Durische Postille

Abschied
43. Woche des 1. Jahres

Leichtfüßig eilte die junge Frau durch die nächtlich verlassenen Flure des Palastes. Ihre langen schwarzen Haare umwehten die in ein einfaches leichtes Kleid gewandete zierliche Gestalt. Schließlich erreichte sie unbemerkt den Thronsaal. Ein schneller Rundblick gewahrte ihr, daß auch dieser verlassen war, bis auf eine einsame Gestalt, die in Gedanken versunken aus dem Fenster starrte. Lautlos schlich sie baren Fußes näher. Der Mann am Fenster schien nur wenige Jahre älter zu sein als sie selbst, höchstens fünfundzwanzig Lenze mochte er zählen. Er hätte für unscheinbar gelten können, wäre da nicht die Krone auf seinem Haupt.

"Was schleichst du so spät noch durch diese Hallen, Schwesterchen?" Sprach er sie plötzlich an, ohne sich umzudrehen. "Ach, laß nur, mich treibt dieselbe Unruhe aus dem Bett. Wie soll ein Herrscher schlafen, wenn das Schicksal seines Volkes auf Messers Schneide steht?"
Schließlich wandte sich König Brynndal doch ganz seiner Besucherin zu musterte ihr hübsches Gesicht liebevoll.

"Es wird dich freuen zu hören, daß ich meine ursprüngliche Absicht, dich an einen befreundeten Herrscher zu verheiraten, aufgegeben habe. Stattdessen sende ich dich in unsere Kolonien."

"Brynndal, ich kann kämpfen! Schick mich nicht fort, während unser Volk blutet!"

"Ich weiß, Ceinwen, ich weiß. Glaub nicht, daß mir deine geheimen Übungsstunden mit meinem Schwertmeister entgangen wären." Er lächelte traurig. "Eben deshalb mußt du gehen. Mein Platz ist hier, ob lebend oder tot. Doch wenn das Schlimmste eintreten sollte, wirst du dafür sorgen, daß das Reich und das Volk von Sashnadâr überleben, und mit ihm das Haus Dhechayne."

Mit diesen Worten griff er nach einem in ein Seidentuch geschlagenen Gegenstand, der auf der Fensterbank lag. Er zog das Tuch zurück und reichte ihr die darin enthaltene Waffe.

"Dieser Säbel gehörte einst unserem Ahnen Llerwyn Schädeltrinker, doch war er damals schon sehr alt. Zwergen- oder Elbenfertigung, schätze ich, denn er ist immer noch so scharf wie am ersten Tag. Llerwyn mag ein sadistischer Bastard gewesen sein, doch er konnte sich durchsetzen. Und das wirst du auf den westlichen Inseln mit ihren Echsen, Minotauren und Piraten brauchen.
Halte dich an Schleichwege und meide Begegnungen, die zwergischen Späher sind schon ziemlich weit vorgedrungen. Sammle die Flüchtlinge aus den östlichen Reichsteilen, sobald du an die Küste kommst, und bringe sie in Sicherheit. Höre auf den Rat von Vizekönig Llyr Tallwch, er ist ein guter Mann, auch wenn er der Sohn einfacher Fischer ist. Und ansonsten vertraue auf deine innere Stimme, du hast ein gutes Urteilsvermögen, auch wenn ich dir das bisher nie gesagt habe."
Sanft gab der König seiner kleinen Schwester einen Kuß auf die Stirn.
"Nun geh, und mögen die Götter dir beistehen!"

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Als im Osten die Sonne über die Bergspitzen lugte, blinzelte eine junge Schäferin auf einem Ziegenpfad hoch in den Bergen über Eshnaryth in das erste Licht des Tages. Ein aufmerksamer Beobachter mochte den alten Säbel bemerken, der in den Falten ihres groben Rockes verborgen war. Tief unter ihr lag die prächtige Hauptstadt der Sashniden mit dem ach so wohlbekannten Palast. Ein letzter Blick auf die geliebte Heimat, dann wandte sie sich abrupt ab und ihren beiden Begleitern zu, einfachen Bergbauern, wenn auch gut bewaffnet. Ein harter Zug trat in das Antlitz von Ceinwen Dhechayne.

"Wir haben heute noch ein gutes Stück zurückzulegen, also halten wir uns ran! Ich will endlich das Meer sehen!"

