegsfürst der Bel`Haii
Schlächter der Chetonbrut der Al'Yerhani-Steppe
Môr`Kishai Draût Kûhl
FFV: Tel Toraker Blutzwerge vergehen sich an Hombrer Bevölkerung!! 20. Woche des 2. Jahres Ausschnitt aus dem Reichsblatt:
Fürstköniglich Faldûranische Volkszeitung
politisch - patriotisch - pflichtgetreu
(herausgegeben durch die Zentralconsiley für Preßangelegenheiten im zweiten Quartal des Jahres 1112 AID im 4. Jahre der ersprießlichen Herrschaft seiner fürstköniglichen Majestät, Ettel XII. von Falkensteyn zu Falderath)
TEL TORAKER BLUTZWERGE VERGEHEN SICH AN HOMBRER BEVÖLKERUNG!!
Zeigen die angeblichen ‚Streiter wider das Cheton’ im blutigen Niedermetzeln einfacher Bürger nun endlich ihre wahre Gesinnung?
Falderath / Nebelmoor (Gft. Homber) – Wochenlang hatte der Tel Toraker Zwergenzug, angeführt von ihrem König, Karras al Karrak, beteuert, sie wären nur auf friedlicher Durchreise, um gegen das Cheton zu streiten. Mit einem blutigen Überfall auf die Grafschaft Homber haben die Zwerge nun gezeigt, dass auch von diesem Versprechen nicht viel zu halten war: Ohne Vorwarnung und vorherige militärische Provokation machten die ‚Blutzwerge von Tel Torak’ die örtliche Brand- und Bürgerwehr, einen Handelsreisenden sowie eine Expertengruppe des FWW mit ihren Äxten und Kanonen kaltblütig nieder. Das grausame Vorgehen mehrt die Stimmen im Reich, welche ein härteres Vorgehen gegen die Toraker Truppen fordern – gleichzeitig versucht die Reichsadministration jedoch, die Bevölkerung zu beschwichtigen und den Konflikt mit den Toraker Zwergen nicht noch weiter eskalieren zu lassen. In dieser brenzligen Lage braucht es kühle Sachanalysen und objektive Informationen zur sicheren Orientierung. Die FFV bat daher den Zwergenexperten der Folminan-Ettel-Universität, Dr. min. Alberich von Knopp in einem Exklusivgespräch um seine fundierte Analyse der Ereignisse.
FFV: Herr Dr. von Knopp, wie hat das ‚Blutbad von Homber’, welches die Tel Toraker Zwerge in der letzten Woche anrichteten, auf Euch gewirkt?
AvK: Ich für meinen Teil hatte zwar eine heftiges Vorgehen der Tel Toraker Zwerge erwartet. Dennoch war ich ob der ungehemmten Brutalität doch überrascht. Dass die Zwerge mit einer solchen Härte gegen friedliche Zivilisten und die lokalen Ordnungskräfte vorgehen würden, damit habe ich nicht gerechnet. Dass unter den Toten mit Herrn Karel Dur, dem Direktor des berühmten Fernhandelsunternehmens, dann auch noch ein langjähriger und enger Freund von mir unter den Opfern dieses sinnlosen Gewaltaktes war, hat mich natürlich persönlich sehr betroffen gemacht.
FFV: Wie bewertet Ihr – aus der Sicht eines promovierten Zwergenkundlers – den von Zwergenkönig al Karrnak angeordneten Gewaltakt?
AvK: Was mich vor allem anderen erstaunt hat, ist die peinliche Feigheit dieser Entscheidung. Man muss sich einmal in die Lage Karrnaks versetzen: Da ist er nun mit seinen Truppen weit in den Osten vorgedrungen und merkt, dass seine Rechnung nicht aufgeht, da nun ein Großteil seiner Nachbarn ihm aufgrund seiner Art, kontinuierlich in hemmungsloser Weise gegen alle diplomatischen Gepflogenheiten zivilisierter Reiche zu verstoßen, den Krieg erklärt. Er steht also vor der Wahl, entweder wieder nach Westen zurückzukehren und das eigene Land zu verteidigen oder seinen Ankündigungen zu folgen, und weiter gegen die Plage der Chetonkreaturen im Osten zu ziehen. Sicherlich keine leichte Entscheidung. Was macht aber al Karrnak? Er ignoriert all seine Verpflichtungen und ordnet stattdessen einen Halt in Homber an, um dort die lokale Bürgerwehr ermorden zu lassen. Eine solch klassische Dilemmasituation durch die Verweigerung einer angemessenen Entscheidung lösen zu wollen, ist – gerade auch nach zwergischen Maßstäben – nicht nur absurd, sondern feigstes Drückebergertum.
