Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

19. Travia im 54. Götterlauf nach Hal

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Was es zu herrschen bedarf - Versuch einer PRAiosgefälligen Legitimation

Seltsam mag es manchem anmuten, dass hier, in einer Zeitschrift der Magie, einem arkanen Blatt sozusagen, ein Artikel über den Götterfürsten, über die Legitimation der Herrschaft des Adels zu lesen ist. Und gar noch seltsamer mag es vielen scheinen, dass dieser Artikel aus der Feder eines Adepten der arkanen Künste stammt. Eben diesem seltsamen Empfinden, das sich da bei einigen einzuschleichen versucht, möchte ich gleich hier und jetzt, am Beginn meines Traktates, entgegenwirken. Ad primum anerkennen auch wir Magier den Herren PRAios, die Ordnung und das Recht. Auch wir sind seiner Herrschaft unterworfen und dienen ihm, ob wir dies nun bewusst oder auf verschlungenen Pfaden tun. Denn wie, so frage ich, kann man sich der Macht eines Gottes entziehen? Et ad secundum möchte ich dem geneigten Leser nochmals den Namen dieser Postille ins Gedächtnis rufen: Opus veritatis scientiaeque - also "Werk der Wahrheit und des Wissens". Nun jedoch seien genug der einleitenden Worte geschrieben, gehen wir in medias res.

"Zwei Dinge sind es, durch die an erster Stelle Dere regiert wird: durch die geheiligte Autorität der Geweihten (auctoritas sacrata pontificium) und die kaiserliche Gewalt (regalis potestas)." (aus: Offenbarung der Sonne - Gespräche mit dem Götterboten) Beide Herrschaftsformen, Autorität (auctoritas) sowie Gewalt oder Macht (potestas), gehen auf den Götterfürsten selbst zurück. Beide sind jedoch getrennt voneinander, und nur so sind sie denkbar. Wessen Ziel es ist, beide zusammenzuführen und zu vereinigen, der begeht einen Frevel wider die göttliche Ordnung, denn er maßt sich an zu herrschen, wie nur PRAios selbst es vermag. Doch mögen auctoritas und potestas auch voneinander unabhängig sein, so sind sie doch aufeinander angewiesen. So heißt es in der Offenbarung weiter: "Denn PRAios hat, der menschlichen Gebrechlichkeit gedenkend, durch eine großartige Anordnung verfügt, was dem Heil der Seinen förderlich sei, und die Ämter beider Gewalten je nach eigener Funktion und besonderer Würde unterschieden, dass einerseits die Kaiser für das ewige Leben die Geweihten benötigen, andererseits die Geweihten für den Lauf der zeitlichen Dinge nach den kaiserlichen Verfügungen lebten." Interessant ist hierin wiederum die diesmal konkrete Trennung von der auctoritas (der Geweihten) gegenüber der potestas (der Kaiser bzw. des gesamten Adels).
Versuchen wir uns also nun an einer Definition der beiden zentralen Begriffe, so könnte diese in etwa so lauten: Die potestas ist diejenige Macht, Gewalt oder Herrschaft, mittels derer die weltlich Untergeordneten in Zaum gehalten werden - Die auctoritas ist jedoch jene Autorität, welche die Hoheit des Mehr- oder Übergeordnetseins bedeutet.
Wo aber finden wir dann jenen Punkt, an dem beide Herrschaftsformen aufeinander angewiesen sind? Nun, die Autorität der Geweihten gibt den Rat zu tun oder zu unterlassen und hat den von PRAios verbrieften Anspruch auf freiwilligen Gehorsam. Denn wo würde ein Geweihter der Zwölfe jemanden zwingen können wahrhaftig zu glauben und wo hätte ein durch das Feuer und Schwert vermittelter Glaube schon je Früchte getragen, welche nicht spätestens nach wenigen Monden verfault waren? Wird aber der Rat der Autorität der Geweihten nicht befolgt, so hat die auctoritas auch die potestas, also die Macht, die Befolgung des Rates durch Herrschaftsgewalt zu erzwingen.
Und genau hier sind wir an jenem Punkte angelangt, an dem sich die beiden Gewalten überschneiden, an dem die eine (die potestas) auf die andere (die auctoritas) angewiesen ist. Denn potestas ist ausschließlich als autorisierte zulässig; potestas ohne auctoritas ist Gewaltherrschaft, götterverachtende Tyrranei. In der vollkommenen Welt wäre diese potestas überflüssig, denn wo man bereitwillig dem Richtigen aus freiem Willen heraus folgt, da bedarf es keiner zusätzlichen Macht, welche die Autorität stützt. Da jedoch die Menschen in ihrem Zielstreben einen je und je verschiedenen Ausgangspunkt haben und somit je und je unterschiedliche Zielsetzungen wählen, ergibt sich ganz natürlich die Frage, wie nun das Gemeinsame (Wohl) in allen Verschiedenheiten gefunden werden kann. Also muss es einen über den einzelnen stehenden Lenker (den Kaiser, oder allgemeiner: den Adel) geben, der nicht vom einzelnen, sondern vom Gemeinsamen ausgeht. Da die vielen einzelnen Menschen von Natur aus nicht das Gemeinwohl garantieren können, muss zur verbindlichen Auflage dessen, was zum Gemeinwohl führt (der potestas), eine weitere Kompetenz hinzukommen - und das ist die Autorität. Diese Autorität als Kompetenz im Sinne des Gemeinwohls (des Seelenheils) verbindlich anzunehmen, ist jener, der die Macht (die potestas) innehat, verpflichtet, denn diese Autorität stammt von jenem, der das Gemeinwohl selbst begründet hat, vom Herren PRAios.
Die Autorität ist denn also Leben und Seele einer jeden Herrschaft. Sie ist es, die bewirkt, dass über so viele Tausende von Sterblichen eine einzige Person herrscht, bisweilen die eines alternden Greises. Sie ist eine scharfe Waffe zur Herrschaft, die die Menschen eher in ihren Pflichten hält, als Waffengewalt oder Strafandrohung dies tun können. Und diese Autorität wird durch innere Qualitäten gewonnen, so durch Frömmigkeit, durch Fürsorge, durch Tapferkeit, durch Zuverlässigkeit, durch Bescheidenheit, durch Mäßigkeit, durch Beherrschung seiner selbst sowie durch Genügsamkeit. Zur Autorität (der Geweihten) bedarf es also höherer Einsicht und tieferer Weisheit - Potestas (der Adeligen) ist lediglich eine handelnde Funktion der Autorität. Oder um es mit einem profanerem Beispiel zu erklären: Das Gericht hat auctoritas, aber der Vollstrecker des Urteils übt potestas aus.