Ilbeoria


Môr`Kishai
43. Woche des 1. Jahres

Ein warmer, heller Ton erklang in der Halles des 2. Kindes des Nebels und kündigte Besuch voraus.
Sanftes, beruhigendes Rauschen des Meeres war von der Küste, weit unterhalb der Festung zu hören. Frischer Wind strich durch das sonnendurchflutete offene Fenster in den Raum und brachte das sanfte Geschrei der Möwen mit sich.

Dennoch ließ sich der Herr dieses Raumes nicht aus der Ruhe bringen. Genüsslich nahm er einen Schluck aus der Kristallkaraffe in dem ihm blauer Meerschaumwein aus der Heimat serviert worden war. Ein leichter Nebel lag über dem Getränk und ließ seine Sinne in dutzendfacher, erquickender Freude prickeln.
Harmonisches Harfenspiel war vom Nebenraum zu hören und beruhigte den Geist des Denkers.

Erst als er sah wer da in seinen Raum mit forschen Schritten hereintrat legte er den Bericht aus der Ferne zur Seite und erhob sich gemessen und ruhig.

“Legat welch Ehre, dass ihr mich in meinen Räumlichkeiten besucht. Es ist mir...”
Da wurde er schon von einer energischen Handbewegung des 1. Nebelkindes vom Wort abgeschnitten.

“Mein Freund... vorbei sind deine Zeiten deiner Ruhe.” hallte Neth-comes laute, klare Stimme durch den Raum. Ein Feuer brannte in ihr, die das 2. Kind schon viel zu lange nicht mehr gehört hatte.

„Du sitzt hier und schlürfst deinen Wein während dort draußen in der Wüste schlorchende, schleimende Fleischberge Reisende und friedliche Bewohner zerreissen und verschlingen!
An allen Seiten unseres Reiches toben die Völker durch die Welt. Kriege und Schlachten im Norden, das Cheton im Westen und im Norden, Gefahren über den weiten Ozeanen, im Westen wie im Osten und bei allen Nebeln – die Stadt des Sklavenreiches Hebeseth steht immer noch!

Und du hier schlabberst in Frieden deinen Wein! Sag hast du keinen Anstand!? Wo ist deine Ehre?!“

Verdutzt blickte das 2. Kind des Nebels seinen Legaten an. Solche Worte...

„Aber Herr es ist so viel zu tun und die Berichte sind...“

Laut zerbarst die Kristallkaraffe an der marmornen Wand.

„Hörst du eigentlich den jämmerlichen Klang deiner Worte?! Wann hast du das letzte mal dem Feind mit deinem Stahl in der Faust ins Antlitz geblickt und ihm deine Verachtung und deine Wut entgegen gebrüllt?!“
Die Stimme des Legaten wurde immer lauter und knallte wie ein Peitschenschlag durch den gesamten Trakt der Festung.

Das zweite Kind des Nebels blickte seinen Herrscher aus großen Augen erschüttert an.

„Dalea unsere Mitte – Ausgeglichenheit - bedeutet nicht Trägheit und Akzeptanz von allem was dort draußen passiert! Diese Welt braucht unsere Tatkraft. Freundinnen und Freunde dort draußen brauchen unsere Hilfe.
Verbündete und Wesen und Völker deren Namen wir noch nicht einmal kennen.
Es ist an der Zeit zu Handeln.
Ruf die Schwesternschaft zusammen!
Versammel die Paladine!
Der Krieg steht vor den Toren!

Und nicht zuletzt wirst du Ul-Parras von den dritten Kindern eine Proklamation aufsetzen lassen. Wir haben etwas zu verkünden.
Die Welt lodert im Krieg ums Überleben. Dort draußen verrecken Hunderte und Tausende unbeweint und Namenlos.
Das Cheton reisst an den Grundfesten der Gesetze diese Welt!
Und noch immer gibt es Leute die faul auf ihrem Arsch sitzen und Wein saufen anstatt die Waffe zu ergreifen und um ihr überleben zu kämpfen.

Doch wir nehmen die Herausforderung an die uns gestellt wurde!
Und wir sind nicht alleine

Ein neues Banner wird unter Sonne und Sternen über Durien wehen!
Die Standarte von Anfang und Ende! Unter den Farben des brennenden Schattens, der Dämmerung zwischen Licht und Finsternis marschieren unsere Legionen in den Krieg.
Die Heerscharen der Môr`Kishai!

Verkündet es der Welt!”


*****
“Völker, Herrscher und Bewohner Duriens,

mit dem Segen Daleas verkünden wir die Gründung des Großreichs Môr`Kishai.
Seit dem Schlag dieser Stunde sind die Völker

Môr`Kishai Keltaraun
Môr`Kishai Draût Kûhl
Môr`Kishai Nargashtal

ein Großreich. Môr`Kishai spricht mit einer einzigen Stimme und handelt als EIN Reich unter einem Banner.