FFV: Unter den Opfern war auch eine neutrale Expertengruppe der Förderer von Wald- und Wiesen (FWW), welche sich auf dem Weg zu einer Konferenz „Zur Wiederbegrünung der Stadt Trutzingen“ befand...
AvK: Wieder ein Beweis, für die Absurdität des Ganzen. Wer bringt denn friedliche Pflanzenforscher um, wenn die eigene Heimat bedroht ist und zwei Reisewochen entfernt das Cheton seinen giftigen Odem über das Land ausbreitet? Zumal zuvor großspurig erklärt wurde, wie friedlich die Absichten dieses Zwergenzuges seien und man auf gar keinen Fall die Waffen gegen das jeweilige Gastreich erheben wollte, wenn man denn nicht dazu gezwungen werde. Für einen rechtschaffenden Zwergen, wie sie es im faldûranischen Vielvölkerreich zur Genüge gibt, ist das alles ein derart unwürdiges Schauspiel, dass es Steinerweichen ist. Als Zwergenkundler wiederum muss ich sagen, bin ich weniger überrascht, bezeichnet doch das morphologische Suffix „-ak“ – wie hier im Falle ‚Tel Torak’ order ‚al Karnak’ gebraucht – im zwergischen Sprachgebrauch eine Bezugsperson oder Gruppe, die als verwunschene oder sogar völlig ehrlos angesehen wird. Auch hier gilt also der Ausspruch Ettels III.: Nomen est omen.
FFV: Was bezweckt Karras al Karrnak mit einem solchen Vorgehen Eurer Meinung nach?
AvK: Aus seiner Weigerung, nur unweit der östliche Chetonplage seinen großspurigen Ankündigungen nun auch Taten folgen zu lassen, spricht nach meiner Ansicht die nackte Angst des Maulhelden vor der Gefahr. Einem Charakter wie al Karrnak fehlt schlichtweg der Verstand und Mut, sich einem angemessenen Gegner zu stellen – stattdessen schikanieren solche Persönlichkeitstypen lieber großmäulig Schwächere, sind zugleich aber peinlichst darauf bedacht, Konfrontation mit Gleichrangigen oder Stärkeren zu vermeiden, um die Illusion eigener Allmacht, in der sie sich in ihrer Weltflucht zurückgezogen haben, nicht zu gefährden.
FFV: Könnte der landestypische Spott der Homber bei der Anordnung des Gemetzels durch al Karrak ebenfalls eine Rolle gespielt haben? Zuletzt machte das Wort von „Karlchen Knacks Kanonentrüppchen“ und „Carlo Carnacos Wandercircus“ die Runde...
AvK: Zweifelsohne. In der mentalen Welt einer solch zwanghaften Persönlichkeit bedeutet Kritik, die eigenen Fantasiekonstrukte in Frage gestellt und entlarvt zu sehen. Da die eigene Vorstellungswelt oft das einzige ist, was solchen Existenzen bleibt, werden spöttische Bemerkungen als elementare Bedrohung wahrgenommen, gegen welche mit aller Macht vorzugehen ist, um die geschaffenen Selbst- und Trugbilder aufrecht erhalten zu können. Aus seiner Perspektive ist es für al Karrnak durchaus rational, auf neckische Spottgesänge mit blanker Gewalt zu reagieren – es schützt ihn vor der Erkenntnis seiner eigenen Unterdurchschnittlichkeit. Aus einer gesunden Perspektive wird man jedoch sagen müssen: Dieser Herr gehört nicht auf einen Thron, sondern in Behandlung.
FFV: Welches Vorgehen al Karrnaks ist jetzt zu erwarten?
AvK: Das ist natürlich schwer zu beurteilen. Grundsätzlich wird er wohl weiter versuchen, jeder ernsten militärischen Konfrontation mit gleichrangigen Einheiten zu entgehen. Jeder Kritik an diesem Verhalten wird er wahrscheinlich mit weinerlichen Schuldzuweisungen, schiefen Vergleichen, ungenierten Wahrheitsverdrehungen oder sogar glatten Lügen begegnen. Es ist hierbei zu erwarten, dass sich in seiner Reaktion erneut die zwanghafte Ablehnung eigener Verantwortlichkeit Ausdruck verschaffen wird, die al Karrnak auszeichnet: Im Zweifel hat nicht er durch verfehltes Handeln eigene Schuld auf sich geladen, sondern die äußeren Umstände, missgünstige Dritte oder einfach die Garstigkeit der Welt an sich sind für die ungünstige Entwicklung der Dinge verantwortlich zu machen – während selbstverständlich Erfolge nur durch das eigene Genie, eigenen Mut und Kraft erreicht werden konnten. Verliert er, ist er Opfer der Verhältnisse – gewinnt er, ist er der allein verantwortliche Bezwinger seines Glücks. Es ist erstaunlich, dass sich ein solch schwacher Charakter überhaupt so lange auf einem Thron halten konnte. Dies könnte aber ein Hinweis dafür sein, dass die Tel Toraker Zwerge nicht besonders gründlich bei Selektion ihrer Führungselite sind.