Doch welche Autorität wäre dies, würde sie niemals Irrungen erliegen und Fehler begehen? Denn eine solche Autorität bleibt alleine dem Götterfürsten selbst vorbehalten, und so will ich an dieser Stelle auch auf den Zustand des Widerstandes gegen potestas, ja sogar gegen auctoritas eingehen:
Denn jeder Unterworfene, ob er nun der potestas oder der auctoritas dient, hat das Recht auf Widerstand. Ja, bei PRAios, dies wage ich mit aufrechtem und immer noch angewachsenem Haupte festzustellen. Jedoch, nur einen Grund haben die Menschen, nicht zu gehorchen! Wenn nämlich  etwas von ihnen gefordert werden sollte, was dem göttlichen Gesetz offenbar widerspricht. "Denn nichts von allem, wodurch der zwölfgöttliche Wille verletzt wird, ist zu gebieten oder zu tun erlaubt." (aus: Offenbarung der Sonne - Gespräche mit dem Götterboten) Auch besteht weiters kein Grund, jene, die so handeln, der Verweigerung des Gehorsams zu bezichtigen, denn wenn der Wille Gottes den durch potestas oder auctoritas bestimmten Gesetzen widerspricht, dann überschreiten jene Träger der Macht und Autorität ihre Befugnisse und zerstören die praiosgefällige Gerechtigkeit. Dann wird ihre Autorität hinfällig, denn wo Gerechtigkeit fehlt, da ist auch keine Autorität!
Doch sind dem Widerstandsrecht auch Grenzen gezogen, wie ich meine, denn nur sehr schwere Notstände des allgemeinen oder des Seelenheils eines einzelnen berechtigen zu aktivem Widerstand, und der aktive Widerstand kommt nur als letztes Mittel der Verteidigung bzw. Hilfe in Frage. Er ist nicht gestattet, wo die Lage sich durch ihn nicht bessert, sondern nur verschlimmert.

Mit diesen Überlegungen hoffe ich einerseits dem werten Leser meine Gedanken nähergebracht zu haben - vielleicht mögen sie ihm ja ebenso einleuchtend erscheinen wie mir - andererseits hoffe ich, dass diese meine unbedeutenden Gedanken auch unter den Geweihten des Götterfürsten Gefallen finden und ich so einen Schritt in Richtung gemeinsamer Zusammenarbeit tun kann.

Schließen möchte ich nun noch mit einem Werk aus der Feder des Skalden Sandor aus Prem, eines Mitgliedes der Halle der lebenden Erinnerungen, der Bardenschule und landeskundlichem Seminar zu Weidenau – Hohelucht:

Die Ehre PRAios

Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre,
Ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.
Ihn rühmt ganz Dere, ihn preisen die Meere;
Vernimm, o Mensch, sein göttlich Wort!

Wer trägt des Himmels unzählbare Last?
Wer führt die Sonn aus ihrem Zelt?
Sie kommt und leuchtet ohne Rast,
Und läuft den Weg, gleich als ein Held.

Vernimm's, und siehe die Wunder der Werke,
Die PRAios Glanz dir aufgestellt!
Verkündigt Weisheit und Ordnung und Stärke
Dir nicht den Herrn, den Herrn der Welt?

Kannst du der Wesen unzählbare Heere,
Den kleinsten Staub fühllos beschau'n?
Durch wen ist alles? O gib ihm die Ehre!
Mir, ruft der Herr, sollst du vertrau'n.

Mein ist die Kraft, mein ist Himmel und Erde;
An meinen Werken kennst du mich.
Ich bin's, und werde sein, der ich sein werde,
Der Götterfürst auf ewiglich.

Ich bin dein Schöpfer, bin Weisheit und Güte,
Ein Gott der Ordnung und dein Heil;
Ich bin's! Mich liebe von ganzem Gemüte,
Und nimm an meiner Gnade teil.

Adeptus maior Eborëus Zachariad

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 100 am 18.3.2001.
Zu diesem Artikel erschienen folgende Reaktionen oder Fortsetzungen: Reaktion auf den Artikel "Was es zu herrschen bedarf", Reactio ad "Was es zu herrschen bedarf".

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