Gemeinsamkeit statt Grenzen
unsere Unterschiede sind unsere Stärken

Für Dalea!
Für Durien!

Tai-shan halud Môr`Kishai

erresta

Neth-come
Legat

Môr`Kishai Keltaraun


Ein kurzer Augenblick...
43. Woche des 1. Jahres

Es war das Ende der 42.Woche des 1.Jahres nach dem Erwachen.
Es war kein besonderer Tag, es versprach kein besonderer Abend zu werden.


Ignaz schritt hängenden Hauptes über die blühende Blumenwiese auf der Insel im sturmumtosten Eismeer des Nordens. Die Aufgabe, die auf seinen Schultern lastete, wog schwer und es war beinahe unmöglich, sie zu bewältigen. Das Leben so vieler hing davon ab. Nicht zuletzt das Leben seiner geliebten Frau. So viele würden dafür ins Verderben geführt.
Mit einem Mal erfasste ihn eine warme Windböe vom Süden kommend und fuhr ihm durch den langen, wallenden Bart. Unmerklich hob er den Kopf, sein Blick richtete sich geradeaus und er spürte, dass es möglich war. Er konnte es schaffen...


Die furchtlose Entschlossenheit der Goblins und Orks und ihr Wille dem Chaos zu trotzen schwappten wie eine Welle über das Schlachtfeld. Und durch die Geisterwelt. Sie löste etwas in den astralen, verästelten Bahnen des Myzels aus. Es kannte keine Gefühle, hatte noch nie welche gespürt und kaum davon gehört. Bis jetzt ...


Es war vollkommen dunkel um ihn herum. Er stand tief unter der Erde, weiter vermulich, als jemals ein Elf zuvor gekommen war. Es roch nach Erde, er hatte diesen feucht-modrigen Geruch schon seit Tagen in der Nase. Und es war Leben um ihn herum, selbst hier unten. Er konnte es zwar nicht sehen, aber er hörte es allenthalben.
Er fühlte, wie ihm die tonnenschwere Last des Humus, der Wurzeln und Steine über und um ihn das Atmen schwer machten. Es war beklemmend. Er war dafür nicht gemacht. Die Angst setzte ihm hart zu und er wäre geflohen, sofort, hätte auf der Stelle kehrtgemacht.
Wenn da nicht ein kurzes Beben das Erdreich erschüttert hätte. Etwas war geschehen, und er wusste: Er konnte zu den Wurzeln finden, auf diesem Weg, er konnte das Schicksal seines Volkes finden. Es war möglich...


Die beiden Schwestern hatten sich freiwillig zu dieser Mission gemeldet. Ihr Prinz hatte danach gefragt, und es war ihnen eine Ehre gewesen. Doch von dieser Ehre war hier, im Schatten des riesigen Höhleneingangs, in dessen Nähe sie sich verborgen hielten, nichts mehr zu spüren. Der faulige Odem des Lindwurms hatte in den Tagen und Wochen auf dieser Insel ihre Sinne getrübt: Die Augen waren entzunden und gerötet, die Nase verstopft, nur hin und wieder rann grünlicher Schleim daraus hervor, und ihre Haut warf Pusteln und Beulen. Müde ließen sich die beiden zurück gegen den harten Stein sinken. Nur einmal kurz die Augen schließen, sie würden die Entführte schon nicht verpassen. Schon fielen ihnen die müden Lider zu, als mit einem Mal ein ohrenbetäubendes Peitschen aus der Höhle zu vernehmen war. Etwas hatte den Lindwurm geweckt. Etwas war vorgefallen. Sie hatten es beide deutlich gespürt.
Kurz sahen sie Bilder vor ihrem inneren Auge: Sie beide, auf einem Boot, auf dem sicheren Heimweg. Dann in der Stadt, der Prinz hieß sie persönlich willkommen, ehrte sie. Die Hochzeitsfeierlichkeiten würden bald beginnen.
Dafür würden sie ausharren, alles auf sich nehmen. Sie konnten es schaffen...


Es war, als ob für einen kurzen Augenblick alles möglich wäre. Hunderte, tausende solcher Momente, am ganzen Kontinent. Als ob das Schicksal der Welt sich neu ausrichtete. Und für diesen einen kurzen Augenblick hielt die Welt ihren Atem an.