FFV: Herr Dr. Alberich von Knopp, vielen Dank für dieses Gespräch.
Mór´kishai Báofu Sun
Die Schlacht von Muldachai 20. Woche des 2. Jahres Der Abend hatte sich längst über die Berge Muldachais gesenkt, aus der Taverne "Zum schwingenden Hammer" klang - wie üblich - das Gegröle der zahlreichen bergalbischen Gäste. "Sauft, Leute, solange Ihr noch könnt", tönte die rauhe Stimme des Krrakas Wartak, des berüchtigten Führers der noch berüchtigteren Schädelspalter, "bald kommen nämlich die Großlinge und Spitzohren, und werden hier alles niederbrennen".
Vorsichtig verließ da der immer verzweifeltere Kundschafter des Bundes der Alten Weisheit, Grax Morgentau, das Lokal. Wer spitze Ohren hat, sollte in derart geladener und alkoholschwangerer Atmosphäre besser den Rückzug antreten. Aber leider zu spät: Krrakas Wartak hatte ihn schon wahrgenommen.
"Da läuft es, das Spitzohr", entfuhr es ihm, "holt ihn Euch, Leute, und dann nageln wir seine Lauscher über die Türe, damit klar ist, was seinesgleichen hier zu erwarten hat." Die Schädelspalter erhoben sich und stürmten zur Türe, wenngleich sie ob ihrer Trunkenheit nicht weit kamen. Die wilden Kerle stolperten über ihre eigenen Füße und ihresgleichen, was die anderen Gäste im Wirtshaus einigermaßen erheiterte.
"Haha, Krrakas, das ist wohl der Grund, wieso Du und Deine Sauftruppe hier zum Garnisonsdienst abgestellt seid", sprach Gnash Gorrok, der Offizier der örtlichen Garde, der "Befreier von Lysthur". "Auf dem Marsch wärst Du ja ohnehin nur im Weg, langsamer als ein Grubenhunt im dichten Wald, und der Feind riecht Eure Alkoholfahne schon ein Dutzend Meilen gegen den Wind."
Mit blutunterlaufenen Augen erhob sich Krrakas: "Ich bring Dich um", plärrte er, und schon begannen seine Mannen, die etwas überraschten "Befreier von Lysthur" nicht nur mit ihren ohnehin schon wieder leeren Bierkrügen zu traktieren, sondern auch bald mit blankem Stahl.
Es kam, wie es kommen musste. Bergalben vergossen bergalbisches Blut, das letzte Bier Krrakas' war wohl eines zu viel, und somit endgültig sein letztes gewesen, hauchte er doch sein Leben sang- und klanglos in einer Lache aus Blut und Erbrochenem aus.
So ging die "Schlacht von Muldachai zu Ende", wie sie von den Bergalben lange besungen werden wird. Der heldenhafte Krrakas, der sein Ende fand, weil er im Suff die örtliche Garnison seines eigenen Volkes angriff. Und die "Befreier von Lysthur", die den Schädelspaltern die Schädel gespalten hatten, während sich Grax Morgentau verängstigt auf einen Baum flüchten konnte.
"Den holen wir da auch noch runter, wenn wir schon dabei sind", brummte Gnash Gorrok, und seine Leute begannen, den Baum zu umstellen ...
Weitere Heldentaten aus Tel Torak sind also zweifelsohne zu erwarten, und sicher wird auch bald darüber ein Heldenlied gesungen werden, wie die "Befreier von Lysthur" unter Einsatz ihres Lebens und größtem Risiko den Unruhestifter und Halb-Basilisken Grax Morgentau endlich zur Strecke bringen konnten, der ja immerhin durch seine bloße Anwesenheit das vorzeitige Ableben Krrakas Wartaks und seiner Schädelspalter verursacht hatte.
(Gerücht)
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