Über das Wachstum von
Bäumen und Kriegern...
Mit großer Freude darf ich der geschätzten Leserschaft des Opus bekannt
geben, dass wir in den kommenden Ausgaben nun endlich auch all jenen
Wissen und Lehrreiches präsentieren können, die sich gar nicht oder nicht
ausschließlich mit der Magie und der Philosophie beschäftigen. Nach
mondelanger Suche gelang es mir nun endlich einen göttergefälligen Krieger
zu finden, der sich bereit erklärte in den nächsten Ausgaben des Opus
veritatis scientiaeque einige kurze Geschichten aus seiner Lehrzeit an der
Akademie "Rondras Ehre" zu veröffentlichen. Man möge dem Krieger
nachsehen, dass er seine Texte nicht in wissenschaftlicher Hinsicht prüft
und verfasst, sondern sie in Form von Tagebucheinträgen aus seiner Zeit an
der Akademie zu kleinen Textpassagen zusammengestellt hat und nun auf
diese Weise wiedergibt.
Ich möchte mich auf diesem Wege zum wiederholten Male bei Reochaid Ynlais
bedanken und wünsche der Leserschaft des Opus nun viel Vergnügen bei der
Lektüre der ersten Textstellen.
adeptus maior Eborëus Zachariad
Über das Wachstum von Bäumen und Kriegern...
Erinnerungen am letzten Tag:
Ich weiß es noch genau: Gleich am ersten Tag, sobald ich in die
Kriegerschule eintrat, noch bevor wir unsere Kammern beziehen konnten,
wurden wir angehalten einen Baum zu pflanzen. Jeder von uns bekam eine
Hand voll Samen in die Hand und wir suchten uns einen Platz etwas
außerhalb der Mauern der Schule auf einer Wiese, wo wir die Samen in das
Erdreich legten. Jeden Tag sprangen wir bei unseren körperlichen Übungen
über die Stelle, an der der Same lag. Der Same keimte, und wir sprangen
darüber. Der Keim wurde zu einer Pflanze, und wir sprangen weiter darüber.
In der ersten Zeit fand ich das langweilig und eine Zeitverschwendung.
Doch ganz allmählich wuchs der Baum - und ich musste immer höher springen.
Auf die gleiche Weise wurden wir unterrichtet: Geduldig und eifrig
bereiteten wir uns auf die Anforderungen und Hindernisse vor, die mit
zunehmender Dauer der Ausbildung stets größer wurden. Dadurch wurde ich an
Herausforderungen gewöhnt. Als ich begriff, dass ich eines fernen Tages
einen ausgewachsenen Baum überspringen musste, wenn ich diese Übung oder
Gewohnheit (was von beiden es war, wusste ich nicht zu sagen) beibehalten
wollte, da verstand ich auch, dass es nie die gestellten Aufgaben waren,
die unmöglich und zu weit entfernt waren, sondern immer das Ziel, das man
sich steckte. So arbeitete ich tagtäglich hart an mir und bewältigte jede
mir gestellte Aufgabe; und an jedem Tag übersprang ich den wachsenden und
keimenden Baum, indem ich stets noch ein bisschen höher sprang. Auf diese
Weise verbesserte ich meine Fähigkeiten und näherte mich dem
unerreichbaren Ziel.
Und sobald der Tag gekommen war, an dem ich den Baum nicht mehr
überspringen konnte, wusste ich, dass mir die Kriegerschule auch keine
Möglichkeiten mehr bieten konnte meine Kräfte und Fähigkeiten noch zu
steigern. So wusste ich mit Sicherheit und ohne, dass mir mein
Schwertmeister dies bestätigen hätte müssen, wann meine Ausbildung
abgeschlossen und ich bereit für die letzte Prüfung war.
aus dem Tagebuch von Reochaid Ynlais
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 142 am 10.2.2002.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Über den besseren Krieger....
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