Dramatis Personae


Imperialer Erlass
42. Woche des 1. Jahres

Aufgrund der fruchtbaren Verhandlungen mit dem Prinzen Sinthoras des Reiches Karmanthi sowie den entgegenkommenden Worten Elemas aus Pylien über die durische Postille ergeht hiermit folgender Erlass:

- Die Kampfhandlungen und Manöver wider den Reichen Karmanthi und Pylien sind umgehend einzustellen.
- Alle äternischen Truppenverbände verlassen auf direktem Wege die Gebiete eben jener Reiche. Lediglich einige Beobachter sowie vertraglich vereinbarte Diplomaten bleiben für eine begrenzte Zeit zurück.
- Die beiden eroberten Regionen werden umgehend ausgegliedert und dem pylischen Reich zurück verantwortet. Ebenso wird die durchführbare Eroberung einer weiteren pylischen sowie einer karmanthischen Provinz nicht durchgeführt.
- Es gilt ab sofort ein Waffenstillstand.
- Es werden Gespräche in die Wege geleitet, um über einen Friedensschluss zu verhandeln.

Karmanthi und Pylien sind dem Äternischen Imperium entgegen gekommen. Das Äternische Imperium hegt weder Groll gegenüber diesen noch ist es nachtragend und hat obige Maßnahmen als Zeichen seines guten Willens gesetzt.

Mögen die Anführer weise und besonnen für eine glorreiche Zukunft dieser Reiche eintreten!

Lux triumphat!

Imperator Asmodeus Äternitas I.

Äternisches Imperium


Begegnung mit dem Licht
42. Woche des 1. Jahres

Elema stürmte in den königlichen Thronsaal.

"Was hat das zu bedeuten, Tephos? Mich erreichte die Kunde, dass Äternische Truppen in Pylien eingefallen sind und eine Provinz erobert haben."

"Die Kunde hat dich richtig erreicht."

"Die Kunde beinhaltete auch, dass dies geschieht, weil du Truppen an ihrer Grenze zusammen gezogen hast!"

"Auch das ist wahr."

"Dann verantwortest du allein diesen Krieg!"

"Falsch! Ich habe Truppen zusammen gezogen, ja. Ich habe über einen Angriff nachgedacht, ja. In Anbetracht der Äternischen Postillen-Artikel nicht verwunderlich. Hexenwesen! Pah"

"Wegen einem Postillen-Artikel wolltest du Krieg vom Zaun brechen?"

"Hinzu kommen unsere ermordeten Botschafter..."

"Auch dies rechtfertigt keinen Krieg. Komm zur Besinnung!"

"Nein. Es ist zu spät. Wir werden das Imperium mit besiegen, ein für alle mal. Dieser Zwist wird in Sharika besiegelt. Und so die Götter wollen, werden wir siegen! Kein pylisches But soll umsonst vergossen werden."

"Aber das wird es! Ob wir mit der Unterstützung der Karmanthi siegen werden oder das Imperium - es ist einerlei. Viele werden ihr Leben lassen und keinem ist geholfen. Die Götter wollen diesen Krieg nicht."

"Die Götter! Was scheren mich die Götter? Ich bin Pylien! Und ich werde Äternisches Blut vergießen!"

"Dann ist es wahr... meine erste Vision bezog sich nicht auf die Völker um uns herum. Sie bezog sich auf Pylien! Das Blut des Volkes soll vergossen werden, das sich über alle anderen stellt... Palastwache! Ergreift meinen Bruder!"

"Du wagst es?" Tephos zog sein Schwert und schritt auf Elema zu. Doch hatte Tephos unterschätzt, dass Elema mit der Stimme der Götter zu sprechen vermochte - und mit der Befehlsgewalt der Götter.

Nachdem mehrere Wachen von Tephos erschlagen wurden, konnte dieser überwältigt und in die Kerker Sharikas eingesperrt werden.

Elema blickte auf die Schnittwunden, die sie für immer an diesen Tag erinnern sollten. "Ruft nach dem königlichen Schreiber."

Der Schreiber traf wenige Augenblicke später ein. "Ich will, dass du mitschreibst, was ich sage und es in der Postille veröffentlichst.
An Imperator Asmodeus Äternitas I.
Wir bedauern unsere Taten gegen Euer Reich wie auch das Aufrüsten. Das sinnlose Trachten nach Blutvergießen soll ein Ende haben. Wir laden euren Botschafter zu Friedensverhandlungen in unsere Hauptstadt ein - möge er uns den Weg ins Licht weisen."

Pylien